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MELOS
ZEITSCHRIFT FUR MUSIK
XL JAHR
19 3 2
DER MELOSVERLAG / MAINZ
Inhaltsverzeichnis zum 11. Jahrgang (1932
(nach Autoren geordnet)
Seite
Auf dem Wege zur Planwirtschaft 132
,Ausschnitte
aus : Vierteljahrsschrift fiir Literaturwissen-
-" schaft und Geistesgeschichte 190
Opernkrise im Ausland . . 366 '
Berten, Walter
Katholische Kirchenmusik 331
-Berten, Walter, und Eigel Kruttge
Katholische Kirchenmusik 181'
Bloch, Paul J.
Diskussion fiber MELOS : Der Journalist . . 9
Boettcher, Hans
Zur Frage : Musikverstehen und Klassenzu-
gehorigkeit 100
Curjel, Hans
Neue Kriterien - Neue Mafistabe .... 81
Danckert, Werner
Morphologie der deutschen Romantik . . . 177
David, Han9
Gestern, heute, morgen 45
' Rundfunk und alte Musik 94, 139
Neue Hausorgeln 379
Doflein, Erich
Orffs Freiburger ImprovisationBkurs .... 28
Zur Lage der Musiklehre 266
Doflein, Erich, und Erich Katz
^ Diskussion fiber MELOS: Junge Musikpada-
gog ik 9
Ebert, Carl
Buhnenleiter zur Operettenfrage 224
Ehinger, Hans
Tonkunstlerfest in der Schweiz 184
Epstein, Peter
Musik in Breslau 26
Fleischer, Herbert Selte
Das venezianische Musikfest 341
Friedrich, Julius
Musik wider die Zeit 293
Gaby, Robert
s' Pariser Notizen 104
./'Im Westen wenig Neues 230
Pariser Novitaten 410
Gatti, Guido M.
Italien 14
Neue italienische Opern 329
Gericke, Hermann P.
Musik und Protestantismus 90, 136
Glaser, Ernst
Ein nordisches Musikfest 186
Goering, Reinhard
Erneuerung des Theaters 395
/Gotze, Hellmuth
Buhnenleiter zur Operettenfrage 226
Gronostay, Walter
Der Rundfunk ist kein Konzertsaal .... 406
Gutman, Hanns
Rundfunk ohne Grammophon? 16
\^- Funkstunde Berlin : Novitaten aus drei Epochen 19
Puccini und Strawinsky .......... 58
^/Opernfunk oder Funkoper? 96
, Leidite Musik 219
Stichproben auslandischer Zeitschriften . . 287
Genormte Kunst 323
Hartmann, Georg
Buhnenleiter zur Operettenfrage 226
Hegar, Walter
Musikkrise als Krise des Lebensgehalts ... 415
/Herzfeld, Friedrich
Die Historisierung der Oper in statistischer
Darstellung 318
INHALTSVERZEIC'HNIS
III
im-
?4-
-1
'■■3-,
.■•
/Hezel, Erich Seite
' Diskussion fiber Melos : Der Regisseur . . 5
Jahn, Fritz
/ Neue Musik in Nfirnberg 242
Jemnitz, Alexander
( Operette audi in Budapest 68
Jhering, Herbert
X Fiir die Kunst des Theaters! 85
/' Katz, Erich, und Erich Doflein
' Diskussion fiber Melos : Junge Musikpadagogik 9
/Koster, Ernst
' Heutige Aufgaben des Bfihnentanzes . . . 353
Kracauer, Siegfried
^ Film von heute 88
Kruttge, Eigel und Walter Berten
f Katholische Kirchenmusik 181
Laaff, Ernst
/ Jubilaum mit Laienmusik 243
■ Lade, Ludwig
^ Die Kunststadt Munchen 374
Laux, Karl
• Mannheim: Spiegel der Provinz 148
Was ist ein Bachfest? 291
Gefesseltes Theater 315
Nun auch Tschaikowsky-Renaissance ? . . . 423
London, Kurt
L'Arlesienne 53
Filmstil und Filmmusik 404
Machabey, A.
' Franzosische Sinfonik der Gegenwart . 281, 367
Mersmann, Hans
/ Tonfilm 20
/ Tftnende Mmikgeschichte 22
y Planwirtschaft 48
Geichichte und Gegenwart 173
Paul Bekker und die zeitgenSssischen Musiker 400
Mersmann, Hans, und Heinrich Strobel
* Zehn Thescn zur heutigen Lage 11
/Meyer, Alfred
' Diskussion fiber Melos : Der Laie 6
NeWscheinungen 24, 62, 145, 244, 290, 327, 413
r^ptizen 29,69,109,152,206,249,299,344,381, 424
/Niill, Edwin von der
Neue Musik und neue Zeit 39
.Oppenheim, Hans
' Diskussion fiber MELOS: Der Opernkapell-
meister 7
Plattner, Franz Seite
Musikkritik iiberflussig? 272
PreuBner, Eberhard
Vojn Wesen der Musikzeitschrift 1
Auric als Tonfilmkomponist 52
Randbemerkungen zur Frage: Musik und
/Wirtschaft 134
, . Das Schrifttum fiber Musik seit der Jahr-
hundertwende , . . . . 261
„, Orff-Kursus in Berlin 298
Tagung des Reichsverbandes Deutscher Ton-
kfinstler und Musiklehrer in Hannover . . 343
Kulturpolitik in der Gegenwart 361
Was gilt eine Musikkritik? 418
Raskin, Adolf
Ratlosigkeit im Industriegebiet 64
Reich, Willi
Individualpsychologie und Musikerziehung . 20
Wiener Glosse 68
Konzerthochflut in Wien 152
Das zehnte Fest der I. G. N. M 236
^-Scherchen in Wien 380
Hegar und Hindemith in Wien 422
Reindl, L. E.
Musik und Oper in Magdeburg 419
Rents, Heinrich Erbprinz
Diskussion fiber MELOS : Der Intendant . . 3
Eine Wanderoper 47
Riebensahm, Hans Erich
Neue Klaviermusik 326
Rosenberg, Herbert
Neue Musik und neue Zeit 40
Neue Chormusik 142
Sachs, Curt
Der arabische Musikkongrefi zu Kairo . . . 188
Schlee, Alfred
Tanzbericht aus Paris 342
Der Fall Laban 359
Schmidt-Lamberg
Musizierendes Afrika 55
Schiiler, Hans
Operette im Opernspielplan 325
Schunemann, Georg
Diskussion fiber MELOS: Der Direktor der
Hochschule fur Musik 4
Nationale und internationale Phonothek . . 50
Steinhard, Erich
Don Juan im Frack 107
^»«pp
mmmmmmmmm
IV
INHALTSVERZEICHNI;S
Steinhauer, Walter Seite
Jugend und neue Musik 273
Stephan, Wolfgang
Neue Musik im Siidwesten 423
Stoverock, Dietrich
Wo stehen wir in der Schulmusik ? .... 363
Strobel, Heinrich
Mahagonny in Berlin 28
Milhaud an der Grofien Oper 42
Was gibt es an neuer Konzertmusik ? ... 66
Die Toten des Marz 103
, Friedemann Bach oder Burgichaft? .... 129
„-- Funkstunde Berlin : Wanderoper und Brecht 141'
Umgruppierung in den Berliner Theatern . 147
Die Knsensaison geht zu Ende 202
. Kunst oder Agitation ? ' . 238
Ein Jahrgang deutscher Musikzeitschriften . 285
, Die Saison des Optimismus 338
_, Was wird aus dem Nachwuchs? 377
Strobel, Heinrich, und Hans Mersmann
Zehn Thesen zur heutigen Lage 11
Stuckenschmidt, Hans H. <•
Furtwiingler aufiert fich 196
Jacques Offenbach 227 '
^ Das Tonkiinstlerfest in Zurich 233
Tappolet, Willy
Ein neues Werk von Conrad Beck .... 67
Ansermet und Genf . 204
Schweizerisches Tonkiinstlerfest 242
Trantow, Herbert Seito
Dresden : Ein neuer Mann ? 108
Zwillingsesel - die neue Oper von Dressel 205
Fragen an Kurt Weill, seine Burgschaft be-
/ treffend 276
( Zum Problem der tanzerischenGebrauchsmusik 357
Valentin, Erich
Moderne Musik in Magdeburg 151
^Walter, Arnold
Was heifit und zu welchem Ende studiert
man Musiksoziologie? 191
Warschauer, Frank
Was die Funkausstellung dem Musikfreund
brachte 295
Weil, Hans
Wege zu einer Soziologie der Musik . . . 277
Weill, Kurt
. Diskussion fiber MELOS : Der Komponist . 2
Antwort auf Fragen von Herbert Trantow,
die „Burgschaft" betreffend 336
Weiss-Mann, Edith
Musikstadt Hamburg 1932 240
Wiora, Walter
Die Historisierung der Musikkultur .... 169
Worner, Karl
Neue Musik vom Blickfeld unserer Gene-
ration _ 123
Was ist Kulturbolschewismus? 397
Orff-Arbeitsgemeinschaft in Berlin .... 421
Heftl Januar 1932
11. Jahr
Melos 1932
Vom Wesen der MusikzeitSChrift Eberhard Preunner
Eine Musikzeitschrift gehort zu den Fachzeitschriften. Sie ist nach Aufbau und
Einrichtung vollig verschieden von den Magazinen, den illustrierten Blattern, den Unter-
haltungszeitschriften. Das bedeutet fiir die Musikzeitschrift einmal eine wichtige Ein-
schrankung. Die Breite eines politischen Blattes oder gar einer Unterhaltungslekture
mufi ihr versagt bleiben. Das bedeutet aber auch eine wichtige Vertiefung: die Musik-
zeitschrift hat eine Aufgabe, eine Mission zu erfiillen, sie vertritt nicht eine belanglose,
willkiirlich vom Herausgeber erdachte Tendenz, sondern eine Bichtung, die sich organisch
aus der Entwicklung der offentlichen Musikpflege herleitet. Die Lage des Berufes, die
Entwicklung der Musik bestimmen auch die Entwicklung der Musikzeitschrift.
Die Bichtung einer jeden Musikzeitschrift wird klar erkenntlich sein, es gibt
keine Musikzeitschrift ohne Bichtung. Jede Zeitschrift ist Spiegel der Zeit, des Zeit-
geschehens; jeder Herausgeber aber sieht aus diesem Spiegel ein anderes Bild (oft nichts
anderes als sein eigenes Bild). Wie dieses Zeitbild aufgefangen und wiedergegeben wird,
in welchem Grade Wirklichkeitstreue, also auch Aktualitat erreicht wird, das macht den
Wert der Zeitschrift aus. Von hier aus erledigt sich auch die Frage: Einseitigkeit oder
Mannigfaltigkeit. Es kommt nur auf Wirklichkeitstreue an. Ein Fachorgan, das nicht mit
der Wirklichkeit Schritt halt, ist unwirklich, unwahr, (Wann ein Blatt Oppositionsblatt
werden mufi, lafit sich ebenfalls von diesem Punkt aus bestimmen: die Wirklichkeit,
wenn man ihr ins Gesicht sieht, kann zur Gegnerschaft zwingen.)
Die Bichtung bestimmt die W i r k u n g der Zeitschrift, wobei an die innere, nicht an die
aufiere Wirkung gedacht ist. Denn eine Musikzeitschrift ist kein Weltspiegel, sondern ein Musik-
spiegel, den aufiermusikalische Betrachtungen hochstens einmal etwas blanker und klarer
machen konnen. Am Spiegel selbst andern sie nichts. Da hangt alles nur von der rein musi-
kalischen Einstellung ab. Diese auGert sich — oft notgedrungen — in einer literarischen Form.
So ergibt sich fiir die Musikzeitschrift eine literarisch-musikalische Betrachtungsweise, wie sie
beispielhaft schon einmal vom Musikredakteur — Bobert Schumann gepragt worden ist.
Die Wirkung des Fachorgans iiber Musik beschrankt sich nicht nur auf den Fach-
musiker. Insofern unterscheidet sich die Musikzeitschrift von anderen Fachorganen, z. B.
von einem medizinischen Wochenblatt, zu dem der Laie in den seltensten Fallen greifen
wird. Die Musikzeitschrift kann ein wichtiges Aufgabengebiet in der Laienbildung
sehen. Durch die Einbeziehung des Laien oder durch die ausschliefiliche Beriicksichtigung
des Fachmusikers unterscheiden sich die verschiedenen Musikzeitschriften: man kann sie
einteilen in Berufsorgane und allgemeine Musikzeitschriften. Aber prinzipiell gilt der
Satz: die Musikzeitschrift ist ein Fachorgan.
Eine Musikzeitschrift, die als Stoff die Neue Musik gewahlt hat, wird, um ihre
erste wichtigste Aufgabe zu erfiillen, das musikalische Schaffen der Gegenwart begleiten,
1
Musikzeitschrift als Spiegel der Zeit
Herkunft und Zielsetzung darlegen, unterrichten, zerlegen, binden, Wertungen aussprechen.
Diese Aufgabe wird umso interessanter sein, je garender die Zeit, je ungeklarter die
Lage ist. Kein Zweifel, dafi das musikalische Schaffen heute geklarter ist als vor 10
Jahren. Die Personlichkeiten stehen mit ihrem bisherigen Gesamtwerk und ihrem Stil
deutlich vor uns, den Fachmusikern. Aber nun Iritt die zweite, ebenso wichtige Aufgabe
an eine der Neuen Musik gewidmete Zeitschrift heran: fur die Erweiterung und Ver-
tiefung der Kreise zu sorgen, die Neue Musik durch ihr Verstandnis tragen sollen, das
Augenmerk auf den Laien zu lenken.
Die allgemeine Richtung, die eine Zeitschrift fur Neue Musik zu verfolgen hat, ist
klar. Aber wie sieht im Augenblick die Wirklichkeit aus, nach der sie sich
orientieren mufi ? Es wurde schon ausgesprochen : die fiihrenden Schaffenden haben sich
durchgesetzt. Die Frage aber, ob nicht mancher der jiingeren Schaffenden, vielleicht auch
der Mlteren zu wenig beachtet wird, bleibt schon offen. Vollig fehlt aber Kunde von
einem neuen Nachwuchs der jungen schaffenden Generation n a ch der Linie Hindemith-
Krenek-Weill. Es fehlt ferner das tiefe Verstandnis fur Neue Musik bei vielen Fach-
musikern (nicht einmal alle Kritiker besitzen es!), und es fehlt oft die einfachste Grund-
lage zum Verstandnis Neuer Musik, auch nur neuerer Musik beim Laien. Und umge-
kehrt auch die Einstellung heutiger Jugend zur Neuen Musik ist den Fachmusikern un-
bekannt, Wege zur Erziehung sind ungeklfirt.
Doppelte Felder wiirde demnach der Aufgabenbereich einer Zeitschrift fur Neue
Musik umfassen; die Arbeitsparole auf dem einen Felde wiirde lauten: unterrichten und
urteilen uber neu entstehende Werke; auf dem anderen: erziehen, bilden, ja schopferisch-
anregend wirken, wo Liicken vorhanden sind; und schliefilich kommt noch eine
dritte Aufgabe hinzu: wenn die Zeit es fordert, sich schiitzend vor erkannte Werte
stellen. In diesem letzten Punkt sollten heute alle Zeitschriften einig gehen: kampfen
gegen den Ungeist, gegen die Verbohrtheit, gegen die Uberheblichkeit des Mittelmafiigen,
fur den Geist, fiir das Schopferische, auf unserem Felde fiir die Musik.
Mir scheint, dafi der Aufgaben noch genug sind.
Diskussion uber Melos
Wir haben eine Reihe von Mitarbeitern, Freunden und Lesern
unserer Zeitschrift gebeten, sich an einer offentlichen Diskussion
uber die Stellung und Aufgaben einer Musikzeitschrift zu beteiligen.
i Klarung und Revision dieser Fragen ist heute dringlicher als je.
Wenn auch nicht alle hier geaufierten Wiinsche ohne weiteres er-
fiillbar sind, so wollen wir den Autoren doch versichem, dafi unser
Dank fur ihre Mitarbeit in intensivster Erwagung ihrer Vorschlage
bestehen wird. Schriftleitung.
Der Komponist Kurt Weill
Es gibt heute meiner Ansicht nach nur zwei Moglichkeiten, den Wirkungskreis
einer Musikzeitschrift so festzulegen, dafi sie nicht in allgemeiner Weise zu alien Fragen
der Musik und des Musiklebens Stellung nimmt, sondern, auf einen vorher bestimmten
und immer erkennbaren Aufgabenkreis begrenzt, einer zweckmafiigen und niitzlichen
Form der Musikbetrachtung zum Durchbruch verhilft.
2
Fachorgan oder Kampfblatt
Die eine Moglichkeit ist die: man macht eine Zeitschrift fiir die Fachleute. Hier
waren, unter Zugrundelegung des vorhandenen musikwissenschaftlichen Materials, Unter-
auchungen dariiber anzustellen, welche Beziehungen zwischen den musikalischen Stilformen
einer Epoche und den gesellschaftlich- okonomischen Verhaltnissen der gleichen Epoche
bestehen. Es ware also nicht mehr zu untersuchen, wie die Musik und die Musikaus-
iibung in den verschiedenen Zeiten aussah, sondern warum sie so aussah. (Wahrend die
bisherige Musikbetrachtung haufig von dem „Erlebnis" einer Musik riickwirkend die
musikaliscben Gesetze zu erklaren versuchte, die dieses Erlebnis zustande kommen liefi,
ware nun zu untersuchen, ob die Erlebnisfahigkeit der Musik nicht lediglich die Forderung
einer Zeit ist, die dem einzelnen auch in der Musik ein Erlebnis verschaffen will, das
sie anderen verwehrt). Eine Anwendung dieser Betrachtungsweise auf unsere Zeit wtirde
ergeben, dafi asthetischer Wert und Funktionswert gleichwertige Begriffe einer musikalischen
Untersuchung sind und dafi ein Werturteil iiber heutige Musik nur moglich ist, wenn
man die vollig verschiedenen Ebenen, auf denen heute musiziert wird, als gleichmafiig
existent anerkennt,
Die andere Moglichkeit, eine Musikzeitschrift fiir ein grflfieres Publikum, ist fiir
mich nur denkbar in der Form eines reinen Kampforgans. Hier erhebt sich sofort die Frage :
wie ist es moglich, in einer Zeit allgemeiner Verwirrung, in diesem Durcheinander von
Ansichten, Schlagworten und Cliquen eine Front zu bilden? Vor ein paar Jahren genugte
es noch, den „Kampf fiir das Neue" als Parole auszugeben. In der darauffolgenden Zeit
des Ubergangs zur heutigen Situation konnte man den Kampf fiir die Qualitat in den
Vordergrund schieben. Heute sind andere Entscheidungen notig. Ich glaube, dafi sich
der grofie Kampf, der sich jetzt abspielt, auf jedem Fallgebiet der Politik, der Wirtschaft,
der Wissenschaften und Kiinste auf einen bestimmten Punkt konzentriert, dafi auf jedem
dieser Teilgebiete eine Festung zu verteidigen oder wiederzuerobern ist, die mancher,
resigniert, schon fiir verloren hielt. In der Musik geht es zunachst darum, den Kampf
gegen jene Ausdrucksformen des 19. Jahrhunderts, die wir schon fur iiberwunden hielten,
weiterzufuhren, gegen die Phrasenhaftigkeit, gegen den Schwall, gegen Unnatur und
falsches Pathos. Vielleicht lafit sich auch hier eine vorlaufige „Einheitsfront" herstellen,
* die aus dem Kampf gegen den gemeinsamen Feind womoglich einen Kampf fiir ein
gemeinsames Ziel entwickelt.
x
fet
Der Intendant Heinrich Erbprinz ReuD
Die dringendste Aufgabe einer ernsthaften und lebendigen Zeitschrift sollte es jetzt
j; sein, dort Wege zu zeigen, wo die Wirtschaftspolitik zerstorend in die musikalische
Kultur eingreift. Oper und Konzertwesen sind am starksten bedroht. Statistisch kann
die Arbeit der wertvollen Operntheater in diesen Jahren gezeigt werden. Die kunstlerische
und die wirtschaftliche Seite, der Spielplan und der Etat. Die Ausgaben- und die Ein-
nahmenseite, die Erfolge und die Mifierfolge im Spielplan. Es miissen einmal die Fehler-
quellen deutlich gemacht werden, die das hohe Defizit verschuldet haben. Der innere
und der aufiere Aufbau. Der Fabrikbetrieb und die individuelle Arbeit. Das produktive
und das uirproduktive Experiment. — Und ebenso im Konzertsaal. Das representative
3
Erste Pflicht: Eintreten fur die Jungen
und das Volkskonzert. Die Programmgestaltung und die Orchester-Erziehung. Diese Frage
etwa: ist es noch sinnvoll ein Programm nur einmal zu spielen? Ware es nicht besser,
ein Programm mehrmals zu wiederholen, indem ein grofies Publikum durch kleine
Preise angezogen wird. Und ebenso wichtig ist eine bewegliche Gestaltung der Programme.
Die Theorie mufi zuriicktreten, solange jede Praxis fraglich ist. Die Propaganda,
der Einsatz fur die Erhaltung der wertvollen Griindlagen musikalischer Kultur: sie allein
sind jetzt entscheidend.
Der Direktor der Hochschule fur Musik _ e . ..
Georg Schunemann
Ihrer freundlichen Aufforderung, meine Eindriicke an der Melos-Arbeit zu formu-
lieren, komme icb gern nach. Mir scheint es in unserer Zeit doppelt wichtig, dafi wir
in einer fiihrenden Zeitschrift die Probleme der modernen Musik und Musikpflege von
Grund auf behandelt finden. Noch nie ist ein Eintfeten fur junge ernste und aufstrebende
Kiinstler so notig und dringend geworden wie in unseren Tagen, wo man sich am
liebsten geruhsam in alte Perioden zuriickzieht, wo man sicher sein kann, von nie-
manden gestort oder gar aufgescheucht zu werden. Gibt es doch Musiker — und auch
Verleger, die jedes altere Musikstiick gern nehmen, aber tausend Entschuldigungen
finden, wenn es sich urn Musik der Gegenwart handelt. Auch im Ausland hort man,
dafi die deutsche Musik nicht mehr im alten Sinne produktiv und fiihrend sei — eine
Meinung, die sich aus unserer so kritisch eingestellten Mitwelt und aus zu geringer
Propaganda erklaren lafit. Deshalb ist es wieder und wieder erforderlich, mit a'ller Kraft
fiir die moderne Musik, auch wenn sie vorsichtig experimentierend erscheint, einzutreten.
Gottlob fehlt es uns nicht an Begabungen, nicht an fuhrenden und heranwachsenden
Musikern, auch gibt es so viel des Neuen auf alien Gebieten, namenllich in unserer
Epoche des Ubergangs und der aufstrebenden Mechanik, dafi es an fordernswertem
StofF nie mangeln kann. Melos hat bewiesen, dafi es alien Problemen weitherzig nach-
geht, ja noch mehr, es hat sich besonders soziologischen und organisatorischen Fragen
hingegeben, die ohne Frage von weittragender Bedeutung fur Musikanscbauung und
Musikauffassung werden konnen. Vielleicht konnte noch mehr fiir die Erkenntnis
moderner Satztechnik, fiir die Stilfrage, auch fiir Aufgaben und Ziele ubertragener Musik
getan werden. Gern wtirde man auch am Jahresschlufi Riickblicke iiber die Bewegung
der Musik lesen, natiirlich mit EinschluG organisatorischer und padagogischer Fragen.
Einen Ausbau vertriige auch die Korrespondenz aus dem Ausland. etwa in der Art,
dafi zusammenfassende Berichte iiber franzosische Oper russische Symphonik, italienische
Kammermusik zu finden waren. Doch — da bin ich schon beim Wiinschen, und ein
Wunschzettel wird lang, wenn man sich nicht bescheidet. Und schliefilich ist diese Zeit
nicht dazu angetan, mehr zu fordern, als man geben kann.
Von Anfang an sind Sie dazu iibergegangen, geschlossene Hefte iiber Einzelgebiete
herauszubringen. Ein guter Gedanke fiir eine wissenschaftliche Zeitung, sicherlich auch
eine willkommene Form fiir manchen Leser, aber im allgemeinen hore . ich immer
wieder, dafi der Inhalt abwechslungsvoller sein sollte. Es gibt Leser, die diese oder jene
Sonderfrage wenig interessiert, fiir diese hat das Einzelheft weniger Bedeutung und
wird schnell beiseite gelegt.
4
Kampf fur Qualitat auf alien Gebieten
Vor allem aber hat „Melos" fur die moderne Musik viel getan und viel zu be-
deuten. Dafi diese Bedeutung noch mehr wachse, dafi die moderne Musik Anerkennung,
Verstandnis und wachsames Mitgehen finde, das wiinsche ich Ihnen fur das neue Jahr
und weiterhin.
Der Regisseur
Erich Hezel
*
Bei allem Willen zur Voraussetzungslosigkeit wiirde ein fester Mitarbeiterstab der
Zeitschrift zwanglaufig eine Form geben, die gewisse Grenzen des Gedanken- und
Meinungskreises erkennen liefie — darum haufiger Wechsel der Mitarbeiter, entgegen-
gesetzte Meinungen zu Wort kommen lassen, deren Widerstreit geistig-schopferisch
wirken kann. Haufige Diskussionen waren aus diesem Grunde sehr erwiinscht. Der ent-
deckenden Dramaturgic miifite Baum geschaffen werden, die eine wertvolle Erganzung
und Anregung fur das Konzert- und Opernwesen bedeuten wiirde.
Gerade in der gegenwartigen Zeit allgemeiner Not und lebensbedrohender Ge-
fahren fiir das deutsche Musikleben mufi in der Zeitschrift weiter Raum zur Verfiigung
stehen, fur die zum grofien Teil neuartigen volkswirtschaftlichen und sozialen Probleme
musikalischer Produktion und Reproduction. Die daraus resultierenden Hemmungen und
Vorschlage zu ihrer Uberwindung bediirfen dringender Behandlung.
Das Thema „Werk und Wiedergabe" miifite in diesem Zusammenhang behandelt
werden. Audi grundsatzliche Aufklarungen iiber Wesen und Verlauf der kiinstlerischen
Wiedergabe dxirfte einem weiteren Kreise willkommen sein.
Aus dem Zusammentreffen eines Tiefpunktes kunstlerischer Vitalitat mit einem
Tiefpunkt allgemeiner Wirtschaftsentwicklung iat die beinahe totliche Krise musikalischen
Lebens in Deutschland entstanden. Der Kiinstler soil die Griinde seines Ungliicks in
erster Linie in sich selbst suchen. Darum muC die Forderung der Musikkritik nach
starkster Qualitat, nach strengster Auslese absolut rucksichtslos sein. Des Kritikers
Kampfansage gegen iiber jeder Langeweile, gegenuber minderer Ware darf nicht beein-
trachtigt werden durch den Glauben, er diirfe dem Schiffbriichigen nicht den letzten
Halt nehmen. Er mufi die Pseudopietat, die Einfallslosigkeit verdeckt, brandmarken. Er
mufi die produktive Bevolution der Geister fordern, die nur in der Synthese von vor-
warts und zuriick liegt Soil aber diese unbeugsame Strenge der Kritik gerechtfertigt
sein, so mufi sie auf der andern Seite sich ihrer hochsten Pflicht bewufit sein, positiv
zu sein, dem schaffenden und austibenden Kiinstler Bewegung zu schenken, Wege zu
weisen, Fiihrerin und Entdeckerin zu sein.
Aufierdem miifite dem Laien eine plan voile Erziehung zum Horen und zum musi-
kalischen Urteil geboten werden. Es gilt, das Interesse weitester Kreise fiir die Musik
zu starken, einer gewissen Konzert- und Opernmiidigkeit entgegenzutreten, die Scheu
des Publikums vor der modernen Produktion durch Aufzeigen ihres Wesens zu iiberwinden.
Soil die Zeitschrift in unserer Zeit Daseinsberechtigung haben, so mufi sie sich
der schweren Aufgabe gewachsen zeigen, den Kampf mit der rasch fortschreitenden Be-
quemlichkeit und Interesselosigkeit erfolgreich durchzufuhren. Die Art der Mitteilung
miifite voraussetzungslos und leicht verstandlich sein.
1
Zeitschrift als Wegweiser fur den Nichtmusiker
Der Lai 6 Dr. med. Alfred Meyer
Die heutige Situation des musikinteressierten Laien, wie ich es bin, wird wohl
am ehrlichsten - und deshalb am richtigsten — mit dem Worte „ Verwirrung" gekenn-
zeichnet. Die Verwirrung ergibt sich aus dem Bemuhen, den Werken zeitgenossiseher
Musik nicht nur dumpf aufnehmend, sondern auch sichtend und wertend gegeniiber zu
stehen. Ich glaube, das aussprechen zu diirfen, weil ich meines Erachtens kein Einzelfall,
sondern Angehoriger einer breiten Schicht von Nichtmusikern mit durchschnittlicher
musikalischer Grundbildung bin, der es ahnlich ergeht. Sie war der wechselvollen Viel-
faltigkeit und sturmischen Entwicklung, insbesondere des letzten Jahrzehnts modernen
Musiklebens, vielfach nahezu hilfslos ausgeliefert und begann oft genug, ihr musikalisches
Leben nur in den vertrauten Werken der Vergangenheit zu fiihren.
Von dieser Lage aus sehe ich Verdienst und Aufgabe des Melos: die Verwirrung
des Nichtfachmanns klaren zu helfen und zu verhindern, dafi aus seiner Hilfslosigkeit
miide Resignation werde.
Nun ist ja an sich die Grundhaltung einer musikalischen Zeitschrift, die sich nicht
nur an den Spezialisten wendet, problematisch genug. Die richtige Mitte zu finden
zwischen fachlicher Aussage und Verstandlichkeit fiir den Laien, ohne dabei ins Ver-
schwommen-Feuilletonistische abzugleiten, ist eine denkbar schwierige Aufgabe, die
Melos oft glanzend gelost hat. Wenn man bedenkt, dafi sich Musik und Musiker in einer
Krise befinden, deren ungeheures Tiefenmafi nur durch den Vergleich mit der auf alien
Gebieten des Lebens, des Wissens und der Kunst vor sich gehenden Veranderung er-
kennbar wird, so kann man zugleich ermeasen, wie schwer es ist, von hier aus dem
Aufienstehenden Haltepunkte und Richtungsweiser zu geben. Aber gerade diese
Schwierigkeiten machen die Aufgaben des Melos dem Nichtmusiker gegeniiber umso
dringlicher. Wenn ich versuche — immer von den Notwendigkeiten des Laien aus-
gehend — die Haupterfordernisse zu ordnen und zusammenzufassen, so scheinen mir
drei Hauptgruppen von besonderer Wichtigkeit:
Zunachst Beitrage, die das Verstandnis von Form und Struktur wertvoller moderner
Musikwerke ermoglichen bezw. erleichtern sollen. Die „Verwirrung" des Laien, von der
icir eingangs sprach, hat ja ihre zentrale Vorbedingung in der Unmoglichkeit, sich ein
formales Eindringen auf friiher geiibte Weise selbstandig zu erarbeiten. Die schwere
Zuganglichkeit vieler Werke wird auch durch Partitur oder Klavierauszug haufig nicht
gemildert. Dagegen wird z. B. ein einfiihrender Artikel, wie der von Heinrich Strobel
iiber Strawinsky's Violinkonzert in einem der letzten Melos-Hefte, mit Recht von vielen
Lesern als erwiinschte Forderung betrachtet.
Fiir besonders erforderlich halte ich dann die fortgesetzte Erorterung und Aus-
einandersetzung mit den Ideen der jiingsten Generation, wie sie Melos schon lange
gexibt hat. Denn gerade die hieraus sich ergebende Analyse von Schlagworten (Neue
Geistigkeit; Trantow/Mersmannj ist fiir den Aufienstehenden von besonderem Interesse,
weil sie ihm einen lebendigen Zusammenhang mit einer oft widerspruchsvoll scheinenden
Entwicklung bedeutet.
Hiermit ergibt sich von selbst der Ubergang zu der dritten „Hauptgruppe" : sie
umschliefit alle Themen, welche das neuzeitliche Musikschaffen und das heutige
6
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-W«i^*»*i~
Zeit-Diskussion wichtiger als Bildung
musikalische Leben iiberhaupt hineinstellen in weitere, aufiermusikalische, ja aufier-
kiinstlerische Zusammenhange; also letzten Endes Zusammenhange mit soziologischen
und politischen Fragestellungen. Diese Gruppe hat, scheint mir, gerade heute eminente
Bedeutung; eine Fart pour l'art-Betrachtung ist audi auf dem Gebiete der Musik nicht
mehr moglich.
Diese drei Gruppen stellen m. E. die grundsatzlichen Hauptaufgaben dar, deren
Behandlung der Nichtmusiker vom Melos wiinscht. Der Kiirze halber habe ich alle
Nebenaufgaben zu erwfihnen unterlassen.
Der Opernkapellmeister Hans Oppenheim
Sie haben den Wunsch, unsere Meinung iiber Ihre Zeitschrift zu horen, aber Sie
wollen nicht gelobt sein — das ist schwierig. Doch Sie haben sicher recht, den Jahres-
beginn als gegebene Zasur anzusehen, als willkommenen Anlafi. unsere Stellung zu
dieser grofiartigen, ganz und gar chaotischen Zusammenballung unzahliger, sich befehlender
Stromungen zu revidieren, die das geistige Gesicht dieser Zeitwende formen, um sich im
Spiegel der ofFentlichen Meinung in tausend Verzerrungen preiszugeben.
Ihnen kann die Tageszeitung im wesentlichen nur das Instrument sein, das die
Ereignisse des Augenblicks registriert. Fur tiefer greifende Betrachtungen, Gliederungen
und Synthesen haben weder das Blatt, noch seine Leser Zeit. Damit tritt heute mehr
als fruher die Zeitschrift in ein ganz besonderes Aufgabengebiet.
Fiir die Bezirke unseres Berufes heifit das : nicht die Kritik der einzelnen
Veranstaltung ist Aufgabe der Zeitschrift (sie ist es nur in Ausnahmefallen), sondern
die kritische Zusammenfassung aller gleichzeitig formgebenden Krafte. Aus solchem
Gesichtswinkel betrachtet, ist es belanglos, ob dieses Konzert und jene Vorstellung
schlechter oder besser war — aber es kann von grundsatzlicher Bedeutung sein, dafi
eine Beihe wesentlicher Personlichkeiten, schopferische und reproduktive, auf derselben
Ebene musizieren. Und es wird sicher von Wert sein, aufzuzeigen, warum die generations-
mafiige Gebundenheit des einzelnen und einzelner Gruppen zwangslaufig gewisse Aus-
drucksformen meiden oder bevorzugen mufi.
Bichtunggebend fiir eine Zeitschrift unserer Tage hat es weiterhin zu sein, Zeit-
verbundenheit zu wecken, Anregung zu geben, Diskussion zu entfesseln, aber nicht (wie
ehedem) : Bildung zu verbreiten.
Mit dieser Feststellung ist — entschuldigen Sie, Herr Professor, gleichzeitig das
Lob des Melos gesungen, das in vorbildlicher Konsequenz quer durch die Lockungen
der Konjunktur seinen Weg zu gehen weifi. Wer im ofFentlichen Leben steht, kann
ermessen, welche Summe an ITberzeugungskraft, Opferbereitschaft und Weitsicht zu
solcher Haltung gehort.
Aber ich habe audi einen Neujahrswunsch: Melos moge als erste Zeitschrift mit
der von uns verlangten Kritik am Melos vorangehen und von Zeit zu Zeit seine
Meinungen und Prognosen einer offentlichen und freiwilligen Bevision unterziehen. Das
ware kein Eingestandnis von Schwache, sondern ein Beweis von Kraft und tiefster Er-
kenntnis der atexnlos zerstorenden und neuschaffenden Gestalt dieser Zeit — eine Er-
kenntnis, die unser Vertrauen vermehren und unsere Bewunderung erhohen wiirde.
Mehr Ankniipfungen an die Vergangenheit
Der Journalist
Paul J. Bloch
Melos hat in den Jahren seines Bestehens in seinem Kampf fur die Kenntnis und
Erkenntnis der modernen Musik eine Aufgabe erfiillt wie keine andere Zeitschrift auf
dem Gebiete der Musik und wie nur ganz wenige Zeitschriften auf kulturellem Gebiete
uberhaupt; das brauche ich an dieser Stelle wohl kaum besonders zu betonen. Und
dafi diese Zeitschrift heute, in einer Zeit der standig zunehmenden Reaktion, der Un-
sicherheit und Unklarheit notwendiger denn je ist, mufi fast als selbstverstandliche
Phrase erscheinen. Aber ich fiirchte, man kann diesen Satz nicht oft genug wiederholen,
und so geschieht es mit gutem Grunde, dafi ich, an sich Ihrer Zeitschrift fremd und
Laie, in diesem Punkte an Ihr Traditionsgefiihl appelliere, das sich in verstarktem Ein-
treten fur das, was moderne Musik und moderne Kunst uberhaupt ist, aufiern mufi.
Ich soil Ihnen Ihre Aufgaben umreifien, aber Sie haben mir leider nicht gesagt,
aus welch en Kreisen vornehmlich sich die Leserschaft des Melos rekrutiert. Ohne zu
wissen, an wen, soziologisch gesehen, die Zeitschrift sich wendet, ist eine wirklich wesent-
liche Beantwortung lhrer Frage kaum moglich. Klavierlehrerinnen wollen und miissen
anderes erfahren und es anders vorgesetzt erhalten als etwa Musikwissenschaftler oder
Laien, die sich unterrichten wollen.
Fiir diese scheint mir eines bei Ihnen als Erganzung zu fehlen : das Historische.
Ich glaube, dafi das Bildungsbedurfnis der sogenannten Oberschicht nicht zu unter-
schatzen ist und uberall befriedigt werden will. Ich kann mir denken, dafi solche Kreise
beim Melos, das ganz auf Aktualitat und Vorstofi eingestellt ist, nicht auf ihre Rechnung
kommen. Obgleich es wohl nicht allzu schwer sein kann, in jeder Nummer irgend einen
historischen Artikel zu bieten. Das mufi nicht so sehr eine Arbeit biographischen In-
haltes sein (obwohl audi das einmal interessant sein kann). Ich konnte mir denken,
dafi als Hinweis oder im AnschluG an die Auffuhrung oder Wiederauffiihrung irgend
eines bedeutenden alten Musikwerkes, gleich wo, ein Querschnitt durch die Zeit gegeben
wiirde, in der dieses Werk entstanden ist. Ein Querschnitt, der die musikalischen Zu-
stande ebenso wie die der Buhne oder des Konzertes beriicksichtigen mtifite, der auf
das Personliche des Komponisten und die allgemeinen Verhaltnisse der Gesellschaft,
Politik und Kultur eingehen konnte. Und der ruhig auch Fortdauer, Nachruhm, Ver-
anderungen in der folgenden Zeit beobachten und den Griinden fiir die Wiederein-
reihung in unseren Blickkreis und Spielplan nachgehen konnte. Sie werden das ver-
mutlich im Fall Handel reichlich getan haben, aber auch Verdi oder die Mozartneu-
schopfung Klemperers hfitten und konnten noch Anlafi zu ahnlichen Themen bieten.
Wenn ich bei den historischen Artikeln das Biographische zuriickstelle, so scheint
mir das personliche Moment fur die Gegenwart nicht zu unterschatzen. Melos braucht
noch nicht zum Magazin zu werden, wenn ich zu bedenken gebe, ob neben den vielen
sachlichen Ausfuhrungen fiir die augenblicklichen Leser, und fiir Zukiinftige andere nicht
kurze Artikel personlichen Charakters von den Komponisten selbst oder iiber sie reiz-
volles Material waren. Was gut ist, mufi ja nicht unbedingt trocken und „fachmannisch"
sein. Deshalb halte ich Ihre kleine Rubrik „Ausschnitte" fur so gut und wesentlich.
Lediglich durch die Zitierung mancher grotesker Aufierungen iiber moderne und nicht
nur moderne Musik kann die Situation erhellt werden. Der Leser erfahrt etwas, wovon
8
Notwendigkeit neuer Hausmusik
er keine Ahnung hat und was er fur unmoglich halt, und mit dera Kopfschiitteln ver-
bindet sich das Schmunzeln, wovon er (und wohl audi Sie) mehr haben, als wenn ein
„prinzipiell" gehaltener Artikel mit scharfstem Geschutz polemisierte.
Ein Problem aber vor allem erscheint mir Ihrer Aufmerksamkeit dringend wert,
ohne dafi ich Ihnen einen Vorschlag zu seiner Losung machen konnte. Es gibt, das
wissen Sie ja besser als ich, in Deutschland Tausende von guten Dilettanten, die in
privaten Zirkeln Hausmusik pflegen. Diese Kreise, deren Interesse edit und deren Ver-
standnis oft grofi ist, stehen im allgemeinen aller modernen Musik fern. Hier ware fur
Sie eine kulturelle Aufgabe allerersten Ranges. Auch wenn man der Ansicht ist, dafi die
moderne Musik in einem andern soziologischen Raum steht und sich an andere Kreise
wendet, so glaube ich doch, dafi diese Vertreter bester biirgerlicher Kultur nicht ein-
fach so ausgeschaltet werden duxfen. Diese Anwalte und Arzte etwa, die sich mit auf-
richtigem Ernst um das Wesen Rach'scher oder Mozartischer Kammermusik bemiihen,
die aber nicht weiter als bis Rrahms oder allenfalls Reger kommen, an die moderne
Musik heranzufiihren, ware ein Ziel „des Schweifies der Edlen wert". Hier konnte Ihr
Verlag mit Probeexemplaren aktiv werden, hier miifiten Sie und Ihre Mitarbeiter durch
Artikel und personliche Fiihlungnahme versuchen, jene Zirkel, die oft borniert, aber nicht
immer schlechten Widens sind, zu interessieren. Ja hier ist vielleicht zu uberlegen, ob
nicht, so wie die grofien Zeitungen ihre Schnittmuster lancieren, von Ihnen geistige
Schnittmuster ftir einfache moderne Musik herausgegeben werden konnen.
Sie haben mich um einen kurzen Reitrag gebeten, entschuldigen Sie die Lange,
und gestatten Sie mir noch ein Wort: lassen Sie Ihre Gemeinschaftskritik wieder auf-
leben.
. >
Junge Musikpadagogik
Erich Doflein und Erich Katz
Die folgenden Zeilen sind das Ergebnis unserer Reschaftigung mit Ihrer Anfrage.
Gerade weil wir so eng mit Melos verbunden sind, haben wir das Redurfhis zur Kritik
und Auseinandersetzung. Kritik jedoch ist hier sehr schwer, da sich viele Einwande von
Ihnen werden leicht widerlegen lassen. Ein Zeichen dafiir, wie gut und wichtig die
Zeitschrift ist, wenn auch nicht alle Anspriiche erfiillt werden konnen.
Dafi gelegentlich schwache Reitrage unterlaufen, ist bei keiner Zeitschrift zu ver-
meiden. Problematischer ist schon der mitunter angeschlagene feuilletonistische Ton. Er
scheint uns dem Sinn der Zeitschrift nicht zu entsprechen. Die Gesinnung wird zu
leicht undeutlich, impressionistisch verwischt. Oder der Inhalt wird zu esoterisch. Wir
uberlegen: was wird eigentlich vorausgesetzt? Es ist ein Gegenwartswille, der Rasis
und Ziel zu sehr im Gefuhlsmafiigen lafit.
Obwohl Melos alien Gebieten der Musikpflege gerecht zu werden sucht, obwohl
Konzerlleben, Oper, neue und alte Musik, Padagogik, Organisation, Funk, Schallplatte,
Film berucksichtigt sind. wird dennoch die beabsichtigte Totalitat im Gesamtbild der
Zeitschrift nicht immer erreicht, eben wohl deshalb, weil dieser eindeutige Standort
nicht klar genug spurbar ist.
9
Starkere Betonung des Fachlichen?
Aus diesen Feststellungen waren Folgerungen zu ziehen. Eine starkere Betonung
des Laienhaften wiirde die Fachleute nicht abtrunnig machen. Eine starke Betonung
des Fachlichen aber wiirde die Fachleute enger und zahlreicher heranziehen und wiirde
die Eindeutigkeit in vielem erleichtern. AuGerdem; Wer als Nichtmusiker „Melos" ge-
lesen hat, ist sicherlich mehr vorgebildet als mancher Fachmann, ist nicht der Laie,
dem man sich feuilletonistisch vertraulich zu machen braucht.
Diese; Fachlichkeit soil aus eindeutiger Gesinnung, Klarung dieser Gesinnung und
Kampf fiir diese Gesinnung bestehen. Es scheint uns, die Aufgabe von „Melos" zu
sein, deutlich das fiihrende Blatt der forts chrittlich gesinnten Musiker (und damit
der entscheidenden Vertreter der „Neuen Musik"). Das bedeutet heute: Selbst-
besinnung, Selbstkritik, Riickblick auf Erreichtes; Vergleiche mit der Vorkriegs-
Situation und den Jahren um 1920; Zusammenfassung des bisher Gewollten; Klarung
der neuen Aufgaben im Hinblick auf die notwendig werdende Fiihrerschaft und die
gewichtigere Verantwortung. Er bedeutet ferner: gewisse Abgrenzung gegen eine neue
Jugend; abwartende Beobachtung, aber auch deutlichste Kritik dieser Jugend, die man
noch nicht kennt, die uns Ratsel aufgibt. Es ist offensichtlich, dafi diese Jugend auf
einer ganz anderen Basis steht. Es ware deshalb wichtig, zu erkennen, was von dieser
Jugend von den revolutionaren Eroberungen und Wichtigkeiten unserer Generation naiv
und problemlos iibernommen wird, was naiv beiseite gelegt wird, was bewufit abgelehnt
wird. Doch darf solches Priifen und Abtasten kein standortloses, angstliches Verstehen-
Wollen sein und keine zu grofie Rolle spielen. Das Fiihren ist wohl wichtiger.
Neue Schlagworte sind unbedingt zu vermeiden. Sie fiihren zu MiGverstehen und
Oberflachlichkeit (vergl. die Diskussion iiber die „Neue Geistigkeit - ' im Dezemberheft).
Die letzten zwolf Jahre brachten eine stiirmische Entwicklung, deren Schaumkronen in
immer neue Schlagworte eingefangen wurden. Diese Entwicklung hatte ihren deutlichen
Sinn: die Schlagworte hatten zudem eine gewisse, klarende Bedeutung. Diese Form der-
schnellen Entwicklung scheint nun vorbei zu sein. Die nachsten T ahre werden einem
verborgenen Geschehen gewidmet sein. Unsere Generation und unsere Gesinnung wird
sich zu personlicher Ausarbeitung, Ausreifung, Klarung und Zusammenfassung zuriick-
ziehen miissen. Dafi dies weiterhin, ja deutlicher ein Kampf sein mufi, ist selbstver-
standlich. Dem sollte Melos dienen. Die Gleichgesinnten sind hierbei durch bewufite
Weitherzigkeit unter Ausschaltung aller kleinlichen Spezialdifferenzen zusammenzufassen.
Noch eines ist wichtig: Sinn einer „modernen" Musikzeitschrift kann es nicht mehr
sein, das Eintreten fiir „moderne" Werke als eine ihrer wichtigsten Aufgaben anzusehen.
Wir leben in einer Zeit, in der es nicht mehr auf die Wichtigkeit dieser oder jener
Musik ankommt, sondern in der Musik und Musikpflege iiberhaupt ernstlich gefahrdet
erscheinen. Die notwendigen Sparmafinahmen in Reich, Staaten und Stadten werden
die fiihlbarsten Folgen haben. Viele Institutionen werden fallen. Uberall aber werden
mit grofiter Geschwindigkeit Ersatzbildungen, teils privater Art, teils behordlicher Art
entstehen. Hier ist grofite Aufmerksamkeit, scharfste ideelle Kritik und kliigste Beratung
notwendig.
Die dffentlichen Etatfragen bediirfen einer kritischen Aufmerksamkeit von Seiten
der Fachleute. Es ist jetzt vielleicht — neben aller Tragik des Zusammenbruchs — der
10
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Gegen minderwertige Notstandsmusik
Augenblick gekommen, der einigen IfiDgst als notwendig erkannten, aber bisher unaus-
fiihrbaren neuen Moglichkeiten der staatlichen und kommunalen Musikpflege zur Ver-
wirklichung verhelfen konnte. Man denke etwa daran, dafi der Wert einer durchorga-
nisierten offentlichen Volks- und Laienmusikpflege wohl erkannt ist, dafi aber nur in
kleinstem Mafie entsprechende Organisationen geschafFen wurden. Noch immer wiirde
ein Viertel der fiir representative, auf passives Geniefien eingestellten Theater- und
Konzertpflege angewendeten offentlichen Mittel geniigen, um einer behordlichen Orga-
nisation von Choren, Chorschulen, Singschulen, Volksmusikschulen, Laienorchester usw.
zu ungeahnter Bliite zu verhelfen.
Zehn Thesen zur heutigen Lage
Hans Mersmann
Heinrich Strobel
Melos hat seit zwolf Jahren die Schicksale der Neuen Musik geteilt. Es begniigte
sich nicht, Chronik zu sein, sondern versuchte, seinen eigenen Standpunkt mit der Ent-
wicklung wachsen zu lassen. Seine erste Aufgabe war Kampf und Abgrenzung, seine
zweite Ausbau und Analyse der Neuen Musik. Ein dritter Fragenkreis ftihrte die Zeit-
schrift iiber die Musik hinaus zu deren Einbeziehung in den Kunst- und Kulturwillen
unserer Zeit, ein vierter zur Befestigung der weltanschaulichen Basis, zur Untersuchung
der Randgebiete, zur Aufreifiung der soziologischen Zusammenhange. Dringlicher als
friiher fordert die heutige Situation eine neue Fixierung des Standpunkts und des Ziels.
Zustand
Aufgabe
1.
Die Neue Musik hat in anderthalb Die Neue Musik ist heute nicht nur
Jahrzehnten eine heute klar iibersehbare als Gegenstofi gegen das 19. Jahrhundert,
Entwicklung erlebt, die sich in der person- sondern auch in ihren Verkniipfungen mit
lichen Entwicklung von Musikern wie
Hindemith,Strawinsky, Bartok widerspiegelt.
ihm erkennbar. Die historische Aufgabe
einer Zeitschrift erweitert sich dahin : diese
Verkniipfungen zu untersuchen, auch die
Vergangenheit vom Standpunkt der Gegen-
wart neu zu ordnen.
2.
Die stilschopferische Phase der Neuen
Musik ist abgeschlossen. Ihre Fuhrer haben
sich durchgesetzt; unwichtige Tageserschei-
nungen sind verschwunden.
Die kampferische Aufgabe einer Zeit-
schrift fiir Neue Musik scheint erfullt. Es
entsteht die Forderung : die geistigen und
kunstlerischen Werte der beiden letzten Jahr-
zehntezuverteidigenundlebendigzuerhalten.
Die entscheidenden Werke der Neuen Musik
sind heute noch keineswegs geistiger Besitz
geworden. Sie werden zu selten und zu-
fallig aufgefiihrt.
11
Thesen zur heutigen Lage
Zustand
Aufgabe
Nach einem grofiartigen ktinstlerischen
VorstoG ist eine stilistische Beruhigung ein-
getreten.
Es ist zu untersuchen, wie weit sich in
der heutigen Musik allgemeine Stilgesetze
erkennen lassen, wie weit sich die Gesetz-
mafiigkeit ihrer Melodik, Harmonik, Form
iiber die personliche Aufierung hinaus zu
einer neuen Stillehre verallgemeinern lafit.
Aber die Beruhigung erweckte Gegen-
krafte: aus dem Zustande labilen Experi-
mentierens mit neuen Moglichkeiten wurde
eine bedenkliche Stabilitat, aus ihr eine
ausgesprochene Beaktion.
Jede, audi die kleinste kunstlerische
Aufierung, die von der herrschenden Stabi-
litat abweicht und einen eigenen Willen
erkennen lafit, ist zu beachten und zu
fordern. Die Aufklarungsarbeit an Musikern
und Laien ist mit aller Kraft fortzusetzen.
Der Zwiespalt unserer heutigen Lage be-
steht darin, dafi mit der scbeinbaren Sufieren
Sicherheit die innere Unsicherheit ge-
wachsen ist. Die soziologische Situation ist
unklarer denn je. Fiihrende Musiker, die
friiher eine Idee in den Mittelpunkt ihres
Werkes stellten, schreiben heute wieder eine
rein artistische Musik. Auf der andern Seite
wird die Forderung der Situation erkannt,
aber noch fehlen uberzeugende kunstlerische
Losungen.
Die soziologischen Untersuchungen
miissen erweitert und breiter fundiert
werden. Sie musseri sich besonders auf alle
musikalischen Aufierungen erstrecken, in
denen neue Musizierformen sichtbar werden.
Fur die Bewertung der Leistun^ aber ist
ausschliefilich der Gesichtspunkt kiinstleri-
scher Qualitat entscheidend.
6.
Gerade diese soziologische Zerkliiftung
charakterisiert die Situation der deutschen
Musik gegeniiber dem Ausland. Den
romanischen Landern ist Musik ein sicherer
Besitz ; in Bufiland beginnt sie zur Lebens-
form zu werden.
Die Erscheinungen des aufierdeutschen
Musiklebens sind mit grofiter Aufmerksam-
keit zu verfolgen. Dabei ist Berichterstattung
durch auslandische Mitarbeiter ebenso not-
wendig, wie die Beobachtung der andern
Lander vom deutschen Standpunkt aus.
In die bedrohliche Stabilitat der neuen
Musik brach die wirtschaftliche Katastrophe
ein. Sie zerschlug grofie Organisationen,
zwang zur Zuriickziehung aller vorgescho-
benen Posten, sie bedroht die Existenz un-
zahliger Musiker und begiinstigt die Un-
12
Die sich stetig verandernden Zusammen-
hange von Wirtschaft und Kunst miissen
genau und fortlaufend verfolgt werden.
In der Erkenntnis der produktiven Moglich-
keiten, welche die kritische Wirtschaftslage
zulafit, liegt heute die dringlichste Aufgabe
•Sf- ■«,*■.; KffiSipp,^
Thesen zur heutigen Lage
Zustand
interessiertheit weitester Kreise. Die Wirt-
schaClskrise offnete audi dem blindesten
Idealisten die Augen: sie zeigte ihm die
zwanglaufige Verbundenheit von Kunst
und Lebensformen.
Aufgabe
einer gegenwartsnahen Zeitschrift. Diese
produktiven Moglichkeiten sind: Umstellung
de8 Betriebs • in Oper und Konzert, neue
Formen der Reproduktion, Stiitzung der
Laienmusik; alles dies bewirkt eine neue
Eingliederung der einzelnen kiinstlerischen
Leistung. Die noch vorhandenen Moglich-
keiten sind klar und niichtern zu sehen
und planwirtschaftlich auszuwerten.
8.
In innerem Zusammenhang mit der
neuen Musik hat sich die Musikerziehung
zu festen Formen entwickelt, deren Grenzen
heute ungefahr festliegen.
Audi in diesem Zusammenhang ist eine
soziologische Fragestellung wichtig. Die
Jugendmusik droht, in ihrer alien Form zu
erstarren. Es ist zu untersudien, ob neue
Formen der Jugend- und Volksgemein-
schaften uberhaupt noch primar durch die
Musik bedingt sein konnen.
9.
Die Randgebiete der neuen Musik: Auf alien diesen Gebieten mufi weiter
Rundfunk, Tonfilm und Sdiallplatte haben fiir das Recht einer geistigen Minderheit
ein Entwicklungsstadium gesteigerter Akti- gekampft werden, die von ihnen nidit nur
vitat hinter sich; besonders der Rundfunk tagliche Gebrauchsware, sondern eine ihrer
hat voriibergehend in der neuen Musik eigenen Einstellung entsprechende Leistung
eine fiihrende Stellung eingenommen. Auch verlangt.
diese Entwicklung sclieint abgeschlossen.
10.
Mit der wirtschaftlichen Bedrohung zu-
gleich brechen Mittelmafiigkeit und Merkan-
tilismus in die Kunst ein. Es wird iiberall
versucht, das Erkampfte zu unterhohlen,
die Leistung zu nivellieren, fiir die scheinbar
fehlenden neuen grofien Werke minder-
wertigen Ersatz zu bieten.
Wir erkennen : es geht heute nicht mehr
um eine „Riditung", nicht einmal um die
Neue Musik, sondern um die Musik selbst.
Unsere Aufgabe ist: unbedingtes Eintreten
fiir das Lebensrecht der Kunst im mate-
riellen und geistigen Haushalt, unbedingte
Bejahung der Qualitiit und unbedingte
Ablehnung der Mittelmafiigke.it, gleichviel
in welchem Gewande, Bekenntnis zur
geistigen Leistung in einer Zeit der Ent-
geistigung und der geschmacklichen Inflation.
13
Der Kreis um Pizzetti
Ausland
Italien
Guido M. Gaiti
Indem ich die Mitarbeit an dieser Zeitschrif't wieder aufhehme, die in ebenso
sympathisoher wie intelligenter Weise allc Kundgebungen des musikalischen Zeitgeistes
so aufmerksam verfolgt, mufi ich mich notwendig darauf beschranken, nur einen Aus-
schnitt von alledem zu geben, was mir im Gedachtnis haften geblieben ist und was fur
einen auslandischen Leser von Interesse sein kann. Leider werden unter den Musikern,
die hier anzufiihren sind, kaum neue Namen sein; denn wir haben keinerlei Offen-
barungen erlebt, und gerade die jungen Komponisten (die „wirklich jungen" um Dreifiig
herum und darunter) glanzten durch vollige Abwesenheit oder doch durch nahezu vollige:
die wenigen Stiicke, die aus der verwirrenden Vielheit der Richtungen sich hervortaten,
8 cheinen mir (soweit sie mir durch Horen oder Lesen bekannt geworden sind) nicht den
Stempel von Kunstwerken zu tragen, die zu langer Lebensdauer bestimmt sind. Hiermit
meine ich im besonderen die Werke der Musiker Mortari, Pilati und Veretti, dreier
junger Leute von verschiedener Begabung, aber unbestreitbarem Temperament: mir
scheint, dafi sie eine ernste Krise durchmachen, dafi sie einen entschiedenen Schritt nach
riickwarts getan haben, den man nicht zu bemangeln brauchte, wenn man ihn als wohl-
begriindet und als Ergebnis reiflicher Erwagung empfinden konnte. Aber, im Gegenteil,
es zeigt sich darin eine Unsicherheit der Richtung, die bald — auf den Spuren von
Casella — einem (im Grunde national bedingten) Neuklassizismus zuneigt, bald sich
einer wiederauflebenden Neuromantik von der volkstumelnden Farbung des Typus Pizzett-
zuwendet. Man mufi jedoch hinzufugen, dafi wenigstens im Augenblick die Gefolgschaft
die dieser zweite Autor findet, die grofiere und auch die offenkundigere ist. Das beweist
nicht nur eine musikalische „Ehrengabe fur Pizzetti" aus Anlafi seines 50. Geburtstages,
an der sich — neben den drei obengenannten Musikern — auch der altere Mario
Castelnuovo-Tedesco, der einzige wirkliche Schiller Pizzettis, und der sehr junge Nino
Rota-Rinaldi beteiligt haben, sondern das geht auch aus wichtigen neueren Werken eines
jeden von ihnen hervor: einer Violinsonate von Mortari, zwei Sonaten fiir Violine und
Violoncello von Pilati, einem Trio Verettis, um nur ein paar zu nennen, die mir
gerade einfallen.
Aber aufschlufireicher, als sie auf den Notenblattern anderer Autoren zu suchen,
ist es, die Musik des Meisters aus Parma in seinen eigenen Werken wiederzuhoren,
wozu wir in der vergangenen Spielzeit mehrfach Gelegenheit hatten. Zuerst in dem
zweiaktigen Drama „Lo Straniero" (Der Fremde), das, 1930 in Rom aufgefuhrt, jetzt
in der Mailander Scala unter der Leitung des Komponisten wiederholt worden ist.
Ferner im „Rondo veneziano", das vom Konzertsaal auf die Szene hinubergewechselt
hat, in einer choreographischen Einrichtung durch Caramba. Wahrend mir das erstge-
nannte Opus ohne Frage zu den personlichsten Werken des Autors zu zahlen scheint,
als eine Arbeit, in der dem theatralischen Effekt keinerlei Konzession gemacht ist, in
dem das besondere Ethos des Kxinstlers restlos in einem klarlinigen, menschlichen, zu-
14
Neue Opern in der Mailander Scala
if
f
gleich einheitlichen und vielfaltigen Drama aufgegangen ist, glaube ich nicbt, da£ das
Rondo veneziano (das uns noch immer in der untadeligen Auffiihrung im Gedachtnis
haftet, die ihm vor einem Jahr hat Toscanini mit der New-Yorker Philharmonie an-
gedeihen lassen) durch eine Ubersetzung in Gebarden und Figuren gewonnen hat, die
seine Resonanz zwangslaufig herabmindern miissen. s ) (Das ist ganz prinzipiell gesagt
und ohne Beriicksichtigung der speziellen Scala-Auffiihrung, die in Geist und Form
aufiergewohnlich „antipizzetisch" war.)
Leider kommen diese "Werke, in welchen das visuelle Element eine hervorragende
Rolle spielt und die daher eines wahrhaft genialen Inszenators bediirfen, auf der riesigen
Biihne des grofiten italienischen Operntheaters nicht auf ihre Rechnung. Obwohl man
den Versuch gemacht hat, den Kreis der Mitarbeiter durch die Einladung angesehener
auslandischer Regisseure zu erweitern, bewirkt es die gesamte Atmosphare, die auf
diesem Theaterraum lastet, und wahrscheinlich auch seine technische und organi-
satorische Anlage, die speziell auf die landlaufige Oper zugeschnitten ist, dafi diese und
andere moderne Stucke dort nicht ganz nach ihren Anspriichen gestaltet werden konnen.
Ich denke jetzt an Castelnuovo-Tedescos „Bacco in Toscana" (Bacchus in Tpscana), der
sicherlich bei einer gelungeneren Inszenierung besser weggekommen ware. Diese Oper
des florentinischen Komponisten, originell in ihrer ganzen Anlage, krankt an der Qualitat
ihrer Musik. Der Autor hat sich als Textdichter von dem beruhmten Dithyrambus
gleichen Namens des Francesco Redi inspirieren lassen und hat sich dieser Dichtung
als Textunterlage bedient, indem er im ersten Teil einige Verse aus dem Fragment
„Arianna inferma" (Die leidende Ariadne) des gleichen Dichters hinzufugte. Castelnuovo
hat die Handlung in den beruhmten Park von Boboli in Florenz verlegt und hat den
Text des secentistischen Poeten seinem selbstentworfenen Szenarium angepafit, nicht
ohne gute Biihnenwirkungen damit zu erzielen. Aber durch diese Anpassung hat er
meiner Ansicht nach den originalen Feuer-Geist des aretinischen Arztes und Dichters
ein wenig romantisiert und zugleich raffiniert. wie er es auch schon friiher mit der
„Mandragola" des Machiavelli gehalten hatte. Und wie man schon damals den Ein-
druck gewann, dafi der Komponist der Mandragola nicht ganz das rechte Temperament
ware, um die blutvoll populare und zuweilen sogar grobschlachtige Art jener Komodie
aus dem 16. Jahrhundert wiederzugeben, so hat es auch jetzt den Anschein, als ob der
Musiker des „Bacco in Toscana" nicht all die reichen Moglichkeiten der barocken Phan-
tasie, der einfallsgesegneten Erfindung, der schonen Erregung geniitzt hatte, aus denen
die Verse des Redi ihre Lebendigkeit schopfen. Im Gegenteil, es macht sich in diesem
ganzen Werk eine Zierlichkeit und Wohlgesetztheit spiirbar, die zwar noch einmal den
angeborenen Geschmack dieses Kiinstlers verkunden, die aber dem Erfolg des Theater-
stiickes nicht zutraglich sind. Die rhythmische Variabilitat und die gliickliche Wahl der
Ubergange, die gerade die Vorziige von Redi's Dithyrambus ausmachen, haben keinen
Widerhall gefunden in einer Musik, die rhythmisch uniform und thematisch von ge-
ringer Plastizitat ist.
Grofieren Beifall haben an der gleichen Stelle zwei andere Opern gefunden,
die — obwohl von sehr unterschiedlicher Artung — jene Qualitaten gemein haben,
l ) Auch in Deutschland hat man im vorigen Jahr dieses venezianische Rondo gehort. (Anmerkung
des Ubersetzers)
15
Moniemezzi und Wolf-Ferrari
die das Theaterpublikum auch im 20. Jahrhundert noch liebt: namlich eine geloste
Beredtheit der Sprache, sowie einen gliicklichen Ausgleich zwischen den gefiihlsmafiigen
und opernhaften Elementen auf der einen Seite, den genrehaften und komischen auf der
anderen. Vornehmlich auf die sentimentalen Elemente stiitzt sich ein kurzer Einakter von
Italo Montemezzi, der „La Notte di Zoraima" betitelt ist. Der Autor von „L'amore dei
tre Re" (Liebe dreier Konige) schlagt in dieser seiner jungsten Arbeit keine einzige Sake
seiner Leier an, die wir noch nicht gehort hatten: die knappe und pausenlos abrollende
Handlung, die von dem Librettisten Ghisalberti nicht ohne Geschick verfafit ist, fiihrt
zu dem vorauszusehenden Abschlufi des Finalduettes und gibt dem Musiker haufig
Gelegenheit, sich einer leichtgewogenen, wenn auch niemals vulgaren Melodieseligkeit
in die Arme zu werfen, die freilich, vergleicht man sie mit Proben aus friiheren Werken,
ein wenig ermattet zu sein scheint. Immerhin bleibt festzustellen, dafi die Partitur einen
dramatischen Moment von intuitiver Kraft enthalt, jenen namlich, in welchem die beiden
Frauen sich gegeniibertreten. Dagegen die komischen Effekte, die Reize des Graziosen
und gelegentlich sogar Gekiinstelten macht sich die letzte Oper von Ermanno Wolf-Ferrari
zunutze, „La vedova scaltra" (Die schalkhafte Witwe) '),' die, erstmals in Rom aufgefiihrt,
in Mailand ihren Erfolg bestiitigt sah. Auch hier sind keine Neuigkeiten zu gewartigen,
wenn man das Werk mit den anderen Goldoni-Komodien konfrontiert, die dieser frucht-
bare und vom Gliick begiinstigte Autor bereits friiher in Musik gesetzt hat. (Der Erfolg
der „Vier Grobiane" stellt sich kein zweites Mai ein). Aber hier findet man eine
Lebendigkeit der Bewegung, die — wenngleich im Grunde mehr mechanischer als
spiritueller Art — der Musik eine liebenswiirdige Behendigkeit verleiht, woran aller-
dings auch der Humor Goldonis seinen Anted hat, der dem Libretto erhalten geblieben ist.
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman).
Rundfunk - Film - Schallplatte
Rundfunk ohne Grammophon?
Hanns Gutman
Man kennt den Tatbestand. Vor einigen Wochen iiberraschte die Grammophon-
Industrie die deutschen Sendegesellschaften mit der bestiirzenden Mitteilung, sie wiirde
in Zukunft die uneingeschrankte und unentgeltliche Sendung von Schallplatten durch
das Radio nicht mehr gestatten. Uberraschend nenne ich diese Ankiindigung darum,
weil man bisher doch den Eindruck hatte, da6 die Industrie die Verbreitung ihrer
Produkte durch den Funk als ein wirksames Propagandamittel betrachtete. Ganz ab-
gesehen von den regelmafiigen Vormittagssendungen, die streng nach Firmen geordnet
und schon dadurch als offenkundige Reklame-Veranstaltungen deklariert waren, mufite
auch sonst bei jeder Gelegenheit die betreffende Marke mit peinlicher Genauigkeit ge-
Die Lindenoper in Berlin hat das Werk Wolf-Ferraris aufgefiihrt. (Anmerkung des Ubersetzers)
16
Industrie verbietet Schallplattensendung
f
nannt werden, und so durfte man annehmen, dafi diese Losung die Zustimmung beider
Parteien habe — : die Sendegesellschaften konnten ihr musikalisches Programm beliebig
und in der denkbar vielseitigsten Weise bereichern, die Grammophon-Industrie hatte im
Rundfunk ein Propaganda-Instrument von ungeahnter Tragweite gefunden.
Diese beiderseits genehme Situation soil sich jetzt, nach Aussageder Plattenfabrikanten,
zu deren Ungunsten verschoben haben. Der Ruckgang des Umsatzes in der Grammophon-
branche hangt natiirlich auch mit dem allgemeinen Schwund der Kaufkraft zusammen.
Aber er ware nicht so katastrophal, meint die Industrie, wenn nicht das kaufende
Publikum Tag und Nacht die besten Aufnahmen im Rundfunk zu horen bekame, zu
einem monatlichen Preis noch dazu, der unter dem Kaufpreis der billigsten Platte liegt.
Also miisse der Verwendung von Grammophon-Aufnahmen zu Sendezwecken Einhalt
geboten werden. Man wird diesen rein geschaftlichen Standpunkt durchaus begreifen.
Die Platten-Produktion ist eine Industrie wie jede andere, von der niemand erwartet,
daft sie aus idealistischen Motiven ihren kaufmannischen Vorteil hintansetzen wird.
Verhandlungen zwischen den beiden Partnern zerschlugen sich. Die Firmen wollten
namlich erlauben, dafi in vermindertem Umfang und in einer von ihnen selbst zu
treffenden Auswahl auch weiterhin Platten ins Sendeprogramm eingereiht wiirden. Das
haben die Sendegesellschaften abgelehnt, und mit Recht, denn der wahre Grund dieses
scheinbar entgegenkommenden Vorschlages war zu durchsichtig : man wollte auf diese
Weise seine Ladenhiiter an den Horer bringen und hatte vermutlich bei jeder Auf-
nahme von einigem Wert sein Veto eingelegt. Auf der Funkseite wurde das Angebot
gemacht, man wolle in Zukunft die Platten, die man bialang von der Industrie gratis
zur Verfugung gestellt bekommen hatte, Stuck fur Stuck regular bezahlen, aber mit
diesem Kauf auch das Recht auf Sendung erwerben. Damit war natiirlich wieder den
Firmen nicht gedient. So wurde, nach Ablauf eines Ultimatums, den samtlichen deutschen
Sendern ab 6. Dezember 1931 die Verbreitung von Schallplatten durch das Radio-
Mikrophon untersagt. Lediglich drei Firmen haben sich von dieser Mafinahme ausge-
schlossen, von denen jedoch zwei schon durch die Art ihres Repertoire.9 kaum diskutabel
sind. Und mit Ultraphon allein kann man auch nicht gliicklich werden.
Soviel xiber den derzeitigen Sachverhalt und iiber die Vorfalle, die zu ihm gefuhrt
haben. Es ist nicht anzunehmen, dafi die Industrie sich von ihren kommerziellen Er-
wagungen abbringen lassen wird. Was bleibt auf der anderen Seite zu tun?
Der Kritiker und Kunstpolitiker, der in diesen Streit eingreift, sieht sich, wie heute
so oft, vor die bedriickende Alternative gestellt, ob er sich lieber fur den sozialen
Nutzen oder fur den kiinstlerischen Wert entscheiden will. Ware diese Entscheidung so
leicht, dann lage unser Fall ganz klar. Unter dem sozialen Gesichtswinkel ist die Aus-
merzung der Schallplatte aus dem Funkprogramm ein unschatzbarer Gewinn. Die Sender
mussen jetzt mehrere Stunden des Tages, die sonst mit Grammophon ausgefiillt wurden,
mit den Darbietungen lebendiger Spieler, Sanger und Dirigenten besetzen. Von der
Kunst aus betrachtet, ist das Umgekehrte jedoch nicht minder offenkundig. Fiir die
Giite und Vielfalt, vor allem auch fur die Beweglichkeit des Programms bedeutet der
Ausfall der Platte einen ganz schwerwiegenden Verlust. Die grofiere Unmittelbarkeit,
welche jede lebendige Interpretation vor jeder mechanischen Ubertragung voraus hat, ist
von mir nie bestritten worden. Aber niemand wird auch bestreiten wollen, dafi trotzdem
17
Niveausenkung des Musikprogramms
eine grammophonelle Aufnahme Toscaninis mit den New Yorker Philharmonikern den
Aufffihrungen eines realen, aber mittelmafiigen Kapellmeisters an der Spitze irgendeines
Notstandorchesters uberlegen ist. Die Frage lautet also klipp und klar: — was ist
wichtiger, die Quantitat der existenzfahig zu erhaltenden Musiker oder — die Qualitat
der kiinstlerischen Leistung?
Unmoglich, die Frage gleichermafien eindeutig zu beantworten. Die Losung kann
nur auf einer mittleren Linie liegen. Selbstverstandlich soil aus dem veranderten Sach-
verhalt jeder nur mogliche soziale Nutzen gezogen werden, der das Niveau nicht gefahrdet.
Das kann auf mannigfache Weise geschehen. Man darf es bei dieser Gelegenheit ruhig
aussprechen, da6 in letzter Zeit von der Schallplatte im Rundfunk ein etwas uppiger
und gar zu bequemer Gebrauch gemacht worden ist. Es mufite zum Beispiel ein Leichtes
sein, die bisher in Berlin und wohl auch anderwarts iibliche Grammophonstunde urn die
Mittagszeit durch lebende Vortrage, sei es kammermusikalischer, sei es kabarettistischer
Art, zu ersetzen. Vielleicht sollte man auch prinzipiell in jedem Fall, wo der Kiinstler
personlich zur Verfugung steht, darauf verzichten, ihn auf der Platte vorzufiihren - (Hier
ware auch erneut die Frage aufzurollen, wie der offenbaren Unbilligkeit abgeholfen
werden kann, dafi der Mu9iker mit der einmaligen Entlohnung fur eine grammophonelle
Aufnahme jeden Anspruch auf Honorierung fiir die offentliche Verbreitung seiner Leistung
verliert. Gerade die Neuregelung in den Beziehungen zwischen Rundfunk und Grammo-
phon, die friiher oder spater getroffen werden mufi, ware auch hierfiir der gegebene
AnlaB).
Es ist also nicht zweifelhaft, dafi der grammophon-entblofite Rundfunk eine ganze
Menge guter und dennoch erwerbsloser oder mangelhaft beschaftigter Musiker in Nahrung
setzen kann und soil. An einem Diskussionsabend fiber die Lage des Musikers in der
Wirtschafskrise kam kurzlich diese Forderung mit Recht deutlich zum Ausdruck. Es ist
aber auch ebenso klar. dafi die Schallplatte in vielen Fallen fiir das Sendeprogramm
ganz unentbehrlich ist. Der gleichfalls an jenem Abend formulierte Schlachtruf „nie
wieder Platten im Rundfunk" ist grober Unfug.
Von der hoheren Qualitat, die sehr haufig nur durch die Schallplatte gewahrleistet
wird, war schon die Rede. Der vollige Verzicht auf sie bedeutet, ohne Umschweif gesagt,
eine glatte Niveausenkung des Musikprogramms, die man keinesfalls und um keinen
sozialen Preis gutheifien kann. Blattert man etwa in den Programmen der Berliner
Funkstunde seit dem 6. Dezember, so wird man eine ganz empfindliche Verschlechterung
beobachten, eine viel empfindlichere iibrigens, als selbst unter Beriicksichtigung der
plotzlichen Zwangslage notig ware. Die meisten Darbietungen braucht man gar nicht an-
zuhoren: die Titel der Stiickegenugen schon. Die Verantwortlichen des deutschen Bund-
funks konnen gar nicht nachdriicklich genug davor gewarnt werden, dem Zug der Zeit
zu unverbindlicher Dudelei nachzugeben. Gerade in einem Moment, da die Opernhauser
sich auf die ,.Blume von Hawai" zuriickziehen und uberall Operetten und Possen im
VordertrefFen liegen, ist der Rundfunk mehr als je verpflichtet, seinen Uberschufi an
Zeit und Geld kulturfordernd anzulegen.
Aber nicht nur die Giite, auch die Beweglichkeit des Programms ist bedroht, zu
der eben erst einige produktive Ansatze gemacht worden waren. Etwa die Montagen
aus Musik und Literatur (beispielsweise zur Darstellung einer Epoche) sind ohne Platten
18
Schallplatte nur bedingt entbehriich
unvorstellbar. Oder: Vortrage iiber Musik miissen ohne das illustrierende, klingende
Beispiel akademisch bleiben, und diese Illustration kann sehr oft nur durch das Grammo-
phon ermoglicht werden. Ich greife nur ein paar Gesichtspunkte heraus. All das, was
man neulich in Frankfurt sehr gliicklich als .,musikalische Aufklarungsarbeif bezeichnet
hat, eine der dringendsten Aufgaben des Rundfunks, wird zum grofien Teil durch die
Entziehung der jederzeit und ohne umstandliche Proben verfiigbaren Schallplatten sabotiert.
Das darf nicht sein. Es wiirde einen Riickschritt bedeuten zu der verkehrten Vorstellung,
als ob der musikalische Funk nicht anderes ware als ein Surrogat fiir Konzert und
Oper.
Unbedingt mufi in einer Form, die zu finden nicht meines Amtes ist, eine
Einigung zwischen Rundfunk und Grammophon erzielt werden. Die Parole heifit nicht :
„nie wieder Platten im Rundfunk", sondern nur: „fort mit der Platte aus dem Rund-
funk, soweit man ebenso gut ohne sie auszukommen vermag". Die Falle, in denen das
nicht moglich ist, sind zahlreich. Fiir sie haben aber auch soziale Bedenken auszuschalten.
Sobald man einmal von dem absoluten Leistungswerl als dem obersten Mafistab ab-
geht, wird die Kunst selber gefahrdet. Die Qualitat mufi unter alien Umstanden das
oberste Gesetz bleiben. Die Kunst ist keine Wohlfahrtsunternehmung. Ubrigens wird
die Gewifiheit, das heute und in absehbarer Zukunft nur mehr der iiber den Durch-
schnitt befahigte Musiker seine Existenz zu sichern vermag, vermutlich auch eine ganze
Anzahl junger Menschen vom professionellen Studium der Musik abhalten. Das kann,
wie die Dinge einmal liegen, nur als Vorzug angesehen werden.
Kritische Umschau
Funkstunde Berlin: Leider ist auch in
Novitaten aus den letzten Wochen
d.-i e^^^ha*. wieder eine be-
rei tpocnen . , ^ _
klagenswerte stag-
nation im musikalischen Programm zu ver-
zeichnen gewesen. Die meisten guten Vor-
satze sind anscheinend in Vergessenheit
geraten. Neue Musik ist diinn gesat. Wo-
hin ist der historische Zyklus von Sing-
spielen geraten, der so stolz angezeigt war ?
Warum hat man die Gelegenheit des
100. Geburtstages verstreichen lassen, ohne
Bellinis Norma einmal vorzufiihren, die
eine Partitur von seltener musikantischer
Fiille hat und keineswegs nur als Vorstufe
zu Verdi von Interesse ist? Weshalb wird
die Reihe der selten oder nie gespielten
Verdi-Opern nicht fortgefiihrt, obwohl fiir
sie, nach den Raubern und dem Macbeth,
die allgemeine Zustimmung gewifi ist?
Die musikalischen Ereignisse von Be-
lang sind rasch aufgezahlt. Eine sehr gute
Idee war es, der Auffuhrung von Berlioz'
Phantastischer Sinfonie (unter Fried) deren
in weitesten Kreisen unbekannte Fort-
setzung, den „Lelio", folgen zu lassen.
Solche Ausgrabungen, soweit sie von mehr
als philologischer Bedeutung sind, gehoren
zu den Pflichten des Rundfunks, Im Lelio
hat Berlioz der Tragodie, der tiefen Ver-
zweiflung des Ktinstlers, wie sie die Phan-
tastique gemalt hatte, einen retour a la
vie als ein etwas gewaltsames happy end
nachgeschickt. Den Kiinstler, der sich ent-
tauscht und angeekelt vom Leben abge-
wendet hat, ruft das grofie Vorbild
Shakespeare zu seiner Kunst zuriick. Zum
Schlufi komponiert er denn auch eine
sinfonische Dichtung iiber Shakespeares
„Sturm", die den historisch Horenden
durch die Kiihnheit ihrer instrumentalen
Mittel frappiert, wie iiberhaupt dieser
Lelio, mit einem ekstatischen Sprecher,
mit seinen Gesangseinlagen und seiner
19
Stephan und Martinu im Berliner Sender
Kombination scheinbar zusammenhang-
loser Musikstiicke, als eine Art reflektieren-
den Kunstwerkes hochst modern anrnutet.
Eine andere Paititur, die man ebenfalls
sonst nicht zu horen bekommt, vermittelte
Scherchen (in einer intensiven Wiedergabe,
nur mit ungleicher Besetzung der Gesangs-
partien): „Die ersten Menschen" von Rudi
Stephan. In dieser Musik dokumentiert sich
fraglos eine starke, vielleicht audi individu-
elle Begabung. Die Einfliisse von Straufi
(Salome) und Debussy sind angesichts der
Entstehungszeit der Oper nicht verwunder-
]ich. Ideologisch stehen freilich die ., Ersten
Menschen" dem Wagnertum naher als der
Musikgesinnung unserer Tage.
Diese spurt man in einem neuen Werk
despariserisch verfeinerten Bohmen Martinu,
in seinem Cellokonzert, das Cassado erst-
mals vorfiihrte. Eine Arbeit, deren Ecksatze
von musikantisch-beweglichen Einfallen le-
ben. Im langsamen Satz werden Reste einer
volksliedhaften Melodik durch die gesuchte
Harmonik verschleiert. Aber die Allegro-
Teile haben die rechte Mischung aus
rustikaler Unbekiimmertheit und fran-
zosischer Gelaufigkeit, mit der Martinu
seine starken Effekte erzielt. Am ge-
lungensten der tanzerische dritte Satz
mit seiner rhythmischen Widerhaarigkeit.
Hier wachsen auch die vielen virtuosen
Solofiguren organisch aus dem thematischen
Bestand hervor, die in den anderen Teilen
nicht selten als unlogischeEinlagenerscheinen.
Bei der Armut ihrer Literatur werden
die Cellisten das knappe Werk als Berei-
cherung begrtifien. In der Berliner Funk-
wiedergabe zerflofi das orchestrale Klangbild
zu breiiger Unklarheit. Man wird die
Komposition erst einmal im Konzertsaal
horen mussen, urn zu entscheiden, ob das
an der fur das Mikrophon gefahrlichen
poly ton alen Akkordik oder an dem diri-
gierenden Seidler-Winkler lag. S. N.
Tonfilm Unter den Filmen der letzten
Zeit erweckt „Der weifie Rausch"
(Dr. A. Fanck, Produktion Sokal) auch fur
denMusiker besonderes Interesse. Fur diesen
Film, der Schnee und Skikunst einmal
ohne begleitenden Kitsch in hochster Quali-
tat zeigt (das „Geschaft" beweist: es geht
auch so; das Publikum ist garnicht so
schlimm, wie es aus bestimmten Griinden
oft gemacht wird), hat Paul Dessau eine
ausgezeichnete Musik geschrieben. Spar-
samster Dialog und Lautlosigkeit der Hand-
lung geben dem Musiker ungeahnten Baum.
Dessau stellt seine Partitur auf ein paar
simple Volksliedmotive und auf das Kolorit,
illustriert witzig, aber nie aufdringlich durch
Liedzitate, begleitet die Jagd der Skilaufer
in monotonen, peitschenden Intervallen.
Seine Musik ist immer da, wenn man sie
braucht, nie zu dick, nie langweilig. Im
ganzen : eine vorbildliche Losung des
Problems einer Filmmusik. H. M.
Meloskritik
Individualpsychologie
und Musikerziehung
Willi Reich
Als Hubermann kiirzlich in der „Vossischen Zeitung" den Hilferuf ,,Bettet den
Dilettantismus !" ausstiefi, fand er bei alien an lebendiger Musikpflege Interessierten
lebhaftes Echo. Neben unbedingter Zustimmung gab es auch heftige Opposition. Diese
kam besonders in Ausfuhrungen H. H. Stuckenschmidts zum Ausdruck, der der Existenz
einer moglichst grofien Klasse musikausubender Dilettanten keinerlei Einflufi auf die
Entstehung von genialen Spitzenleistungen einraumte und fur jede Zeit das Becht in
Anspruch nahm, die ihr gemafie Kunst eigengesetzlich aus sich heraus zu entwickeln.
20
■^y^V;
Der „ideale Dilettant"
Hanns Gutman wies, gestiitzt auf eitie Aufierung Kurt Weills, auf die Notwendigkeit hin,
die bildende Aufgabe der Musik durch neue Funktionen zu ersetzen, ohne aber anzu-
geben, wo diese zu suchen waren. Erst ein Essai Karl Schefflers stellte genaue Definition
des Begriffs „Dilettantismus" in das Zentrum der Betrachtung und postulierte als das
jedem Dilettanten zugangliche Ziel der Musikerziehung die Beherrschung der Musik als
Sprache und nicht als Fertigkeit. Zur Bliitezeit der deutschen Klassik aufierte sich
namlich das Musikkonnen des Dilettanten nicht in verstandnislosem Nachplappern der
ihm stets unerreichbaren Virtuosenleistung, sondern in sinngemafier Beproduktion der
musikalischen Inhalte. ') „In der ganzen Welt gab es damals kein Konzertpublikum wie
das deutsche, keines, das so die Nuance verstand, das so liebevoll kritisch imstande war,
Musik nicht nur zu fuhlen, sondern audi zu denken. Das Musizieren hat die Deutschen
damals befahigr, die Schflpfungen der grofien Musiker zu lesen, wie sie Goethe lasen;
immer wieder, bis sie jede Note kannten. Diese Kenntnis aber verdoppelte den Genufi
und schuf das Niveau".
Diesen Typus des „idealen Dilettanten" vei'sucht auch eine Methode zu rekon-
struieren, die an die von Alfred Adler begriindete Individualpsychologie ankniipft und
ihren Niederschlag in einem kiirzlich im Steingraberverlag erschienenen Werk von
Leonhard Deutscli (Wien) „Individualpsychologie und Musikerziehung" gefunden hat.
Bekanntlich geht die Individualpsychologie jeder kausalen Erklarung der psychischen
Phanomene aus dem Wege und bildet eine „finale" Anschauungsweise aus, die den
Begriff des „Zieles" zum Fundament der Lehre macht. Hier setzen die Ausfiihrungen
Deutschs ein und erinnern zunachst an die kulturelle Mission der Musik als die
lebensbejahende und gemeinschaftsbildende Aufierung des Musizierenden. „Die Aufgabe
einer final orientierten Musikgeschichte ist es, zu zeigen, wie sich die Musik und ihre
Ausdrucksmittel den ubrigen gegebenen Kulturerscheinungen jeweils anpassen." — Aber
auch die Musikerziehung hedarf klarer Ziele und diese konnen nur in der Heranbildung
eines moglichst grofien Kreises Musikverstandiger gesucht werden. Das Problem der
Erlangung der Spieltechnik wandelt sich daher in ein Problem der Erweckung des
musikalischen Verstandnisses.
Ich mochte an dieser Stelle nicht wertend auf die Bedeutung der Methode ein-
gehen, die Deutsch dem Instrumentalunterricht zugrundelegt, sondern lediglich kurz
ihr Wesen andeuten und einige Folgerungen firr die allgemeine Musikerziehung daraus
ableiten: Deutsch lehnt jeden Vorspieldrill ab und lafit nur vom Blatt spielen, um
auf diese Weise zwar langsam, aber parallel mit der geistigen Entwicklung des Schiilers
die zugehorige Lese- und Spieltechnik zu erreichen. Von einer vorzeitigen Einstudierung
einzelner brillanter Vortragsstiicke wird abgesehen, da das Problem der Gelaufigkeit nicht
am einzelnen Stuck zu losen ist, sondern nur an der ganzen Mannigfaltigkeit der in-
strumentalen Aufgaben. Das bisher geubte Spezialstudium der Spielelemente hat also
gar keinen Zweck, denn die eigentlichen Schwierigkeiten des Instrumentalspiels liegen
gerade im Zusammenwirken dieser Elemente. Dieses kann nur durch die im Prima-
vistaspiel liegende Ganzheitschulung erzielt werden, welche noch den Vorteil mit sich
bringt, dafi auf diese Weise muhelos ein Uberblick iiber die gesamte Literatur des
x ) Einen Beweis dafur bilden die damals entstandenen, in ihrer instrumentalen Zuaammensetzung oft
ganz absurden „Bearbeitungen".
21
Notwendigkeit einer Schulerauslese
Instruments und damit eine wesentliche Erweiterung des geistigen Horizonts des Spielers
erreicht wird.
Im Elementarunterricht gilt die Forderung, dafi der Lehrer in der Beurteilung des
vom Schiller Dargebotenen sich vollstandig auf den Standpunkt des letzteren zu be-
geben hat. Er mufi also auf die Durchsetzung seiner hoheren musikalischen Einsichten
verzichten und sich damit begniigen, den Schiiler langsam zu ihrer selbstandigen Er-
werbung anzuleiten. Dafi auf diesem Wege keine Schnellsiedekurse zur Erzeugung von
Podiumshelden abgehalten werden konnen, ist wohl klar, ebenso klar ist es aber auch,
dafi bei einem derartigen auf schlichtes Musizieren gerichteten Unterricht alle jene Ent-
tauschungen erspart bleiben, welche sich bei einer nur auf Virtuositat abzielenden Ein-
stellung friiher oder spater unzweifelhaft bei ca. 95°/o aller Studierenden ergeben und
in den meisten Fallen zum Aufgeben des Musikstudiums fuhren.
Mit dem Problem des Elementarunterrichts sind die Fragen der „Schulerauslese"
und der „Vorerziehung zur Musik" eng verkniipft. Meiner Meinung nach mufi der von
der Individualpsychologie verkiindete „auslesefreie" Unterricht mit grofier Vorsicht auf-
genommen werden. Er kann, wie bereits friiher angedeutet, nur in der Erziehung zur
allgemeinen Musikalitat und in Anwendung der gemeinschaftsbildenden Kraft der Musik
bestehen. Erst wenn der Zogling dazu gebracht ist, sich aus freien Stiicken musikalisch
zu betatigen, darf zum Instrumentalunterricht geschritten werden. Es wird dann immer
Sache des erfahrenen Lehrers sein, durch Anordnung des Ubungsstoffes und Kontinuitat
der Unterweisung den der naturlichen Veranlagung des Schulers gemafien Lehrerfolg zu
erreichen. In diesem Sinne angewandt, kann die Individualpsychologie zweifellos wesentlich
dazu beitragen, das musikalische Weltbild im Sinne wachsender Aufnahmefahigkeit zu
verandern und den schopferischen und reproduktiven Hochstleistungen die Wege zu bereiten.
Tonende Musikgeschichte
Hans Mersmann
Hugo Riemanns „Musikgeschichte in Beispielen" war seit Jahrzehnten der einzige
vollstandige Uberblick iiber die Musikgeschichte vom Notenbilde aus. Aber die Einseitig-
keit der Auswahl und der Herausgabe verhinderte immer wieder, dafi man in der
Arbeit mit diesem Buche froh wurde. Die beiden ausgezeichneten kleinen Sammlungen
von Johannes Wolf und Einstein liefien das Ziel deutlich erkennen und gaben in den
ihnen raumlich gegebenen Grenzen die beste Losung. Jetzt hat Arnold Schering im
Verlage Breitkopf & Hartel eine neue, umfassende „Geschichte der Musik in Beispielen"
gegeben, die in iiber dreihundert Stiicken den ganzen Raum der abendlandischen Musik-
geschichte umspannt. Das Werk steht in loser Beziehung zu der kiirzlich im gleichen
Verlage erschienenen monumentalen „Geschichte der Musik in Bildern" (G. Kinsky) und
lafit dadurch die Absicht des Verlages erkennen, aus Bild und Ton ein grofi angelegtes
Gesamtwerk aufzubauen, das sich den Musikgeschichten selbstatidig gegeniiberstellt.
Dieser Standpunkt verdient Zustimmung, Heute, wo das Schrifttum iiber Musik ebenso
gigantische Dimensionen angenommen hat wie die Neuausgaben alter Musik und das
eine oft ebenso fragwiirdig bleibt wie das andere, hat Scherings Werk besondere Bedeutung.
22
Ein Museum alter Musik
Kinskys Bilderatlas wurde von mir mit einem Museum verglichen (Melos
Aug./Sept. 1930) und es wurde untersucht, wie weit das Werk den Anspriichen heutiger
Museuraskunst geniigt. Fiir Scherings tonende Musikgeschichte gilt das gleiche.
Das Museale liegt in der zwanglaufigen Vereinheitlichung des Notenbildes, in der Tat-
sache, dafi „eine Komposition von Dufay scheinbar dasselbe Aussehen gewinnt, wie eine
von Mozart". Der Herausgeber selbst sieht darin „eine Tragik aller musikalischen Neu-
ausgaben, dafi sie von der geistigen Aura, die sich in immer wechselnder Farbung um
die Musik der einzelnen Zeitalter legte, einen grofien Teil als unausdriickbar beiseite
lassen miissen."
Fiir das Museum alter Musik sind die Perspektiven noch nicht so weit geklart
wie fiir die anderen Zweige der Museumskunst. Aber Scherings Sammlung fiihrt uns
einen grofien Schritt weiter. TJber die Frage der Auswahl hinaus, die ja das schwierigste
Problem einer solchen Sammlung ist, sind zwei Gesichtspunkte entscheidend : die Voll-
standigkeit des einzelnen Objekts und die Notierungsform. Schon Riemann war in
seinem Werk in der Ausdehnung der Beispiele sehr weit gegangen (z. B. Bachs grofie
Chaconne wurde vollstandig wiedergegeben), vernichtet aber durch das Prinzip des Klavier-
satzes in zwei Systemen fiir alle Beispiele die Individualitat des einzelnen Objekts oft
vollstandig. Schering vereinfacht, soweit es moglich ist, ohne das Objekt zu verletzen,
und notiert audi in drei Systemen. Der Satz ist dadurch einfacher zu iiberschauen und
zu spielen, als in der in Wirklichkeit komplizierenden und die Ubersicht erschwerenden
„Vereinfachung". Die grofite Bedeutung der Sammlung scheint mir aber in der Ausdehnung
der einzelnen Beispiele zu liegen. Was das Museum der Musikgeschichte oft so uner-
traglich machte: dafi man abhrechen mufite, wo man eben beginnen wollte, ist hier
iiberwunden (die Sammlungen Wolfs und Einsteins mufiten, um dieser Gefahr zu ent-
gehen, ihre Objekte von vornherein unter dem Gesichtspunkt des Umfangs auswahlen).
Hier aber kann man wirklich durchmusizieren. Ein Magnificat von Binchois ersteht in
seiner vollstandigen Ausdehnung und in seiner ganzen inneren Spannung ebenso wie
eine Opernszene von Monteverdi oder Cavalli. Hier liegt zugleich der Weg, der aus dem
Museum in die Wirklichkeit, voni Gipsabgufi zum Original fiihrt.
Die Auswahl selbst entspricht den Forderungen, die heute gestellt werden miissen.
Die altere Musikgeschichte ist in breiter Ausdehnung einbezogen; auch die einstimmige
Musik ist in einer Beihe von Beispielen vertreten. Neben den grofien Namen der Musik-
geschichte begegnen zahlreiche kleinere, die sich vielen Benutzern an dieser Stelle zum
ersten Male musikalisch legitimieren werden. Dafi hier, soweit es die erste Beschaftigung
mit dem Werke auszusprechen zulafit, der Gesichtspunkt der kiinstlerischen Qualitat
entscheidend geblieben ist, dafi die Sammlung eine Fiille innerlich lebendiger Musik
aller Zeiten umspannt, mufi dem Herausgeber als grofite Leistung bestatigt werden.
23
Neuerscheinungen
Neuerscheinungen
Neue Musik
Carl Orff, Kantaten nach Texten von Franz Werfel.
I. Veni Creator Spiritus. Scliott, Mainz
Die Kantatenreihe tragt den Titel „Werkbuch". Der Kom-
ponist slellt in seinem Sammelwerk Chor- und lnstru-
mentalsatze zusammen, .die ihrem Wesen nach nicht von
der Konzertiibung herkommen. Sie suchen den Anschlufi
an diejenige geistige Einstellung, welche von dem Sub-
jektivismus und der Isoliertheit des einzelnen zu einem
bindenden, allsemein giiltigen Gemeinschaflsempfinden
fiihren soil. Die Einfachheit der Anlage und die Wahl
der Mittel ergab sich aus dieser Einstellung und soil durch
den Verzicht aul alles, was die Ausfiihrbarkeit erschweren
konnte, ein Hochstmafi an Intensitat ermoglichen."
Kurt Weill, Die Biirgschaft, Oper ; Text von Kaspar
Neher. Klavierauszug. Universal-Edition, Wien
Wir werden auf dieses neue Werk Weills in anderem
Zusammenhang eingehen.
Kurt Thomas, Weihnachts-Oratorium, nach den
Worten des Evangelisten, fur sechsstimmigen Chor
a cappella, op. 17. Breitkopf & Hartel, Leipzig
Paul Miiller-Ziiricli, Chor der Toten, fur Mannerchor
mit Blasorchester und Kontrabafi, op. 16,
Schott, Mainz
Nach dem Text C. F. Meyers: „Wir Toten, wir Toten
sind grdfiere Heere". Der doppelte Mannerchor auf lange
Slrecken einstimmig. Das Blasorchester kann auch durch
die Orgel ersetzt werden (Orgelauszug unterlegt). Auf-
fiihrungsdauer : sechs Minuten.
Erwin Lendvai, Tafelmusik (aus op. 48) fiir Karnmer-
orchester. Kistner & Siegel, Leipzig
Hermann Wunsch, Serenade fur Streichorchester
op. 41 in : Das Musik-Kranzlein, Meisterwerke
der Vergangenheit und Gegenwart, herausgegeben
von Hans Joachim Moser.
Kistner & Siegel, Leipzig
A. Gretchaninoff, Sonate g moll, op. 129, fiir Klavier.
Schott, Mainz
Alexander Jemnitz, III. Sonate, op. 26, fiir Klavier
allein. Universal-Edition, Wien
Fidelio F. Finke, Sonate fiir Flote und Klavier.
Universal- Edition, Wien
Es werflen wieder richtige dreisatzige Sonaten geschrieben.
Gretchaninoffs Werk schlietit sich am starksten dem spat-
romantischen Klavierstil an, Jemnitz gibt auch in seiner
dritten Sonate eine Probe seiner eigenwilligen, spirituellen
und stark artistischen Musikalitat. Die Sonate Fidelio
F. Finkes gewinnt aus der Flote ihre starksten Impulse :
sie flieBt leicht, gelost, musikantisch.
Henry Cowell, Concert fiir Klavier und Orchester.
Editions Maurice Smart, Paris
Grofie Partitur. Die Satze tragen die Uberschriften :
Polyharmony, Tone Cluster, Counter Rhythm.
Paul Kickstat, Choralvorspiele, Band 2.
Kallmeyer, Wolfenbiittel
Knudage Riisager, Sonate fiir Flote, Violon, Clarinette
und Violoncello.
Willi. Hansen, Musikverlag, Kopenhagen u. Leipzig
Max Vredenburg, Achttien kleine Klavierstukken,
op. 12. A. Land Ezn., Den Haag
Emil Sauer, „Dialogo" fiir Klavier. Schott, Mainz
24
Josef Bartos, 5 Caprices fiir Piano. 1931
Hudebni Matice Umelecke Besedy, Prag
Breitkopf & Hartel, Leipzig
J. & W. Chester Ltd., London
Boleslav Vomacka, Dve Pijacke, Zwei Trinklieder,
op. 22, fiir Mannerchore, deutsche Ubersetzung
von Lowenbach.
Hudebni Matice Umelecke Besedy, Prag
Conrad Beck, Es kummt ein Schiff geladen. Altes
Weihnachtslied fiir vierstimmigen gemischten Chor
in : Schott's Cliorverlag. Scliott, Mainz
Ernst Pepping, Choralbuch, 30 kanonische Chorale
fiir gemischten Chor a cappella.
Erste Beihe : Nr. 2 : Allein zu dir, Herr Jesu
,, 3 : An Wasserfliissen Babylon
Z weite Reihe : „ 1 6 : In Dich hab ich gehoffet
„ 18 : Komm, heiliger Geist,
Herre Gott
., 21 : O Haupt voll Blut und
Wunden (Nr. 1)
„ 27 : Von Gott will ich nicht lassen
In : Schott's Cliorverlag. Scliott, Mainz
Bruno Stunner, Drei Lieder fur dreistimmigen
Kinderchor, op. 63.
1. Morgenlied (17. Jahrhundert)
2. Um Mitternacht (E. A. Herrmann)
3. Miihlammchen (Wunderhorn)
In : Schott's Cliorverlag. Schott, Mainz
Bruno Stunner, Vagabundenlieder, op. 56
Nr. 1 Freeh und froh (Goethe)
Nr. 2 Landstreicherherberge (H. Hesse)
4stimmige Mannerchore a cappella. In: Schott's
Cliorverlag. Scliott, Mainz
Matyas Seiber, Mannerchore a cappella, Ungarische
Soldatenlieder : Nr. 1 Abschied, Nr. 2 Friihling.
In: Schott's Cliorverlag. Scliott, Mainz
Neuausgaben
Arcangelo Corelli, Zwolf Kammersonaten, op. 2,
fur zwei Violinen und Violoncello in ein- oder
mehrfacher Besetzung mit Klavier (Cembalo).
Herausgegeben von Ludwig Scliaffler, in drei
Heften. Chr- Friedr. Vieweg, Lichterfelde
In dieser Reihe wird zum ersten Male ein Gesamtwerk
statt eines ausgewahlten Einzelstiicks vorgeiegt und damit
eine Forderung erfullt, die gerade von uns mehrfach ge-
stellt worden ist. Corellis Opus 2 ist ein besonders
giinstiger Ausgangspunkt fiir einen solchen Versuch, denn
die 12 Kammersonaten sind von starker, gleichmafeiger
Schonheit. ■ Die Ausgabe entspricht den heutigen For-
derungen.
Wilh. Friedemann Bach, Konzert in cmoll fur
Cembalo (oder Klavier) und Streichorchester.
Herausgegeben von W. Eickemeyer. Scliott, Mainz
Aus der Vorbemerkung: Das Konzert „ist auf dem Titel-
blatt Joh. Seb. Bach zugeschrieben. VVenn auch die iiber-
pr3gnanten, scharf profilierten Hauptgedanken des ersten
und letzten Satzes stark an die Themengebung des grofien
Sebastian erinnern, moglicherweise sogar von ihm ent-
lehnt sind, so finden wir doch in der sonstigen Thematik
so viel Hinweise auf die galante Epoche. da6 wir dies
Konzert in seiner vorliegenden Fassung nicht als Original-
komposition Sebastians ansprechen diirfen, obwohl auch
der langsame Satz eine auflallende Aehnlichkeit mit dem
dmoll Menuett aus dem Notenbiichlein fiir Anna Mag-
dalena hat . . ."
Neuerscheinungen
August KiJhiiel, Drei Sonaten fur Viola da Camba
und Basso Continue Bearbeitet und herausgegeben
von Christian Dobereiner. In: Cello-Bibliothek
klassischer Sonaten. Schott, Mainz
Wolfgang Amadeus Mozart, Figaros Hochzeit, Ko-
mische Oper in vier Aufziigen, Dichtung von
Lorenzo da Ponte, deutsche Dbersetzung von
Siegfried Anheifier.
Programmdienst fiir den Deutschen Rundfunk
G. m. b. H., Charlottenburg
Anheifier legt hier die Frucht einer langjahrigen Arbeit
vor und weist in seiner Uebersetzung iiberzeugend nach,
dafi die Verstummelungen des italienischen Originals
nicht nur den Sinn des Werkes entstellen, sondern vor
allem die musikalische Haltung entscheidend beeinflussen.
Die Angleichung der Satzakzente an das Original gibt in
vielen Fallen Verbtraffung und Leichtigkeit und merzt
manche Sentimentalitat der alten Uebersetzungen aus.
Ueber die Verwendbarkeit enlscheidet die Praxis.
Padagogisch.es
Ernst Kunz, Zehn Stiicke fiir die Jugend. (1931)
Hug & Co. Leipzig- Ztiricli
Werner Wehrli, Musikalisches Ratselbuch, 40 merk-
wiirdige Klavierstficlce nebst lustigen Versen.
Hug & Co., Leipzig- Zurich
Joachim Stutschewsky, Neue Etiiden-Sammlung fiir
Violoncell, Heft 1-4. (Auswahl von 131 Etiiden
aus der klassischen und neueren Studienlitcratur.
Mit 37 Originalbeitragen, progressiv geordnet und
mit instruktiven Voriibungen versehen.)
Schott, Mainz
Karl Hessel, Kurzgefafite Celloschule, Heft 1 und 2.
- 23 Lageniibungen fiir Cello, Heft 1 und 2.
Hug & Co., Leipzig-Zurich
Hermann Keller, Schule des Generalbafi-Spiels, mit
Ausziigen aus den theoretischen Werken von
Praetorius, Niedt, Telemann, Mattheson, Heinichen,
J. S. und Pb. E. Bach, Quantz und Padre Mattei,
und zahlreichen Beispielen aus der Literatur des
17. und 18. Jahrhunderts.
Barenreiter- Verlag, Kassel
Ein Buch, das uns lange gefehlt hat. Heute, wo wir eine
Oberproduktion an alter Musik mit grofitenteilsfragwurdiger
Generalbafibegleitunghaben, fehlte der Ausgleieh zwischen
der modernen (und dabei meist so veralteten) Harmonie-
lehre und der alten Generalpraxis. Das Buch wendet sich
an den praktischen Musiker, aber indem es in sorgsamer
methodischer Aufschichtung alte Generalbafiliteralur selbst
in den Mittelpunkt stellt, kommt es zu einer lange ent-
behrten Verschmelzung von Wissenschaft und Praxis.
Wilhelm Maler, Beitrag zur Harmonielehre, mit
einem erganzenden Beispiel- und einem Ubungs-
heft. F. E. C. Leuckart, Leipzig
Wirwerden auf dieses fortschrittliche Werk inbesondeiem
Zusammenhang zurtickkommen.
Schulmusikbuch fiir hohere Lehranstalten, be-
arbeitet von H. Fischer und W. Herrmann ; Aus-
t;abe fiir Knabenschulen. Erster und Zweiter Teil.
'leue Ausgabe des Schulgesangbuchs von Herrmann
und Wagner.
Chr. Friedridi Vieweg, Berlin-Licliterfelde
Ekkehart Pfannenstiel, Sing- und Stegreifspiel mit
Kindern, in: Werkschriften des Seminars fiir Volks-
und Jugendmusikpflege in Berlin, herausgegeben
von Hermann Reichenbach.
Chr. Friedridi Vieweg, Berlin-Lichterfelde
gal
Ne
Fritz Jode, Wir singen das Jahr an. Heft 1 der
fortlaufenden Reihe : Praktische Musik in Kinder-
garten und Hort.
Cacilia Maria Ceis, Wie singe ich mit Kindern?
Heft 2 derselben Reihe.
Susanne Trautwein, Kunstformen der Kinder, Zur
Formenlehre des Primitiven, 1. Teil; Heft 3 der-
selben Reihe.
Crete Hahn, Weihnachtslied und Krippenspiel in
Kindergarten und Hort; Heft 9 derselben Reihe.
Im Auftrage des Zentralinstituts fur Erziehung und
Unterricht herausgegeben von Thea Dispeker.
Willi. Limpert-Verlag, Dresden
Die Schriftenreihe ist eine erste praktische Frucht des
Ausbaus der musikalischen Rrziehungsarbeit, die nun
auch auf das noch nicht schulpflichtige Kind iibergreift.
Diese Bestrebungen stehen im Mittelpunkt der Musii«-
arbeit des Zentralinstitut fiir Erziehung und (Jnterrichl,
an dem die HerausgeUerin wirkt. Die bisher nur in
praktischer Arbeit gesammelten Erfahrungen linden hier
ihren ersten Niederschlag. Der Zusammenhang mit der
lebendigen Arbeit bleibt dabei immer ausschlaggebeml
und bedingt alle Fragestellungen.
Bucher und Schriften
Erdmann Werner Bohme, Die fruhdeutsche Oper
in Thuringen. Ein Jahrhundert mitteldeutscher
Musik- una Theatergeschichte des Barock.
Verlag Emil und Dr. Edgar Ricliter , Stadtrodai.Th.
Helmut Schultz, Johann Vesque von Piittlingen.
Band I der Sammlung : Forschungsarbeiten deB
Musikwissenschaftlichen Instituts der Universitat
Leipzig. Gustav Bosse Verlag, Regensburg
Die breit angelegte Arbeit beschaltigt sich mit einem
Epigonen des romantischen Liedes.
Ernst Biicken, Handbuch der Musikerziehung, in der
Reihe : Handbuch der padagogischen Wissenschaft,
herausgegeben von Ernst Biicken in Verbindung
mit Walter Braunfels, Heinr. Lemacher, E. Jos.
Miillcr, Walter Kiihn, Paul Mies, Kaspar Roese-
ling, Karl Wicke.
Akademisclie Verlagsgesellschaft Athenaion m. b.H.,
Potsdam
In Fortsetzung seiner grofi angelegten Stilgeschichte um-
spannt der Herausgeber nun auch das Gebiet der Musik-
erziehung. Das Werk beginnt mit einer Geschichte der
Musikerziehung von W. Kiihn und mit einer Abhandlung
R. Wickes liber Psychologie und Musikerziehung.
Dr. Roland Tenschert, Mozart, ein Kiinstlerleben in
Bildern und Dokumenten. Zusammengestellt und
erlfiutert von Tenschert.
Joh. M. Meulenhoff-Verlag, Leipzig-Amsterdam
Eine lebendige Zusammenstellung eigener und fremder
Brieffragmente und Aeufierungen von Zeitgenossen, ver-
bunden mit einer geschmackvollen, neues Material ver-
mittelnden Bilderfolge, die sich zu einem Lebensbild
Mozarts rundet.
Hans Diestel, Ein Orchestermusiker iiber das Diri-
gieren, mit einem Vorwort von Richard Straufi.
Adler G. m. b. H., Berlin
Rundfunk-Jahrbuch 1932, herausgegeben von der
Reichsrundfunk-Gesellschaft mit 25 Beitragen und
339 Rildern.
Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Zweignieder-
lassung Berlin
Cornelie van Zanten, Das wohltemperierte Wort als
Crundlage fur KunBt und Frieden.
Hug & Co., Zurich-Leipzig
Hans Mersmann
25
Der Fall Oppenheim als Symptom
Musikleben
Musik in Breslau
Peter Epstein
Ein typisches Geschehen zunachst: sehr erfreulicher Anfang der Opernspielzeit;
„Othello", musikalisch hervorragend, unter Hans Oppenheim, „Don Giovanni" mit einer
glanzenden Szenerie Hans Wildermanns. Und wenige Wochen spater Einsturz aller Hoff-
nungen und Plane. Die preuGische Notverordnung war noch nicht „trocken", als schon
samtliche Gagen vom Intendanten herunter bis weit unter die 300 Mark-Grenze bis zur
Halfte zusammengestrichen wurden. Grund: Einnahmeausfalle in Tagesverkauf und
Abonnements, die den Etat erschiittern mufiten. Eine erfreuliche Folge war die endliche
Anpassung des Preisniveaus an die Leistungskraft der hier in besonderem Mafie ver-
armten Bevolkerung. Kein Opernplatz ist heute teurer als 5 Mark, das Haus daher stets
voll besetzt; die Einnahmemoglichkeit freilich ist damit beschrankt, doch wird mindestens
der gleiche Ertrag erzielt, wie vordem bei hohen Preisen mit frostig leeren Hausern.
Die Bedurfnisfrage ist damit endgiiltig und positiv entschieden.
Zugleich mit der Auferlegung bedeutender personlicher Opfer erwuchs dem Per-
sonal eine verdoppelte Arbeitslast. Die Anzahl der Vorstellungen wurde durch Nach-
mittagsveranstaltungen, Sonderabende an anderer Stelle, Propagandaveranstaltungen be-
deutend erweitert; das Tempo der Einatudierungen steigerte sich bedenklich, da neben
den 18 vertraglichen Abonnementsvorstellungen (auf die allein sich ja der Spielplan
nicht beschranken kann) die moderne — dem Abonnement entzogene — Operette aus
Kassengriinden immer mehr in den Vordergrund trat. Wenn damit das unbeschadet
aller Subventionen verbleibende Defizit vermindert wird, ist ein Einspruch aus „asthe-
tischen G run den" zwar eine dem Kritiker wohlanstehende Geste. Aber ohne die Weisung
eines besseren Auswegs bleibt der Wunsch nach einem seriosen Spielplan eine wohlge-
meinte und unerfiillbare Demonstration. Zum Trost wird die „klassische" wie neue
Operette unter der musikalischen Leitung von Hermann Wetzlar und dem Spielimpuls
von Otto Dewald in einer durchaus hochstehenden Form vermittelt. Am bedenklichsten
bleibt, dafi kein so geschlossenes Operettenensemble vorhanden ist, dafi nicht hervor-
ragende Opernmitglieder, tagelang in die Fron der „Blume von Hawai" oder einer ahn-
lichen Aufgabe eingespannt, der Oper durch Uberanstrengung lange entzogen werden.
Die Vielzahl der Verpflichrungen und das Hetztempo der Einstudierungen lafit
jede gelungene Auffuhrung wie ein erstaunliches Wunder erscheinen, erklarlich nur
durch die unglaubliche Pflichttreue eines opferfreudigen Personals. Die Unmflglichkeit,
in einem Theater-„Betrieb" so potenzierter Art das aus dem kiinstlerischen Material
herauszuholen, was sonst zu erzielen ware, hat jedoch einen der begabtesten Mitarbeiter
des Stadttheaters zur Flucht bewogen. Kapellmeister Hans Oppenheim hat seine Ent-
lassung erbeten und erhalten. Sein Schreiben an den Intendanten Dr. Hartmann ist ein
26
Tschechische Volksoper mit Jazz
Dokument, das in seinen nicht auf personliche Mifihelligkeiten gerichteten Teilen ver-
diente, einer breiten Offentlichkeit vorgelegt zu werden. Es gilt nicht nur fur Breslau,
was hier als Kennzeichen des ini D-Zug-Tempo produzierenden Repertoiretheaters ge-
sagt wird, namlich, „dafi in einem solchen Hause kaum ein Gedanke zu Ende gedacht,
kaum ein Satz zu Ende gesprochen und kaum eine Antwort zu Ende gehort wird". Ein
Verlust fur Breslau, dafi man diesen impulsiven und feinnervigen Kiinstler — zudem
mit der iiblen Nachrede eines Storenfrieds und Postenjagers — einfach ziehen liefi.
Seine Interpretation von „Neues vom Tage" oder Gurlitts „Soldaten", aber auch ein
untraditioneller ,,Lohengrin" und eine vor der Abnutzung trotz patriarchalischen Alters
der Einstudierung erfolgreich bewahrte „Zauberflote" waren Leistungen von besonderem
Rang.
In Max Brods geschickter deutscher Bearbeitung erlebte die Oper „Spuk im
Schloss" des tschechischen Komponisten Jaroslav Kricka ihre Urauffiihrung. Lowen-
bachs Libretto geht auf Oscar Wildes Marchen „Das Gespenst von Canterville" zuriick,
deren Grundfabel durch Amerikanismen aufgepulvert und durcli Verlegung nach Bohmen
der immer wirksamen Einflechtung volkstiimlicher Weisen erschlossen wird. Ein drama-
turgischer Fehler: das Gespenst ist halb ironisch, halb blutig-ernst aufgefafit. Grofie
Oper im altesten Sinn, einschliefilich eines romantischen Bosenwunders, misclit sich selt-
sam mit Jazz und Polka. Aber dem Publikum gefallts, und der Musiker kann in Krickas
Oper die uberlegene Hand des denkenden und geschulten Komponisten erkennen und
schatzen. Mit der Auffiihrung (Dirigent: Carl Schmidt-Belden, Begie: Werner Jacob)
hatten die Autoren alien Grund zufrieden zu sein.
Eine der letzten Leistungen Oppenheims war die Erschliefiung von G. F. Malipieros
symbolischer Oper .,Torneo notturno", einmalig aufgefiihrt im Bahmen der „Jungen
Biihne" des Stadttheaters. Die Auffiihrung besafi den Wert eines Experiments, denn die
gesamte Handlung war der eindringenden Tanzregie Valeria Kratinas als Pantomime
anvertraut, die Sanger blieben unsichtbar aufgestellt. Um trotzdem das Verstandnis des
Publikums zu gewinnen, erfolgte zuvor eine Lesung des Textes, ein Verfahren, das den
Komponisten — als er nachher davon erfuhr — zu Verzweiflungsausbriichen veran-
lafite, ebenso wie er schon die Titelfassung der deutschen Ubersetzung: ,,Komodie des
Todes" (mit Becht) entschieden ablehnte. Die Aufmerksamkeit der deutschen Offentlich-
keit verdient „Torneo notturno" schon um der hohen Schonheit und Geschlossenheit
seiner musikalischen Sprache willen.
Aufierhaib der Oper blieb der zeitgenossischen Musik fast jede Entfaltungsmoglich-
keit versagt. Nur die ,,Singakademie" brachte endlich Honeggers „Konig David", dessen
Auffiihrung in den Stadtischen Abonnementskonzerten ihr noch im vergangenen Jahre
von der Intendanz untersagt worden war! Der Erfolg unter Dohrns, dem Werke hin-
gebend dienenden Leitung und mit Wiillner als Sprecher, Barbara Beitzner und Ventur
Singer als Solisten iibertraf alle Erwartungen. Auch Kodalys schoner „Psalmus Hunga-
ricus" fand verstandnisvollste Aufnahme. Erfreulicherweise begnugt sich die reprasentative
Breslauer Chorvereinigung nicht mit dieser einmaligen Darbietung zeitgenossischer
Werke, sondern plant bereits die Auffiihrung eines Werkes von Kurt Thomas, dessen
„Weihnachtsoratorium" der ausgezeichnete Kantor Otto Burkert in seiner Kirche singen
liefi und alsbald wiederholen konnte.
27
— ^
Mahagonny mit Schauspielern
Melosberichte
Mahagonny Anderthalb Jahre nach der
in Berlin sensationellen Leipziger Ur-
auffiihrung kam Brecht-
Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Maha-
gonny" nach Berlin. Im Kurfiirstendamm-
theater gab es keinen Kampf der Meinungen
und keinen Skandal. Mahagonny fand
freundlichen Applaus. Die Oper wirkt heute
langst nicht mehr so aggressiv wie damals.
Ihre Thesen [sind bei aller Kiihnheit und
Brutalitat doch literarische Thesen, und
auch die Musik hat an Unmittelbarkeit
manches eingebiifit. Die Zwitterstellung
des Werkes zwischen Oper und sozialem
Schauspiel tritt heute starker hervor. Die
Mangel des Aufbaus und der logischen Ent-
wicklung konnten durch verschiedene Text-
retouchen und Umstellungen nicht behoben
werden. Aber geblieben ist der Eindruck
eines Werkes, das konsequent alle Opern-
konvention beiseite schiebt und von der
sozialen Zeitkritik aus eine neue ideologische
Basis fur die Oper sucht. Darin liegt seine
historische Bedeutung.
Auch innerhalb von Weills Entwicklung
zeigt Mahagonny zwei Gesichter. Das eine
schaut nach riickwarts, nach dem Song, der
hier zum ersten Mai fixiert wurde und
zwar in einer viel reicheren Gestalt als
in der ganz auf Schauspieler abgestellten
Dreigroschenoper. Das andere schaut vor-
warts zu^einer Kunst, die durch den Song
hindurch zu einer haarscharfen melodischen
Deklamation gelangt und Stilelemente der
alten Musik aufhimmt. Auch die grofi-
ziigige formale Disposition weist auf die
reine Oper, die Weill mit der „Burgschaft"
wieder aufgenommen hat.
In der Berliner Auffiihrung hatte man
leider eines der wichtigsten Stiicke weg-
gelassen : das Kranich-Duett im zweiten Akt.
Aus begreiflichen Griinden: die Auffiihrung
war mit Schauspielern besetzt. Man sah
wohl eine Jenny (Lotte Lenja), die in ihrer
Mischung von kaltschnauziger Gerissenheit
und Kindlichkeit schlechthin unubertrefflich
war, man bewunderte die prazise Beweg-
lichkeit Harald Paulsens (Johann Acker-
mann) — aber das Musikalische kam doch
28
zu kurz. Und das Musikalische erwies sich
gerade in dieser auf die schauspielerische
Pointe abzielenden Auffiihrung als das starkste
Beizmittel des Stiicks. Man mufi die aufier-
ordentlichen Schwierigkeiten beriicksichtigen,
die aus der Besetzung mit Nichtmusikern er-
wuchsen, um die enorme Leistung Alexander'
von Zemlinskys rich tig einschatzen zu konnen.
Er hielt den Apparat mit sicherer Hand
zusammen und zwang ihn zu Disziplin und
Hingabe an die Sache. Ganz hervorragend
war die Leistung des Orchesters.
Heinrich Strobel
Orffs Freiburger Carl Orff, der
i~,„^^w:« m *:«„^i,..^- musikalische Lei-
Improvisationskurs , „,.. ,
ter der Munchner
Giinther-Schule, hielt am Musik-Seminar
der Stadt Freiburg einen mehr-
tagigen Gastkurs ab, dem ein grofier,
einzigartiger Erfolg beschieden war. Obwohl
die Themastellung: ,,Rhythmik, Improvisa-
tion, primitive Musik und Koiperlichkeit"
zunachst im unklaren lieC, was man zu
erwarten hatte, gab es scbliefilich niemand
unter den Teilnehmern — ob Laie oder
Musikschiiler, ob schon bewahrter Musiker
und Padagoge, ob Bhythmiker oder Gym-
nastiker — der nicht das Gefiihl hatte. viel,
sehr viel gelernt zu haben. Der Sinn fur
eine natiirliche, urspriingliche, schopferische
Bewegung wurde geweckt, wurde als Grund-
lage alles musikalischen Tuns lebendig,
wurde geiibt in bestimmten Dirigieriibungen
und dann iibertragen auf Improvisations-
iibungen. Ein Spiel auf Schlagzeug, also
auf Instrumenten, die sich schnell ohne
ein intellektuelles Vorherwissen (Griffe,
Fingersatze, Tonalitat, Akkordik etc.) not-
wendig zu machen, der Improvisation er-
schliefien, bildet hierbei die Basis. Abge-
stimmte, kleine Pauken, besondere von der
Firma Maendler, Miinchen. konstruierte
diatonische (nicht chromatische) Xylophone
von bezaubernder Klanglichkeit, ferner dazu
passende Blockfloten etc. bildeten bald eine
musikalische Einheit. In Spiel und Dirigieren
tauchten dann plotzlich fiir den und jenen
.' irwjnjpffjmi^m^mmimmrrmGeaim*.
Melosnotizen
vergessene Tiefen einer gelosten Unmittel-
barkeit auf. Die improvisierten Formen
wurden gleichsam zu korperlichem Besitz,
die Gliederung wurde unmittelbar selbst
Atem. Man erlebte eine Schulungsform,
wichtig fur Lehre, Reproduktion, Inter-
pretation und Selbstschaffen, die sich von
vielseitigsterBedeutung erwies. Ein Anspruch
an die Ganzheit und Geschlossenheit alles
musikalischen Tuns erwuchs; ein wachsames
Organ entstand, das aller und jeder guten
Musik dienen kann, wenn es einmal ge-
bildet ist. Sehr bald wurde aucb klar, dafi
trotz mancher Strukturverwandtschaft mit
„exotischer Musik", solche padagogisch ge-
dachte „primitive Musik" nichts weniger ist
als kopierte Exotik oder falsche Primitivitat.
Es handelt sich vielmehr ura einen sehr
ernsten und lebendigen Versuch der Wieder-
gewinnung unserer Ursprunglichkeit in der
Musik, um ein Hinabtauchen in die un-
verbildeten Anfange des Musikalischen, die
auch heute noch neben aller Stilbildung
und Kunsttradition irgendwie in jedem er-
wachsenen Menschen und nicht nur im
Kinde lebendig sind. Eridi DoHein
Notizen
Werke und Interpreter!
Die Erstauffiihrung des Volksoratoriums „Die
heilige Elisabeth" von Joseph Haas durch den Miin-
chener Lehrer-Gesangverein unter Hans Knappertsbusch
wurde ein iiberwaltigender Erfolg. Die Auffuhrung,
der der Ministerprasident, der Kardinal-Erzbischof
und der Miinchner Oberbiirgermeister beiwohnten,
gestaltetete sich zu einer begeisterten Ehrung fiir
Haas. Eine Wiederholung des Werkes findet im Januar
statt.
In den modernen Musikabenden der Juryfreien in
Miinchen wurden Kammermusikwerke von Conrad
Beck, Bela Bartok, K. A. Hartmann (Sonate fur
Klavier und Burleske), Markevitcb, Frenkel, Poulenc,
Satie (Jazz in the box), Hindemith (Trio, op. 47)
und Lopatnikoff zum ersten Male gespielt.
Der Geiger Stefan Frenkel spielte unter Her-
mann Scherchens Leitung das Violinkonzert von
Jerzy Fitelberg in Berlin. Demnachst sind Auf-
fiihrungen in Hamburg, Niirnberg, Koln und zahl-
reichen anderen Stadten im In- und Ausland vor-
gesehen.
Professor Ebert hat den „Boris Godunow" von
Mussorgsky in der Urfassung zur Auffuhrung an der
Stadtischen Oper in Berlin noch in dieser Spielzeit
vorgesehen.
Erwin Dressel, der Komponist des ,,Armen
Columbus" hat eine Spieloper „Die Zwillingsesel"
vollendet, deren Staff einer spanischen Novelle
entstammt. Die Urauffiihrung des Werkes findet in
der Dresdener Staatsoper April 1932 statt.
Das Augsburger Stadttheater hat die Erstauffiihrung
der Oper „Die ersten Mensclien" von Budi Stephan
auf den 24. Januar festgesetzt.
Das Schulspiel „Cress ertrinkt"' von Wolfgang
Fortner hatte bei seinen Auffiihrungen auf der Kolner
Hochschulwoche und in Dortmund aufierordentlichen
Erfolg. Zahlreiche weitere Auffiihrungen stehen bevor.
Der vom Bruinierquartett ausgeschriebene Tausend-
markpreis fiir ein neues deutsches Streichquartett ist
durch die Preisrichter (Max Butting, August H.
Bruinier, Anton Bock, Prof. Dr. Georg Schiinemann,
Walter Schrenk, Karl Wiener) unter 145 eingelaufenen
Werken dem einsatzigen Streichquartett „Nymphen-
burg" von Max Panels in Koln am Rhein zuge-
sprochen worden. Das Bruinierquartett bringt es Ende
Februar zur Urauffiihrung.
Das Hamburger Blaserquintett (J. Lorenz, A. Gaebel,
B. Wenzlaff, C. Franke, F. Schmidt, am Klavier E.
Schonsee) brachte in einem Kammerkonzert der
Deutsch-Franziisischen Gruppe in Hamburg Albert
Roussel : Divertissement fiir Quintett und Klavier
und Francis Poulenc : Trio fiir Oboe, Fagott und
Klavier zu erfolgreicher deutscher Erstauffiihrung.
Die im Sommer 1931 neu gegriindete „Chorverei-
nigung Munster", die sich der Stadt Miinster (Westf.)
fiir ihre stadtischen Konzerte zur Verfiigung stellte,
hat bisher in diesem Rahmen im 1. Konzert und in
einem grofien Chorkonzert (der westdeutschen Erst-
auffiihrung von J. Haas „Die heilige Elisabeth") mit
auBerordentlichem Erfolg gesungen. Im Fruhjahr soil
eine Auffuhrung der hmoll-Messe von J. S. Bach
sowie ein Chorwerk zu Ehren Haydns folgen. Die
Chorvereinigung umfafit zur Zeit etwa 200 singende
Mitglieder und steht unter Leitung des stadtischen
Generalmusikdirektors Dr. von Alpenburg.
Das erste Gemeinniitzige Urauffiihrungskonzert
des Berliner Symphonie-Orchesters findet unter Leitung
von Generalmusikdirektor Dr. Ernst Kunwald am
27. Januar statt. Zur Auffuhrung gelangen Werke
von Sonja Gramatte, Norbert von Hannenheim und
Grete von Zieritz. Dirigent und Orchester stellen sich
ohne jegliche Vergiitung zur Verfiigung,
29
Melosnotizen
Das Violinkonzert von F. Max Anton wurde von
der Geigerin Isabella Schmitz im Westdeutschen
Rundfunk und in Aachen gespielt. Die Urauffiihrung
einer Kantate von Anton iiber den Saerspruch von
C. F. Meyer hat in Bonn stattgefunden.
Dr. Hans Wedig-Bonn brachte in der GesellscJiaft
fur Neue Musik Koln sieben Gesange aus dem
„Ohrenvergniigenden und gemiitergotzenden Augs-
burger Tafelkonfekt" von Valentin Ratgeber (1733),
sowie Hindemiths Spielmusik „Ein Jager aus Kur-
pfalz" zur Auffiihrung.
Alice Jacob-Loewenson hat in den letzten zwei
Wintern mit grofiem Erfolg in Deutschland, Holland,
Polen, Litauen, Jugoslawien, Schweiz,Tschechoslowakei
60 Vortrage fiber jiidisclie Musik gehalten.
Im Berliner Metropol-Theater kam die neue
Operette „Das Lied der Liebe" von Ludwig Herzer,
Musik nach Johann Straufi von E. W. Korngold, zur
Urauffiihrung und erzielte einen durchschlagenden
Erfolg. Die Hauptrollen wurden von Bichard Tauber
und Anni Ahlers gesungen. Am 10. Januar fand eine
Uhertragung auf fast alle deutschen und ostereichischen
Sender statt.
Musik in der Wirtschaftskrise
Im Hinblick auf die Tatsache, dafi fiir Musikolien
trotz gewaltig erhbhter Herstellungskosten in grofiem
Urafange noch Friedenspreise gelten, hat das Reichs-
wirtschaftsministerium genehmigt, dafi die Preise fur
Musikalien mit Vorkriegspreisen nur um 5°/ gesenkt
zu werden brauchen. Im iibrigen tritt ein Preis-
absdilag von 10% ein; nur die nach dem 1. Juli
1931 erschienenen Musikalien bleiben im Preise un-
verandert.
Eines eigenartigen Werbemittels zum erhohten
Besuch bedient sich zur Zeit das Stadttheater Aachen.
In seinem Hauptportal wurde ein Lautsprecher an-
gebracht, auf den nunmehr von musikalisclien Auf-
fuhrungen und Generalproben einzelne Teile iiber-
tragen werden.
Allen Lehrern der Fachschule fiir Musik, Tanz
und Sprechen (Folkwangschule) in Essen ist zum
1. April die Kundigung zugestellt worden.
Die Griindung einer Theatergemeinschaft zwischen
Leipzig und Halle steht kurz vor dem Abschlufi.
Die Theatergemeinschaft wird sich zunachst auf
Opernauffiihrungen beschranken und ist so gedacht,
dafi das Leipziger Ensemble eine Reihe von Opern
in Halle spielt.
Infolge der Not der Zeit mufite auch die west-
liche Grenzstadt Trier den Eigenbetrieb ihres seit
130 Jahren bestehenden Stadttheaters aufgeben und
lafit diesen Winter nur noch auswiirtige Ensembles
gastweise auftreten. Das ehemalige stadtische Orchester
ist jedoch zusammengeblieben. Um die Musiker in
ihren kunstlerischen Bestrebungen und ihrem Existenz-
kampf zu unterstutzen, wandte sich Intendant Skuhra
30
an einige ihm bekannte prominente Dirigenten mit
der Bitte, den Trierer Orchestermitgliedern hilfreich
beizustehen. Alle diese Personlichkeiten, und zwar :
Max von Schillings, Berlin, Generalmusikdirektor
Professor Karl Leonhardt vom Wiirtt. Landestheater
in Stuttgart, Generalintendant Professor Dr. Ludwig
Neubeck, Leipzig, Karl Bankl, I. Kapellmeister am
Staatstheater in Wiesbaden und Generalmusikdirektor
Josef Rosenstock vom Nationaltheater in Mannheim,
haben sich sofort bereit erklart, je ein Sinfonie-Kon-
zert unter Verzicht auf jegliches Sonderhonorar zu
dirigieren.
Nach der „Deutschen Musikerzeitung" betragt der
stadtische Zuscliufi der vorigen Spielzeit fiir Theater
und Orchester auf den Kopf der Bevolkerung um-
gerechnet: Mannheim 7,04 M., Bochum 5,61 M.,
Duisburg 4,91 M., Frankfurt a. M. 4,57 M., Diissel-
dorf 4,49 M., Dortmund 4,35 M., Hannover 4,28 M.,
Koln 3,61, Magdeburg 3,15 M., Essen 2,82 M„ Leip-
zig 1,92 M., Hamburg 1,90 M., Stuttgart 1,83 M.,
Miinchen 1,25 M., Breslau 1,18 M., Dresden 1,16 M.,
Berlin 0,65 M.
Verschiedenes
Die 62. Tonkiinstlerversammlung des Allgemeinen
Deutschen Musikvereins findet vom 10. bis 14. Juni
in Zurich statt. Sie wird veranstaltet von der Ton-
hallegesellschaft und dem Tonhalleorchester, vom
Gemischten Chor und dem Hausermannschen Chor.
Festdirigent ist Dr. Volkmar Andreae. Das Programm
steht noch nicht fest, jedoch ist bereits beschlossen
worden, das Oratorium „Das Unaufhorliche" von
Paul Hindemith zur Auffiihrung zu bringen.
Pro Musica ist der Name einer neuartigen
Veroffentlichung, die gemeinsam von den Verlagen
Wilhelm Hansen, Kopenhagen, und Georg Kallmeyer,
Wolfenbiittel, herausgegeben wird. In Form von
lOmal jahrlich erscheinenden Heften will sie lebenden
Komponisten auf breitester Grundlage Gelegenheit
geben, sidi neben Konzert, Theater und Rundfunk
unmittelbar an einen Kreis zu wenden, der am
heutigen Musikschaffen interessiert ist. Jedes Heft
umfafit 16 Seiten und bringt Werke mit verschiedenen
Besetzungsmoglichkeiten, jedoch so, dafe sie von
Musikliebhabern ausfuhrbar sind (vokal, instrumental
und gemischte Besetzung). Herausgegeben wird Pro
Musica von Fritz JSde, Ernst Lothar von Knorr und
Herman Reichenbach. Das erste Heft bringt Werke
von Hindemith, von Knorr, Bentzon, Maler, Ireland,
Tiessen.
Professor Dr. Hans Joacliim Moser hat am 1. Januar ■
die Herausgabe der „Zeitschrift fiir Schulmusik" unter
Mitwirkung der bisherigen Herausgeber iibernommen.
Gleichzeitig treten in den erweiterten Herausgeber-
kreis der bisherige Scliriftleiter, Dr. Hans Fischer,
Stettin, und Professor Edmund J. Miiller, Koln, ein ; die
Schriftleitung wird von Dr. Fritz Piersig, Berlin,
ubernommen.
Melosnotizen
Personalnachrichten
Ladislav Vycpalek beging im Januar seinen 50.
Geburtstag. Er hat vor allem Vokalwerke religiosen
und gedanklichen Inhalts geschrieben.
Professor Fritz Volbach war anlafilich seines 70.
Geburtstages Gegenstand grofierEhrungen. InMiinster
kam sein neues Chorwerk „Grenzen der Mensdiheit"
nach Goethe zur Urauffuhrung,
Ausland
Afrika :
Intendant Dr. Waag hat die Einladung erhalten,
mit der Oper des Badischen Landestheaters in Karls-
ruhe Gastspiele in Siidafrika zu geben. In den Stadten
Capstadt, Johannisburg und Durban sollen im Juli
und August sechs bis sieben verschiedene deutsche
Opern gespielt werden, wobei „Hansel und Gretel",
„Tiefland", „FIedermaus" und je zwei Werke von
Wagner und Mozart gewiinscht werden.
Amerika :
Nachdem erst kiirzlich Samuel Dushkin einen
eensationellen Erfolg mit dem neuen Violinkonzert
von Igor Strawinsky unter Leitung des Komponisten
in Paris davontrug, wird nun das gleiche auch aus
Boston berichtet, wo die amerikanische Erstauffiihrung
des Werkes stattfand. Dushkin wird das Werk in fast
alien grofieren amerikanischen Stadten spielen.
Ernst Todi begibt sich im Februar auf eine
amerikanische Tournee und wird u. a. in Detroit,
Chicago, Denver, Seattle, San Francisco und Los
Angeles aus eigenen Werken spielen. Die „Theater-
Suite" von Toch, mit der Erich Kleiber in seinen
Amerika-Konzerten grofie Erfolge erzielte, gelangt
demnachst auch in Briissel zur Erstauffiihrung.
Toscanini mufite wegen seines Armleidens seine
Tatigkeit am New Yorker Philharmonischen Orchester
unterbrechen. In seiner Vertretung dirigierte der
junge Pariser Kapellmeister Vladimir Golsdwiann
vier Konzerte, in denen er u. a. eine Suite in F von
Roussel, Triptique von Tansman, Dreispitz von de
Falla und Strawinskys Feuervogel auffuhrte. Im
Januar wird Toscanini durch Bruno Walter vertreten.
Frankreidi :
Milhauds „Maximilian" (nach Werfel) gelangte
an der Pariser grofien Oper zur Urauffuhrung. Wir
kommen im nachsten Heft auf das Werk zuruck.
Die Pariser Maler und Bildhauer — man schatzt
ihre Zahl auf 50000 bis 60000 — fiihren wie uberall
bei der zunehmenden Wirtschaftsdepression auch hier
einen erbitterten Kampf urn ihr Dasein. Deshalb hat
sich eine Gruppe von Kiinstlern zusammengeschlossen,
um ihre Bilder und Plastiken gegen Lebensmittel und
sonstige Gegenstande des taglichen Bedarfs einzu-
tauschen. Auch Biicher und Mobel sind begehrte
Tauschobjekte.
Das Streichquartett von Fortner kam in Paris
durch das Berliner Streichquartett zur Auffuhrung.
Paul Breisadi von der Stadtischen Oper Berlin
wurde aufgefordert, zwei Sihfoniekonzerte des
Orchestre Lamoureux in Paris im Laufe des Januar
zu dirigieren. Solist eines dieser Konzerte ist Lauritz
Melchior.
Italien :
Generalmusikdirektor Fritz Busdi, Dresden, wird
am 24. Januar das „Sdierzo fantastique" (Leben der
Bienen) von Igor Strawinsky im Augusteo in Rom
zur Auffuhrung bringen.
Osterreidi :
Der osterreichische Nationalrat hat in seiner
letzten Sitzung sich gegen die Verldngerung des Ur-
heberredits um ein weiteres Jahr entschieden. Eine
weitere Verlangerung der Schutzfrist wurde im Hin-
blick auf die Angleichung an die Gesetzgebung im
Deutschen Reiche in dieser Frage abgelehnt. Durch
diesen Beschlufi sind nunmehr die Werke von
Johann Strauss und Millocker frei geworden.
Tsdiedioslowakei :
Die Oper „Flammen'- von Erwin Sdiulhoff und
Karl J- Benes gelangt am 27. Januar am Mahrischen
Landestheater in Briinn zur Urauffuhrung.
In Prag spielte das Zikaquartett das Streich-
quartett von W. Fortner mit grossem Erfolg.
Ungarn :
Beta Bartok hat ein neues Klavierkonzert ge-
schrieben. Auch von Paul Kadosa liegt ein Klavier-
konzert vor.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen fur die Schnftleitung u.Besprechungsatucke nach Berlin-Charlottenburg2, Berliner Strafie46 (Fernruf Fraunhofer 1371) erbeten.
Die Schriftleituiig bittet vor Zusendung von Manuskripten um Anfrage mit Ruckporto. Alle Rechte fiir aamtliche Beitrage vorbchalten,
Verantwortlich fur den Teil „Musikleben" : Dr. HEINRIGH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag : Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag: MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten5; Fernspr: Gutenberg 529,530; Telegr. ; MELOS VERLAG; Poatscheck nur Berlin 19425/
AuBlieferung in Leipzig: Karlatrafie 10
Die Zeitsdirift eracheint am 15. jeden Monata. — Zu beziehen durch alle Buch- und Musikalienhandlungen oder direkt vom Verlag,
Dai Einaelheft kostet 1 .25 Mk., daa Abonnement jahrl. 10. - Mk., halbj. 5.50 Mk, viertelj . 3. - Mk. (zuzugl. 15 Pf. Porto p.H., Aualand 20 Pf. p. H.)
Anzeigenpreiae: 1 / > Seite 90.- Mk. '/• Seite 54.- Mk. '/* Seite 31.50 Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. Auftrflge an den Verlag.
31
Wet intetptetiett
Diese Ubersicht ist zumeist aus eingegangenen
Mitteilungen nach Mafigabe des zur Verfugung
stehenden Raumes zusammengestellt. Der
MEXOSVERLAG bittet stets urn neue oder
erganzende Einsendungen.
neue Wu&ikl
Orgel
(Forteetzung ans dem Oktober-Heft 1931)
Walter Drwenski: Hindemith: Orgelkonzert
Georg Eisinann : Fortner: Toccata und Fuge
Trangott Fedtke: Fedtke: Partita; Honegger: Stilcke
fiir Orgel; Kaminski : Choralsonate, Toccata iiber
„Wie schon leucht uns"; Armin Pickerott; Fuge
fismoll ; Choralvorspiele; G. Ra'-pael: Fantasie
op. 2211; Choralvorspiele; W. Schindler: Fantasie
und Fuge: 1\. Thomas: Orgelsonate; Gerh. Wiemer:
Passacaglia
Herbert Haag: Fortner: Toccata und Fuge
Fritz Heitmann: Hindemith: Orgelkonzert
Arno Landmann: Fortn°r: Toccata und Fuge
Erkard JIanersberger : Hindemith: Orgelkonzert
Anton Nowakowski: Fincke; Hindemith: Orgel-
konzert, L. Weber
Hans Nurnberger : Fortner: Toccata und Fuge
Giinther Rainin: Fortner: Toccata und Fuge
Walter Schindler: Kaminski: Toccata; Schindler-'
Fantasie und Fuge
Gerliard Schwarz : Hans Bronncr : Choralvariationen
iiber , .Christ lag in Tode banden" Choral, Variationen
und Fuge iiber „Wie schon leuchtet der Moigenslern"
Karl H. Weiler: Kaminski
Violine
Licco Aniar: Hindemith: Violinkonzert; Bartok: Vio-
lin-Sonaten; Butting: Duo ftir Violine undKlavier;
Jar nach: Solosonate, Kammerduette, Rhapsodien,
op. 20; Ravel: Duo fur Violine und Violoncello,
Sonate; Martina: Duo ftir Violine und Violoncello
Fritz Andres: Kaminski: Canzona; Praludium und
Fuge
Zlatko Balokovic : Bloch; Debussy;Suk; Szymanoivski
Manrits v. d. Here;: Bartok: Ungarische Rhapsodic;
Hindemith: Violin-Konzert
Eugenie Bertsch: PaulMiiller: Sonate B-dur ; Schoeck:
Sonate D-dur; Huber: Suite op. 82
Elisabeth Bischoff: Dohndnyi: Violinkonzert, op. 27;
Pizeiii: Sonate Adur; Windsperger : Sonate, op. 26
Kitty Cervenkova: E. Bartok: Sonatina; Bloch: Baal
Schem; Casklnuouo-Tedesco . Concerto italiano;
J, B.Foer^ter: Fantasie; Jirak: Tre Pezzi; Karel:
Symphonie; A. Karlowitsch: Violinkonzert;
Krenek: Violinkonzert; ihanoilovitsch; A. Miloie-
vitsch: Danse Serbe; Pizzetti: Sonata; R<spiyhi:
Concerto gregoriano; Suk; Szymanowski: Mythes;
Tossi: Sonate; Zandonai: Concerto
Hedwig Faflbsender: Hindemith: Violinkonzert, So-
, naten; Scott: Violinkonzert; Stephan :Musik(. Geige
u. Orchester; P. FaQbasnder : Violinkonzert a-moll;
Basoni: Violinkonzert, Sonate; Respighi: Gregori-
anisches Konzert, Poema autunnale; Szymanowski:
Violinkonzert; Prokofteff: Violinkonzert; Glasounoff:
Violinkonz.; Pfitzner : Violinkonz.; Rami: Tzigane;
Honegger : Sonate; Debussy : Sonate; BartokcSonate
Nftchdruck hut mit beaonderer Erlaubnii.
Stefan Frenkel: Th. Blumer: Capriccio ; Busoni
Konzerl; Butting : Duo ; Fitelberg: Konzert; Manfr*
Gurlitt: Konzert; Hauer: Konzert; Hindemith''
Konzeit, Solo-Sonaten, Sonaten m. Klavier; Hoffer '•
Solo-Sonate; Wolfg.Jacobi: Concertino; Jarnach'
Solo-Sonate, op. 13, Solo-Sonate op. 18, Rhapso-
dien, op. 20; Sonate op. 22; Liebling: Konzert;
Noren: Konzert; Pfitzner: Konzert; Pisk: Sonate,
Sonatine; Prokofieff: Konzert; Rathaus : Sonate,
Suite; Ravel: Rhapsodie Tzigane, Sonate; Respighi:
Gregorianisches Konzert; Reutter : Sonate op 20;
Schnabel: Sonate fiir Violine allein; Suk: Fantasie;
Szymanowski: Konzert; Mythes; Notturno e
Tarantella; Tansman: Sonate; H. Tiessen: Toten-
tanz-Suite, Duo; Toch : Sonate, Duo; Weill : Konzert ;
Wladigeroff : Konzert, Burleske; Bulgarische
Rhapsodie
Steffi Geyer: Bartok: 2. Sonate
K. Bud. Glaser: Jemnitz: Sonate op. 10
Gustav Havemann: H. Tiessen: Duo, op. 35
Anna Hegner: Rad. Moser: Violinkonzert op. 39
Jascha Heifez: Toch: Violinsonate
Lene Hesse: Busoni: Sonate, op. 36; Spanich: Duetle
tiir Violine und Cello; Toch'. Sonate; Duos fiir
Violine und Bratsche bezw. Cello; W. Weismann:
Sonate, op. 69; Ave-Maria- Variation en, op. 39;
H. M. Welte: Suite fiir Violine allein
Aenne Hildebrandt: Bartofc: Rumanische Tanze;
de Falla: Spanische Tanze; Hindemith: Sonaten;
Milhaud: Sonate; nespighi: Gregorianisches
Konzert; J. Weismann: Solo-Sonate, Ave Maria-
Variationen.
BronislawRubernian: Hindemith: Sonate op. 11 Nr. 2
Szymanowski: La Fontaine d'Arthuse"
Klein von Giltay: Jarnach: Sonate
Zadzislaw Jahnke: Szymanowski: Sonate, op. 9
Walter Kagi: Bartok: Sonate; Butting: Duo; Hinde-
mith: Solo-Sonaten, Sonaten mit Klavier, Violin-
konzert; Honegger: Sonaten, Duo; Jarnach : Rhap-
sodien; Krenek: Konzert; Lopatnikoff: Sonate;
Rathaus: Sonate; Ravel: Sonate, Duo; Schulhoff:
Sonate; Sirawinsky : Petruschka-Suite; Toch:
Sonate; Weill: Violinkonzert
Otto Keller: /. Klaas: Faniasiestiicke, op. 31; Otto
Siegl: Suite
Otto Kobin: Stephan: Musik fur Geige und Orchester
Francis KoenQ : Debussy : Sonate f. Viol.u. IQav.; Ravel:
Tzigane f. Viol, u. Orch. ; Wiener: Suite; Milhaud :Sau-
dades do Brazil; Nin: Chants d'Espagne; de falla :
Suite populaireEspagnole; Bloch: Baal Schem; Jar-
nach: Drei Rhapsodien; Kodaly : Duo f. Viol. u. Vio-
loncello; Hindemith : Sonate op. 11 Nr. 2; Suk: Fant.
f. Viol. u. Orch.; Griinberg : Jazzettes; Pyper: So-
nate f. Violine u. Klavier
Cyrill Kopatschka: Hindemith: Sonate op. 11 No. 2;
Slavenslri : Sonate op. 5
Lotte Kraft: Hindemith: Sonate, op. 11 Nr. 2
Emmerich Kramer: Jemnitz: Sonate op. 10
Louis W. Krasner : Achron: Violinkonzert
Fritz Kreisler: Falla- *■ reisler : Jota; Danse espagnole
Geza von Kresz: Korngold: Suite „Viel La'rmen um
Nichts"
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»Nun steh' ich auf dem Gipfeli
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„Das Gespenst von Canterville"
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Bearbeitet von Max Brod.
Die Intendanz telegrafiert :
spuk im sohloss ausser-
ordentlioher erfolg
ueber 30 vorhaenge
gratuliere herzliohst
hartmann
Und die Presse stellt fest:
Das Stuck errang den starksten und spontansten Pub-
likumserfolg, der in den letzten Jahren hier einer
Opernpremiere beschieden war, und alles spricht
dafur, dafi es die Verwandtschaft mit Schwanda
auch durch einen ahnlichen Sturmlauf iiber die
deutschen Biihnen teilt. 1st das verwunderlich bei
einem Werk, das wie dieses, Oper und Operette in
einem bictet? Breslauer "Neueste ~Nachrichicn
Die Oper wird ebenso wie vor wenigen Jahren
„Schwanda" ihren Wep von Breslau iiber die euro-
paischen Biihnen nehmen. VViebesessen klalschende
Zuhdrer. Endloser Beifallsjubel.
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Das Etiidenwerk von Toch stellt in seiner Geeamtheit ei-
nen geschlossenen Lehrgang des modernen Klavierspiels
dar, in welchem alle Probleme der durch den neuen Stil
bedingten Technik von einem der hervorragendsten moder-
nen Komponisten systematisch behandelt werden. Toch, der
als ausiibender Kiinstler selbst Pianist ist, "war fin* die Losung
einer solchen Aufgabe, die sich ihm wie vielen anderen
in der Praxis taglich aufs neue stellte, doppelt geeignet.
Friiher ersdiienen:
Burlesken, op. 31 .
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Die steigcnde Werlung dps SchafTens von Lopat-
nikolTwird best;iti B t (lurch die Aufnahme seines
Klavicrkonzertes in das Programm des dicsjahrigen
JJeutschen Tonkiinstlcrrestes in Zilrich. Die vor-
liegendcn drei Violinsliicke sind die ersten von
lhm vcroflentlichten Werke dieser Gattung und
werden bei dem groGen Mangel an neuer Konzert-
musik fur Violine liberal! willkommen scin. Sic
zeigen alle Vorzilge seiner temperamentvollen, in
russischem Volkstum wurzelndcn Musikcrnalur.
B. Schott's Sohne, Mainz
BiHe betlchcn Sic std, bci .lien Androgen «„, MELOS
:■■:■ ■■£■• -_,»^«'j>:, ! :*l* --.,-.-.»*-..-,'- y**jfc.-.*
Heft 2
11. Jahr
Februar 1932
Zeitkritik
Neue Musik und neue Zeit
Die nachstehenden Ausfuhrungen bilden das Resum£ eines Ge-
sprachs zwiechen den Verfassern und sind als Basis einer
Diskussion gedacht,
1. Edwin von der Null
Wir haben eine neue Musik und wir haben geteilte Meinungen iiber ihren Wert,
die schopferische Qualitat ihrer Vertreter, sowie iiber die innere Berechtigung des ver-
meintlich revolutionaren Gestus, mit dem sie daherschreitet. Die Frage der kiinst-
lerischen Potenz eines Schonberg, Hindemith, Bartok, Strawinsky, oft und leidenschaftlich
erSrtert, sei hier beiseite gelassen. Versuchen wir vielmehr, uns die geistige Haltung
dieser Manner kurz vor Augen zu fiihren und uns mit der gewonnenen These dem
Thema zu nahern.
Der Begriff „moderne Musik" tauchte vor rund zwei Dezennien mit den ersten
aufsehenerregenden Werken Bartdks, Schonbergs, Strawinskys auf. Neu an ihnen waren
zunachst die Mittel, die man verwandte: Rhythmik, Melodik, Harmonik, Instrumenta-
tion etc. Neu war ferner das geistige Gesicht dieser Musik, dem man mit den Schlag-
worten Expressionismus, spater Sachlichkeit gerecht werden wollte. Geblieben jedocb ist
der soziale Rahmen, in den die „moderne Musik" hineingetragen wurde, besser: aus
dem sie herauswuchs. Geblieben ist ein Publikum, dem Musik in traditionellen Formen
als Oper oder Konzert geboten wurde, ein Publikum, dem Musik GenuG, Entspannung,
Ablenkung, passiv aufzunehmendes Phanomen bedeutete. Die Institutionen, deren sich
die „modernen" Komponisten bedienten, finderten sich nicht.
Die gegenwartige Situation ist damit nicht eindeutig umrissen. Denn neben der
so gekennzeichneten „neuen" Musik bricht in den letzten Jahren eine Musik hervor, die
aus ganz anderen geistigen Quellen gespeist wird. Die weltanschauliche Neuorientierung,
welche sich seit Anfang des Jahrhunderts auf der Basis eines neuen Gemeinschafts-
empfindens anbahnt, konnte in der Musikproduktion nicht von heute auf morgen die
entsprechenden Folgeerscheinungen erzwingen. Neuerdings lassen sich aber immer deut-
licher die Zeichen einer adaquaten musikalischen Entwicklung erkennen. Die Gemein-
schaften, also zunachst die musikalisch interessierten Biinde, welche aus der Jugendbe-
wegung hervorgingen, ubernahmen, wie steta in ahnlich gelagerten Fallen, aus dem vor-
handenen Musikmaterial das, was ihnen am meisten entgegenkam. Erst in den letzten
Jahren macht sich neben dem Zuruckgreifen auf altere Musik eine Eigenproduktion
geltend. Da die neuen Gemeinschaftsbewegungen ausnahmslos das Ziel verfolgen, an
die Stelle bisher allgemein giiltiger Lebensformen neue zu setzen, — wie es sich am
krassesten in den Gemeinschaften zeigt, die offensichtlich politische Absichten vertreten
— Hegt nur nahe, dafi dieee Musik vornehmlich auf das Wort abgestellt ist, dieses
39
Die Palastrevolution der „neuen" Musik
wiederumgern auf kampferische Propagierung der neuen Weltanschauung. Dafi jedoch
ein solcher Text nicht politisch tendenzios gehalten sein mufi, beweist der Fall des
„Lehrstucks" (Hindemith, Toch, Reutter, Dessau, Weill etc.). Es ist nicht unwesentlich,
zu bemerken, dafi diese Art Musik in den Mitteln weit verbindlicher, „zahmer" ist, als
die der Schonberg, Strawinsky, Bartok.
Fragen wir nunmehr nach der Haltung, welche die „revolutionfire" Musik, wie wir
sie kurz nennen wollen, einnimmt, so kommen wir zum Kern der Erorterung. Die re-
volutionfire Musik ist in erster Linie Vokalmusik. Ihr Text will stets den Zuhorer oder
Mitwirkenden aktivieren. Gleichgultig, ob politisch oder unpolitisch intendiert, will das
Wort iiber den Augenblick hinaus Wirkungen erzielen, die das tatige Leben in dem
neuen Geiste beeinflussen. Das ist die Absicht des Lehrstiickes. Musik hat dabei nur
eine assistierende Aufgabe. Sie soil den Sinngehalt des revolutionaren Kunstwillens (das
Wort nicht nur politisch zu verstehen!) unterstreichen, nichts weiter. Deshalb brauchen
die Mittel weniger exklusiv zu sein, als bei der „modernen" Musik, die ein Schonberg,
Bart6k, Strawinsky, Hindemith schreiben, solange sie fur eine passiv hingebende, vor-
wiegend geniefiende Einstellung schaffen. Denn die vermeintliche Umwertung, welche
vor zwanzig Jahren stattfand, war im wesentlichen eine Erneuerung der Mittel, wobei sich
die geistige Haltung zwar veranderte, sich aber auf derselben Ebene fortbewegte wie
vordem. Hier aber handelt es sich urn eine Musik, die a priori aus einer ganz anderen
geistigen Grundhaltung entsteht, um eine Musik, die einen vollig anderen Sinngehalt
hat als den einer „PaIastrevolution". Nicht mehr um den Kampf der jungen Generation
gegen die alte geht es, sondern um das Vordringen einer neuen „Geistigkeit", die weit
mehr beruhrt, als das Generationsproblem,
Doch davon wird in den Kreisen, an die sich die „moderne" Musik wendet, wenig
gesprochen. So kann es geschehen, dafi wir uns erhitzen im Fiir und Wider um eine
Musik, die in ihrem Wesen sich nicht oder wenig geandert hat, hauptsachlich in den
Mitteln. Und es kann geschehen, dafi unterdessen von einer ganz andern Seite her ein
Kunstwille hereindringt, der in der Musik mit viel konventionelleren Mitteln eine
Situation schafft, die unvergleichlich entscheidender zum Problem wird als unser Streit
um die sogenannte „moderne" Musik.
2. Herbert Rosenberg
Wir haben zwar eine „neue Musik", aber wir haben keine „neue Kultur". Die
Entwicklung der letzten 200 Jahre abendlandischer Kunst verlauft in einer fortschreitenden
asthetisierenden Verfeinerung aller Kunsterlebnisse und damit natiirlich auch des
Musikhorens.
Nach neueren Anschauungen ist die Entstehung der Kunst zweifach verwurzelt: im
Spieltrieb und im Magischen. Die Betatigung des Spieltriebs fuhrt zur asthetischen
Haltung des Ausfuhrenden wie des Aufnehmenden. Die als Spiel gestaltete Musik ist
jedoch mehr als nur tonend bewegte Form. Sie spiegelt den ganzen Menschen mit all
seinen Gefiihlen und Strebungen wider, wenn auch nicht in dem scharf begrenzten Sinn ?
den die Programmusiker in ihre Kunst legen zu konnen wahnten, doch mindestens in
der Weise, dafi der Gesamthabitus des Musizierenden durch unmittelbare Einfiihlung
wiederzuerkennen ist.
40
Spieltrieb und Magie
Daneben lauft ein zweiter Strom, der die Kunst als Mittlerin zwischen dem Menschen
und den seiner Einwirkung entzogenen Kraften des Naturgeschehens einsetzt. Der Zwang
zur kausalen Erklarung des Naturablaufs fiihrt in einer vorwissenschaftlichen Periode
des menschlichen Denkens notwendig zum Geisterglauben. Die Kunst, vornehmlich die
Musik, ist die Handhabe, mit der der Mensch auf die Uberirdischen einwirken zu
konnen glaubt.
Gemeinsam ist beiden Arten des Musikmachens, dafi sie nicht auf den Zuhorer
rechnen. Der spielerisch Musizierende geniigt sich selbst; die magische Musik aber richtet
sich an einen gewissermafien imaginaren Horer, und Musik schlechthin ist das Podest,
von dem aus der Priester seinen Zauberformeln eine erhohte Wirksamkeit verleiht.
Der Unterschied beider liegt im folgenden: die asthetisierende Musik zwingt zum
Ersatz abgenutzter Reizmittel durch neue, soil das Spiel nicht langweilig werden. Die
magische Musik ist dagegen konservativ: aul gleiche Ursachen pflegen gleiche Wirkungen
zu folgen. Eine Anderung der Musik, der Ursache, wurde die erstrebte Wirkung gefahrden.
Nur auf Grund dieser Anschauung konnte sich ein eigener Kunststil der Kirche ent-
wickeln. Dadurch wird aber die Kultmusik zu einem fruchtbaren Regulativ der
Musikentwicklung uberhaupt.
Eine lebendige Kultmusik dieser Art hat das Abendland bis in die Zeit Joh. Seb.
Bachs hinein gehabt, wenn auch zuletzt nur noch in der abgeschachten Form des Symbols
oder gar der schon wesentlich geniefiender Haltung unterworfenen Erbauungsmusik.
Seither wurde der lebendige Anteil der kultischen Musik bis auf ein Minimum herab-
gedriickt. Es bleibt nur die Genufi vermittelnde Musik ubrig, und die Spaltung in Aus-
fuhrende und Zuhorer leitete eine Entwicklung ein, die erst heute zu einem Abschlufi
gekommen zu sein scheint. Der Komponist ist objektiv gezwungen, zu stets neuen
klanglichen und melodischen Reizmitteln zu greifen, um das Interesse des nur asthetisch
Horenden wachzuhalten. Subjektiv zwingt ihn zu der gleichen Mafinahme der Indivi-
dualkult des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Resultat ist eine ungeheuer beschleunigte
Musikentwicklung, die vom Volksganzen nicht mitgemacht werden kann und beim Fart
pour l'ar'tiste-Standpunkt enden mufi. So war die Situation um 1910, als Schonberg,
Bartok und Strawinsky ihre ersten entscheidenden Werke schrieben. Das Neue war zu-
nachst nur eine Reaktion auf die abgebrauchte Wirkung der noch funktional gebundenen
Ghromatik Wagners und der auf ihn folgenden Generation. Die allgemeine Form des
Musikmachens blieb unverandert auf der Basis des Geniefierischen und vor allem, die
Grundlage unserer Kultur war nach wie vor individualistisch.
Erst in den letztvergangenen Jahrzehnten regten sich Stromungen, die wirklich
Neuland zu suchen begannen. Ich meine die musikalische Jugendbewegung, die den
Musikgenufi zu aktivieren bemiiht ist. Noch mangelt es ihr aber, von gelegentlichen
Ausnahmen abgesehen, an bedeutenden schopferischen Begabungen, die sich in ihren
Dienst gestellt haben. Dadurch wird sie gezwungen, einen grofien Teil ihres Musizier-
materials aus vergangenen Epochen zu ubernehmen.
Die Grundlage ihres Musizierens bildet die Uberzeugung, dafi die gemeinsame
Ausfiihrung eines musikalischen Werkes gemeinschaftsbildende Krafte weckt. Damit
wird fur den Komponisten eine vollig neue Situation geschaffen. Konnte er in der
letzten Epoche unserer Musikentwicklung seine Aufgabe nur darin finden, entweder das
41
m*m
Von „Christophe Colomb" zu ^Maximilian"
Genufibedurfnis des Zuhorers zu befriedigen oder seinen personlichen Ausdruckswillen
riicksichtslos zu betatigen (z. B. Schonberg), so wird von ihm nunmehr gefordert, daG
seine Musik ihrer geistigen Haltung nach der Aktivierung des Gemeinschaftsgedankens
forderlich ist. Aufierdem wirkt sich diese veranderte Zielsetzung in der vereinfachten
teclinischen Anlage aus. Gemessen an den uberkommenen Mafistaben der Konzertmusik,
scheint der Wert dieser neuen „Gemeinschaftsmusik" vielfach herabgemindert zu sein ; aber
es bedarf kaum des Hinweises, dafi dieser neuen Musik auch ein ihr entsprechender
Wertmafistab zugrunde gelegt werden niufi. Auf dieser neuen Einstellung zur Musik
entwickelte sich bereits eine spezifische Kunstform, das Lehrstiick.')
In der ausgesprochen praktischen Wirkungsabsicht liegt in erster Linie der Fort-
schritt gegeniiber den Revolution aren" Werken der letzten Jahre. Die Parallele, die sich
von dieser Situation aus (vor allem, soweit sie sich auf die Politisierung der Musik erstreckt)
zu der eingangs geschilderten „magischen" Musik ziehen lafit, bedarf keiner Erlauterung.
Die hier geschilderten neuen Bestrebungen wollen fur den Konzertsaal oder die
Opernbiihne als kiinstlerische Genufiquelle keinen Raum mehr lassen und miissen so
als eine Art Eisenbart-Kur gegen die sattsam bekannte Krise unseres offentlichen Musik-
lebens betrachtet werden.
Milhaud an der Grofien Oper
Zur Situation der modernen Musik in Frankreich Heinrich Strobel
1.
Milhauds neue Oper „Maximilian" (nach Werfel) wurde an der Grofien Oper in
Paris uraufgefiihrt. Vor anderthalb Jahren sah man an der Berliner Staatsoper den
„Christophe Colomb" von Milhaud und Claudel. Es gab heftige Meinungskampfe.
Aber das eine war nicht zu bestreiten : Columbus war ein bedeutender Versuch, von
der katholischen Ideologic aus, das musikalische Theater neu aufzubauen, und dieser
Versuch verdiente umso mehr Beachtung, als er aus einem Land kam, in dem man im
allgemeinen nichts von der Neuformulierung des Begriffs Oper wissen will. So stark ist
in Frankreich auch heute noch die Oper gesellschaftlich-traditionell verankert. Im
„Columbus" wurde die grofie historische Oper wieder aufgenommen. Nicht als Prunk-
stiick, sondern als Symbol zeitloser Vorgange. Das private Schicksal des Entdeckers wurde
katholisch gedeutet und gegen die Beschrankheit des Zeitlichen gestellt.
„Maximilian" ist auf einem ahnlichen Kontrast aufgebaut. Hier die private Trago-
die des unglucklichen Schwarmers Maximilian, dort die Rebellion des mexikanischen
Volks gegen die europaischen Eindringlinge (die im „Columbus" allzu einseitig als die
„Erloser" Amerikas hingestellt worden waren). Was im „Columbus" trotz aller Schon-
geistigkeit in einer neuartigen und entwicklungsfahigen Form dargestellt wurde, das
verschwimmt im „Maximilian" zwischen Folklore und Opernkonvention. Im .,Columbus"
') Als ein Werk dieser Gattung, das am starksten zur Aufgabe der nur geniefienden Haltung zwingt,
erscheint mir das Lehrstiick „Die Mafinahme" von Eisler und Brecht.
42
Was der Pariser von der Oper erwartet
waren die Elemente der Historienoper in die epische Form eingegliedert, im „Maximilian"
von R. St. Hoffmann und Armand Lunel ist die musikdramatisch verschnittene Historien-
oper Selbstzweck. Der St off des „Maximilian" hatte entweder in der Art des ,,Boris"
als realistische Bildreihe durchkomponiert oder in der Art des „Columbus"' stilisiert
werden konnen. Die erste Moglichkeit fiel weg, da Milhaud weder Kolorist noch Realist
ist und da er bei aller Liebe zur Exotik doch nicbt jene naturhafte Verbundenheit mit
dem Volkstum hat, aus der heraus Mussorgsky seinen „Boris" schuf. Seine starke In-
tellektualitat verbindet ihn mit der allgemeinen Geisteshaltung der modernen franzo-
sischen Kunst, der er scheinbar ziemlich fernsteht.
Die zweite Moglichkeit hatte nach ,.Columbus" nahe gelegen. Sie war bei dieser
Bearbeitung des Buches nicht durchfuhrbar. Milhaud mischt daher im „Maximilian" die
Techniken, die er teils in seinen Einaktern, teils im „Columbus" angewendet hatte. Das
heifit: Chore und Instrumentalsatze von machtig aufgetiirmter Polytonalitat, verhaltene
lyrische Airs und rein musikalische Kontrapunkte zur Szene in der bekannten volks-
mafiig diatonischen Lineatur wechseln miteinander. Oft sind die Mittel fliichtig und
unverbunden einge&etzt, dann wieder gibt es starke Momente, wie den Anfang oder das
zweite Bild, wo der Schlagzeugdonner mexikanischer Kanonen auf die europaischen
Fremdlinge niederprasselt, oder vor allem den Abschied Maximilians von seinen Freunden.
Die vorletzte Szene gewinnt als einzige aus der Musik ihre stimmungsmafiige Geschlossen-
heit. Im ganzen vermifit man den klaren, ordnenden Willen und die ursprungliche An-
schauung, die Milhauds beste Werke auszeichnen.
Es ist denkbar, dafi Milhaud gewisse Riicksichten auf die Pariser Grofie Opef
nahm, fiir die „Maximilian" bestimmt war. Das kann vielleicht die Hereinnahme
ischwachlicher Liebesintriguen in den Text erklaren, niemals aber die Gleichgiiltigkeit
gegenuber den Fragen der kunstlerischen Dkonomie und der handwerklichen Ausfeilung.
Die Auffxihrung bedeutete ein Ereignis. Man bedenke : zum ersten Mai drahg einer der
beruchtigsten Atonalisten uber die Schwelle der konservativsten Oper Europas. Die
Auffiihrung war im Musikalischen sehr gut, die Dekorationen waren licht und geschmack-
VoU, nur die „mise en scene" von einer fatalen Opernhaftigkeit.
2.
Wie kommt es, dafi die Auffiihrung in der Offentlichkeit auf vollige Verstandnis-
losigkeit stiefi? Wenn man in Paris so selten moderne Sachen hort, dann miifite doch
Schon die Tatsache der Auffiihrung eines schwierigen modernen Werks anerkarint werden ?
In Deutschland, nicht in Frankreich. Deiin die Anschauung, dafi die lebenden Kunstler
zu fordern seien und dafi die zeitgenossische Kunst an den staatlich subventionierten
Instituten gepflegt werden miisse, diese Anschauung ist den Franzosen vollig fremd.
Das franzosische Publikum — ich spreche naturlich nicht von den Intellektuellen
— kommt nicht ins Theater, um ein Werk kennen zu lernen oder sich geistig aus-
«inanderzusetzen, es kommt auch nicht, um sein Lebensgefiihl zu steigern oder um sich
zu bilden, es kommt, um sich zu unterhalteii. In Deutschland hort man sich eine
moderne Oper an, weil ihr Autor in der Offentlichkeit diskutiert wird. In breiten
Schichten des Volkes besteht ein Interesse fiir die Sache, auch heute noch, trotz aller
Anbetung des Interpreten. Frankreich kennt das alles nicht. Ein Besuch in der Oper ist
43
Die Isoliertheit der neuen Kunst in Frankreich
ein rein gesellschaftliches Ereignis. Aus dieser Einstellung erklart es sich, dafi die moderne
Kunst in Paris uber die Fachleute hinaus gar kein Publikum haben kann. Eine Kunst.
die sich nicht reibungslos der Realitat allgemein ublicher Lebensformen einordnet, hat
keine Existenzberechtigung. Der Durchschnittsfranzose, auch der Gebildete, wird sich nie-
mals bemiihen, dieses oder jenes Werk kennenzulernen. Er nimmt es im besten Falle
hin, wenn es ihm zufallig geboten wird. Man macht Ausstellungen und man macht
Musik. In den Konzerten immerhin auch eine Menge Werke von lebenden Komponisten,
mehr als durchschnittlich in Berlin. Aber niemand fragt, weshalb man sie macht und
warum man gerade diese Stiicke spielt und jene nicht. Daraus erklart sich, dafi immer
wieder Petruschka und immer wieder Pazific 232 gespielt werden. Niemand kritisiert
die xiberalterte mise en scene in der Opera. Man hat keine Vergleichsmomente, und
man will keine haben.
Wie stehen die jungen Musiker in dieser Umgebung? Die bedeutenden und ori-
ginellen Personlichkeiten der modernen franzosischen Kunst sind im eigenen Land vollig
isoliert. Milhaud oder Chirico, Raynal oder Cocteau sind selbst den Gebildeten fremde
Namen. Wer nur den Louvre oder das Luxembourg, wer nur die Pariser Opern kennt,
erfahrt uberhaupt nichts vom reichen neuen Schaffen in Frankreich. Augenblicklich
findet in London eine grofie Ausstellung franzosischer Malerei statt. Die Lebenden
fehlen. Das ist bezeichnend fur die Meinung, die man von der modernen Kunst in
Frankreich hat.
Man mufi diese Tatsachen kennen, um die ungeheure Bedeutung Diaghilews fur
das junge Frankreich zu begreifen. Diaghilew bestellte bei alien modernen Komponisten
Opern und Ballette, Diaghilew zog moderne Maler zu Inszenierungen heran. Diaghilew
schuf die Verbindung zwischen junger Kunst und mazenatischer Aristokratie (denn das
gibt es in Frankreich noch). Diaghilews Tod war der grofite Verlust, der die moderne
Malerei und die moderne Musik in Paris treffen konnte. Gewifi: Strawinsky, RaveL
vieUeicht auch Roussel haben sich in Paris durchgesetzt. Aber weifi man, wie gering
die Ausstrahlung dieser Kiinstler bleibt, weifi man, dafi Strawinsky in Paris eine An-
gelegenheit der russischen Emigranten ist ? Auch Honegger ist durchgedrungen. Er
konnte es, weil er als Musiker das Kompromifi mit jener Richtung geschlossen hat, der
ganz Frankreich zujubelt: dem Wagnerismus. (Die Begeisterung der Franzosen fiir die
nach unserer Meinung denkbar unromanische Kunst Wagners bestatigt iibrigens, was
vorhin iiber die Einstellung des franzosischen Publikums zur Musik gesagt wurde. Wagner
Btellt unter alien grofien Komponisten die geringsten Anforderungen an die geistige
Konzentrationsfahigkeit des Horers.) Honegger eroberte trotzdem noch nicht die grofie
Oper. Man kann sich vorstellen, was es nun fur einen in der franzosischen Offentlich-
keit weniger anerkannten Musiker wie Milhaud bedeutete, an diesem reprasentativen
Institut mit einem abendfiillenden Werk herauszukommen. Aber die kunstpolitische
Seite der Premiere wurde ignoriert.
Es ist durchaus moglich, dafi die Annahme des „Maximilian" an der Grande Opera
nicht zuletzt auf die hohe Werlschatzung zuruckzufuhren ist, die Milhaud in Deutsch-
land geniefit Denn so wenig sich der Durchschnittsfranzose um alles kiimmert, was
aufierhalb seiner vier Wande und seiner personlichen Verluste durch die „cri8e" liegt,
so grofi ist die Hochachtung vor der kiinstlerischen Tatkraft in Deutschland bei alien
44
■' ^**i^"s#S$sS*-: -
Gestern: Ausbreiiung der neuen Kunst
Franzosen, die das deutsche Geistesleben von heute kennen. Gerade wenn man die
Originalitat und Eigenart der modernen franzosischen Kunst bewundert, wird man diese
Tatsache zwar ohne chauvinistische Eitelkeit, aber doch mit allem Nachdruck in einem
Augenblick zitieren diirfen, wo die deutsche Kunstpflege durch aufiere Umstande aufs
schwerste bedroht ist.
Gestern, heute, morgen Hans David
Der Beitrag war fur die Diskussion des vorigen Heftes gedacht.
Er kann auch jetzt noch veroffentlicht werden, weil er der Erkenntnis
der heutigen Situation im allgemeinen dient.
Der Abbruch des Krieges 1918 gab endlicb wieder den Blick frei fiir jene Welt
der kulturellen Erscheinungen, die einer nach Vernichtung strebenden Zeit gleichgiiltig
bleiben mufite. Das Reich des Geistes zeigte sich in mafiloser Verwirrung. Auffassungen,
Ziele, Werte waren bedeutungslos geworden; veranderte und neue Menschen setzten
sich mit Meinungen und Charakteren auseinander, deren Giiltigkeit bereits zerfallen
war. Unterdriickte Strebungen, neuartige Ideen gewannen Macht, in einer triiben Gegen-
wart Verheifiungen einer vielleicht gliicklicheren Zukunft. Die kulturelle Lage umschlofi
nunmehr die Verpflichtung, den aufbauenden Kraften Moglichkeiten der Entfaltung zu
geben. Das bedeutete im musikalischen Leben Bemuhung urn dreierlei. Den erwachen-
den Talenten war klangliche Verwirklichung der Arbeiten zu sich em, damit der Produ-
zierende tiefere Kontrolle iiber Pragung und Wirkung des hingestellten Gebildes gewinne.
Dem Publikum waren durch Auffiihrungen und fruchtbare Hinweise die neuen Be-
wegungen und die Werte der nunmehr modernen Musik zu verdeutlichen. Und zugleich
war eine Zusammenfassung der Stromungen, die in den einzelnen Landern unabhangig
voneinander in gleicher Richtung vorstiefien, zu versuchen. In den uberkommenen
Musikbetrieb liefien sich diese Aufgaben nicht einfiigen. Die Internationale Gesellschaft
fur neue Musik ubernahm es, Auflfuhrungen moderner Werke und einen tibernationalen
Austausch zu organisieren ; „Melos" versuchte in Parallel e hierzu, die Losungen der un-
ausweichlichen Fragen von der theoretischen Seite aus zu erfassen.
Die Verhaltnisse wandelten sich. Die neue Musik erhob sich zu reinerem Stil und
setzte sich in bedeutsamem MaCe durch. Eine nicht unbetrachtliche Kenntnis der
Produktion auch fremder europaischer Lander wurde ermoglicht. Sinn und Gehalt der
neuen Formungsweisen konnten in wesentlichen Hinsichten geklart werden. Dennoch
durfte der Erfolg keineswegs vollig befriedigen. Die Ausbreitung der neuen Kunstideale
fiihrte zu Grenzen, die sich nicht wesentlich ausdehnen liefien. Das Publikum beispiels-
weise der Abonnementskonzerte in vielen Stadten wollte, bequem und genxifilerisch,
den Kreis der Darbietungen, die fast ausschliefilich von Mozart bis zu Brahms oder
Straufi leiteten, nicht erweitert sehen; es zeigte sich, dafi viele Menschen, denen Musik
eben lediglich eine unverbindliche Gelegenheit zu vagen Traumen bedeutete, eine
geistigere Einstellung zu der Tatsache einer akustischen Kunst nicht linden konnten.
Derart veranderten sich die bestimmcnden Einsatzpunkte fur Betrachtungen iiber das
musikalische Leben der Gegenwart. Es war notig, dafi man die Begrenztheiten der
geistesgeschichtlichen Situation genauer erfafite. Die Struktur des Publikums, das Ver-
45
-i "m
Heute: Abbau der Kultur
haltnis zwischen praktischen Institutionen und den Schichten, denen sie dienten, die
Einsicht, wer Musik betreibe, warum und wie dies geschehe, erwiesen sich als beherr-
schende Probleme. Zugleich wurde wichtig, zu erkennen, wie Einstellung und Bildung des
Horers vertieft, ernsthafte Bemiihung urn die Kunst als geistige Erscheinung erweckt werden
konne. Indem die vervielfaltigte und zu vervielfaltigende Musik in dieser Zeit ungeheure
Bedeutung gewann, wurde es zugleich notwendig, sich mit den Voraussetzungen, Mog-
lichkeiten und Verwirklichungen der durch Apparat und trockenste Geschaftskalkulation
bedingten Musik kritisch zu beschaftigen. So bezog die Auseinandersetzung mit den
musikalischen Erscheinungen der Gegenwart zunehmend soziologische, padagogische,
technisch-organisatorische Gedankenkomplexe ein. Der Kreis der zu behandelnden Fragen
hat sich aufierordentlich erweitert. Der Baum fiir umfassende Darstellungen, das In-
teresse fiir gleichsam philosophische Grundlegungen ist fortgefallen ; es erwuchs die
eigentlich noch schwieriger zu erfiillende Verpflichtung, Zustande und Entwicklungen in
knappsten Ausfuhrungen auf ihre Eigenart zu priifen.
Die politische und kulturelle Geschichte der Gegenwart wird immer deutlicher
Auswirkung wirtschaftlicher Zusammenhange. Die Totung von Millionen tatkraftiger
Manner, die durch den Krieg bedingte und durch Inflation fortgefiihrte Ver-
geudung von Milliardenwerten in jeder Wahrung, die geradezu irrsinnige Verteilung der
Lasten, die sich nach dem unseligen Ausgang des Krieges infolge der Verblendung der
Friedensdiktatoren und ihrer Nachfolger ergab, hat logischerweise zu einer allgemeinen
Wirtschaftskatastrophe gefuhrt, die in Deutschland und Deutsch-Dsterreich ein bereits
unubersehbares Ausmafi angenommen hat. Man hofft nunmehr, durch Senkung des
Lebensstandes Erleichterung fiir die wirtschaftliche Abwicklung zu gewinnen. Die hier-
durch bedingte Drosselung aller noch verfiigbaren Ausgaben bedeutet in erschreckender
Deutlichkeit vorzugsweise Abbau der Kultur. Kunst und Bildung gelten als Luxus; man
ordnet sie ein als Industriezweig, der eine kleine Zahl von Arbeitenden beschaftigt und
unverhaltnismafiig viel Geld kostet. Die Stillegung von ein paar grofieren Fabriken
macht mehr Menschen arbeitslos als die Auflosung aller deutschen Orchester und Theater
— warum, sagt man, seien Institutionen aufrechtzuerhalten, die, einer beschrankten Zahl
von Menschen Unterhaltung oder Vergnugen bereitend, eine Funktion erfiillen, die doch
selbst vom schlechtesten Tonfall fiir eine viel grofiere Menge von Leuten vollzogen
wird? Gespart mufi werden; man fangt damit dort an, wo man mit geringster Miihe,
angesichts schwachster Organisationen sparen kann. So wird „Abbau der Kultur" zum
Leitgedanken fiir das Tun unserer Gegenwart. Zugleich bietet die miserable wirtschaft-
liche Lage der noch bestehenden Institutionen einen nur allzu willkommenen Vorwand
dafiir, dafi man sich weiter nicht bemiiht. Das trifft vor allem die moderne Musik. Sie
kostet Auffiihrungsgebiihren und schreckt, sagt man, das Publikum ab; so schaltet man
sie einfach aus den Programmen aus. Man setzt hier wie nunmehr fast iiberall die
ungiinstigste Vorstellung, die man von Charakter und Begehren des Publikums bilden
kann, voraus und lafit von solch vorgefafiter Meinung die Entschliisse oder vielmehr
den Verzicht auf Entschliisse bestimmen. Bei Tonfilm und Rundfunkprogramm tritt
ahnliche Einstellung in einfach beschamender Weise zutage; es hat sich vielfach gezeigt>
dafi der Geschmack des Publikums wesendich besser war, als der Durchschnitt der
Produktion annahm. Aber freilich — schlechte Musik oder banalste Filmklischees zu
46
Gegen die Zermurbung des Geistigen
machen und sich darauf zu berufen, dafi das Publikum sie so wolle, ist unendlich viel
leichter, als gute Musik oder Filme ao zu machen, dafi das Publikum sie wirklich will.
Es kommt hinzu, dafi der Hang zur Bequemlichkeit, der sich nunmehr fast uberall im
kulturellen Leben breit macht, haufig einfach aus Mangel an Zivilkurage erwachst. Die
Zeiten sind ja so trostlos schlecht; wie konnte man es da wagen, neue, ungewohnliche
oder gar anspruchsvolle geistige und kunstlerische Dinge zu wollen? Solche Grundhaltung,
geradezu verbrecherisch gegeniiber einer Nation, deren hochster Ruhm es durch ein
Jahrhundert war, ein Volk der Dichter und Denker zu heifien, wiirde in ihren Aus-
wirkungen — die iibrigens bei politischem Umschwung sich noch wesentlich steigern
miifiten — weit grofiere und folgenschwerere Verwiistungen anrichten, als gegenwartig
auch nur annahernd erschlossen werden kann. Mit aufierster Kraft und klarem Willen
gegen die Zermurbung der geistigen und kunstlerischen Kultur Deutschlands zu arbeiten,
ist gegenwartig erste Pflicht jedes kulturell eingestellten Menschen. Wir miissen uns
bemiihen zu erfassen, wie kulturelle Arbeit noch moglich ist und wie sie geleistet wird.
Mehr noch als bisher gilt es, von abstrakten Philosophemen abzusehen und konkrete Ge-
schehnisse in ihrer vorbildlichen oder verwerflichen Bedeutung aufzuzeigen. Wichtig
bleibt hierbei auf lange Zeit das Bewufitsein, dafi ohne verantwortungsvollen und ernst-
haft strebenden Willen weder ein Mindestmafi musikalischer Kultur erhalten werden^
noch die in jedem Gebiet der Musikausiibung fiihlbare Umschichtung zu einem in
geschichtlichem Sinn positiven Ergebnis fiihren kann.
Musik und Wirtschaft
E'me Wander-Oper Erbprinz Heinrich ReuH
Ein Teil der Presse brachte kiirzlich eine Notiz iiber die Bildung einer Reichsoper.
Zur Richtigstellung und zur naheren Erklarung sei folgendes gesagt: die Situation ver-
langt ein brauchbares Instrument zur Bespielung der Stadte, die nie eine eigene Oper
besafien oder die sie jetzt verloren haben (und etwa noch verlieren werden). Eine
Konkurrenz fiir die bestehenden Operntheater und den Umkreis, den sie versorgen, bleibt
vollig ausgeschlossen. Ebenso mufi klar ausgesprochen werden, dafi durch ein solches
Unternehmen keineswegs der Abbau von bestehenden Operntheatern begiinstigt werden
kann und darf. Der enge Konnex, der mit dem Biihnenverein und der Buhnengenossen-
schaft gehalten wird, wiirde dafiir sorgen, dafi hier eine Schadigung nicht eintreten kann.
Bis zum letzten Jahre bestand die Berliner Kammeroper, die wegen des Wegfalls
der staatlichen Subventionen am 31. Marz 1931 geschlossen werden mufite. Sie hatte
vornehmlich die Aufgabe, den politisch bedrohten Grenzlanden und den Randstaaten
deutsche Opernkultur zu bringen. Diese Aufgabe ist in vortrefflicher Weise geleistet
worden. Die im Entstehen begriffene Wanderoper (ihr Name steht noch nicht fest) wird
diese Aufgaben zu iibernehmen, fortzusetzen und zu erganzen haben, indem sie solche
Stadte hinzunimmt, die ihre Oper verloren haben. Wichtig ist, dafi sogleich eine Orga -
47
mmm*
Qualitatsarbeit als Notstandsmadnahme
nisation vorhanden ist, die hier in die Bresche springt und die einem Unternehmertum
zuvorkommt, das mit minderwertigen Kraften und Leistungen die Idee und den Sinn
solcher Opernauffuhrungen im Reich entwerten kann. So soli der Sinn dieser neuen
Unternehmung sein, dafi mit fanatisch begeisterten jungen Menschen unter Fiihrung be-
sonders fahiger Manner eine kiinstlerisch zum Ensemble gebildete Gemeinschaft entsteht,
die zunachst in einer Vorarbeit von etwa drei Monaten musikalisch, sprachlich, gesang-
lich, rhythmisch geschult wird, um dann einige Wochen zu reisen.
Die „Gemeinnutzige Vereinigung zur Pflege deutscher Kunst" hat sich bereitwillig
fur diese erweiterte Aufgabe zur Verfugung gestellt, und die mafigebenden staatlichen
Stellen haben ihr lebhaftes Interesse bekundet, ebenso Vertreter des deutschen Buhnen-
vereins, der Buhnengenossenschaft, der Staats- und Stadtischen Oper Berlins, der Beichs-
rundfunk-Gesellschaft und des preufiischen Parlaments (neben verschiedenen privaten
Personlichkeiten). Ein Arbeitsausschufi, dem Vertreter der genannten Organisationen an-
gehoren, ist bereits seit einigen Wochen mit den Vorarbeiten befafit.
Um die Ruhe und die Stetigkeit der Ausbildung nicht zu gefahrden und um so-
gleich etwas Wertvolles zu schaffen, wird fur diesen Winter nur an eine kurze Reisezeit
gedacht, an die sich im Sommer die eigentliche Studioarbeit und vom Herbst 1932 ab
eine mehrmonatliche Spieltatigkeit anschliefien soil. Was in diesem Winter ein (hoffent-
lich schon weitestgehender, gelingender) Versuch sein soil, wird dann im Herbst end-
giiltig und ernsthaft stabilisiert werden konnen.
Nur auf dem festen Fundament einer hochstehenden Gesangstechnik, einer genauen
korperlichen, regielichen, sprachlichen und musikalischen Schulung ist ein Reise-Ensemble
aufzubauen, das, im Gegensatz zu den stehenden Operntheatern mit ihrem oft lasten-
den Zwang zum Betrieb, seine Opernauffuhrungen zu einer vorbildlichen Leistung ge-
stalten kann. Heute ist nur noch Kunst berechtigt, die aus der grofiten Arbeit die
hochste Leistung erbringt. Halbe Leistungen verfallen mit Recht den Abbaumafinahmen.
Wenn es gelingt, hier eine Organisation zu schaffen, wie sic alien Beteiligten vor-
schwebt, so dtirfte damit mit sehr geringen Mitteln etwas Wertvolles, sogar etwas Ein-
maliges fiir die Entwicklung deutscher Theaterkultur geleistet werden.
PlanWl'rtSChaft Hans Mersmann
Die folgenden Zeileri sind lediglich als Ausgangspunkt einer Dis-
kussion gedacht, die an den Vorschlagen G. Schiinemanns ein-
zusetzen haben.
Das Zentralinstitut fiir Erziehung und Unterricht veranstaltete vor einiger Zeit
einen Diskussionsabend iiber die Musik in der Wirtschaftskrise. Besuch und das (von
einigen Ausnahmen abgesehen) Niveau der Diskussion zeigten, wie wenig die Musiker
selbst ihre Lage erkannt haben und an gemeinsamer Losung der dringendsten Gegen-
wartsfragen interessiert sind. Sie suchen noch immer die Grunde fiir den Riickgang
ihrer Existenz in Radio und Sport, in boswilliger Konkurrenz oder, wie es heute so
bequem ist, in den Mafinahmen des Staates. Gerade dieser letzte Gesichtspunkt hat
jetzt wieder gute Konjunktur. Es ist so iiberzeugend, von einem „Kulturbolschewismus"
zu sprechen, dafi das alte Schlagwort nur hervorgeholt zu werden braucht, ohne dafi
48
55^!^*^e?^
Der Rundfunk als groBter Musikunternehmer
man sich erst die Muhe machen miifite, es neu zu lackieren. Aber selbst dieses Schlag-
wort setzt eine gewisse Aktivitat voraus; vielen Musikern fehlt auch diese. Sie werden
„durch drohende Wetterzeichen, durch leere Itonzertsfile, Nachlassen der Engagements,
Absinken des Unterrichtswesens, aus der Ruhe geschreckt und beschworen unsere Zeit
und unser Musikleben: stille zu halten und umzukehren". Diese Worte sprach an jenem
Diskussionsabend Georg Schiinemann in seinem Referat „Wie konnen wir die Ar-
beitsnot in der Musik steuern ?" ')
In diesem Referat lag der eigentliche Sinn des Abends. Es enthielt neue und
lebendige Gedanken, die nicht am Schreibtisch entstanden, sondern von niicbterner Er-
wfigung ihrer Ausfiihrbarkeit bestimmt wurden. Es ist notig, hier nochmals auf sie ein-
zugehen, vor allem, weil sie nicht nur ausgesprochen wurden, sondern weil an ihrer
Verwirklichung heute bereits intensiv gearbeitet wird.
Im Mittelpunkt der Vorschlage Schunemanns steht der Rundfunk. Mit Rerht, denn
er ist heute der einzige grofie Unternehmer, der das Verhaltnis von Angebot und Nach-
frage in der Musik entscheidend beeinflussen kann. Seine Aufgaben, die sich aus der
heutigen Situation ergeben, wurden noch einmal scharf begrenzt. Die Ablehnung der
Schallplatte als Konzertersatz sollte zu einer tfiglichen Reschaftigung arbeitsloser Musiker
ffihren, deren Qualitat anerkannt oder nachgewiesen ist. Die Verwendung des Laut-
sprechers zu gewerblichen Zwecken, vor allem in Gastwirtschaften mufi besteuert wer-
den. Es sollte nicht moglich sein, dafi der Besitzer eines Cafes sich fur die monatliche
Rundfunkgebiihr von zwei Mark einen billigen Ersatz fiir die abgebaute Kapelle leisten
kann. Schiinemann fordert im Zusammenhang damit, dafi auch die Filmbiihnen wieder
Musiker beschaftigen sollten, dafi man ihnen in diesem Falle die Vergniigungssteuer
erlassen solle, und weist auf den Erfolg hin, den die Lewis-Ruth-Band vor kurzem im
Kapitol hatte, als sie den Film „Alte Berliner Schlager" durch ein richtiges Konzert
illustrierte.
Diese Wege hat der Rundfunk teilweise beschritten, oder es handelt sich um
Fragen, welche die Dffentlichkeit schon langere Zeit beschaftigen. Fiir den Musiker
ebenso wichtig sind die anderen Vorschlage Schunemanns, die sich mehr mit der
inneren Struktur der Musikarbeit im Rundfunk beschaftigen. Die Forderung nach einer
breiteren Basis mufi nachdriicklich unterstiitzt werden. Mehr Musiker in die Kulturbei-
rate, engere Verbindung mit den Musikerorganisationen, eine auf gegenseitiges Ver-
trauen gegrflndete Zusammenarbeit. Hier ist es der Rundfunk, der die Initiative zu er-
greifen hat. Er miifite sich freiwillig zu einem kleinen Teile seines absoluten
Selbstbestimmungsrechts begeben und hatte davon den moralischen Gewinn, mit
der Musikerschaft zu arbeiten, statt, wie man an vielen Stellen noch immer meint,
gegen sie.
In ahnlicher Weise untersucht Schiinemann das Konzertleben und fragt, wie man
(Vfr ' seiner absoluten Desorganisation abhelfen konne. Er verlangt eine zentrale Stelle, die
eine gewisse Planwirtschaft im Konzertbetrieb zunachst aufierlich durchfuhrt, die ver-
hindert, dafi Konzerte sich dauernd iiberschneiden, dafi gleiche Werke sich zu oft
wiederholen. Mit seinem Vorschlag von Kollektivkonzerten, der Verlegung von Kon-
') Inzwischen im Februarheft der „Musikpflege" erschienen.
49
■■m
Lautarchive auf der ganzen Welt
zerten in kleine Sale in die Arbeiterviertel, einer starkeren Organisation der Horeiv
schaft begegnet er Anregungen, wie sie beispielsweise auch der Deutsche Konzertgeber 7
bund in letzter Zeit gab. Wenn er die Wiedereiiifiihrung von Volkskoiizerten auf offent-
lichen Platzen fordert, deren Verwirklichung heute gar nicht schwer ware, so scheint der
Fragenkreis, der sich bis zur Volksmusik weitet, geschlossen.
Alle diese Gedanken sind lebendig und fruchtbar. Sie enthalten keine unausfuhr-
baren Vorschlage, aber ihre Verwirklichung ist an die eine Voraussetzung gekniipft:
dafi der zentrale Gedanke einer musikalischen Planwirtschaft von alien, Organisatoren
und Verbrauchern, erkannt und durchgefuhrt wird. Richtige Verteilung der Krafte, An-
passung an die Forderungen der Zeit, Eingliederung jedes einzelrien an irgendeiner
Stelle in den Organismus der Musikwirtschaft, Nutzbarmachung moglichst aller brach
liegenden Krafte bei riicksichtsloser Durchsetzung des Qualitatsstandpunkts, das ist der
einzige Weg, der zu einer wirklichen Planwirtschaft fiihrt. So kann vielleicht gerade die
Not das erzwingen, was in alien besseren Zeiten hoffnungslos schien : eine Zusammen-
fassung und Einigung derer, die in der gleichen Richtung arbeiten.
Rundfunk - Film - Schallplatte
Nationale und
Internationale Phonothek Georg Schunemann
Seit dreifiig Jahren werden in vielen Landern Phonograrame und Schallplatten
zu alien Gelegenheiten, zu vielfachen Zwecken und Studien aufgenommen. Man verkauft
aktuelle Aufnahmen und Tagesliteratur, sammelt Dialekte, Volksmusik, exotische und
historische Aufnahmen, Tierschreie, Menschenstimmen, Reden beruhmter Manner, Fremd-
sprachen — kurzum das gesamte Gebiet akustischen Lebens wird festgehalten. Diese
Sammlungen. fiihren zur Griindung von wissenschaftlichen Lautarchiven, so in Wien im
Jahre 1899 durch Siegmund Exner, in Rerlin im Jahre 1900 durch Carl Stumpf,
in Paris durch Prof. Azoulay („Musee de la Parole"), in Amerika durch Franz Boas.
Uberall werden Archive angelegt, die den verschiedensten Sprach- und Musikstudien
dienen sollen. Zunachst ist das Hauptziel: eine moglichst reichhaltige Sammlung zu-
sammenzubringen ; man gibt Missipnaren Aufnahmeapparate mit (das geschieht besonders
vom Berliner Phonogramm-Archiv), niitzt jede Gelegenheit bei der Durchreise von
Volkergruppen aus und erhalt im Weltkrieg einen aufierordentlichen Zuwachs an Auf-
nahmen durch Gesange und Sprachaufnahmen der Kriegsgefangenen. Die Archive wachsen
und mit ihnen die Arbeiten iiber die verschiedensten Gebiete sprachlichen und musi-,
kalischen Lebens. Auch die Leichtigkeit der Aufnahmetechnik wie die Verbreitung der
Schallplatten fiihren zu neuen Griindungen; man findet Sammlungen in Hamburg,
50
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Internationale Schallplattensammlung beim Volkerbund
Munchen und Leipzig, in Ungarn, Bulgarien, Rumanien, Tschechoslowakei, Polen, Lettland,
Norwegen, Niederlande, Danemark, Finnland, England, Island, Griechenland, Rufiland,
Amerika, Argentinien. Und alle diese Archive, von denen wir wissen, umfassen noch
nicht das gesamte Material. Wir haben uberall gleiche Interessen, gleiche Berauhungen —
doch keiner weifi viel vom andern. Nur durch Zufall hort man von der Samndung dieses
oder jenen Landes, weil die wissenschaftliche Ausniitzung des Materials, die eigentlich
erst von Berlin, Wien und Budapest in Angriff genommen wurde, noch in den ersten
Anfangen steht.
Zu den wissenschaftlichen Archiven komraen noch die grofien Sammlungen der
Schallplattenfirmen, die zum Teil wissenschaftlich wert voiles Material enthalten, die
aktuellen und modernen Aufhahmen und schliefilich die Aufnahmen der Sende-
gesellschaften und wissenschaftlichen Institute (Heinrich-Hertz-Institut, Rundfunk-
versuchsstelle, Psychologische und Physiologische Institute). Der Umkreis ist kaum in
seiner ganzen Weite zu ubersehen. Und doch ist es unumganglich notig, dafi endlich
einmal eine Stelle gefunden wird, bei der alle Meldungen iiber die Archive zusammen-
laufen und von der Auskiinfte und Nachrichten gegeben werden konnen.
Eine solche Stelle soil beim Volkerbund geschaffen werden. Auf Anregung von
Bela Bartok und Karol Capek befafit sich das Institut international de
Cooperation intellectuelle (Sitz in Paris) mit der Ausarbeitung von Vorschlagen,
wie eine Zentralstelle fur alle Fragen der Schallplatten, soweit sie kulturell und wissen-
schaftlich wichtig sind, ins Leben gerufen werden kann. In musikalischer Hinsicht sollen
drei grofie Gebiete erfafit werden: einmal die Volksmusik in weitestem Sinn des
Wortes, zum andern Aufnahmen historischer Musik, soweit sie wissenschaftlichen
Anspriichen geniigen, und zum dritten Aufnahmen zeitgenossischer Musik, die
unter Leitung oder Kontrolle des Autors hergestellt sind. Diese Aufnahmen rmissen von
den einzelnen Landern zusammengestellt und der Zentrale gemeldet werden. Esjnufi also
in jedem Land eine Art musikalischer Phonothek getuhrt werden, in der alle
Aufnahmen eingeschrieben sind, die fur die angegebenen Gebiete in Betracht kommen,
natiirlich auch Unterrichtsfragen, Experimente und aktuelle Aufnahmen. Von der
nationalen Sammelstelle werden alle Aufzeichnungen zur gemeinsamen internationalen
Phonothek weitergegeben. Diese veroffentlicht einen Katalog, der in Perioden erscheint
und mit der Zeit eine Ubersicht iiber alle nationalen Sammlungen vermittelt.
Eine zweite wichtige Aufgabe ist die des internationalen Austauschs der
Schallplal ten und Phonogramme. In kleinerem Mafistab wird ein solcher Austausch vom
Berliner Phonogramm-Archiv schon heute durchgefuhrt. Wichtiger aber ist eine inter-
nationale Verpflichtung zum Plattenaustausch, um eine moglichst vollstandige Ubersicht
fiber die einzelnen Lander zu bekommen. Bei mechanischer Musik liefie sich auch ein
Ausleihen von Dubletten durchfuhren; vielleicht ware es sogar moglich, von jeder
Aufnahme eine Kopie an die internationale Sammelstelle zu schicken.
Eine internationale Phonothek konnte fur Wissenschaft und Kunst von
unabsehbarer Bedeutung werden. Jeder Musiker konnte sich sell n ell Einblick ver-
achaffen in die gesamte Musik, die von irgend einem Volksstamm Afrikas oder
Asiens aufgenommen wurde, die gesamte Folkloristik konnte von Grund auf neu
51
Rene Clair „Es lebe die Freiheit" .
aufbauen und den internationalen Verknupfungen nachgehen, jeder Komponist ware in
authentischen Aufnahmen zu horen, jede Zeitepoche in national-bedingter moderner
Wiedergabe, ja selbst die Tagesliteratur - Tanzmusik nnd Schlager - konnte spateren
Geschlechtern zur Beurteilung unserer Zeit wichtiges Material liefern. Der Moglichkeiten
sind so viele, dafi man nur wtinschen kann, die Vorschlage und Wiinsche der Pariser
Kommission fanden beim Plenum des Volkerbundes Unterstiitzung und vor alien Dingen
die notigen Mittel zur Durchfiihrung.
1st die Idee in ihren Grundziigen gesichert, so wird die Frage der Kata-
logisierung mechanischer Musik auftauchen. Hier gibt es noch keine ausreichende
Anleitung. Sie wird nach dem Material verschieden sein, auf jeden Fall aber zu
einer internationalen Verstandigung daruber fiihren miissen, welche Angaben fur die
Aufnahmen unbedingt notig sind. Heute stehen wir bei diesem Problem, das ich ein
anderes Mai im Zusammenhang behandeln werde, noch vor grofiten Meinungsverscbieden-
heiten. Ich bin aber iiberzeugt, dafi wir, ebenso wie in der Bibliothekswissenschaft,
zu bindenden Vorschriften in der Katalogisierung der mechanischen Musik kommen
werden. Ohne Zweifel ist hier eine neue Wissenschaft im Entstehen. Sie wird sich iiber
die Fragen, die zu behandeln sind, bald klar sein, aber ihre Losung wird sich nicht
so schnell finden lassen. Man denke nur an exotische Musik, Folklore, Text, Aufnahme,
Sanger, Sprecher, Instrumente, Gelegenheit, Zeit, Dauer, Technik, Wiedergabe. Jedes
einzelne Gebiet ist ein Problem fur sich. Und dazu kommen noch die aufierlichen
Momente: Schallplatte, Phonogramm, Tonfilm, Lange, Grofie, Tonhohe, Geschwindigkeif
usw. Das sind Aufgaben, die mit der Einrichtung jeder Phonothek zur Behandlung
stehen. An ihrer Losung mitzuarbeiten, werden alle berufen sein, die Erfahrung und
technischen wie musikalischen Einblick in mechanische Aufzeichnungen besitzen. Denn
die Geschichtsforschung wird sich in Zukunft nicht nur an unsere Bibliotheken, vielleicht
noch mehr an unsere Phonotheken halten. Sorgen wir dafiir, dafi unsere Epoche -
die erste, die sich auch akustisch der Nachwelt erhalt - ihre Verantwortung er-
kennt und neben Einzelsammlungen die grofie nationale Phonothek schafft,
die Grundlage alles Wissens urn unsere Musik, um unsere musikwissenschaftliche Arbeit
und musikalische Kultur!
Georges Auric als
Tonfilmkomponist Eberhard PreuBner
Bene Clairs neuer Film „Es lebe die Freiheit" mag vielleicht weniger als seine
beiden ersten Filme „Unter den Dachern von Paris" und „Die Million" fiir die speziell
filmkiinstlerische Entwicklung von Bedeutung sein, vielleicht mag auch die herrliche Idee
dieses Freiheitsfflms im Bild nicht iiberall klar verwirklicht worden sein, in einer Hin-
sicht ist dieser dritte Film Bene Clairs wegweisend: in musikalischer. Georges Auric
scheint sich auf die Zusammenarbeit mit seinem Begisseur besonders gut verstanden zu
haben. Es gibt kaum einen Tonfilm, in dem die eigentliche Aufgabe der Musik fiir den
Film so klar erkannt worden ist wie in „Es lebe die Freiheit". Auric ist ein Meister
52
Das Gesicht des franzosischen Mittelfilms
der Tonfilmkomposition. Seine Musik drangt sich nie hervor, sie ist ungewohnlich fein-
fiihlig, gradezu diskret instrumentiert und stent trotzdem durchaus im Vordergrund.
Sie ist alles andere als Begleitmusik, sie fuhrt und bindet die filmische Handlung. Diese
ist phantastisch, sprunghaft-wechselnd; indem mehrere Handlungen kontrapunktisch
gegeneinander gefiihrt werden, wechseln die Bilder und Schauplatze so schnell, werden
Beziehungen im Geschehen nur ganz zart und fern-verschwommen angedeutet, dafi vieles
unverstandlich bliebe, wean nicht die Musik hinzukame: als Leitmotiv im eigentlichen
Sinne. Die Musik, ziemlich scharf geschieden in Teile : Freiheitsgesang — Liebesgesang —
Naturlied — Arbe.itslied stellt die feinen, iibrigens auch in der Filmidee nie real ge-
meinten Beziehungen und Ubergange her (z. B. Gefangnis und Fabrik), ubertragt die
Bewegung des laufenden Bandes, des Gefangnismarsches in eine leichte, feingliedrige
Musik, die der feinen, nie ins Pathetische verfallenden Ironie des Ganzen aufs Beste
angepafit ist. Erstaunlich die Vielseitigkeit Aurics im Ausdruckhaften : ihm steht eine
anscheinend besonders fur den Tonfilm geeignete Instrumentierungskunst zur Verfiigung
(z. B. die feine Verwendung des Glockenspiels): und er weifi die menschliche Stimme
so auszunutzen wie vor ihm kein Tonfilmkomponist (Sprechgesang, Fliistergesang, Chor,
Chanson). Wie in der Million die Operngeste parodiert wird, so enthalt auch dieser
Tonfilm eine schlagende Parodie auf die Musik. Diesmal werden der sentimentale Sanger
und der Salon-Geiger (auch tonlich eine bewundernswerte und vol] gegliickte Idee,
Stimme und Instrument zweistimmig im Tonfilm zu bringen!) parodiert; nicht nur ihre
Musikdarbietung, sondern auch die unwahre sentimentale Hingerissenheit der Tisch-
gesellschaft, der der Sanger und der Geiger aufspielen, werden in einer Form enthullt,
wie das nur dem Film moglich ist. Diese Stelle zeigt wieder einmal, dafi die neue
Kunst des musikalischen Tonfilms sich am reinsten als Parodie auf alte Musikformen
aufierl.
Bene Clair und Georges Auric zusammen haben einen herrlichen Tonfilm geschaff en.
Als stummer Film ist „Es lebe die Freiheit" undenkbar, aber, das ist gerade sein Vor-
zug, als Tonfilm, als musikalischer Tonfilm, gehort er zu den wenigen Filmen, die den
Musiker angehen. Was Eisensteins „Sentimentale Bomanze" nur andeuten konnte,
was die Micki-Mausfilme fur die Kleinkunst bedeuten, das ist dieser Film fur den
kommenden ernsthaften Musikfilm.
L'Arlesienne,
Ein Tonfilm mit Musik von Bizet
Kurt London
Wahrend eines kurzen Aufenthaltes in Zurich hatte ich zufallig Gelegenhe.it, diesen
franzosischen Film zu sehen, von dem man in Frankreich viel Wesen gemacht haben
soil, der aber aus verschiedenen Griinden, nicht zuletzt wegen der fremdsprachlichen
Dialoge, in Deutschland nicht zu sehen sein wird.
Der auch hierzulande nicht unbekannte Regisseur J. de Baroncelli hat den Versuch
gemacht, Daudets Erzahlung von dem Madchen aus Aries und Bizets ,,1'Arl^sienne"-
Suite einander anzugleichen, Stimmung und Folklore von Fabel und Musik volks-
53
Guie Dirigenten fur den Tonfilm
stiickmafiig zu erganzen und mit den Mitteln des musikalischen Ton films zu verlebendigen.
Ein Versuch, der zwar im grofien Ganzen mifigliickte, aber doch mancherlei Interessantes
und Schones aufweist, der vor allem den Beweis erbringt, dafi die mittlere franzosische
Filmproduktion in den letzten Jahren gewaltig vorangekommen ist und der deutschen
zum mindesten nicht mehr nachsteht.
Zwar hat man in Joinville die Periode der „cineromans" noch nicht vollig iiber-
wunden, epische Breite zerstort allzu oft die gerade fiir den Film unentbehrlichen
dramatischen Steigerungen, iiberdies liebaugelt man hin und wieder mit Hollywood und
dem zuckersiifien kalifornischen Kitsch. Auch blieb das siidfranzosische Kostiim den (sehr
mittelmafiigen) Darstellern sichtlich fremd; den Eindruck folkloristischer Echtheit ver-
mittelten lediglich einige Volksszenen (etwa in der Stierkampfarena) und wunderschone
Landschaften. Sonst war die Machart unverkennbar international in ihrem blassen Stil.
Die Darsteller mimten kraftig drauf los, vom Begisseur kaum gebandigt; das ist oft so
in franzosischen Filmen, wenn nicht iiberlegene Geister wie Clair oder Duvivier auch die
letzten Beste der Schmiere vertilgen und dem gallischen Esprit zum Siege verhelfen.
Dennoch : wenn man an die unertragliche Operettenseichtheit der deutschen Durch-
schnittsproduktion denkt, mochte man diesen echten Kitsch der Franzosen dem verlogenen
bei uns immer noch vorziehen ...
Bis zum gewissen Grade neu war der Versuch, ein Musikwerk gleichsam zur Basis
eines grofien Spielfilms zu machen. Bizets Musik, sehr stark gekurzt und umgestellt,
klingt auf zur Illustration schoner Landschaftsbilder, bildet Buhepunkte, verbindet see-
lische Vorgange mit tatsachlichen Geschehnissen und gibt eiuer Beihe von Volks- und
Tanzszenen den Bhythmus. Ihre Wiedergabe iiberrraschte durch die Exaktheit und den
guten Klang des Orchesters, kein Wunder, hatte doch Pierre Monteux, der Klemperer
von Paris, sein vorziigliches Orchester selbst dirigiert.
Beflexion an dieser Stelle: warum legte man bisher in Deutschland so Wenig Wert
darauf, grofie Dirigenten auch dem tonenden Film nutzbar zu machen ? Hier wurde
eine Unterlassungssiinde begangen, die so schnell wie moglich wieder gut gemacht
werden mufi. In der Zusammenarbeit mit solchen Kiinstlern wurde dem Fiasko der
Filmmusik, das mit mikroskopischen Ausnahmen seit dem Tonfilm vollstandig zu sein
scheint, Einhalt geboten werden konnen. Einmal mufi doch das Gewissen der Film-
produzenten schlagen . . .
Ohne Schlager ging es auch bei diesem franzosischen Film nicht ab. Es war ein
sehr pariserisches Chanson iiber die Tatsache, dafi man aus Liebe nicht sturbe, ein
Lied, das sinnigerweise durch den Inhalt des Films ad absurdum gefiihrt wurde: der
jugendliche Held stxirzt sich liebeskrank zu Tode. Immer noch nicht neigt sich die
Schlagerseuche ihrem Ende zu, bleiben die Schlager auf solche Filme beschrankt, die
sich ihrer Art nach dafiir eignen. Erst wenn diese Weltkrankheit in ihre Schranken ge-
wiesen sein wird, diirfte es grofieren Baum fiir gute Musik im Film geben.
Das deutsche Filmkontingentgesetz beraubt uns der Moglichkeit, eine wirkliche
Ubersicht iiber die Entwicklung der aufierdeutschen Filmproduktion zu gewinnen. Doppelt
wichtig bleibt es darum, zu erfahren, inwieweit der kiinstlerische Status des deutschen
Films im Verhaltnis zum Ausland gesunken ist.
54
Enorme Einfuhrziffern europaischer Instrumente
Ausland
Musizierendes Afrika schmidt-Lamberg
Es handelt sich heute nicht darum, eine kulturwissenschaftliche Abhandlung iiber
afrikanische Musik zu schreiben, unser Ziel besteht vielmehr darin, nachzuweisen, dafi
die moderne Musik der Weifien mit ihren typischen Musikinstrumenten immer mehr
sich Eingang auch in das dunkle Afrika verschafft. Dm dariiber Klarheit zu erlangen,
dient wohl am besten eine Ubersicht fiber die Ansfuhr von modernen Musikinstrumenten
und Noten europaischer und amerikanischer zeitgenossischer Musik nach Afrika. In der
Tat hat sich der Export vou Musikinstrumenten aller Art nach Afrika in den letzten
beiden Jahrzehnten aufierordentlich gehoben. Zunachst kann man die kulturell bedeut-
same. Tatsache verzeichnen, dafi nicht nur die Blasinstrumente, also Trompeten, Klari-
netten, Posaunen u. a. heute in grofier Zahl nach dem afrikanischen Kontinent befordert
werden, auch die hoheren und schwieriger zu behandelnden Instrumente nehmen in der
Ausfuhrzahl nach Afrika von Monat zu Monat zu. Allein die Ausfuhr von Pianos und
Flugeln hat sich besonders nach der Sudafrikanischen Union in umfangreicher Art ge-
hoben, es handelt sich hier urn eine Zunahme von 1728 Stuck Pianos und 507 Flugeln
im Vorjahre laut Bericht der englischen Reichsunion der Musikinstrumentenfabrikanten.
Wenn man nun den Einwand erheben wollte, dafi diese Zahl der eingefiihrten Pianos
und Fliigel in der Union doch mehr oder weniger von weifien Einwohnern benutzt
wird, so kann man doch sagen, dafi die Beteiligung der farbigen Bevolkerung schon hier
in bemerkenswerter Weise hervortritt. Sind doch in den drei grofien Konservatorien der
Stadt Capetown bei insgesamt 1842 Schulern 497 Farbige, darunter 412 Neger afrika-
nischer Abstammung. In Capetown selbst gibt es zwei Negerorchester, die auch bei
seriosen Musikveranstaltungen herangezogen werden und eine gute Kritik wiederholt
erlangt haben.
Die Bildung von Negerorchestern auf moderner Grundlage ist auch der Grund der
schnell zunehmenden Einfuhr moderner Musikinstrumente, wie sie fur Salon- und Tanz-
orchester bestimmt sind; die englischen Fabrikanten konnten so im Jahre 1928 fur mehr
als £ 2917.-.- nur an Saxophonen und Schlagzeugen in die britischen Teile des afrika-
nischen Kontinentes ausfuhren, diese Zahl diirfte auch im letztvergangenen Berichtsjahr
wieder erreicht worden sein. Bemerkenswert ist aber, dafi in der Einfuhr moderner
Orchesterinstrumente auch die nordamerikanischen Fabrikanten und Exporteure in zu-
nehmender Art beteiligt sind. Diese konnten an Pianos und Flugeln in den letzten drei
Jahren fur rund 55 000 Dollars nach den britischen Besitzungen verkaufen, dazu noch
etwa (nach britischer Schatzung der Musikinstrumentenfabrikation) fur 18000 Dollars in
die anderen Kulturteile des schwarzen Kontinentes. Die Bemiihungen der Amerikaner,
auf die afrikanische Musik einen herrschenden Einflufi zu gewinnen, gehen am besten
daraus hervor, dafi die nordwestamerikanischen Verleger standig ihre neuesten Verlags-
55
-vwi
Saiteninstrumente eigener Konstruktion
werke kompositorischer Art mit grofier Propaganda auf den grofieren Afrika-Markten zu
verbreiten versuchen, und sie haben dabei, zum mindesten was moderne Tanzmusik
anbetrifft, einen sichtlichen Erfolg. Die angelsachsische Musik ist fur Afrika iiberhaupt
der Ausgangspunkt aller musikalischen Aufwartsentwicklung, denn man darf nicht ver-
kennen, dafi die Negerorchester in erster Linie fiir reine Unterhaltungsmusik eingerichtet
werden und nur wenig sich auf klassische. Musikdarbietungen verstehen. Wo das aller-
dings der Fall ist, und es gibt aufier Capetown solche Philharmonischen Negerorchester
in Sansibar, Monrovia, Addis-Abeba und Durban, da ist auch die deutsche klassische
Musik stark vertreten. und Wagner, Mozart, Haydn sind Komponisten, die hier recht
haufig gespielt werden. Es ist kein Zufall, daft fur den deutschen Musikinstrumenten-
exporteur auch diese Stadte und ihre Umgegend das beste Absatzgebiet sind, besonders
fiir den Geigen- und Saiteninstrumen ten- Export, der sich von der deutschen Fabrikation
nach im vergangenen Jahre stark verbessert hat.
Die Einfuhr von Saiteninstrumenten nach Afrika ist ein besonderes Kapitel. Die
deutsche Geige wird yielfach von besonders konstruierten Spezialsaiteninstrumenten be-
drangt, weil der farbige Musikant die wohl ganz richtige Vorstellung hat, dafi er sich
keineswegs vollkommen nach dem Muster der Ausstattung und Einrichtung „der weifien
Orchester" richten darf, sondern dafi er einer eigenen Besetzung mit neuartigen Instru-
menten besonders bedarf. Dazu eignen sich natiirlich die Saiteninstrumente in erster
Linie, die in den verschiedensten Ausfiihrungen verlangt werden. Von der bogen-
gestrichenen Gitarrenform bis zum einsaitigen Bafiinstrument werden die aufierordent-
lichsten Konstruktionen verlangt, sodafi der europaische Saiteninstrumentenfabrikant diese
Gebiete erst eingehend studieren mulS, ehe er daran gehen darf, Afrika mit Aussicht
auf einen Dauererfolg mit Saiteninstrumenten zu versehen. Auch hier hilft uns wieder
zur Erlangung einer genaueren Ubersicht die englische Statistik, die wir vorstehend
bereits herangezogen hatten : danach sind an europaischen Geigen nach Zentralafrika im
Jahre 1928 etwa fiir £ 5115.— eingefiihrt worden, im Vorjahre nur noch fiir
ca. & 3916. — . Das heifit also, dafi im Vorjahre die Entwicklung der Einfuhr von
Saiteninstrumenten nach Afrika rticklaufig war. Diese Meinung wird aber dadurch wett-
gemacht, dafi an besonderen Spezial-Saiteninstrumenten fiir Neger- und Farbigenorchester
nach Afrika fiir rund & 3100.— im Jahre 1928 eingefiihrt wurden, dagegen im Vor-
jahre diese Zahl bereits auf genau £ 4718.— gesteigert war. Man sieht, dafi die speziale
Besetzung dieser afrikanischen Orchester eine weitgehende und wohl zu studierende ist,
denn auch der deutsche Musikinstrumenten-Exporteur und sein osterreichischer Nachbar
sollen und konnen sich an dem Bedarf hier in eifrigster Weise mit eigenen, natiirlich
zweckmafiigen Angeboten beteiligen.
inleressant und als Zeichen des Fortschrittes der afrikanischen Kulturarbeit ist es zu
begriifien, dafi die eigenen afrikanischen Kompositionen fiir europaische Orchester-
besetzungen immer mehr an Zahl zunehmen. Die eigenen „farbigen Verlage" fur
moderne Musik werden stets zahlreicher, besonders Kairo, Suez, Capetown, Durban und
auch Fez sind Sitze soldier farbigen Verlage. Die Ausfuhr europaischer Noten und
Notenwerke hatte nach diesen Platzen schon seit etwa 30 Jahren eine standige Zu-
nahme erfahren, und man konnte sicher sein, dafi neue Musikwerke, die in London,
Paris, Wien und Berlin auftauchten, nur kurze Zeit spater auch an diesen Mittelpunkten
56
__ Afrika beansprucht beste Apparate
der afrikanischen Orchesterkunst auftauchen und bekannt wurden. So darf man nicht
mehr tiberrascht sein, von einem Eingeborenen-Orchester in Fez oder Kairo voll-
endeterweise die Ouverturen und Satze „Schwanda", der neuen Weinberg'schen Oper,
oder die neueste Klaviersonate Rachmaninoffs op. 36 4 ebendort zu horen Oder als
Unterhaltung8musik den ewigen Sonny Boy und die handgekiifite Madame aus Berlin.
Der Hunger nach neuen Musikwerken ist bei diesen farbigen Orcbestern aufierordent-
lich grofi und die europaischen Verleger und Sortimenter werden bestatigen konnen,
dafi sie in zunehmender Form nach Afrika ihre neuen Werke absetzen konnen. Es
mufi an dieser Stelle einmal gesagt werden, dafi besonders die italienischen Verleger
fleifiig in dieser Beziehung gewesen sind, und wir weisen auf das Beispiel des Ver-
legers Beltramo in San Remo hin, der jedes seiner modernen Verlagswerke uber
fiinfzig Mai allein nach Nordafrika verkauft hat. Der Boden scheint also vorbereitet
zu sein.
Audi der Absatz von Grammophonen und Schallplatten nach Afrika hat im letzten
Jahre derart zugenommen, dafi man stellenweise wohl von einer Uberschwemmung mit
diesen Erzeugnissen sprechen kann. So sind innerhalb eines Jahres Einfuhrsteigerungen
dieser Art nach Aegypten um 175°/o, nach der Siidafrikanischen Union um 150°/o, nach
Marokko um 110°/o und nach anderen Gebieten in ahnlicher H6he erreicht worden.
Dabei kann man aber weder in Nord- noch in Siidafrika sagen, dafi die Lager der
Handler und Verkaufer, die oft ambulanten Betrieb haben, besonders in Transval und
Oranjefreistaat, uberfiillt seien. Der Absatz ist sogar sehr gut, und es geniigt, wenn
man erfahrt, dafi in Kairo im Jahre 1925 etwa 56 000 Schallplatten verkauft wurden,
im Jahre 1927 rund 77000 Stuck, im Vorjahre aber 105481 Stuck. Audi hierbei
kommt die moderne englisch-amerikanische Tanzmusik am besten weg, sie betragt etwa
65°/o aller Schallplattenverkaufe in diesen Gebieten. Im allgemeinen werden Orchester-
werke mehr verlangt als Vokalaufnahmen, was besonders in den Einkaufsgebieten der
kulturell noch unberiihrten schwarzen Bevolkerung der Fall ist. Fiir Vokalaufnahmen
sind wohl die Schwierigkeiten des fremden Idioms, in vielen Fallen aber audi die Un-
moglichkeit hinderlich, sich in die Eigenheiten der Komposition europaischer Opern etc.
hineinzuversetzen, die ja diese Farbigen noch niemals gesehen oder gehort haben. Was
den Import moderner Grammophone angeht, so darf man sich nicht etwa vorstellen,
daS man alte und trichterverunzierte Apparate in den Eingeborenengebieten los-
werden kann. Eine solche Moglichkeit gehort zu den Ausnahmen. Ganz im Gegenteil
lassen sich die Hauptlinge und Vornehmen der Stamme genaue Kataloge und Preis-
listen aus der nachsten Stadt kommen und suchen sich die besten und teuersten
Apparate aus. Nicht ganz mit Unrecht schreibt deshalb ein englischer Grammophon-
Exporteur in einer englischen Fachzeitschrift, dafi Afrika ein dankbares Gebiet fiir die
Ausfuhr wertvoller und erstklassiger Grammophonapparate sei.
In letzter Zeit ist auch der Belgische Kongo in dieser Beziehung mehr hervorge-
treten und auch die portugiesische Kolonie scheint jetzt ,.musikalisch" zu werden. Der
Kongostaat hatte im Vorjahre an Blasinstrumenten eine Einfuhr von 156703 Belga
oder eine Zunahme von 17°/o zu verzeichnen. An Streichinstrumenten wurden fiir
92175 Belga verlangt, was einer Zunahme von 12'/2 /o gleichkommt. Pianos und Flugel
wurden 66 bezw. 18 Stuck melrr eingefuhrt als im Vorjahre und der Notenimport aus
57
Photographie oder Portrait
Europa und Amerika war urn 24186 Belga gestiegen. In den portugiesischen Kolonien
geht man jetzt ebenfalls mil Eifer an die Bildung von Farbigenorchestern, bei denen
hier die alte Einrichtung der Musikkapellen der Truppe nicht gezahlt werden, weil
diese Orchester ja fur die Bereicherung des musizierenden Afrika eigentlich nicht in
Frage kommen. Gewifi ist es fiir den deutschen Musikverstandigen und fiir jeden
Kolonialfreund intere9sant, einmal diese Zahlen und Tatsachen an seinem geistigen
Auge voriibergehen zu lassen, und wenn wir diesen Aufsatz beschliefien, so tun wir
das mit dein Wunsch, dafi wir nach einigen Jahren einen erganzenden Bericht ver-
fassen diirfen, bei dem dann eowohl die Beteiligung deutscher Musik an den afrika-
nischen Musikdarbietungen, wie auch die Teilnahme der Ausfuhr deutscher Musik-
instrumente nach alien afrikanischen Gebieten sich noch bedeutend eindrucksvoller als
heute erweist.
Meloskritik
Puccini und Strawinsky Hanns Gutman
Zur Methode der musikalischen Monographic
Hermann Abert, der zu friih verstorbene, weitblickende und iiberaus lebendige
Musik wissenschaftler, hat im Vorwort seines grofien Mozart-Buches den Satz vertreten :
dip Biographie grofier Manner miisse mindestens alle fiinfzig Jahre neu geschrieben
werden. Nicht darum, weil man — im Sinne jener beliebten, privat-indiskreten Kunstler-
Monographien — hoffen konnte, nach fiinfzig Jahren eine Anzahl neuer Details aus dem
Liebesleben des Autors ausfindig gemacht zu haben; auch nicht darum, weil vielleicht
nach Ablauf eines halben Jahrhunderts die Menschheit wieder so viel kliiger geworden
sein wiirde, um desto Entgiiltigeres iiber den betreffenden Gegenstand aussagen zu
konnen — nein, einzig und allein aus dem Grunde, weil von Generation zu Generation
das Bild eines Kiinstlers und seiner Kunst seine Aspekte wechselt. Das ist einleuchtend,
und zumal fiir die Zeitgenossen unserer Zeit, die solche Umwertung aller iiberkommeneo
Werte mit grofier Vehemenz selber erfahren hat. Bach um 1880, Bach um 1930: fast
scheint es nicht mehr der gleiche Masiker zu sein. Ich brauche auf die Beispiele Haydn
und Mozart, Wagner und Verdi kaum hinzuweisen.
Eine Monographic iiber einen Kiinstler und iiber eine Kunst ist keine Photographie.
Objektive Wahrheit ware eine Forderung, die sie niemals erfullen kann. Jede Mono-
graphic iiber einen kunstlerischen Gegenstand ist, um im Vergleich zu bleiben, viel
eher ein Portrat, das auch die Ziige des Portratierenden enthalt. Das ist nicht so ge-
meint, als miifite unter Umstanden der Monograph seine hochst personlichen Im-
pressionen in das zu entwerfende Bild einkomponieren. Wohl aber ist er an die geistigen
Voraussetzungen seiner Epoch e gebunden, und so wird jeweils durch das Medium des
Schreibenden die Kunstgesinnung einer Generation in der Darstellung des Kunstwerkes
58
Ifi?*??*^
Private oder objekiive Biographik
sichtbar werden, sei es eines gegpnwartigen oder vergangenen. Abert hat festgestellt :
„Das von Jahn entworfene Idealbild Mozarts tragt auch in seiner Ausfiihrung bis in
Einzelheiten hinein das Geprage der Romantik". War denn Mozart ein Romantiker ?
Nein, nach unserer heutigen Anschauung. Aber Jahn war einer. Das heifit: jede mono-
graphische Bemiihung ist zeitbedingt. Der Blick des Urteilenden mag noch so unbestech-
lich sein, die Augen (und vor allem die Ohren) sind fiinfzig Jahre spater nicht mehr
die selben. Ob Puccini, ob Strawinsky: — wer im Jahre 1980 iiber sie schreibt, wird
es von einer vollig veranderten Position aus tun. Was er zu sagen haben wird, wird
nicht minder richtig sein als das, was die Heutigen sagen, — und nicht minder falsch.
Es kommt aber noch eine zweite Bedingtheit hinzu; jene, die durch den Stoff
selber gegeben ist. Einmal abgesehen von der jederzeit anwendbaren exakt wissenschaft-
lichen Werk-Analyse (die ich aber gar nicht unter die Monographic subsumieren wiirde),
mufi natiirlich auch der Gegenstand die Methode bestimmen. Die Beispiele Bach und
Beethoven belegen das mit aller Deutlichkeit. Zur Erkenutnis des Bachschen Werkes
bedarf es keinerlei personlicber Lebensdaten. Eine Darstellung der extrem individua-
listischen Kunst Beethovens hingegen wird kaum ohne sie auskommen. Die Monographie
iiber einen Impressionisten wird auch die Substrate seiner Impressionen beriicksichtigen
mussen. Wie unsinnig es aber ware, das gleiche Verfahren etwa bei Hindemith anzu-
wenden, liegt auf der Hand. Das heifit also : jede monographische Bemiihung ist stoff-
bedingt.
Unter diesem Gesichtspunkt der Methode sollen in Kiirze ein paar neuere mono-
graphische Erscheinungen betrachtet werden. Lediglich die Frage nach der Methode
erklart die Kombination von Puccini und Strawinsky. fiir die sachlich kein Anlafi zu
finden ware. (Wie Strawinsky iiber Puccini denkt, ist mir nicht bekannt. Umgekehrt ist
mir nur eine Aufierung Puccinis iiber den Sacre erinnerlich: „una cacofonia estrema,
ma fatto con un certo talento").
Puccini hat bisher in der Literatur nur sparlichen Widerhall gefunden. Vielleicht
liegt das daran, dafi seine Musik der Klarung durch den Intellekt kaum bedurfte. Die
Broschiire Weifimanns blieb mehr oder weniger eine Paraphrase iiber den Erotiker
Puccini. Einige, ebenfalls knappe Biographien, italienische wie deutsche, sind iiber das
Ubliche nicht weit hinausgelangt. Interessant, wenn auch meines Erachtens nicht sehr
beweiskriiftig, die polemische Schrift von Fausto Torrefranca: G. P. e l'Opera interna-
zionale. Aufschlufireich ist die Sammlung seiner eigenen Briefe und das Freundesbuch
„Giacomo Puccini intimo" von Marotti und Pagni.
Aus den beiden letztgenannten Quellen schopft auch die jiingste Monographie:
Puccini Von Richard Specht. Hier ist ein typischer Fall, in dem der Rekurs auf das
Private, das Intime, das Psychologische gerechtfertigt erscheint. Die Eigenart der Puccini-
Oper lafit sich nur zur Evidenz bringen, wenn man ihre Existenz vor dem gesellschaft-
lichen Hintergrund aufrollt, dem sie entwachsen ist. Gewifi ware auch eine streng tech-
nische Untersuchung dieser Partituren von instruktivem Wert (die Specht nicht geliefert
hat). Aber niemals ware es denkbar, aus dem blofien Faktur-Befund den ganzen Puccini
zu erkennen. So ist Spechts impressionistische Methode, so sehr und so oft sie auch in
einen leeren, feuilletonistischen Wortrausch abgleitet, doch im Prinzip ihrem Thema
adaquat.
59
Verschiedene Methoden gegenuber Strawinsky
Specht hat, ohne eine abweichende Zeichnung des ungewohnlich eindeutigen
Puccini-Bildes zu versuchen, doch einen aehr wichtigen Beitrag zur Revision der Fehl-
urteile liber diesed Musiker vermittelt : er hat die Legende von seiner schopferischen
Skrupellosigkeit definitiv zerstort. Es ist ja ein altes deutsches Vorurteil, dafi eine Kunst,
die ohne Widerstand und miihelos in die Breite wirkt, auch ohne Mtihe geschaffen sein
miisse. In Wahrheit hat Puccini sich seine Werke schwef werden lassen wie kaum einer.
Seine kompositorische und vor allem seine dramaturgische Gewissenhaftigkeit braucht
den Vergleich mit den sorgsamsten Arbeitern der gesamten Musikgeschichte nicht zu
scheuen. Diese Einsicht, dafi Mtihe und Tiefe nicht unbedingt in direkter Proportion
stehen miissen, sollte man aus Spechts Studie zuriickbehalten.
Daneben hat Specht eine Unmenge von Einzelziigen sehr feinsinnig und treffend
gesehen. Dafi er, ein Wagnerianer von Herkunft und Bekenntnis, ein ehemaliger Ver-
achter von Puccinis Kunst, heute die positiven Gehalte dieser Kunst erkennt und an-
erkennt, das sollte jenen hochmiitigen und esoterischen Musikpedanten zu denken geben,
die noch immer eine mifilungene Sinfonie einer in sich iiberzeugenden, einer theatralisch
meisterhaften Oper vorziehen. Dafi Specht andrerseits, als ein Zeitgenosse der vorigen
Generation, die Problematik a Her iiberlieferten Werte nicht sieht und daher die Frage
nach der heutigen und der moglichen zukiinftigen Geltung Puccinis gar nicht aufwirft,
das ist begreiflich. Da9 bliebe also noch zu tun iibrig.
So leicht wie im Falle Puccini wird naturgemafi die Methode nicht immer zu
finden sein. Es soil auch keineswegs behauptet werden, dafi — zumal gleichzeitigen
Erscheinungen gegenuber — stets nur eine Methode als die allein mogliche bezeichnet
werden diirfte. Wie ganzlich jedoch Stoff- und Zeitbedingtheit die Methode verandert
haben, soweit es sich um das Thema der Neuen Musik handelt, das braucht wohl nicht
bewiesen zu werden. Man mag es an Strobels Hindemith-Buch nachprufen. Uber
Hindemith aus der Perspektive Spechts zu schreiben — undenkbar! Eine veranderte
Situation verlangt auch einen Wechsel der geistigen Methode, mit deren Hilfe sie erfafit
werden soil.
Fur Strawinsky, den vielseitigsten, vieldeutigsten, den ewig sich wandelnden Musiker
wird man am allerwenigsten ein starres Prinzip der Betrachtung fordern wollen. So
viele Moglichkeiten der Interpretation die Erscheinungen seines kompositorischen Werkes
zulassen, so verschiedenartig werden auch die Versuche ausfallen, diesem diffizilen Thema
beizukommen. Insoweit es Strawinskys hochster Ehrgeiz war, die Musik zu entprivatisieren,
sie durch Verkiirzung und Verdichtung wieder auf die schlagendste Formel zu bringen,
insoweit der Fall Strawinsky eine innermusikalische Angelegenheit ist - insoweit ware
natiirlich auch diesem SchafFen gegenuber die objektive monographische Haltung fruchtbar.
Ubrigens ist eine strenge Werk-Analyse, eine prazise Untersuchung iiber den formalen,
rhythmischen, harmonischen Sachverhalt fur Strawinsky noch nicht unternommen worden.
Aber seine Kunst ist so vielfaltig auch verkniipft mit gesellschaftlichen, nationalen,
literarischen, allgemein geistigen Fragen, dafi man fiir eine Monographie dieses kom-
ponierenden Weltmannes fast auch die gegenteilige, die gesellschaftliche, die private, die
anekdotische Darslellung als denkbar und zUr Erganzung sogar als notwendig bezeichnen
mufi. Selbst eine Sammlung „Strawinsky intime" konnte lehrreich sein.
60
Die neuen Biicher von Schaeffner und Fleischer
Einiges davon gibt Andre Schaeffner in seiner Strawinsky-Monographie, die
zwischen den beiden skizzierten Standpunkten etwa die Mitte halt. Schaeffner gibt zum
Abschlufi seines Buches unbekanntes Bild-Material. Schaeffners eigentliche Bemiihung
gilt dem friihen Strawinsky, wahrend er die Werke seit Mavra in einem letzten Kapitel
zusammenfafit. Es steht auf diesen hundert Seiten yiel blofi Privates: wir erfahren
genau, wann der Meister in Biarritz, wann er in Nizza war. Auch die Geburt eines
zweiten Sohnes diirfte fur die Struktur der gleichzeitigen Komposition kaum von ent-
scheidender Wichtigkeit sein. Aber man wiirde Schaeffners Buch sehr verkennen, wollte
man es den oberflachlichen, wortklingelnden Kunstlerbiographien ohne Bedeutung zu-
rechnen. Es enthalt unter der Maske des impressionistischen Plaudertones eine ganze
Menge treffender Beobachtungen, vortrefflicher Formulierungen, die in ihrer Verbindung
von Glatte und Scharfe nur einem Franzosen gelingen konnten. Zudem hat diese
Monographic den Vorzug, von Strawinsky selbst autorisiert zu sein. Der Versuch
Scliaeffners, private Daten und sachliche Erkenntnisse zu kombinieren, ist durchaus ge-
gliickt. Bomanischen Schriftstellern gliickt er meist.
In Deutschland pflegt eher das Entweder-Oder zu herrschen. Herbert Fleischer,
der die erste deutsche Strawinsky-Monographie schrieb, hat ein Kompromifi versucht.
Er mochte die Extreme einer sachlichen Analyse und einer subjektiven Deutung ver-
einen. Fraglich, ob diese ^Combination gerade bei Strawinsky tunlich ist. Mir erscheint
in Fleischers Arbeit die Werk-Untersuchung, bei aller Miihe und oft auch schliissigen
Ergebnissen, als nicht immer iiberzeugend, weil sie sich gar zu sehr ins Detail verliert
und dariiber die kompositorische Entwicklung von Werk zu Werk vernachlassigt. Die
von 'Fleischer vielfach beliebte, taktweis deskriptive Methode ist unfruchtbar: Kenner
der Partituren benotigen sie nicht, und den anderen wird auf diese Weise doch kein
Eindr uck verm ittelt. Aufierdem wird die Gefahrenzone einer hermeneutischen Interpretation
nicht immer gemieden. Fleischer hat das Detail zu liebevoll, die Gestalt zu fliichtig
behandelt. Wenn er etwa' (in seiner bisweilen ziemlich schauderhaften Sprache) iiber den
Schlufiteil des Capriccio aufiert: .,dieser Satz entbehrt etwas des blutigen Gestaltungs-
dranges" — so diirfte damit kaum eine sehr tiefe Erkenntnis ausgesagt sein. Solche
vollig sinnentleerten Satze stehen in seltsamem Gegensatz zu den vielen Klugheiten
des Buches.
Zum anderen aber erscheint mir die Deutung Fleischers als sehr willkurlich.
Er sieht Strawinsky als Magier und Mythiker, als pessimistischen Glaubigen. So be-
rechtigt es nun sein mag, den Autor des „Sacre" oder der „Psalmensinfonie" nicht als
blofien Konstrukteur, nicht nur als ausgekiihlten Formalisten hinzustellen, so sehr ergeht
sich Fleischer in mystifizierenden Spekulationen, fiir die in den Partituren die Anhalts-
punkte fehlen. Werke, die nicht in das Schema dieser Deutung passen, werden als weniger
bedeutungsvoll behandelt. Das ist nicht angangig. Es ist in diesem Buch gar zu viel
von den seelischen Untergriinden, gar zu wenig von den geistigen Hintergrunden
die Bede. Mit der Uberschatzung Diaghilews allein ist es auch nicht getan.
Fleischers Monographic ist Dokument eines wissenden, nachdenklichen Kopfes; ein
gerade in seiner Subjektivitat interessanter Beitrag zum Thema Strawinsky. Es ist aber
auch Beweis dafiir, wie eine nicht vollig stoff-adaquate Methode die Besultate der
Untersuchung in Frage stellen kann.
61
Neuerscheinungen
Neuerscheinungen
Wir bnneen in dieser standig wiederkehrenden Rubrik ohne An-
spruch auf VollstSndigkeit eine erste Auawahl aus den musikalischen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wir behalten una vor, auf
einzelne der hier erwahnten Werke noch ausfiihrlicher einzugehen.
Neue Musik (vokal)
Carl Orll, Werkbuch I, Kantaten nach Texten von
Franz Werfel, Nr. 2 Der gute Mensch, fur ge-
niischten Chor, drei Klaviere, Schlaginstrumente.
Aus dem Vorwort: Das Werkbuch enthalt Chor- und In-
strumentalsatze, die ihrem Wesen nach nicht von der
Konzertiibung herkommen. Sie suchen den Anschlufi an
diejenige geistige Einstellung, welche von dem Subjek-
tivismus und der Iso iettheit des einzelnen zu einem
bindenden allgemein giiltigen Gemeinschaftsempfinden
fuhren soli. Die Einfachheit der Anlage und die Wahl
der Mittel ergab sich aus dieser Einstellung und soil
durch den Verzicht auf a'les, was die Ausfuhrbarkeit
erschweren konnte, ein Hochstmafi an Intensitat ermog-
lichen. Fulge: I. Lacheln, Atmen, Schreiten (Schopfe du,
trage du, halte . .), 2. Liebeslied (Alles, was von uns
kommt, wandelt schon andern Raum.), M. Der gute Mensch
(Sein ist die Kraft, das Regiment der Sterne).
- Catulli Carmina I, Sieben Chorsatze a cappella
(Text lateinisch). Schott, Mainz
Erwin Lendvai, Psalm der Befreiung, Dichtung aus
der Heiligen Schrift zusamraengestellt von Walter
Stein, fiir vierstimmigen Mannerchor, Sopransolo
und Orchester, op. 75.
— Licder im Volkston, nach Texten von E. P. Kflrten,
fiir Mannerchor a cappella, op. 65, Nr. 1 Bei
Soissons, Nr. 2 Der Tanz und die Madchen, Nr. 3
Maitanzlied. Ernst Eulenburg, Leipzig
Erwin Lendvai, Glockenlied (Carl Spitteler) op. 19,
Nv. 2, fiir funfstimmigen gemischtenChor a cappella.
Sc/iott, Mainz
Karl Marx, Solange wir im Licht sind (Klabund)
op. 16, Nr. 3, fiir dreistimmigen gemischten Chor
a cappella.
Fest der Jugend (Klabund) op. 16, Nr. 4 fiir
vierstimmigen gemischten Chor a cappella
Schott, Mainz
Leo Sohner, Ein Tagewerk, Zyklus fiir drei- und
vierstimmigen Mannerchor a cappella, nach Ge-
dichten von Jos. von Eichendorff, op. 8
Schott, Mainz
Hans Lang, Nemt, frouwe, disen kranz op. 25, ein
Zyklus von funf Gesangen nach Gedichten von
Walther von der Vogelweide, fur vierstimmigen
gemischten Chor und Solotenor :
Nr. 1 Morgengebet, Nr. 2 Der kluge Gartner,
Nr. 3 Liebeszauber, Nr. 4 Liebe3pein, Nr. 5 Un-
lust der Zeit. Sdwtt, Mainz
Heinrich Pestalozzi, Drei Mannerchore op. 75, nach
Gedichten von William Wolfensberger ; Nr. 1 Er-
fiillung, Nr. 2 Mondnacht, fiir vierstimmigen,
Nr. 3 Die grille Stadt fiir dreistimmigen Manner-
chor. Schott, Mainz
62
Ottmar Gerster, Soldatenlied, nach Worten von
Goethe, fiir Mannerchor und Orchester.
Schott, Mainz
Justus Hermann Wetzel, Dritter Liederkreis fiir
1—2 Singstimmen und Klavier, Gedichte von
Joseph Freiherr von Eichendorff.
Vierter Liederkreis fiir eine Singstimme und
Klavier, Gedichte von Goethe, erstes Heft, op. 14.
Studie iiber den Kunstler und sein Werk, dar-
gestellt und mit einem Werkverzeichnis versehen
von Friedrich Welter, nebst einer Einleitung von
Otto Steinhagen. Albert Slahl, Berlin
Neue Musik (instrumental)
Pro Musica, Organ fiir neue Musik, herausgegeben
von Fritz Jode, Ernst Lothar v. Knorr, Herman
Reichenbach.
Inhalt des ersten Heftes :
E. L. v. Knorr : Schicksal, fiir einstimmigen Chor
mit Orchester-, Paul Hindemith: Stuck aus ,,Spiel-
und Horschule" fiir Melodieinstrumente ; Jorgen
Bentzon : Kleine Stiicke fiir 2 gleiche Blockfloten ;
Wilhelm Maler : Duett fiir Klavier und Melodie-
instrument; John Ireland: ,, Indian Summer" fiir
Piano ; Hans Tiessen : „Die Jungen", dreistimmiger
Chor aus op, 40, „A.ufmarscli"
Verlag Willi. Hansen - GeorgKallmeyer, Wolfenbiitlel
Vorwort : B Pro Musica setzt sich zur Aufgabe, neue, den For-
derungen unserer Zeit entsprechende Kompositi' men imVor-
abdruck bereitzustellen, damit ihre Brauchbarkeit erprobt
werden kann. Die Herausy;eber identifizieren sich also
nicht von vornherein mit jedem hier veroffentlichten
Werk. Wohl aber stehen sie fiir den Gedanken ein, dafi
die Musikpraxis des Alusikliebhabers wie des Berufs-
musikers sich stcindig mit den Problemen der Musik der
Gegenwart auseinandersetzen mulj. Hier fehlt es dem
Komponisten oft an einem Sprachrohr, bevor an eine ver-
lagsma£ige VerOffentlichung in der iiblichen Weise ge-
dacht werden kann; hier fehlt aber umgekehrt auch oft
dem Musizierenden geeignetes Stoffgut, wenn er liir sich
allein Oder im kammermusikalischen Kreise an neue
Musik sich wenden will. Beidem abzuhelfen, wurde die
Fotm einer Zeitschrift gewahlt, die ausschliefilich Noten
bringt. Jedes Heft soil die verschiedenartigsten Musizier-
formen enthalten: Einzelgesang wie Chor, Werke fiir be-
stimmte Instrumente Oder ad libitum-Besetzung, vom Lied
bis zum Laienspiel, von der Blockflote bis zum Jazz-
orchester. Um gleichzeitig einen kulturellen Austausch
von Land zu Land zu ermdglichen, werden Komponisten
aller Lander zur Mitarbeit aufgerufen. Der kurze erlSu-
ternde Textteil erscheint in deutscher, englischer und
franzosischer Sprache".
Wir werden auf dieses neue Unternehmen eingehen. so-
bald weitere Hefte vorliegen und einen klaren Ueberblick
iiber Ziele und Qualit&t der Sammlung ermoglichen.
Ernst Toch, Zehn Anfangs-Etiiden fiir Klavier, op. 59
— Zehn einfache Etiiden fiir Klavier, op. 58
— Zehn Mittelstufen-Etuden b f(ir Klavier, op. 57,
Heft I, 1—5, Heft II, 6-10 Sciiott, Mainz
Aus dem Vorwort: Bei der Abfassung der „Funfmal zehn
Etiiden" begegnete ein seit langem in mir lebendiges
inneres Bediirihis, einem, wie ich glaube, auch seit langem
^^mm
Neuerscheinungen
in der Literatur besfehenden aufieren. In fiinf gestuften
Gruppen, von den leichtesten bis zu den schwierigsten
Aufgaben fortschreitend, sind die Etuden in gleicher
Weise als kompositions- wie als klaviertechnische Studien
gedacht. In ersterem Sinne wollen sie in knappstem
Rahmen den Sinn tiir Form und Architektur, ohne welche
ich mir keine Musik denken kann, wecken und schulen,
dabei zeigen, wie die Bau- und Bewegungselemente der
„klassischen" Musik, dort vielfach durch die Stufen-
Funktionen bestimmt (Kadenz, Modulation, Kuckfuhrungs-,
Schlufiwendungen usw.), auch in der i,chwebenden und
kreisenden, ja aufgehobenen Tonalilat ihr Gesetz haben
und in ihrer Schwere ruhen. Im zweiten Sinne wollen
sie nach Moglichkeit die technischen Klavierprobleme der
Gegenwartsmusik anpa^sen und dem Studierenden Briicken
zum heutigen Jnstrunientalstil schlagen,
Huns Gal, Scaramuccio, Ballett-Suite, op. 36, Klavier-
auszug Scliott, Mainz
Erich Katz, Spielmusik fiir Streicher Scholt, Mainz
Ernst Pepping, Sonatine fiir Klavier Schott, Mainz
Hermann Schroeder, Fantasie, op. 5 b fiir Orgel
Scliott, Mainz
Laszlo Lajtha, III. Streichquartett, op. 11
Universal-Edition, Wien
Der Komponist wirkt neben Bela Bartok als Folklorist
und Musiklehrer in Budapest. Er ist bisher verhaltnis-
ma£ig wenig hervorgetreten, ein besonderer Anlaft, auf
dieses Streichquartett noch naher zuruckzukommen.
N. Lopainikoff, Drei Stiicke fur Violine und Klavier,
op. 17: ,1. Toccata, 2. Canzonetta, 3. Burlesca
Schott, Mainz
Cyril Scott, Englische Volkslieder fiir Trio (Violine,
Violoncello, Klavier) : 1 . Schifferlied von Cornwall,
2. Engliacher Volkstanz Schott, Mainz
Alexandre Tansman, Mazurka fiir Violine und
Klavier, bearbeitet von S. Dushkin Schott, Mainz
A. Gretchaninoff, Russische Volkstanze fiir Klavier,
op. 130. Heft I, 1-6, Heft II, 7-12
, Schott, Mainz
Paul Kadosa, Sonate III fiir Klavier, op. 13
— Ungarische Volkslieder fur Violine und Klavier,
op. 16 c Schott, Mainz
Josef Prochazka, Sonate fiir Violine und Klavier,
op. 56 (1929) :
— Drei Tanze fiir Klavier, op. 63: 1 . Slow-Fox-trot,
2. Tango, 3. Waltz
— Drei Stiicke fiir Klavier, op. 64: 1. Waltz,
2. Fox-Trot, 3. Waltz-Serenade
Edition Sddlo, Prag
Jaroslv Ridky, Sonate fiir Violoncello und Klavier
— Violoncello-Konzert, op. 14
— Violinkonzert, op. 7
— I. Streichquartett, op. 6
— II. Streichquartett, op. 9 Edition Sddlo, Prag
Joseph B. Foerster, Streichquartett, op. 39
Edition Sddlo, Prag
R. Vaughan Williams, Job a Masque fiir Dancing,
bearbeitet von Vally Lasker
Oxford University Press, London
Joseph Jongen, 13 Praludien fiir Piano
Schott Freres, Brussel
Aug. De Boeck, Feuillet d'album (Cello ou Alto et
Piano) Schott Freres, Brussel
Frans Schevenhals, Concertino pour Viola und
Piano Schott /Veres, Brussel
L
P. J. M. Plum, Etude concertante pour le pedalier,
op. 88 Schott Freres,, Brussel
Charles Ives, A set of pieces fiir Theater oder
Kammerorchester. In : New music, a quarterly of
modern compositions, herausgegeben von Henry
Co well New Music, Box 356, San Francisco, Calif.
Neuausgabert alter Musik
M. Praetoriu9, Der 116. Psalm, fiir funfstimmigen
gemischten Chor und Streichorchester ad libitum,
herausgegeben von Rud. Holle. Scliott, Mainz
Hans Leo Hassler, Ecce, quam bonum, Motette fiir
funfstimmigen gemischten Chor a cappella, be-
arbeitet und herausgegeben von LudwigBerberich,
in : Schott's Chorverlag. Schott, Mainz
Domenico dalla Bella, Sonate fiir Violoncello und
unbezifferten Bafi (Cembalo oder Orgel), heraus-
gegeben von Walter Upmeyer, in : Nagels Musik-
archiv. Adolph Nagel, Hannover
Tommaso Albinoni, Sonate fur Flote (Oboe oder
Violine) und Basso continuo, herausgegeben von
Ludwig Schaffler, in : Nagels Musikarchiv.
Adolph Nagel, Hannover
J. M. Leclair, Sonate G-dur fur Flote oder Violine
und Klavier, herausgegeben von Henri Bouillard.
Schott, Mainz
Giuseppe Torelli, Konzert op. 6 Nr. 10, fiir vier-
stimmige Streichinstrumente und Orgel oder Cem-
balo, herausgegeben von Hans Engel, in Nagels
Musikarchiv. Adolph Nagel, Hannover
F. X. Richter, Sinfonia da camera fiir vierstimmiges
Streichorchester und Continuo, herausgegeben von
Walter Upmeyer, in Nagels Musikarchiv.
Adolph Nagel, Hannover
Musikpadagogik
Das Geigenschulwerk, eine Sammlung von alten
und neuen Spielstucken, Liedern und Tanzen fiir
eine und zwei Violinen. Als Lehrgang des Violin-
spiels ausgebaut von Erich und Elma Doflein.
Heft I, Erste Lage : Musik in Dur. Heft 2, Erste
Lage: Musik in Dur und Moll, Heft 3, Erste
Lage : A.usbau und Abschlufe, Heft 4 : Lagenstudien,
Heft 5 : Zusammenfassung. Schott, Mainz
Spielmusik fiir Violine, herausgegeben von Erich
Doflein. Bisher liegen vor: Neue Musik, Heft 1,
Paul Hindemith : 14 leichte Duette fiir zwei
Geigen in der ersten Lage fiir Fortgeschrittene,
Heft 3 : Ungarische Komponisten I (leichte Duette),
Heft 4, Ungarische Komponisten II (mittelschwere
Duette) ; Alte Musik, Heft 1 , Altfranzosische Duette
fiir 2 Violinen Sdiott, Mainz
Wir werden auf dieses vom padagogischen und musika-
lischen Standpunkte aus gjeich wichtige Werk noch aus-
fiihr ich zuriickkommen. Dofleins Geigenschulwerk, dem
sich die neuen und alten Spielmusiken einnrdnen, ist
der erste Versuch, den gesamten musikaiischen Stoffvom
Quahtatsstandpunkt aus dem Aufbau der Technik einzu-
gliedern.
Kurt B. Mochel, Zweck-Etiiden fiir Kontrabafi,
2 Bande, eingefiihrt an Dr. Hochs Konservatorium,
Frankfurt a. M. Schott, Mainz
Hans Mersmann
63
Sparverordnung siatt Sparpolitik
Musikleben
Ratlosigkeit im Industriegebiet Adoit Raskin
Im Lebensraum des rheinisch-westfalischen Industriegebiets ist die allgemeine Krise
am starksten fiihlbar. Und da hier die Uber-Investierung im Theater und Musikleben
am eifrigsten betrieben wurde, wirkt sich hier auch die Kunstkrise heute am starksten
aus. Schlagt man um Essen, der Metropole des Ruhrgebiets, einen Kreis mit einem
Radius von ICO km, dann schlagt man einen Kreis um rund zwei Dutzend grofistadtischer
Riihnen, die insgesamt einen Zuschufi von mindestens einem Dutzend Millionen bean-
spruchten. In einem Wirtschaftsgebiet, in welchem der Rationalisierungsgedanke die
iippigsten Rliiten trieb, im Zentrum der Kohl en- und Eisen trusts, wo die Grofistadte
so dicht beieinander liegen, dafi — theoretisch gesprochen — iiberhaupt keine Klein-
stadter und Dorfbewohner zu existieren 9 cheinen, mufite naturgemafi auch an eine
Rationalisierung und Planbewirtschaftung der Theater und der Konzertsale gedacht
werden. Trotz aller [Propaganda aber ist bis heute die [dee des Fusionstheaters, eines
Theaters fiir mehrere Stadte zugleich, nur in einem einzigen Falle praktisch verwirklicht
worden: in der seit zehn Jahren bestehenden Theatergemeinschaf't Duisburg-Rochum.
Dieses eine Reispiel aber geniigte, um zu beweisen, dafi damit eine Verbilligung oder
Verbesserung des Retriebs nicht zu erreichen war. Im Gegenteil: dieses Gemeinschafts-
theater erscheint infolge der allgemeinen Finanzkrise am starksten bedroht.
Es blieb also bei Etateinsparungen — von Jahr zu Jahr unter der Reteuerung,
alle Sparmoglichkeiten seien erschopft und jeder Pfennig weniger bedeute den Ruin
des Instituts. Leider mufi man sagen, dafi gerade diese Taktik das Vertrauen zur
Theaterwirtachaft untergraben hat. Die Not — immer schon latent vorhanden und nur
ktinstlich durch Anleihen abgewehrt — zwangauch iiber die „letzten Sparmoglichkeiten" des
„vergangenen" Jahres hinaus immer wieder zu weiteren Abstrichen. Die Notverordnungen
erst haben die Etats so labil werden lassen dafi man plotzlich nichts mehr von diesen
ominosen „restlos erschopften Sparmoglichkeiten" hort. Man bestimmt ja nicht mehr
selber, was man sparen kann, Jsondern man fiihrt nur noch die Sparbefehle der
Regierung aus.
Im Falle des Theaternotplans ist die Regierung allerdings unterlegen. Sie hatte an
die notzuverordnende Rationalisierung der dicht nebeneinanderliegenden Zuschufi-Theater
des rhein.-westf. Gebietes zu denken. Dafi es bisher nicht zu einer interkommunalen Plan-
wirtschaft gekommen ist, schien ihr vielleicht ursachlich verbunden zu sein mit der oft
in lacherlichen Formen auftretenden Prestigepolitik der Kommunen untereinander. Die
Regierung nahm eine genaue Restandsaufnahme vor, teilte die Stadte in drei Gruppen ein
und entwarf fiir jede dieser Gruppen ein Gruppentheater und ein Gruppen-Sinfonie-
prchester. Es sollten gebildet werden:
1. eine Ruhrgruppe: die die Stadte Essen, Rochum und Dortmund und die ubrigen
wichtigen Industrieorte dieses Rezirks umfafit. Essen war als Standort der Oper und
64
Geschaftstheater als Notstandserscheinung
Operette, Bochum als Standort des Sinfonieorchesters und Dortmund als Standort des
Schauspiels gedacht.
2. eine bergische Gruppe: mit den Stadten Wuppertal, Remscheid, Solingen.
3. eine niederrh einisch e Gruppe: mit Diisseldorf, Duisburg, Krefeld, Glad-
bach-Reydt, Hamborn und Oberhausen. Diisseldorf als Sitz der grofien Oper, der Operette
und des Schauspiels (Dumont-Lindemann-Theater); Duisburg als Sitz der Spieloper und
des Sinfonieorchesters und Krefeld als Sitz eines kleineren Schauspiels.
Allein fur die niederrheinische Gruppe war von der Diisseldorfer Regierung ein
im einzelnen ausgearbeiteter Plan mit genauem Etat aufgestellt worden. Die Ersparnisse
betrugen auf dem Papier rund 50%. Zunachst setzte eine lebhafte Diskussion ein, in
welcher Diisseldorf als einziger Anhanger des Regierungsplanes erkennbar wurde.
Was nun werden soil, das weifi niemand. Es geht mit den Theatern und Orchestern
wie mit alien anderen Einrichtungen und Institulionen der offentlichen Hand: alles
steht unter der Parole „Durchhalten bis zum Letzten!" Man proklamiert die Politik der
freien Hand: jeder bleibe selbstandig, solange es geht, und versuche sein Theater so
billig zu machen wie moglich.
Unterdessen spielen die Theater und Orchester weiter. Der finanzielle Druck zwingt
sie, mehr oder weniger, ihr Heil bei jener Pseudo-Kunst zu suchen, die in Form von
Possen und Schlageroperetten das Publikum bei Laune halt. Je kleiner das Theater
und sein Zuschufi ist, umso unverhiillter tritt es als Geschaftstheater in Erscheinung.
Kunststatten verwandeln sich auf diese Weise langsam in hillige Vergnugungsstatten, die
eigentlich jeden Anspruch auf offentliche Untersriitzung verwirkt haben. Alles das ge-
schieht in der „Absicht, gelegentliche Darbietungen kiinstlerischer Werke zu finanzieren",
eine Doppelmoral, die niemals zu einem positiven Ergebnis fiihren kann. Kunst mit dem
Gegenteil von Kunst zu verteidigen oder zu ermoglichen, ist genau so absurd, wie wenn
ein Lebensmittelgeschaft sich durch den Verkauf von gefalschten oder verdorbenen
Lebensmitteln die Moglichkeit zu schaffen versuchen wollte, ein paar Delikatessen unter
dem Einkaufspreis feilbieten zu konnen. Die Leute, die sich den Magen einmal ver-
dorben haben, vertragen schliefilich auch keine Delikatessen mehr.
Die Schuld an diesen Zustanden liegt auf viclen Schultern. Leider fehlt es in den
verantwortlichen Dezernaten der Verwaltungen an Fachleuten, die in der Lage waren,
die Kunstpflege — soweit Theater und Konzert in Frage stehen — den veranderten
soziologischen und sozialen Verhaltnissen anzupassen. Die Karre lauft in alten ausge-
fahrenen Geleisen, und man scheint nicht einsehen zu wollen, dafi diese Geleise nicht
mehr durch die Wirklichkeit fiihren. Von oben herunter ist da wenig zu machen. Die
Umstellung muG vom Fundament her erfolgen. Die aufieren Anspriiche miissen herunter-
geschraubt werden. Die Kunstpflege mufi entschieden auf die grofie Masse der Kunst-
fremden und der Unbemittelten umgestellt werden, denn die Leute, deren „asthetisches' :
Feingefiihl den gegenwartigen Aufwand am „Komfort" bedingt, spielen zahlenmafiig
iiberhaupt keine Rolle mehr. Keineswe^s aber ist es notwendig, sich eine solche Um-
stellung als eine Senkung des kiinstlerischen Niveaus vorzustellen. Im Gegenteil: die
grofite kiinstlerische Leistung ist immer dort erforderlich, wo der „Komfort" ein Mini-
mum an Material beansprucht.
65
™*m
Neue Werke fur Abonnementskonzerte
Was gibt es an
neuer Konzertmusik? Heinnch strobei
Die grofie Krise mufite im Berliner Muaikleben am sichtbarsten in Erscheinung
treten. Denn nirgends war der Widerspruch von Angebot und Nachfrage so grotesk.
Die erste Folge war der rapide Riickgang der Veranstaltungen. Er konnte begriifit werden,
soweit es sich urn die Ausschaltung der Mittelmafiigen und Unbegabten handelte. Die
Qualitat behauptete sich wieder, aber nur die Qualitat, die gesellschaftlich bereits an-
erkannt war. Fur die Jungen ist es heute schwerer als je. in der Offentlicbkeit gehort
zu werden. Macht nichts, wird man entgegnen, Musikiibung im Konzert ist uberlebt.
Aber man hat zu bedenken: einen Ersatz fiir das Konzert haben wir bis jetzt noch
nicht gefunden. Das Musikbediirfnis ist gegeniiber der Vorkriegszeit machtig gewachsen.
Es wird vorlaufig immer noch im Konzert befriedigt.
Wie das Konzertwesen mit Rucksicht auf die grofien Massen zu reorganisieren ist,
dariiber wird in Zukunft ausfuhrlich gesprochen werden mussen. Diesmal nur einige
Worte iiber die neue Produktion fiir das Konzert. Von den richtunggebenden neuen
Arbeiten Hindemiths und Strawinskys war schon friiher die Rede. Sie sind fur die
grofien Abonnementskonzerte bestimmt. Fur dasselbe Milieu ist auch die Sinfonie von
Honegger gedacht, die Scherchen in der Volksbuhne auffiihrte: in ihrer Mischung
von moderner Unbefangenheit und romantischem Pathos ist sie typisch fiir Honeggers
Schreibweise. Sie hat weder mit neuer noch mit guter Musik etwas zu tun. Wieviel
reizvoller wirkt die Suite aus Prokofieffs „Verlorenem Sohn" in ihrer geistreichen
Buntheit, oder die Musik zu Hary Janos, in der K o d a 1 y endlich wieder als der frische,
sinnfrohe Meister der ungarischen Folklore erscheint. Vogels Orchesteretiiden sind das
moderne Paradestiick aller Abonnements-Programme geworden. Sie durften bei Furt-
wangler natiirlich nicht fehlen, obwohl sie hier, auf Farbe hin interpretiert, weit weniger
suggestiv wirkten als seinerzeit bei Scherchen. Furtwangler hat inzwischen dem Druck
gewisser Kreise nachgegeben und das neue Schaffen aus seinen Programmen verbannt.
Strawinskys Scherzo fantastique war kein Risiko, das ist ein Schulwerk im Stil von Rimsky-
Korssakoff, freilich ein Schulwerk von einer Klarheit und Prazision, an der man den
kiinftigen Strawinsky erkennt.
Kleiber hat in diesem Jahr ein paar moderne Werke in seinen Opernkonzerten.
Sie sind auf drei zusammengeschmolzen, und diese drei werden nur miihsam mit Frei-
karten gestopft. So weit hat Kleiber diese ehemals repras^ntativsten Berliner Konzerte
gebracht. Immerhin: man machte die Bekanntschaft eines klanglich faszinierenden Klavier-
konzerts, das Maurice Ravel fiir den einarmigen Pianisten Wittgenstein geschrieben
hat. Man horte eine Musik fur Orch ester und Bariton, die in ihrer Konzentration und
ihrer melodischen Unmittelbarkeit als eine der besten und reifsten Arbeiten von Ernst
Tocb gelten kann. Man horte auch eine Passacaglia von Weinberger, ein schauerliches
Epigonen-Ragout aus Wagner und Bruckner. Es gab Leute, die Weinberger nach dem
Schwanda anhimmelten. Auch sie werden jetzt Bescheid wissen.
66
Klavierkonzerte von Marx bis Lopatnikoff
Die eigentliche Neue Musik ist sparlich geworden. Es fehlt an Werken, und e9 fehlt
an Miit, die wenigen Werke aufzufiihren, die kiinstlerisch wertvoll sind. Die Internationale
nahm zu Beginn der Saison einen guten Anlauf: sie brachte die ausgezeichneten Trio-
Stiicke von Martinu und ein draufgangerisches Quartett des ohne Zweifel begabten
Autodidakten Hartmann heraus, sie erinnerte, in einer vortrefFlichen Wiedergabe unter
S tie dry, an Sohonbergs Kammerserenade, und sie liefi unter Ansermet vier junge
Amerikaner auffiihren. Unter ihnen erwies sich Aron Copland als ein eigenwilliges
und relativ selbstandiges Talent. Mit diesem Konzert scheint der I. G. N. M. der Atem
ausgegangen zu sein. Sie schwieg seitdem. Im Januar kam endlich das erste der lang-
angekiindigten Urauffiihrungskonzerte des Berliner Sinfonie-Orchesters zustande. Es war
ein Beinfall. Die miihsam erkliigelte Sinfonie IV von Hannenheim, das dilettantische
Klavierkonzert von Sonja Grammatte und schliefilich die hyslerischen Urwaldlieder
von Grete von Zieritz — es liegt kein Grund vor, solche Musik aufzufiihren. Wir,
schreiben nicht mehr 1920. Da erinnert man sich lieber noch des Klavierkonzerts von
Karl Marx, dessen brillante Synthese aus Bach, Schumann und Strawinsky nicht ohne
Wirkung auf anspruchslose Gemiiter ist, da denkt man an ein anderes Klavierkonzert,
in dem Mossolow den wilden Maschinenstil der .,Eisengie£erei : ' konzertant formen will,
Als Experiment nicht ohne Interesse. Aber wie selten sind in diesen . Zeiten der Angst-
lichkeit die Experimente geworden! Mossolow wurde in der Funkstunde gespielt. Dort
horte man in den letzten Tagen auch das zweite Klavierkonzert von Lopatnikoff.
Ein ausgezeichnetes Stuck in seiner. Mischung aus naturlicher Frische und besinnlicher
Kontrapunktik, aus gedampfter Lyrik und spitzer Virtuositat, ein gewaltiger Fortschritt
nach der Sinfonie. Der Autor spielte selbst den dankbaren Solopart sehr plastisch. Die
Berliner Funkstunde zeigt jetzt wieder mehr Aktivitat auf musikalischem Gebiet. Eine
Zeitlang war sie der Tummelplatz des stumpfsinnigen Dideldums.
Melosberichte
Ein neues Werk In der ersten Studien-
VOn Conrad Beck auffiihrung dieses
Jahres vom 13. Januar
in Genf brachte Ernest Ansermet und das
Orchester der welschen Schweiz aufier
den beiden Konzertetiiden Wladimir Vogels,
der Sinfonie Honeggers und drei Wozzeck-
Fragmenten Alban Bergs das Orchesterstuck
„Innominata" von Conrad Beck zur Ur-
auffiihrung. Dieser „namenlose" sinfonische
Satz,dieeinzigeKomposition aus der Schweiz,
die fur das Fest der „Internationalen Gesell-
schaft fiir neue Musik" in Wien ausgewahlt
wurde, bekundet schon im Titel den Verzicht
auf jede aufiermusikalische Haltung.
Wiederum ein Werk von einer ungewohn-
lichen Oekonomie der formalen, instrumen-
talen und technischen Mittel in einer mannlich
herben Sprache. Durch das engmaschige
Netz der melodischen Linien entstehen neue,
eigenartige Klangverbindungen von diisterer
Farbung, deren beklemmende Wirkung durch
sparsam verwendete Blechblaserakkorde noch
unterstrichen wird. Fremde Einfliisse sind
hier ganzlich abgestreift oder organisch mit
dem Stil Becks verschmolzen, wie die bei
Honegger beliebte Umkehrung des punk-
tierten Achtels. „Innominata" ist ein ein-
ziger kompromifiloser Wurf eines mit dem
Gefuhl hochster Verantwortung um den
Ausdruck ringenden Musikers und deshalb
von zwingender Suggestivkraft. Ansermet
hat keine Miihe gescheut, das ihm anver-
traute Werk mit stfirkster Bereitschaft durch-
zusetzen.
Willy Tappolet
67
Uberall dringt die Opereite vor
Operette auch Nach Lehars „Land des
in Budapest Lachelns" i 8t nun auch
eine zweite ungarische
Operette, der „Held Jdnos" von Pankratius
Kacsoh opernfahig geworden. Janos, der
Held die9er 1904 uraufgefiihrten National-
operette zog jetzt prunkvoll ausgestattet ins
kgl. ungarische Opernhaus ein, dem er in hart
bedrangter Lage offenbar beispringen soil.
StofF und Handlung hatten die Textver-
fasser Karl Bakonyi und Eugen Heltai
dem wundervoll frischen naiven Epos
Alexander Petofis entnommen.
Die tiefere Idee der Dichtung, wonach
sich der Lammhirt Janos nur zu Hause unter
seinesgleichen wohlfiihlt und dem Ausland
gegeniiber nur eine ritterliche Schuld kennt
und erfullt, seine Tauglichkeit beweisen,
seinen guten Ruf erharten, nach getaner
Arbeit jedoch sich wieder zuruckziehen zu
miissen — dieses rassenpsychologische Motiv
der in Europa sich noch immer abgesprengt,
einsam und fremd fiihlenden ungarisehen
Volksseele, geht bei einer Operettenbearbei-
tung bedauerlicherweise verloren. Was den
Verlust ersetzen soil, das folkloristisch-kunst-
gewerbliche Beiwerk, die auf Sentimentalitat
gestimmte Heimatkunst, ist vom heutigen
Stand der Tatsachenwelt so weit entfernt,
dafi alldies nur noch als hohle Maske
wirkr. Denn auch das ungarische Dorf ist
in das moderne Netz der Rundfunkwellen
einbezogen worden. Von idyllischer Welt-
abgeschiedenheitundahnlichenromantischen
Vorstellungen kann seit dem letzten Krieg,
nach dem Triumphzug des Films und Ton-
films, aber auch angesichts einer alles in
Mitleidenschaft ziehenden volkswirtschaft-
lichen Weltkrise keine Rede mehr sein.
Gerade die neuen Probleme des Dorfes
fordern ihre zeitgerechten Gestalter, die das
Bleibende im Wandel der Erecheinungen
immer im Auge behalten, hierbei jedoch
auch den Wandel selbst nicht aufier Acht
lassen.
Pankratius Kacsoh ist erst nach seinem
grofien Erfolg - dem bisher grofiten der
ungarisehen Theatergeschichte — an griind-
lichere Musikstudien herangetreten. Der
iiberraschende Wurf eines bislang unbe-
kannten Mittelschullehrers zeugt, vom heu-
tigen Standpunkt aus betrachtet, von einer
68
zwar wenig ursprunglichen, aber liebens-
wiirdigen Begabung, die ihren verzweifelten
KampfmitderTuckedesHandwerklichenaus-
zufechten hatte. Ahnlichkeit der Absichten
legt einen Vergleich mit dem russischen
„Sadko" nahe, doch wird das Verwandte
vom Gegensatzlichen unterdriickt: von der
technischen Meisterschaft, die Rimsky-Korssa-
kow fur sich anzufiihren hat. Der Versuch,
den Mangeln der schlichten Partitur
durch eine von Prof. Akusius Buttykay
besorgte pathetische Uminstrumentierung
abzuhelfen, mufi als ganzlich mifigliickt be-
zeichnet werden, denn die Potenzierung der
Klangfulle liefi alle Fehler in vergrofiertem
und vergr5bertem Mafistab erst recht bemerk-
bar werden. Alexander Jemnitz
Wiener Die Staatsoper hatte endlich die
Glosse erst e Premiere: Pfitzners „Herz".
Die von Heger geleitete AufFuhrung
hielt recht anstfindiges Niveau, ohne uber-
ragende Leistungen zu zeigen. Den Sangern
fehlt eben jetzt hier jede liebevolle Anleitung.
Die Inszenierung war ziemlich konventionefl,
die Regie einfallslos.
Im Konzertbetrieb herrscht das gewohnte
Virtuo9enallerlei. Interessantere Veranstal-
tungen waren das Ravelkonzert der Phil-
harmoniker, zu dem der Meister eigens mit
Frau Marguerite Long aus Paris gekommen
war, um sein neuestes Klavierkonzert aus
der Taufe zu heben. Substantial nicht sehr
gehaltreich, besticht das dreisatzige Werk
durch reizvolles Kolorit und feurige Rhyth-
mik. Der stark mit Jazzelementen durch-
setzte letzte Satz schlug derart ein, dafi
eine Wiederholung erzwungen wurde. In
den „Philharmonischen Konzerten" gab es
als Sensation die Wiener Premiere der
Streichorchesterbearbeitung von Alban Bergs
„Lyrischer Suite". Das Werk konnte sich
trotz anfanglichen Widerspruchs auf der
ganzen Linie durchsetzen und auch in diesem
Rahmen seine neuartigen Klangwerte zur
Geltung bringen. Bei der „Internationalen"
gab es das Streichtrio op. 34 von Hinde-
mith und neue Werke fur „Cello allein" von
Jemnitz, Stutschewsky und Toch.
Willi Reich
Melosnotizen
Notizen
Aus den Opern
Das Opernhaus in Kdnigsberg brachte Hindemiths
Oper „Neues vom Tage" in einer ausgezeichneten
Wiedergabe (Spielleitung : Intendant Dr. Schiiler,
Musikleitung : Kapellmeister B. Vondenhoff) mit
grofiem Erfolg zur ErstaufRihrung.
Das Stadttheater in Breslau hat Ernst Tochs Oper
„Die Prinzessin auf der Erbse" zur Erstauffuhrung
angenommen.
Mayerhold hat in Leningrad mit den Vorbe-
reitungen zu einer Inszenierung von Hindemith9 Oper
„Neues vom Tage" begonnen.
Jul. Weismanns Oper „SchwanenweiJS" wird vom
Opernhaus in Chemnitz zur Erstauffuhrung vorbe-
reitet.
„Die Geschichte vom Soldaten" von Strawinsky
wurde von Ewald Lindemann in Augsburg ange-
nommen, der sich mit besonderem Eifer fur neue
Musik einsetzt.
Die Urauffiihrung der verschollen gewesenen Oper
„Signor Bruschino" von Rossini, in der Bearbeitung
von L. Landshoff und K. Wolfskehl, fand am 16.
Februar am Staatstheater in Wiesbaden statt. Bei
ausgezeichneter Auffuhrung war sie ein grofier Erfolg
bei Publikum und Presse.
„Die Burgschaft" von Weill wird in der Stadtischen
Oper Berlin am 9. Marz zur Urauffiihrung kommen.
Die Hauptpartien der unter Leitung von Sticdry
stehenden Auffiihrung sind mit Wilhelm Bode, Hans
Reimar und Burgwinkel besetzt.
Paul Graener begann mit der Komposition einer
neuen Oper nach Kleists „Prinz von Homburg".
Neue Konzertwerke
Bela Bartok hat neuerdings „Vier ungarische Volks-
lieder" fiir a cappella-Chor geschrieben. Er beendete
ferner eine kleine Kantate fiir Orchester, Soli und
Chor und ein neues, drittes Klavierkonzert. Jetzt
arbeitet er an einer kleinen Symphonie fiir Streich-
orchester.
Jerzy Fitelbergs II. Orchestersuite wurde in Dresden
erfolgreich uraufgefiihrt. Die III. Suite fiir Orchester
gelangt am 1. Marz in Berlin zur Urauffiihrung. Das
Bldserquintett wurde in New-York und Boston ge-
spielt. Das Violinkonzert gelangt in Hamburg, Erfurt,
Nurnberg, Miinchen, Prag zur Auffiihrung. The League
of Composers, New-York, wird in der nachsten
Saison ein neues Kammermusikwerk des Komponisten
in New- York urauffuhren.
Willy Weinberg-Aachen dirigierte bereits die
siebente Auffuhrung des neuen Oratoriums „Die
heilige Elisabeth" Von Joseph Haas, das auch in vierzehn
(von 45) anderen Stadten wie Frankfurt, Miinchen,
Schramberg, Euskirchen, Dusseldorf, Muhlhausen i. Th.
usw. so starken Erfolg und Zuspruch fand, dafi Wieder-
holungen angesetzt werden mufiten.
In Mannheim findet im Nibelungen-Saal eine
Auffuhrung des Volksoratoriums „Die heilige Elisa-
beth" von Joseph Haas mit 650 Mitwirkenden statt.
Solistin Mia Neusitzer-Thoenissen, Sprecher Intendant
Maisch, Leitung Ulrich Herzog.
Zoltdn Koddly schreibt ein Liederspiel nach un-
garischer Volksmusik fiir das Budapester Opernhaus.
Die Urauffiihrung findet im Marz 1932 statt. Kodaly
wurde (ebenso wie Albert RousseV) von der Akademie
Santa Cecilia in Rom zum Ehrenmitglied gewahlt.
Paul Hoffer ist von der Intendanz des staatlichen
Schauspielhauses in Berlin beauftragt worden, zur
Festauffiihrung von Goethes „Faust" am 23. Marz
eine* neue Musik zu schreiben.
Ernst Krenek hat einen neuen Liederzyklus nach
eigenen Texten unter dem Titel „Lieder des spaten
Jahres" und „4 Stiicke fiir Blasorchester" beendet.
Bei einem Chorkonzert am 31. Januar 1932 in der
Singakademie Berlin, kamen die „Sechs Stiicke fur
MannercJwr", op. 35 von Arnold Schonberg und die
„Chorburlesken im Zoo" von Hugo Herrmann zur
erfolgreichen Erstauffuhrung. Das Konzert fand den
ungeteilten Beifall von Publikum und Presse.
Wladimir Vogels Suite fiir Streicher und Pauken
kam in einer Neufassung unter Fritz Mahler zur
Urauffiihrung.
Musikdirektor Karl Schlager in Offenburg brachte
in einem Konzert zeitgenossischer Komponisten u. a.
von Alexander Tansman „Danse de la sorciere" fiir
5 Blaser und Klavier, sowie Kammermu9ik und
Lieder von Hindemith, Weismann, Philipp und
Schlager zur Auffuhrung.
Unter Leitung von Dr. Hermann Scherchen fand
am 17. Januar in der Stadtischen Oper Berlin ein
Konzert zu Gunsten der Wohlfahrtskasse der Berliner
Posaunisten-Verbindung 1920 statt. Das Programm
enthielt Erstauffiihrungen von Gabrieli, Schiitz,
Frescobaldi, sowie Urauffuhrungen von Casella,
Eisler. Egk, Hindemith, ' Lendvai, Milhaud, Toch,
Vogel, Weill.
Herbert Brust hat ein neues Werk fiir Cembalo,
Violoncello und Sopran vollendet, das den Titel
„Drei Gesange der Notzeit", op. 24 fiihrt und auf
Texte von Walther von der Vogelweide komponiert ist.
69
Melosnotizen
Von Bodo Wolf gelangten in Frankfurt am Main
zur Urauffuhrung: Goethegesange fur Sopran und
Orchester, Lustige Ouvertiire mit Tripelfuge fur Or-
chester (unter Hans Rosbaud), sowie „Kleine Krippen-
musik" fur Solo, Chor und kleines Orchester (unter
Prof. Fritz Gambke).
Professor Fritz Heitmann wurde als Organist an
den Dom zu Berlin berufen.
Rundfunk
Der Mitteldeutsdie Rundfunk hatte ira letzten
Vierteljahr 1931 Paul Hindemith als Solisten seiner
Konzertmusik fur Solobratsche und groBeres Kammer-
orcliester zu Gaste. Der Leiter des Konzertabends
war Carl Schuricht. Prof Heinridi Laber (Gera) liefi
in einem Konzert der Stadtischen Kapelle in Chem-
nitz Max Trapp sein Klavierkonzert spielen, das der
Rundfunk iibertrug. An modernen Werken wurde
ferner Buttings Sinfonietta (Werk 37) von Schuricht
gespielt. Als Erstauffiihrungen waren ferner zu ver-
zeichnen: Max Trapps Divertimento fur Kammer-
orchester, Werk 27, Hermann Ambrosius' Konzert fur
Violoncello und Orchester (d-moll) und Karol Rathaus'
Suite fur Orchester, Werk 25. Max von Schillings
dirigierte Igor Strawinskys Scherzo fantastique und
Isaac Albeniz' Katalanische Suite. Eduard Erdmann
spielte Serge Prokofieffs 3. Klavierkonzert (C-dur).
Fritz Reuters fur mehrstimmigen Gesang komponierter
„Struwwelpeter" wurde in den Weihnachtstagen
erstaufgefiihrt.
Von Herbert Brust fand unlangst die Urauffuhrung
des Konzertes fur Orchester und 3 Saxophone durch
die Breslauer Philharmoniker unter der Leitung von
Dr. Edmund Nick in der Schlesischen Funkstunde statt.
Am 28. Februar wird der Mitteldeutsdie Rund-
funk Haydns Oper „Der rasende Roland" als Ur-
sendung bringen.
Herbert Trantows Rundfunkkantate „Der Stein"
kommt an der Statsradiofonie in Kopenhagen in
einer danischen Ubersetzung heraus. Die Mirag hat
Trantows Blaserquartett zur Urauffuhrung ange-
nommen.
Verschiedenes
In Bad Hamburg findet vom 6. bis 8. Juni 1932
eine Tagung „Neue Musik Bad Homburg" statt, die
der Forderung des zeitgenossischen Musikschaffens
gewidmet ist. Die kfinstlerische Leitung Iiegt bei
Oskar Holger und Heinrich Burkard. Das genaue
Programm wird noch bekanntgegeben.
Im Rahmen eines Studienabends spielte Stephan
Frenkel im Musikseminar der Stadt Freiburg i. Br.
die Sonate fur Violine solo von Paul Hoffer, die
zweite Solo-Sonate von Philipp Jarnach, Musik fur
Violine allein von Erich Katz und abschliefiend die
grofie Solo-Sonate von Arthur Schnabel.
70
Der Gemeinderat in Gera beschlofi, die eigene
Regie im Theaterbetrieb mit Ablauf des gegenwartigen
Spieljahres aufzugeben. Das Opernhaus wird als Ton-
kino mit der Einschrankung verpachtet, dafi das
Haus an mindestens 20 Abenden wahrend des Spiel-
jahres der Stadtgemeinde fur Gastopern zur Ver-
fiigung gehalten wird.
H. F. Redlich hat unter dem Titel „Meister des
Orgelbarock" den 1. Band der beruhmten Sammlung
„Musica Sacra" neubearbeitet und herausgegeben.
Die Sammlung enthalt Stiicke von Pachelbeel, Fresco-
baldi, Buxtehude, Eberlin u. a.
Am 8. Marz vollendet Prof. Juon sein 60. Lebens-
jahr. Der Berliner Rundfunk wird an diesem Tage
eine Auswahl aus dem Schaffen Juons senden.
Von Kurt von Wolfurt ist ein Zyklus ,,17 Goethe-
Lieder" und die Lieder „Der Konig in Thule" und
t> Mailied" (nach Goethe) erschienen.
Ausland
Amerika :
Als amerikanische E r8 t au ffuhrung ist Paul Hinde-
miths Lehrstiick „Wir bauen eine Stadt" in der
Ubersetzung von Guy Maier auf einem Kindermusik-
fest in New York gegeben worden. Dieses Kinder-
musikfest, das in der Form von vier Matineeveran-
staltungen abgehalten wurde, umfafite neben klassi-
scher Musik, wie z. B. Mozartsche Werke, auch
Kompositionen zeitgenossischer Musiker.
Amerikanische Auffuhrungen der I. Sinfonie von
Lopatnikoff fanden in Detroit unter Gabrilowitsclv
und in Philadelphia unter Stokowski statt.
England :
Paul Hindemiths Konzertmusik fiir Klavier, Blech-
blaser und Harfen fand bei der ersten offentlichen
Auffiihrung in London mit Otto Klemperer als Diri-
gent und Beveridge Webster als Solist stiirmische
Zustimmung des Publikums.
Gegen das Einfuhrverbot fur auslandische Musiker
in England^ durch das von deutschen Kiinstlern
vor allem eine Reihe jiingerer Musiker, wie z. B. der
Sohn Artur Schnabels und Franz Osborn, betroffen
wurden, und das sich nunmehr auch auf die Pro-
duktion der Schallplattenindustrie ausdehnen soil, die
sich auf rein britische Programme beschranken soil,
werden jetzt aus englischen Kiinstlerkreisen Protestc
laut. So ist einer der fuhrenden Manner der Incor-
porated Society of Musicians, Harald Samuel, zum ■
Protest gegen den Boykott der auslandischen Kunst-
ler aus dieser Vereinigung ausgetreten. Auch die
„Times" veroffentlicht eine Kundgebung von S. Cour-
tauld, der in seinen Ausfiihrungen gegen die neuen
Bestimmungen Stellung nimmt. Er erklart diese Mafi-
nahmen Englands, Musik der Einfuhr von
Waren gleichzustellen, fiir unertraglich und fiirchtet,
eine Lacherlichmachung der englischen Kultur vor der
gesamten Welt.
Melosnotizen
Frankreich:
„Innominata" , das neue Orchesterwerk von Conrad
Beck, wurde am 11. Februar in Paris aufgefiihrt.
„Elektra" von R. Straufi wird im Laufe des
Monats Februar erstmalig in der Grofien Oper in
Paris und anschliefiend auch im Teatro alia Scala
in Mailand zur Auffiihrung gelangen.
Japan :
Starken Erfolg hatte Klaus Pringsheim mit seinem
ersten Orchesterkonzert in Tokio, das ausschliefilich
deutschen Komponisten gewidmet war. Das Pro-
gramm enthielt Bachs a-moll-Konzert Mr vier Kla-
viere und Streichorchester, Teile aus Tristan und die
Erste Sinfonie von Brahms.
Italien :
Die geplante Zusammenschliefiung der Mailander
Scala, der Koniglichen Oper in Rom, des Teatro
San Carlo in Neapel und des Teatro Carlo Felice
in Genua wird nunmehr durchgefiihrt. Die die
Opernbetriebe zusammenfassende neue Organi-
sation „Conserzio Lirico", der die Regelung der
samtlichen Theaterangelegenheiten dieser Biilinen
unterstellt ist, strebt in erster Linie eine Verbilligung
des Betriebes durch Festsetzung der Kiinstlergagen,
Einfiihrung von einheitlichen Vertragen und Aus-
tausch der Kiinstler an. Ferner ist auch ein Pro-
gramm- und Szenarien-Austausch zwischen den ver-
schiedenen Opernbetrieben vorgesehen.
An der Scala in Mailand gelangte Respighis
Ballett „Belkis, Konigin von Saba", zur Urauffiihrung.
Die Munchener Philharmoniker beendeten soeben
unter Leitung von Kapellmeister Max Reiter (mit
Professor Edwin Fischer als Solist) eine acht Konzerte
umfassende Reise durch Oberitalien. Die Konzerte,
die iiberwiegend deutsche Musik brachten, erzielten
iiberall aufierordentliche Erfolge, die von der Presse
ohne Einschrankung bestatigt wurden. Die Reise fand
in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kunstgesell-
schaft statt.
Rutland:
Jaseha Horenstein, musikalischer Oberleiter der
Diisseldorfer Oper, ist fur mehrere Konzerte nach
Moskau und Leningrad verpflichtet worden.
Feodor Sdialjapin, der seit 1927 aus Rutland ver-
bannt war, hat von der Sowjetregierung die Erlaubnis
erhalten, in seine Heimat zuriickzukehren. Schaljapin
ist am 18. Februar zum ersten Mai wieder in der
Moskauer Grofien Oper aufgetreten. Er darf seinen
fruheren Titel „Sanger des Volkes" wieder fiihren
und bis zu seinem Tode kostenlos sein friiheres Haus
bewohnen, das ihm auf Anordnung der Regierung
zuriickgegeben wird.
Schweiz :
Am 20. Januar brachte das Basler Kammer-
orchester unter Leitung von Paul Sacher Honeggers
„Cris du Monde" in Basel unter Anwesenheit des
Komponisten zur deutschsprachigen Urauffiihrung.
Des ungeheuren Andrangs wegen wurde das Werk
am 3. Februar vor nochmals ausverkauftem Hause
wiederholt.
Die Musik fiir Orchester und eine Baritonstimme
von Ernst Toch gelangt auf dem deutschen Ton-
kiinstlerfest des A. D. M. in Zurich zur Auffiihrung.
Tstheclioslowakei :
Emil Pirdian, der bisherige Ausstattungschef der
Berliner Staatsoper, wurde ab Herbst 1932 dem
Prager Deutschen Theater als Leiter des Aus-
stattungswesens verpflichtet; gleichzeitig wird dieser
Kiinstler an der Prager Deutschen Musikakademie
auf dem neu geschaffenen Posten eines Lehrers der
szenischen Kunst wirken.
Antonio Votto, ein Schiiler Toscaninis, wurde ab
Herbst 1932 dem Prager Deutschen Theater als
spezieller Kapellmeister fiir italienische Opernwerke
verpflichtet.
Ungarn :
Das Budapester Opernhaus bringt Ende Februar
einen modernen Einakterabend mit Malipieros „Fal-
scher Harlekin" und den Minutenopern Milhauds.
Die von Bela Bartok, Ernst von Dohnanyi, Zol-
tan Kodaly und Leo Weiner im Jahre 1910 ge-
griindete „Neue ungarische Gesellschaft fiir Musik"
hat nach fast zwanzigjahriger Unterbrechung und
als ungarische Sektion der I. G. N. M. reorganisiert,
ihre Tatigkeit wieder aufgenommen. Ihr Eroffnungs-
konzert brachte lauter Urauffiihrungen. Und zwar:
ein zweisatziges Streichquartett von Eugen Adam,
8 von den kiirzlich beendeten 44 elementarfrischen
Duos fur zwei Violinen von Bela Bartok, Klavier-
stiicke von Franz Farkas und eine Suite fur Blaser-
quintett und Klavier von Andreas Szabo. - Die
ungarische Sektion hat noch zwei weitere Novitaten-
konzerte fiir diese Spielzeit vorgesehen.
SGHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen fiir die Schnftleituilgu.BeBprech un geitti eke nach Berlin-Charlottenburg2, Berliner Strafie46(Fernruf Fraunhofer 1371) eri>eteD.
t)ie Schriftleitung bittet vor Zuaendung von Manuakripten urn Anfrage mit Ruckporto. Alle Rechte' fur samtliche Beitrage .vorbehalten.
Verantwortlich fiir den Teil „Musikleben" : Dr. HEINHICH STROBEL, BERLIN; fiir denVerlag: Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ/
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kennen zu lernen. Dabei steht der musikalische
Wert und Reichtum der Melodien auf gleicher
Hohe mit der menschlichen Reife der Dich-
tungen, so dafi man bei der Beschaftigung mit
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2 Hefte Ed. Nr, 2161/2 je M. 3. - (NP)
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dar, in welchem alle Probleme der durch den neuen Stil
bedingten Technik von einem der hervorragendBten moder-
nen Komponiaten syatematisch behandelt werden. Toch, der
als ausQbender Kunatler selbat Pianist ist, war fur die iiosung
einer aolchen Aufgabe, die aich ihm wie vielen anderen
in der Praxis taglich aufs neue stellte, doppelt geeignet.
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Ed. Nr. 1825 M. 2.50
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Drei Klavierstucke, op. 32 . -
Funf Capriccetti, op. 36 . . .
Klavier-Konzert mit Orchester, op. 38
Partitur (4»)
Klavier-Auszug Ed. Nr. 1859 M. 8 —
Tanz- und Spielstficke, op. 40 . . . Ed. Nr. 1412 M. 2.50
Sonate, op. 47 Ed. Nr. 2065 M. 5 —
Kleinatadtbilder,op.49,141eichteStuckeEd.Nr.2082 M. 2.50
Streichinstrumente
Zwei Divertimenti fur Streichduo, op. 37
Nr. 1 fflr Yioline und Violoncello Ed. Nr. 1910 M. 4.—
(Schottpreis 1926)
Nr. 2 fur Violine und Bratflche .
Sonate fur Violine und Klavier, op. 44
Sonate f. Violoncello u. Klavier, op. 50
Quartett fur 2 Violinen, Viola u. Violoncello, op. 34
Studien-Partitur ....... Ed. Nr. 3472 M. 2.—
Stimmen Ed. Nr. 3128 M. 10.—
Konzert fur Violoncello und Kammerorcheater, op. 35
(Schottpreis 1925)
Studien-Partitur Ed. Nr. 3473 M. 4.—
Klavier-Auszug Ed. Nr. 1993 M. 6.—
Gesung und Klavier
Neun Sopran-Lieder, op. 41 . . . Ed. Nr. 2055 M. 4.—
Wtitere Werke von Ernst Toch (Orchester, Gesanfi und Kammer-
orcheiter,Chor,Buhnenwerke) s. Katalog 9 Zeitgen6ssischeMusik'.
Ed. Nr. 19C9 M.
Ed. Nr. 1240 M.
Ed. Nr. 2084 M.
B. Schott's Sonne
Mainz
BtUc bemlehen Ste sldt bet alien Anfragen auf MBLOS
73
Das Liedschaffen von
Zoltan Kodaly
Soeben erschienen
drei neue Hefte der Sammlung
Ungarische Volksmusik
Szekler Balladen und Lieder aus
Siebenbiirgen fur Gesang und Klavier
(Deulscher, ungar. u. englischer Text)
HeftV (Nr. 25-31)
Lieder
Hoch im Felsgebirge / Gott, wie bose Zeiten /
Jugend / Schwer und schwerer meine Tage . . . /
Fanremann, Fahremann / Berg herab geht's
Magdelein / Dudelsack-Weise
U. E. 1509 M. 4. -
Heft VI (Nr. 32-36)
Soldatenliedei*
Bin Soldat geworden / Weit herum / Husaren-
lied / Am Doberdo / Werbung
U. E. 7554 M. 3. -
Heft IX (Nr. 48-52)
Trinklieder
Hei, zur Zeit ist ung'rischer Wein . . . / Frau
Putzchen / Sonntag fest Wein saufen / Alt bin
ich geworden / Trinkspruch
U. E. 1508 M. 2. -
Die Hefte VII, VIII und X erscheinen im Laiife des
Friihjahrs 1932
Fruher erschienen:
Heft I (Nr. 1 - 5) . . . U. E. 8480 M. 3. -
Heft II (Nr. 6-10) . . . U. E. 8481 M. 3.-
Heftlll (Nr.11-16) . . . U. E. 8738 M. 2. -
Heft IV (Nr.17-24) . . . U. E. 9951 M.5.-
. . . . Stiicke, in denen eine ganz urttimliche, melismen-
reiche, unserem Dur- Und Moll-Sinn ganz fremde Melo-
dik mil Kunst behandelt ist, ohne zerstort zu werden,
die in einfachster Strophenform Szeherie und Charakter
gleichzeitig liefern. A. Einstein (im Berliner Tageblatt)
Durch jede Musikalienhandlung zu beziehen
VerlangenSie Prospekte fiber Kodalys Liedschaffen
UNIVERSAL-EDITION A.-G.
WIEN-LEIPZIG
Berlin : Ed. Bote & G. Bock
Zum Haydn- Jahr
Bearbeitungen der Werke von
Joseph Haydn
Ftir Orchester:
NOTTURNO C dm* (1790) fur Flote, Oboe. 2 Horner
und Streicher, bearbeitet von Karl Geiringer
Orchesterpartitur M. 7.50
Bevorstehende Auffiihrungen in New-York, Phila-
delphia, Amstevdam, Hilversum {Rundfunk), Bergen,
Waldenburg, Bratislava {Rundfunk), Briinn {Rund-
funk) u. a.
DIVERTIMENTO fur 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 H6rner,
2 Fagotte, bearbeitet von Karl Geiringer
Orchesterpartitur M. 5. —
PARTITA fur Flttte, Oboe, 2 Horner 2 Violinen, 2 Violen,
Violoncell und Kontrabafi Orchesterpartitur M. 7.50
ECHO fur Streichorchester. Neu herausgegeben und
bearbeitet von Jeno v. Takacs
Fiir Gesang und Orchester:
ARIEN, neu bezeichnet und neu fiir Orchester gesetzt
von Paul A. Pisk;. Deutscher Text von R. S. Hoffmann
Kan kanu sagen, was man wolle (Dica pure che
vuol dire) fiir Sopran mit 2 Oboen, 2 Fagotten und
Streichern Orchesterpartitur M. 5. —
Nun steh' ich anf dem Gipfel (Care spiagge selve
addio) fiir Sopran mit Flote, 2 Klarinetten, Solovioline
und Streichern Orchesterpartitur M. 5.—
Ist's ein Tranm. ein hold' Erwaclien? (Dove son
che miro intorno) fur Sopran mit 2 Klarinetten, 2
Hornern, Pauken und Streichern Orchesterpart. M. 5. —
Fruher erschienen:
PASTORELLE fiir mittlere Stimme, fiir 2 Flttten, 2
Klarinetten und Streicher, instrumentiert von Felix
Weingartner (Material in Abschrift)
Chorwerke :
TOBIAS HEIMKEHR, Oratorium in zwei Teilcn fiir
2 Soprane, Alt-, Tenor-, Baritonsolo, gem. Chor und Or-
chester (deutsch, franzos , englisch). Musikalische und
textliche Bearbeitung vun G. A. Glossner.
Orchesterbesetzung: 2faches Holz, 2 Horner, 2 Trom-
peten, 3 Posaunen, Pauke, Cembalo und Streicher
Klavierauszug mit Text M. 3.— Textbuch M, —.30
Ansichtsmateriale bereitswilligst — Material nach
Vereinbarung
Universal - Edition A.-G.
Wien I, Karlsplatz 6
74
BiHc beziehen Sie iidt bei alien Anfragen auf MBLOS
Zwei ncue
klassische
Violoncello-Konzerte
in der Bearbeitung von
Gaspar Cassad6
W. A. Mozart
Konzeri D-dur
Neu!
fur Violoncello und Orchester
Freie Bearbeitung nach dem
Horn-Konzert (K6. V. 447)
Flir Violoncello n. Klav. Ed. Schott Nr. 1580 M. 3.— (NP)
(Orcheatormatorlal lolhwelae)
Franz Schubert
Konzeri
fur Violoncello und Orchester
Freie Bearbeitung nach
der Arpeggione-Sonate
Fiir Violoncello u. Klavier Ed. SchottNr. 1550 M. 5.—
(OrcheBtermateriftl leihwciae)
Pressestimmen :
„Diesseitigkeit und Jenseitigkeit Schubertscher
Musik werden dem Horer selten zu so bestiirzendem
Erlebnis geworden sein, wie es hier geschah.
Wunderbar gefeilt audi die orchestrate Begleitung.
Das Publikum war ergriffen und begeittert , . . «
Tempo, Berlin
,, . . . es isl editesler, bezauberndster Schubert ..."
Berliner Borsen-Kurier
„ . . . Der zweite Satz hat von der Tiefe der
h~moll~Symphonie abbekommen oder sie vor-
geahnt ..." Berliner Borsen-Zeitung
"Weitere Kritiken im ausfuhrlichen Prospekt!
Origihal-Kompositionen
von GASPAR CASSADO:
Zwei Stiicke fiir Violoncello und Klavier
1. Lamento de Boabdil Ed. Schott Nr. 1561 M. 2.—
2. Hequiebros . . . Ed. Schott Nr. 1562 M. 2.50
B. Schoii's Sonne, Mainz
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Max Reger
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii
Violinstimme
zu den „ S e ch S
Sonatinen" op. 36
von
M. Clementi
Ed. Sdiott Nr. 726 . . M. 1.20
(Klavierstimme: Sechs Sonatinen,
op. 36 von M. Clementi fiir Kla-
vier, Ed. Sdiott Nr. 182 M. 1.20)
Zu den bekannten Clementi' schen Klavier-
Sonatinen hat Max Reger eine Violinstimme
komponiert und damit eine Reihe neuer, wert-
voller leichter Sonatinen fiir Violine und Klavier
geschaffen. Wie das Original im Klavierunter-
richt, ist diese Fassung vorzuglich bei den ersten
Ensembleiibungenzu verwenaen. - DieRegefsche
Violinstimme ist gesondert erschienen ; sie kann
ohne weiteres mit dem Original zusammen
aufgefilhrt werden.
B. Schoii's Sonne / Mainz
BiUe bczichcn Sie sidi bci Mm An/ragen auf MELOS
75
p **" s ^"^l
Ncuc wcrivolle Chorwcrkc
WALTER BRAUNFELS
OP. 41. 2 HOLDERLIN-CHORE
fur Ma'nnerchor a cappella
Nr. 1 SonnenMitergaiig
Chorpartitur U. E. 9616 M. 1.50
Chorstimmen U. E. 9646 a/d a M. —.20
Nr. 2 Nachtzauber
Chorpartitur U. E. 1139 M. 1.50
Chorstimmen U. E. 1140 a/d a M. —.20
HEINRICH KAMINSKI
GEISTLICHE CHORE
I. Heft
Maria durch ein' Dornwald ging / Maria und die arme
Seelc / Joseph, lieber Joseph mein
Samtliche fiir gemischten Chor a cappella
Partitur (zugleich Chorstimmen) . . U. E. 1517 AI. —.25
II. Heft
O Jesulein zart (Frauen-, Manner- oder Knabenchor mit
FlOte, Violine, Bratsche und Cello / Lafit uns das Kindelein
wiegen (gemischter Chor a cappella) / Da Jesus in den
Garten ging (Frauen-, Manner- oder Knabenchor a capp. /
Ich wollt', dafi ich daheime war' (gem. Chor a cappella)
Partitur (zugleich Chorstimmen) . . U. E. 1518 M. — .25
Particell der Begleitstimmen . . . U. E. 1518a M. —.40
III. Helt
Frau Musica singt (Frauen-, Manner- oder Knabenchor
a cappella) / Drei Kanons xiber Spriiche des Angelus
Silesius (gemischter Chor a cappella)
Partitur (zugleich Chorstimmen) . . U. E. 1519 M. —.25
Partituren an Chorleiter gerne zur Ansicht
ZOLTAN KODALY
ABEND
fiir gemischten Chor a cappella
Partitur (zugleich Chorstimmen) . U. E. 1135a M. —.60
BILDER AUS DER MATRAGEGEND
(nach ungarischen Volbsliedern)
fiir gemischten Chor a cappella
Partitur (zugleich Chorstimmen) in Vorbereitung
KAROL RATHAUS
OP. 33 VIER AKBEITERLIEDER
fur MSnnerchor a cappella
1. Slowakisclies Landarbeiterlied
2. Mahrisches Landarbeiterlied
3. Morgen frttli (Dablin)
4. Lied der Holzliaiier (Goethe)
Chorpartitur U. E. 1516 M. 1 —
Chorstimmen U. E. 1516a/b a M. —.40
FRANZ SCHUBERT
SECHS DEUTSCHE TANZE vom October 1824
Fiir Ma'nnerchor mit Klavierbegleitung, fiir Frauenchor
mit Klavierbegleitung, fiir gemischen Chor a cappella oder
mit Klavier, bearbeitet von
Hans Wagner-Sclionkirclt
Text von Anton Weifi
Chorpartituren a M.
Chorstimmen a M.
—.60
—.30
Nach dem Aufsehen erregenden Erfolg der Originalaus-
gabe fiir Klavier bildet die Chorbearbeitung eine wirkungs-
sichere und ungemein wertvolle Bereicherung der Chor-
Hteratur
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Mit diesen beiden jiingst erschienenen Heften liegt die Sammlung von 20 Mazurken
nun vollstandig vor. Der polnische Meister erfullt die alte Tanzform mit modernem
Geiste bei dankbarer pianistischer Gestaltung.
Polnische Weise, fiir Violine und Klavier bearbeitet von P. Kochanski . . U. E. 5298 M. 1.50
Bauerntanz, fiir Violine und Klavier bearbeitet von P. Kodwnski .... U. E. 1511 M. 2. -
Zwei polnische Weiscn, klangschone und melodiose Stiicke in der meisterhaften
Bearbeitung des beruhmten polnischen Geigers.
Streichquartett II, op. 56. Partitur 16° U. E. 1057 M. 2. -
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EDITION A. -G., WIEN
BERLIN: ED. BOTE & G. BOCK
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Lotusland, op. 47 No. 1 Ed.Nr. 1804 2.-(vp)
Danse negre, op. 58 o. 5 Ed.Nr.isos 2.— (VP)
3 Danses trlstes, op. 74 Ed.N r .i80i/n3j e i.so
1. Danse elegiaque / 2. Danse orientale /
3. Danse langoureuse
Zwelte Suite, op. 75 . . Ed.Nr. 1443 s.—
Drel festHche Tanze, (A Pageant)
Ed. Nr. 1442 3.—
Altes Porzellan, (Vieux Chine) Suite
Ed. Nr. 1435 3 — (VP)
Drel altenglische Tanze Ed.Nr.1441 2.50
Arabeske Ed.Nr. 1796 1.50
Carillon Ed.Nr. 1797 1.50
Cherry Ripe (Altenglisches Volkslied)
Ed.Nr. 1798 1.50
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(Jungle book) naih R. Kipling
Ed.Nr. 1437 3.- (VP)
Ed.Nr. 1436 3.-(VP)
Ed.Nr. 1438 3 — (VP)
Ed.Nr. 1439 2.50
Ed.Nr. 1440 3.-(VP)
Ed.Nr. 1799 2.-
2.—
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Agypten, Suite ....
Indlsche Suite
Drel Mlniaturen ....
Poems
Rainbow trout (Forellen)
Schmetterllngs-Walzer (Butterfly-
Waltz) ...... Ed.Nr. 1800
Zoo (Tiere fur Klavier) (mit Text u.
Bildern) Ed.Nr. 2115
Drei symphonische Tanze fur 2 Klav.
zu4Hanuen eingerichtet (Grainger)
Ed.Nr. 1855 5.
Klavier-Konzert (siehe Orchester)
Violine allein:
Die Hummeln (Bumble Bees) Ed.Nr. 1949 1.50
Idyll Ed.Nr. 1950 1.50
Violine und Klavier:
Sonate Cdur op. 59 . . Ed.Nr. 1449 5.-
31yrische Stiicke, op. 73 Ed.Nr. 1941/43 je
Elegie, / Romanze / Valse triste
The gentle maiden (Altuisohea Volks-
lied) Ed.Nr. 1947
1.50
Violine und Klavier, Fortsetzung:
Talahassee-Suite . . . Ed.Nr. 1450 3.50
daraus: Air et Danse ntigre Ed. Nr. 1946 2.—
Cherry Ripe (Altenglisches Volkslied)
Deux Preludes . .
1. Poeme erotique / 2.
Lotusland (Kreisler) . . .
Viollnkonzert (siehe Orchester)
Ed.Nr. 1948 1.51
2 —
Ed.Nr. 1944/45 je
Danse
Violoncello und Klavier:
Pierrot amoureux . . . Ed.Nr. 1991 2.50
Pastoral and Reel . . . Ed.Nr. 1992 i.so
Poem. Der Musikant und die Nachti-
gallen, fur Violoncello u. Orchesr.
Klavier- Auszug . . . Ed.Nr. 2130 4 —
Floie allein:
Der ekstatlsche Schafer Ed.Nr. 2001 2 —
Kammermusik :
Trio fur Klavier, Violine und Violon-
cello Ed. Nr. 31 10 a-
Engl. Volkstanz fur Klavier, Violine
und Violoncello . . . Ed.Nr. 2182 2.—
Schifferlled aus Cornwall fur Klav.,
Violine und Violoncello Ed.Nr. 2181 2.-
Orchesier :
Aubade, op. 77 Partitur Ed. Nr. 3372 6.—
Zwei Passacaglien Part.(4°) Ed. Nr. 3373 20.—
Agypten, Ballett-Suite fur kleines
Orchester in 5 Satzen
(lehalt siehe unter Klavier)
Klavier-Konzert mit Orchester
Partitur 4° Ed. Nr. 3374 30.—
Klavier- Auszug . . . Ed. Nr. 1858 6-
Violin-Konzert mit Orchester
Klavier-Auszug . . . Ed. Nr. 1940 6 —
Weihnachtsouvertiire fttr grosses
Orchester (mit Schlusschor ad lib.)
Partitur 4° Ed.Nr. 3329 20.—
Auffubrungsmateriale, soweit keine Preise angegeben sind, nach Vereinbarung.
Biihnenwerke tuid Liedcr siehe das kostenlose Verzeicliuis ,,Zeitgenossische Musik"
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11
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•*
Oskar Heinrich Thomas'
„Naturliches Lehrsyslem des Violinspiels"
isi cine der interessantesicn, anregendsicn Violinschulen
Sie wirkte in vielerlei Hinsicht bahnbrechend, obschon ihr ein grofier aafierer Erfolg bis jetzt nicht be-
schieden war.
Thomas hat als erster (1908) die praktischen Konsequenzen aus Steinhausens .Physiologie der Bogenfiihrung"
gezogen, wie er iiberhaupt von Anbeginn grofltes Gewicht anf gate, bewufite Bogeiitechnik legt, denn
diese halt er fur den schwierigeren Teil der gesamten Technik. Ferner stellt er bewufit den Rhytnmus in
den Dienst der Bogentechnik (.Bogentempo").
Thomas beginnt mit den B-Tonarten. Vor ihm machten schon Wa&mann, narh ihm August Halm und
A. L. Sao den gleichen Versuch. Haufiger B Bogenstellungswechsel u , giinstige Grifflagen, baldiger Gebrauch
auch des kleinen Fingers bei kleinen Handen, Stiitzfinger, Ein- und Zweifinger-Doppelgriff, friihzeitige Aus-
nutzung der gehflrbildenden Sextenintervalle sind die giinstigen Resultate dieses Vorgehens.
Feindurchdachter Aufbau des Lehrstoffes, peinlicher Bedacht auf progressive Folge des Uebungs- und Vor-
tragsstoffes, bewufites Streben, dem Schiiler die Erlernung der Technik mehr „erleben" als erlernen zu lassen,
sind weitere grofie Vorzuge der Schule von Thomas, verraten einen Pfidagogen von ungewohnlichem Format.
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Preis der Schule kompl. RM. 5.—. In 3 Heften je HM. 2.-
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.Nereid' 2.—
.Winter waters' 2.—
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.Fragments psychologiques" . . 3. —
.Poisson d'or" 3.—
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Caselfa, Alfredo
.Deux contrastes 2,—
.Inezie" (Riens), 3 Pieces . . . 2. —
„Two Cadenzas for Mozart's Piano
Concerto in D min 2. —
Castelnuovo*Tedesco,M.Gold-M.
.Nuptial march" (Shakespeare's
.The Tempest" 3 —
Goosens, Eugene
.Concert Study - , op. 10 . . . 2.50
B Kaleidoscope u , 12 Pieces . . . 6. —
.Four conceits", op. 20 ... . 4. —
.Nature Poems", 3 Pieces . . . 4. —
Maleingreau, Paul de
.Prelude, Chorale and Fugue",
op. 7 3.—
.Suite", op. 9 4. —
Mafipiero, G. F. Gold-Mark
.Barlumi" 4. —
.Maschere che Passano", Suite . 3. —
.Omaggi", 3 Pieces 3. —
.Poemi Asolani", 3 Pieces . . 4. —
Moeran, E. J.
.Stalham River" 2. —
.Toccata" 2.—
Perfcowsfci, P.
.Pour K rakowiaki", Polish Dances 3. —
Poldowski
.Caledonian Market', 8 Pieces . 5. —
Bestellungen konnen durch die Firma
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fUr einc Slngsfimtne (hoch)
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Chanson rt'un fciu M.1.50(NP)
lei biiK (Armond Sylvejlre) . M 1.50 (NP)
Zrpliir (Th. de bonville) . . M. 1.50 (NP)
tDi'n(M'tii' AiiHuftbt- ill Viirln-rciliiiiK '
§§ I Diese Werha wnrthnomi Claude Debussy wiiltrend .tciites An fonOi idles in Ridi- <
S j land htmtponierl uiirl sind scinent Freitiide Alexander do Meclc yewittmel. litre '.
= i hntslehunij fiillt in die friihe Schnffenspenadti, die eon der mit dent Uomprris j
S atisgeieichneten Kanlato ,J.'enfttnl. protlii/itc" begrend wird. A'nch teilwotse I
= beschallel mm. grntien Vurbililarii kimdir/l stch in dieser Zeil cinch saltan doiil' '
jg , licit dor Afeist'er dnr spaleren „Fi'tps j/alanles" twit der beriiltnden Klavier- ■
= j werke. an. Jlio Matmskriptn der /tier erslmalit/ reriiffenttichien Werlso gchoren
= in den wenii/en frillten Arbnilen, die. si>iller imn Debussy ru'chl orriiichtel warden.
j= i Die I erliffdnllit'ltuiig stellt filr Musilter ititil iiiu,il;f reunite eina (inbe oon tin- j
= ■ scliillzbareni Wcrta dar; dent Pianislm nnd Sanger werilt'n neue, anijcr- ■
= ordanllich danhbare. Werlco gobnlen. \
| B. Schoii's Sohne • Mainz/Leipzig/London/Paris/New York
Signor Bruschino
KomiBcke Opcr in 2 fiildern von G. Foppa
Muaik von
G. Rossini
Aus clem Itnlicnischcn ubcrsctzt uud ftir die dcutsclic Biihnc eingcrichtet von
Ludwig LandshoiT und Karl Wolfskehl
Kloviemusitig Ed. Schott Nr. 3249 M. 12. -
Einraclic Dckornlion • Kcin Clior / Spieldaucr: ca. 2 Slunden
— — — Aus den Frcsscstimmcn zur Wiesbadcncr Uraufliilirung
»cin hcitcr beschwingtes Spiel von rokokohaftern
Rciz . . . auficrge.wolmliclier Buhneninstinkt, miihelose
Erfindungskraft und rhylhmiscbe Grazic . . . die Ncu-
belcbiing ein Gcwinn fur das Rcperloir . . . die Musik von
holdem und prickelndcm Reiz, von auKergcwiihnlichcr
Frisclie . . . wundcrvoll melodiwcber Gesang quillt auf«
B. Schoit's Sohne / Mainz
Rossinis
versofaollene
Meisteroper
„ SIGNOR
BRUSCHINO*
wurde soeben
in Wiesbaden
mit bedeuten-
dem Erfolg
uraufgeftihrt.
Pressestimmen
nebenstehend 1
BUte bczlchcn Ste sich bet alien Anfragcn auf MELOS
79
Der g rosse Ordiester-Sdilager !
Sdierzo faniastique
(Am dem Leben der Bienen)
fur grosses Orchester
i.Neben der Original-Besetzung ist eine vereinfachte Besetzung erschienen)
von
Igor Sh-awinsky
Studieiipartilur Ed. Schott Nr. 35C1 M. 3.- Spieldauer: ca. 16 Minuteri
Uber die AnffUhrung unter FurtwSngler mil dem Philharmonischen Orchester t
Berliner Borsen-Zeitune : _. . . Ein Jugendwerk Strawinskya aus dem Jalire 19C8 . . Ebcn der Lehre Rim9k>-
Korjakons entn-attiaen, reizt es ihn bereits, geschaute Bewegung phantastisch in Musik zu setzen. Mit bereiU
fabelhafter Plastik scbildcrt er das Leben der Bienen im Korbe; ihr Kribbeln und Krabbeln, ihr Summon
und Sciiwirren, ihre ruheloae Geschaftigkeit, ihr Binnvolles Bauen. der LiebcBdug der Konigin beim
Sonnenaufgang, alles wird in ein belustigendes, anschauliches Klangmalen umgesetzt, Der Komponist
des kommcnden ..Fcuervogel" kfmdigt 510b an.'
(Steinhagenj
Uber 30 AufflihrUIl^en bereih im ersten Konzerrwinter
darunter in : Amsterdam / Berlin / Bielefeld / Brussel / Darmstadt / Dessau /
Dortmund / Duisburg / Dresden / Essen / Frankfurt a. M. / Halle /
Hamburg / Hannover / Karlsbad / Krefcld / Leipzig / London /
Magdeburg / Prag / Rom / Saarbrucken /Stockholm / W ien /Wiesbaden
Pnriitur an Auffuhrungslnleressenien zur Ansidxt
B. Schott's Sonne • Mainz • Leipzig • London • Paris • New York
;fleuerfd?einun8:
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Dur* BertwnDims »°n Sdjlagieug&elt&f tofrb, febr bedwglfil? in btr Se>
srbtltung btt Btaterlaw, tine einfadje Wuflf ojjnt 9flltrtumeltl unb Dur<b-
cut in Den notoenblgen leAnifaien 05renjen.*
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;■>'" >^Vj^f-'.^}>
Heft 3
- — r-r- Marz 1932
11. Jahr
Die Kunste in der Zeit
Neue Kriterien — Neue Mafistabe Hans burjei
Die Kriterien und Mafistabe, die von der Mehrzahl der Konsumenten an die Produkte
der gestaltenden Arbeit, (um schon hier den Begriff „Kunst" umfassend zu erweitern),
gelegt werden, gehen von der Voraussetzung aus, dafi ein in sich geschlossenes Reich
der Kunst existiere, das von einem Kunsttrieb an sich regiert werde. Dieser Kunsttrieb
realisiere sich im schopferischen Menschen zwar auf die verschiedenste, oft entgegenge-
setztesteWeise, er befasse sich jedoch stets mitder Varietat formaler Kombinationen, mit dem
sogenannten „Erlebnis" und fiihre zum Ssthetisch erfafibaren und von hier aus wieder er-
lebbaren Werk. Die geistigen Mittel, die Kriterien, mit deren Hilfe diese Werke erfafit, er-
klart und beurteilt werden, erscheinen abgeleitet von Hauptwerken der friiheren kiinst-
lerischen Produktion; sie werden also bezogen eben aus diesem in sich geschlossenen
Reich der Kunst, dessen bestimmte Grenzen das gestaltete Werk ebenso einzuhalten hat,
wie auch der Grad seines Wertes durch das Mafi seiner kiinstlerischen Qualitat festge-
legt wird.
Diese Ssthetischen Kriterien und Mafistabe sind abgeleitet von derjenigen Gattung
der Gestaltung, die etwa durch eine verbreiterte Variante der Definition Zolas umschrieben
wird : die Welt der optischen, akustischen und psycliischen Eracheinungen, geaehen durch
ein bild-, wort- oder musikgestaltetes Temperament. Das heifit, sie besitzen Geltung fur
die Werke der individualistischen Epoche des 19. Jahrhunderts und ihrer Verwandten.
Mit wechselndem Gluck sind diese Ssthetischen Kriterien auch auf andere Epochen der
Kunstgeschichte angewendet worden, eine Anwendung, die allerdings immer nur den
formalen Bereichen der Produkte gerecht werden kann.
Inzwischen hat sich in den letztvergangenen Jahrzehnten das Wesen der gestaltenden
Produktion gewandelt. Im Zusammenhang mit der generellen Umschichtung des gesamten
Lebens hat sich ihr Umkreis erweitert und ausgebreitet. Neue soziale und okonomische
Voraussetzungen, die entscheidend wurden fur das Gesicht des Lebens uberhaupt, haben
der Gestaltung neue Gebiete erschlossen. Eine neue geistige Grundeinstellung, der eine
neue Struktur des Gefiihlslebens entspricht, hat sich durchgesetzt. Ich verweise auf die
Formulierung eines Philosophen: „Das praktische Umgehen mit philosophischen Prob-
lemen . . . mufi nicht rein denkmafiig geschehen, sondern wird immer triebmafiig be-
stimmt sein . . . Aber die Begriindung hat vor dem Forum des Verstandes zu ge-
schehen . . . Wir spiiren eine innere Verwandtschaft der Haltung, die unsrer philosophischen
Arbeit zugrunde liegt, mit der geistigen Haltung, die sich gegenwartig auf ganz anderen
Lebensgebieten auswirkt; wir spiiren diese Haltung in Stromen der Kunst, besonders
der Architektur, und in den Bewegungen, die sich um eine sinnvolle Gestaltung des
menschlichen Lebens bemuhen . . . Es ist die Gesinnung, die uberall auf Klarheit geht
81
Die asthetischen Kriterien versagen
und doch dabei die nie ganz durchschaubare Verflechtung des Lebens anerkennt, die
auf Sorgfalt in der Einzelgestaltung geht und zugleich auf Grofilinigkeit im ganzen, auf
Verbundenheit des Menschen und zugleich auf freie Entfaltung de9 einzelnen" (R. Carnap,
Der logische Aufbau der Welt, Weltkreis-Verlag Berlin 1928).
Parallel mit dieser neuen Grundeinstellung und parallel mit den gesellschaftlichen
und technischen Wandlungen, die das Gesicht des Lebens umgestaltet haben, erweitert
sich das Reich der Gestaltung. Soziale, ideologische, ja sogar okonomische Probleme
werden der „kunstlerischen" Gestaltung zuganglich, neue technische Kombinationen
schaffen neue Instrumente des Ausdrucks und der Gestaltung. Die Welt der Erziehung
beispielsweise wird zum Gegenstand dramatischer Spannung, das Existenzminimum wird
zum Regulativ einer neuen Wohnbau„kunst", die Technik des Films ergibt die neuen
Gestaltungsbegriffe von Uberblendung, Simultanitat und Montage, die Erfindung neuer
elektrischer Toninstrumente offnet ganz neue, von den bisherigen Gestaltungsprinzipien
losgeloste Klangwelten.
Neben diesen ungeheuren Erweiterungen laufen gleichsam intern die Arbeiten
einer Reihe von Kiinstlern, die sich mit der Klarung der formalen Grundelemente der
Gestaltungsmaterie (Ton, Farbe, Linie, Umrifi, Wort, Klang) befassen.
Und zwischen diesen Extremen, der realistischen und idealistischen Einstellung,
liegen diejenigen Produkte der Gestaltung, die zwar noch von den friiheren Geleisen
fixiert erscheinen, in ihrer Lebens- und Auswirkungsmoglichkeit jedoch schon von den
gewandelten Umstanden abhangig sind. Die Divergenz der Produkte gestaltender Arbeit
erreicht einen bisher beispiellosen Grad. Sie spannt sich vom ideologischen Lehrstiick,
von der statistischen Montage und dem primitiven Versuch etwa mit neuen Klang-
materialien bis zu den auf subtilster formaler und denkerischer Differenzierung be-
ruhenden Arbeiten der Konstruktivisten und Abstrakten und bis zur Klangwelt Schon-
bergs, in der ein Maximum spezifisch individualistischer Vorstellungs- und musikalischer
Phantasiewelt sich niederschlagt.
Hier ist einzuschalten : schon die Produkte der „Neueri Kunst", die als Rebellion
gegen den formalen Akademismus die letzten drei Jahrzehnte durchziehen, erforderten
einen teilweisen Umsturz der Asthetik des 19. Jahrhunderts, wenn auch die Gestal-
tungsgrundlagen dieser „Neuen Kunst" den Bereich rein asthetischer Spannungen nicht
aufgegeben haben.
In der heutigen, vorgeschrittenen Situation miissen jedoch die bisherigen aesthe-
tischen Kriterien und Mafistabe grundsatzlich versagen. Werden sie angewendet, so er-
geben sich verzerrte Bilder.
Dafi sie trotzdem fast ausschliefilich angewendet werden, sowohl bei der kritiscben
Betrachtung der berufenen Mittler zwischen Produktion und Konsum wie bei der grofien
Masse der Konsumenten selbst, dies ist eine der Hauptursachen der Verwirrung, der das
Kunstleben heute ausgesetzt ist.
Man mifit die heutige Produktion mit den asthetischen Mafistaben, die fur eine
ausschliefilich asthetische Produktion friiherer Zeit Giiltigkeit besessen haben: so er-
wartet man den grofien Gefuhlsausbruch in einer Zeit, deren treibende Krafte auf
logische Klarheit gerichtet sind ; man erwartet sinfonisches Pathos, gesicherte lyrische
82
»J*&*» :
Das einstige »Reich der Kunst«
Intimitat, Verklarung der Leidenschaften aller Art. Und man ist enttauscht, wenn man statt-
dessen ideologische Problematik dargereicht erhalt, die zuebensolcherStellungnahmezwingt;
ist enttauscht, wenn Hagerkeit herrscht, wenn die Struktur der Geruste sichtbar wird
und wenn der Einzelmensch und sein privates Schicksal wie sein Gefiihlsleben an
Gewicht verliert zugunsten der grofien allgemeinen Fragen. Und schliefilich ist
man von der Schmucklosigkeit wie von dem Mangel an seelischem Aufwand peinlich
beriihrt.
In die Lage der — gelinde gesagt — Enttauschung wird nicht nur der einge-
schworene Gegner heutiger Gestaltung versetzt. Auch der Freund des Fortschritts, der
Wortfiihrer und Verteidiger der „Neuen Kunst", sieht sich in schwieriger Lage, da der
rein kiinstlerische Aufschwung, mit dem die Bewegung eingesetzt und rasch zu positiven
Ergebnissen gefiihrt hatte, an Elan verloren hat. Die Konstellation fur die kiinstlerische
Produktion scheint triibe.
Triibe jedoch nur, wenn die hergebrachten Kriterien als weiterhin mafigeblich an-
gesehen werden. Setzt eine Gesamtbetrachtung des Umkreises heutiger Gestaltung ein,
wird aufierdem die Relation zu den entscheidenden Fragen und Gebieten heutigen
Lebens hergestellt, so ergeben sich andere, positivere Bilder.
Auf Grund der Entwicklung der Kunst im 19. Jahrhundert, die im Zusammen-
hang mit stabilen Gesellschaftsformen geschah, ist die Gewohnheit entstanden, die Kvinste
isoliert, jede fiir sich zu betrachten und aufzunehmen. Eine gewisse Kontinuitat von
Hochstleistungen ergab die MaGstabe. Dieser Kontinuitat entsprach eine Kontinuitat
des Bedarfs, wie er sich im Konsum darstelle. Heute ist diese Kontinuitat da wie dort
unterbrochen.
Die in Bildung begriffene neue gesellschaftliche Struktur ergibt ganz bestimmte
Bedurfnisse, die ihrerseits die Produktion in ganz verschiedener Weise anregen. Die-
jenigen Gebiete der Gestaltung, die in unmittelbarer Relation zu den einschneidenden
Lebensfragen stehen, geraten in produktive Bewegung; auf den anderen Gebieten wird
es stiller. So ist es naturlich, dafi beispielsweise das Bauen, dem von den neuen Lebens-
bedingungen ohne Unterbrechung neue Aufgaben gestellt werden — im Wohnbau wie
im Industriebau, wie im Bau von Gebauden der politischen Verwaltung und Propa-
ganda — , sich in produktiver Entwicklung befindet. Ahnlich steht es um den ideo-
logischen Roman und um das didaktische Theater. Ahnlich auch um das Gebiet der
Gebrauchsmusik, das sowohl die chorische Gemeinschaftsmusik wie auch die aktuelle
Tanzmusik und Filmmusik umfafit. Und ahnlich positiv steht es um alle diejeuigen
Moglichkeiten der Gestaltung, die mit der Methode der Montage arbeiten.
Generell: das Reich der Gestaltung ist heute nicht mehr identisch mit dem friiheren,
in sich geschlossenen „Reich der Kunst". Die neue Gesamtstruktur des Lebens, die neuen
gesellschaftlichen und okonomischen Voraussetzungen haben zu einer Verringerung des
Gewichts des Formalen und individuell Erlebnismafiigen gefiihrt. Die erregende Gewalt
und die schopferisch wirkende Kraft des Asthetischen, d. h. des kunstlerisch Gestalterischen
im friiheren Sinn verlieren ihre beherrschende Bedeutung. Die Gestaltung begibt sich
in diejenigen Gebiete, die die eigentlichen Probleme der neuen menschlichen und
gesellschaftlichen Struktur darstellen; sie bedient sich hierbei automatisch der neuen
83
mmmmmm
Asthetische und funkiionale Mallstabe
technischen Ausdrucksmittel. Lebensbezogenheit iiberhaupt, Relation zu generellen neuen
Lebensaufgaben, gestalterische Erleuchtung und Durchleuchtung der neuen Lebens-
problematik und der neuen Gef'iihlswelt, gestalterische Erfassung der realen Bediirfnisse —
auf diese Gebiete bezieht sich die Gestaltung, dort hakt sie ein. Neue Aufgaben werden
von den neuen Bediirfnissen gestellt, und unmittelbar aus den Aufgaben ergeben sich
neue Formen der Darstellung und des Ausdrucks: die neuen Bauaufgaben (Synthese
aus okonomischen Voraussetzungen, Lebensforderungen und technischen Erfindungen)
schafFen die Voraussetzungen fiir einen grofien Aufschwung der Architektur, das Theater
der neuen gesellschaftlichen Spannungen findet aus sich heraus neue Formeln des Biihnen-
mafiigen, das Bediirfhis nach Gemeinschaftsmusik — in den verschiedensten Aus-
pragungen vom Wanderlied bis zur politischen Hymne — provozierte neue musikalische
Formungen, die Bildhaftigkeit statistischer Zusammenhange fuhrt zu vollig neuen optischen
Bildungen.
Legt man die Mafistabe, die von kiinstlerischen Monumenten der Vergangenheit
abgeleitet sind, an derartige Produkte, so kann hochstens die formale Kombination,
niemals das primare Wesen dieser Produkte erfafit werden. Primar ist das Funktionale,
die Belation zur Bealitat; das Asthetische wird sekundar.
Dafi das Asthetische sekundar geworden ist, bedeutet keineswegs, dafi die Qualitats-
frage zugunsten des Funktionalen (also einer Art von Gesinnungsfrage) ausscheidet. Im
Gegenteil: neben der funktionalen Produktion steht die Arbeit in den Laboratorien der
absoluten Kunst, wie sie sich in den Erzeugnissen etwa der Konstruktivisten, der Ab-
strakten und etwa der Surrealisten darstellt. In diesen Laboratorien entsteht gleichsam
die Nomenklatur der neuen Gestaltungsmoglichkeiten. Dort wird zugleich die Briicke
zwischen der absoluten und funktionalen Gestaltung geschlagen. Die neue funktionale
Gestaltung bedient sich der in diesen Laboratorien geschaffenen Elemente der Form
wie der Kombinationsmoglichkeiten dieser Elemente. Umrisse einer Synthese des
Funktionalen und Absoluten als der Gestaltungsweise der Zukunft mogen in einzelnen
Produkten (wie etwa bei Weills „Burgschaft") schon jetzt erkennbar werden.
Eine klare Situation hat sich ergeben: die Vorherrschaft der asthetischen Kriterien
fiir die Produkte der gestaltenden Arbeit wird abgelost von funktionalen Kriterien;
primar entscheidend erscheinen das Mafi der Beziehung zu Bealitat, zur Lebensstruktur,
das Mafi der Verflechtung in Produktionsprozefi und Aufgabenkreis, der von den
neuen Lebens-, Denk- und Gefiihlszusammenhangen gestellt wird, die Teilnahme an den
erregenden Problemen, aus denen sich die neue Lebensform bildet (und denen sich
gerade der schopferisch gestaltende Mensch weniger als je zu entziehen vermag). Die
Mafistabe im einzelnen leiten sich ab von den Arbeitsergebnissen, die in den Laboratorien
der absoluten Gestaltung gewonnen werden; wobei bedacht werden mufi, dafi die dort
vollzogene Herausarbeitung der Elemente und ihre neuen Kombinationsmoglichkeiten
in steter Relation stehen zum neuen, in Bildung begriffenen technischen Instrumen-
tarium. Dafi hierbei Gestaltungsprinzipien fruherer Epochen weiterwirken, ist selbst-
verstandlich.
Fiir die Betrachtung der kiinstlerischen Produktion fruherer Epochen ergibt die
neue funktionale Betrachtungsweise eine Einstellung, die ihre lebendige Wirkung starker
macht als vielleicht je; ein beliebiges Beispiel mag die Wandlung beleuchten, eine grund-
84
■ ■;«;*- &&£&-. P-. > *■"-? *?* ^?^W*
Der Widerspruch zwischen Drama und Auffuhrungsstil
satzliche Betrachtungseinstellung, die ihrerseits noch einmal das Wesen der heute na-
turlichen, den Lebensumstanden entsprechenden Kriterien bezeichnet: eine, wenn auch
noch so dichterische Beschreibung der Sixtinischen Madonna Raffaels, eine wenn auch noch
so neuartige Msthetische Analyse erscheint uns heute sekundar; erregend, Lebenswerte
vermittelnd wird diejenige erkenntnismafiige Darstellung sein, die das Werk als eine Syn these
von allgemeinen Lebensumstanden und personlicher Struktur des Schopfers umschreibt.
Fur die Kunst des Theaters! Herbert jhering
Es erscheint vielleicht vermessen, heute iiber dramaturgische Thesen zu sprechen,
wahrend iiberall die Biihnen zusammenbrechen. Wenn es sogar Erwagungen gibt, das
Berliner Staatstheater zu schliefien — was hat es dann fur einen Zweck, iiber prinzi-
pielle Fragen nachzudenken ? So konnte gesprochen werden.
In Wirklichkeit ist nichts falscher, als diese defaitistische Einstellung. Nur
weil das Theater keine ideologischen Grundlagen mehr hafte, brach es zusammen. Die
Krise des Theaters ist neben der Wirtschaftskrise eine geistige Krise. Wir miissen also
weit ausholen, um die dramaturgische Situation zu klaren. Wir miissen die Mifiver-
standnisse aufzulichten versuchen, die sich um den ganzen Komplex des sogenannten
Zeittheaters gebildet haben. Wir miissen die Fehlurteile, die sich um die Beziehungen
zwischen Auffiihrung und Stuck, Regie und Drama, Schauspielkunst und Rolle gclegt
haben, aufzeigen.
■
. . . Wenn heute Dramen aus der Vorkriegszeit des deutschen Theaters aufgefiihrt
werden, Dramen aus der naturalistischen oder aus der psychologischen Periode der euro-
paischen Biihne, so kann man fast immer lesen, dafi diese Auffiihrungen schlecht seien
oder verfehlt. Nun ist es aber doch eine bekannte These — und sie wird immer wieder
gegen das Drama, das heute geschrieben wird, ausgespielt, — dafi die Schauspielkunst
oder die Regiekunst auf einer Hohe standen, wie nie zuvor. Immer heifit es, das Stiick
ist schlecht, aber die Auffuhrung ist aufierordentlich. Oder: der Beifall gait nicht dem
Drama, sondern den Schauspielern. Seltsamerweise wird diese These gerade den Stiicken
gegeniiber aufgegeben, die nach der herrschenden Meinung vorzuglich und unanfechtbar
sind. Sollte das nicht zu denken geben? Wie — wir haben eine so hervorragende und
durchgebildete Regiekunst, und gerade die gepriesenen Stiicke der Vorkriegszeit werden
Bchlecht gespielt? Wie denn, wir haben so aufierordentliche Schauspieler, und gerade
die guten Stiicke werden falsch gegeben ? Das ist sehr aufschlufireich. Aufschlufireich
nach zwei Seiten. Entweder kann die Theaterkunst nicht auf der Hohe stehen, die ihr
nachgesagt wird. Oder es mufi gefolgert werden, daft, wenn auch die besten Regisseure
und die besten Schauspieler das psychologische Stuck nicht mehr deckend spielen konnen,
dafi dann vielleicht zu diesen Stiicken von der Gegenwart her schwer ein Weg zu
linden ist, dafi die Schauspielkunst, dafi das Theater andere Wege geht und sich nach
der Rich rung des psychologischen Schauspiels eben nicht mehr entwickelt. Es ware
lacherlich zu behaupten, dafi die wesentlichen Werke von Gerhart Hauptmann oder von
85
mmmmmm
Das moderne Drama will Kunst
Ibsen oder von Schnitzler schlecht waren. Sie sind ausgezeichnet. Sie geben das Welt-
bild der Vorkriegszeit mit einer deckenden, vortrefflich angepafiten Form wieder. Es
wird heute nur — ein anderes Kriterium angelegt. Es wird gesagt, dafi an die Stelle
der psychologischen Individualcharakteristik mit dem anderen Weltbild andere ktinst-
lerisclie Methoden treten mufiten. Das naturalistische und psychologische Theatersttick
von 1890 bis 1910 war der letzte Auslaufer einer Entwicklung. Schon von Hebbel her
wurden die psychologischen und von einer allmahlich erslarkten Arbeiterbewegung her
die naturalistischen Methoden des Theaters entwickelt und weitergebildet und vervoll-
kommnet. Es war in einer ruhigen, in einer organischen Zeit eine stetige, iiberschau-
bare, langsame und konsequente Entwicklung.
Dafi nach dem Zusammenbruch einer ganzen Welt an dieses Bild nicht wieder
angekniipft werden konnte, dafi also auch diese Methoden keine Verfeinerung, keine
Fortbildung mehr vertrugen, das miifite eine selbstverstandliche Erkenntnis sein. Es ist
also gar nicht moglich, die Darstellung, sagen wir, eines Ibsen-Stiickes oder eines
Schnitzler- Werkes heute zum Mafistab fur das Theater zu machen oder fur die Leistungen
eine9 Regisseurs, eines Schauspielers. E9 ist gar nicht moglich, zu sagen, das Theater
habe verlernt, ein geschlossen aufgebautes, psychologisches Werk darzustellen, es miifite
also zu dieser Verfeinerung erst wieder durch bedachtige Erziehungsarbeit zurtickgebracht
werden. Selbstverstandlich kann es durch eine be9ondere Konstellation, mit besonderen
Schauspielern und einem besonderen Regisseur einmal gelingen, ein solches Werk auch
in seiner Geschlossenheit wieder darzustellen. Wir aber sprechen hier nicht von Zu-
fallen, nicht vora Gliick, sondern von Grundlagen und sich ankundigenden Entwicklungs-
tendenzen.
Das Theater kann also zu den alten naturalistischen, in sich vollkommenen, aber
abgeschlossenen, durch eine Welt von uns getrennten psychologischen Stucken oder
vielmehr zu der von ihnen geforderten psychologischen Darstellungsweise nicht mehr
zuriick. Wo es diese Werke richtig spielen kann, ist es Ausnahme und Gliicksfall wie
etwa, wenn Werner Kraufi eine Gerhart Hauptmann-Rolle spielt. Das Theater kommt
aber auch nur in seltenen Fallen zur richtigen Darstellung eines vorgeschobenen,
modernen Werkes, zu einer richtigen Darstellung, das heifit also zu einer Darstellung,
bei der sich Inhalt und Form entsprechen. Es war bis jetzt nicht moglich, an diesem
Stil konsequent weiterzuarbeiten. Das Theater wurde, wie es durch den Betrieb gegeben
ist, immer wieder von anderen Aufgaben abgezogen.
Es ist also notwendig, hier die Begriffe zu klaren und die eingefrorene Termino-
logie aufzutauen. Es ist zu sagen, dafi das moderne Drama Kunst will, Form will,
Stil will. Aber nicht auf den Voraussetzungen einer vergangenen Kunst, sondern auf
dem Weg zu unserer Kunst, die unsere Zeit oder, weil es vielleicht besser ist, dieses
verhafite und umkampfte Wort „Zeit" zu vermeiden, die unser Weltbild formen hilft
oder herausfordert. Diese Arbeit ist schwer. Dann damals vor dem Kriege, in den
Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, ergaben die Voraussetzungen fur eine Kunst
des Theaters sich von selbst, nicht nur des Theaters, sondern auch der Lyrik, der
bildenden Kiinste. Man denke nur an Arno Holz und Richard Dehmel, an Max Lieber-
mann und Lovis Corinth und Slevogt. Man denke an die franzosische Malerei. Man
denke an das alte Moskauer Kiinstlertheater Stanislawskis. Hier entwickelte sich auf
86
Vor einer neuen klassischen Dichtung
der gleichen Grundlage, aber mit den selbstverstandlichen nationalen Abwandlungen,
ein sich erganzendes Weltbild, das sich auf alien Gebieten geistig und kiinstlerisch
durchsetzte von Berlin, von Wien, von Paris und von Moskau aus. Diese organische
Kunst einer gliicklicheren Zeit konnen wir nicht erreichen oder nachahmen, und es ist
frevelhaft, sie zuriickrufen zu wollen. Die Kunst in unserer gliicklosen, zerrissenen, im
schweren Endkampf einer Machtauseinandersetzung stehenden Zeit kann sich nicht or-
ganisch wie eine Pflanze entwickeln. Es miissen erst die Voraussetzungen geschafTen, die
Grundlagen gebaut werden.
An diesen Voraussetzungen wird geschafTen, an diesen Grundlagen wird gebaut.
Es ist eine beinahe heroische Arbeit, in einer materiellen und geistigen Krise ohne-
gleichen, im Nebel der Schlagworte fur die Kunst zu kampfen. Das bedeutet, daft
zuerst einmal das Dickicht von Mifideutungen und BegrifFsstutzigkeiten gelichtet wird,
das heute jede geistige und kunstlerische Betatigung zu ersticken droht.
Ich komme zuriick auf die falsche Gleichung: Zeit ist gleich Unkunst, Kunst ist
gleich Ewigkeit. Es heifit also, zuerst noch einmal deutlich zu sagen, dafi das moderne
Drama, das aktuelle Stuck, als eine Vorstufe zur Kunst betrachtet wird, dafi dieses
Theater aber die Gefiihlswelt der Vorkriegszeit und damit die dramatischen Formen der
Vorkriegszeit nicht zuriickbringen wird und nicht zuriickbringen kann. Es wird ebenso
weit entfernt sein von einer verworrenen idealistischen Romantik wie von einer banalen
Alltagskunst. Es wird Weltanschauungsdrama sein. Aber es wird niemals die Weltan-
schauung des Unaufhorlichen, des Gefuhlsversunkenen, des Traumerischen, des Idyllischen
vertreten. Es wird also auch niemals ein romantisch verspieltes, psychologisch besinn-
liches, idyllisch zuriickgezogenes Drama sein konnen. Es wird viel eher zu einer grofien
Form, zur klassischen Strenge hindrangen.
Zur klassischen Strenge ? Ist das nicht ein Widerspruch zu allem, was sonst theo-
retisch uber das Drama geaufiert wurde und nicht zuletzt von mir geaufiert wurde ?
Gerade, als ich selbst vom „Klassikertod" sprach, wurde schon von mir formuliert, dafi
wir wahrscheinlich vor einer neuen Tendenz zur Klassik stunden. „Es ist Unsinn, wenn
behauptet wird, man wolle die klassische Dichtung zerschlagen, um ein Chaos aufzu-
richten und alle Formen zu zertriimmern. Das Gegenteil ist wahr: neue Formen kiindigen
sich an. Man steht heute vielleicht, zumindest in der Vorbereitung, zumindest in der
Tendenz, vor einer neuen klassischen Dichtung. Vor einer klaren, geistig bestimmten,
unromantischen, formal gebundenen, strengen Buhnendichtung."
Nur werden wir uns eben daran gewohnen miissen, dafi die klassische Form des
Dramas heute etwas anderes ist als damals. Dafi es nicht das Barock Shakespeares,
nicht das idealistische Weltgefiihl von Achtzehnhundert zu gestalten gilt, sondern das
des nachsten Jahrzehnts oder des nachsten Halbjahrhunderts. Dieses Weltgefiihl kann
nicht an den grofien sozialen Gegensatzen, an dem Endkampf der Weltsysteme vorbei-
gehen, der ausgefochten wird. Der „Macbeth" von heute schreitet nicht im Panzer und
mit herabgelassenem Helmvisier daher. Der „Macbeth" von heute ist der grofie Unter-
l> nehmer. Seine Gegenspieler sind nicht Kronpratendenten und Soldnerheere. Es sind
p: andere Unternehmer, andere Industrielle, andere Gruppen und die grofie Anzahl der
Hand- und Kopfarbeiter. Diese Gliederung verlangt beinahe von selbst wieder ein grofi
geschichtetes, chorisches, in strenger Form gegliedertes, sprachlich durchgebildetes, sprach-
87
Filmware und Produktionsbedingung
lich formuliertes Drama. In diesem Stil ist schon das neue Stuck von Brecht „Die heilige
Johanna der Schlachthofe" geschrieben. Zu diesem Stil kann man das Wiederaufleben
der Oratorien und der chorischen Oper rechnen.
Fur die Kunst! Gerade heute Theater und Kunst! Gerade heute Arbeit an einer
neuen klassischen Kunst, die den grofien Auseinandersetzungen der Gegenwart ent-
spricht. die die Fronten aufzeigt, die sich gegeniiberstehen.
Film VOn heute Siegfried Kracauer
Es ist kein Zufall, dafi vor kurzem zwei Biicher erschienen sind, die sich mit den
Verhaltnissen der Filmproduktion befassen und aus ihnen Schliisse auf die Art der
Filme zu ziehen suchen. Ich meine die Biicher von Ilja Ehrenburg („Die Traumfabrik")
und von Rene Fiilop-Miller („Die Phantasie-Maschine"). Beide entspringen dem Be-
diirfnis, das in der Tat mehr und mehr unabweisbar geworden ist: die BeschafFenheit
der den Konsumenten aller Lander gelieferten Filmwaren aus den Produktionsbe-
dingungen zu erklfiren, unter denen diese Waren entstehen. Ehrenburgs Buch ist ein
apokalyptisches Gemalde der kapitalistischen Welt, in der die amerikanischen, deutschen,
franzosischen Filmmagnaten eine betrachtliche Rolle spielen. Sie werden als fleischge-
wordener Profitgeist definiert, und die Absicht des Dichters besteht eben darin, diesen
Profitgeist bei der Arbeit zu zeigen und seine vielfaltigen Wirkungen zu schildern. Er
fiihrt zur Filmfabrikation grofien Stils, zu Transaktionen zwischen den Filmindustrien
der verschiedensten Landern und vor all em zur genauen Abstimmung der Filmprodukte
auf die echten oder vermeintlichen Bediirfnisse des Publikums. Audi Fiilop-Miller be-
legt dokumentarisch — niichterner, aber dafiir nicht sel ten besonnener als Ehrenburg — ,
dafi die typischen Inhalte des (amerikanischen) Films rein kapitalistischen Erwagungen
entstammen. Die Griinder der Branche haben die Gemiitsreaktionen des Publikums
studiert und im Interesse eines breiten Absatzes ihre Fabrikate diesen Reaktionen ge-
nau angepafit. Wozu noch das Bestreben der Produzenten kommt, die Massen an das
System zu fesseln, dem sie selber ihre Erfolge verdanken.
So ist es geblieben. Allerdings sind inzwischen gewisse Modifikationen eingetreten;
besonders bei der deutschen Produktion, mit der ich mich im folgenden hauptsachlich
beschaftige. Die Verscharfung der Wirtschaftskrise hat aus bekannten Griinden gerade
in Deutschland zu einer unerhorten Verscharfung des politischen Kampfes gefiihrt, von
der natiirlich auch der Film nicht unberiihrt geblieben ist. Und zwar tritt, wenn ich
mich nicht sehr tausche, die Riicksichtnahme auf etwaige Publikumsreaktionen zusehends
zuriick hinter zwei aktiven Bemiihungen, die selbstverstandlich den Bediirfnissen ge-
wisser Teile des Publikums entgegenkommen. Einmal sucht die Industrie das in der
Hauptsache biirgerliche Publikum gewissermafien aufzuriisten und zum andern vermeidet
sie geflissentlich auch nur den Schein einer politischen Beeinflussung.
An Hand der fiihrenden deutschen Produktion lassen sich diese beide Bichtungen exem-
plarisch aufweisen. Die Ufa stellt Filme urn Filme her, deren nationalistische Tendenz offen
am Tag liegt. Ich denke noch nicht einmal an den York-Film, in dem lauter provokatorische
Reden geschwungen werden und wieder einmal die Militars iiber die Staatsmanner
88
Benebelung durch Klamauk
triumphieren, sondern an Filme, die zwar weniger unverhiillt, aber darum nicht minder
wirksam verfahren. In einem erst kiirzlich abgelaufenen Spionagefilm: „Unter falscher
Flagge" etwa setzt die Ufa den Weltkrieg als eine gar nicht zu diskutierende Selbst-
verstandlichkeit voraus. Schlachtfelder und Maschinengewehre gehoren zu den standigen
Requisiten dieses Reifiers, und fast die einzige Zivilperson, die in ihm vorkommt, ist
ein Kriminalkommissar, der ebenfalls zu Kriegszwecken verwandt wird. Den Weltkrieg
als Anreiz fur irgendein Sensationastiick zu verwerten, ihm eine Nebenrolle zuzuschieben
wie hier, ist aber gleichbedeutend mit seiner unmerklichen Einverleibung in unseren
Alltag. Ich bezweifle nicht, dafi man so viele unkritische Zuschauer wieder ans Kriegs-
leben gewohnt. Sie fressen die Spionageaffare und schlucken mit ihr zugleich ahnungs-
los das Schlachtgetummel herunter. Bis es zuletzt zur schmackhaften Nahrung wird,
bis sie sich eines Tages nicht mehr dariiber verwundern, einen wirklichen Krieg mit-
zumachen, der dann von Anfang bis zu Ende verfilmt werden wird . . .
Die andere Richtung zeitigt pure Zerstreuungsware. Als um die Mitte vorigen Jahres
die Ufa mit ihrem neuem Produktionsprogramm herauskam, begriindete der „Film-Kurier''
dieses Programm mit folgenden Worten; „Sicher ist das fur Vergniigungen zur Verfiigung
stehende Geld geringer geworden. Aber imraer ist in Zeiten einer das Gemiit bedriickenden
Notlage die Forderung nicht nur nach Brot und Arbeit, sondern audi nach Zerstreuung
erhoben worden, und so wird es auch in Zukunft sein." Gleichviel ob es in Zukunft so
sein wird oder nicht: die Ufa hat jedenfalls ihre Absichten wahrgemacht und zahlreiche
Operetten- und Lustspielfilme auf den Markt geworfen. Sie waren bald besser, bald schlechter
arrangiert, bald mit der Harvey Und bald ohne sie, und hatten niemals auch nur die
Spur eines richtigen inhalts. „Zerstreuung ist angenehm und vielleicht auch niitzlich",
so kommentierte ich seinerzeit das erwahnte Programm, „wird sie aber zum Leitmotiv
iund drangt sie die echte Be.lehrung vollig beiseite, so verfalscht sich ihr guter Sinn. In-
dent sie das bedriickte Gemut erheitert, nebelt sie es nur immer dichter ein, und die
Entspannung, die sie dem Publikum verschafft, fiihrt zugleich zu seiner Verblendung."
In der Tat leistet diese Art der Zerstreuung mittelbar dasselbe wie das vorher erwahnte
tendenziose Genre. Diese systematisch fabrizierten Zerstreuungsdinge lenken das Pub-
likum von der gesellschaftlichen Wirklichkeit ab, statt es iiber sie aufzuklaren, und
machen es damit zur ohnmachtigen Beute der ans Irrationale appellierenden Gewalten.
Um ganz davon abzusehen, dafi in den betreffenden Filmen meistens eine Menge von
Uniformen erglanzen, die gewissermaften ein Surplus darstellen.
Die kleineren Filmproduzenten halten es kaum anders. Ausgesprochene Filme, die
aus ihrer reaktionaren Gesinnung keinen Hehl machen, und neutrale Unterhaltungsware,
die dieser Gesinnung nicht entgegentritt: das ist der Durchschnitt. Nun hat sich in der
letzten Zeit, und zwar gerade in den Kreisen der Kinobesitzer, Darsteller, Verleiher,
Regisseure usw, eine gewisse Opposition gegen den bisherigen Betrieb angemeldet; das
heifit, man bekampft nicht eigentlich seine bedenkliche Tendenz, sondern den sogenannten
„Klamauk"-Film, der rein der Zerstreuung gewidmet ist. Ein Zeichen dafur, dafi die
Filmindustrie mit ihm den Publikumsgeschmack eben doch nicht ganz getroffen hat. Die
Frage ist, was nach der Meinung dieser Leute, die in einer vor kurzem vom „Reichs-
filmblatt" veranstalteten Rundfrage den Klamauk abgelehnt haben, fortan produziert
werden soil. Keiner der Oponenten weifi es zu sagen. Sie machen statt positiver Vor-
89
mrmmimm
Auch fortschrittliche Elemente im Film
schlage unverbindliche Phrasen und sind sich nur darin alle einig, dafi die Herstellung
aktueller „Zeitstucke" der Zensur und der politischen Zerissenheit des Volkes wegen zu
riskant sei. Mit anderen Worten : auch die Gegner der leeren Zerstreuungsprodukte
leugnen die praktische Moglichkeit, Filme herzustellen, die keine blofie Zerstreuung sind.
Aus dem angstlichen Verhalten dieser Klamauk-Feinde geht zum mindesten ein-
deutig hervor, wie stark heute bereits die Kulturreaktion ist. Dennoch gibt es einige
wenige Filme, die dem von ihr ausgetibten Druck zwar nicht entronnen sind, aber sich
ihm auch nicht ganz beugen; so: „Madchen in Uniform", „Kameradschaft" und neuerdings:
„Drei von der Stempelstelle". Ich behaupte nicht, dafi diese Ausnahmen durchweg eine
richtige Haltung hatten; ich bin nur der Ansicht, dafi sie fortschrittliche Elemente auf-
weisen und zeigen, was noch gemacht werden kann. Vermutlich konnte selbst unter den
jetzigen Umstanden viel mehr gemacht werden. Wieviel, das hangt von der geschickten
Ausnutzung der zulassigen Darstellungsmethoden und nicht zuletzt von politischen
Faktoren ab.
Kirchenmusik
Wir werden uns in einer Reihe von Aufsatzen mit der Laee und
den Problemen der Kirchenmusik beschaftigen. Den Anlafi hierfiir
bieten vor allem die geistigen und kiinstlerischen Stromungen des
Neukatholizismus. Wir lassen heute zunachst einen Vertreter der
protestantischen Kirchenmusik zu Worte kommen.
MuSJk Und ProteStantJSmUS Hermann P. Gericke
Noiizen
Amos 5 Vers 23: Tue nur weg von mir das Geplarr Deiner Lieder; denn ich
mag dein Psalterspiel nicht horen. Kolosser 3 Vers 16: Lehret und vermahnet euch
selbst in Psalmen und geistlichen lieblichen Liedern und singet dem Herrn in euerm
Herzen. — Aus einem Dienstvertrag : Der Kirchenmusiker soil in wiirdiger Weise zur
Erbauung der Gemeinde und zur Ausschmuckung des Gottesdienstes beitragen. Die
Entscheidung iiber die musikalische Ausgestaltung desselben liegt beim amtierenden
Pfarrer. — Meine Ghoralvorspielkartei iiber rund 40 Vorspielbiicher enthalt fiir viele
bekannte Chorale kaum ein brauchbares Vorspiel. Die einzelnen Choralmelodien aber
mussen teilweise £ui bis zu 12 verschiedenartige Lieder benutzt werden. — Die Kollekte
zur Deckung der Unkosten betrug in der Abendmusik (Eintritt frei) bei einer Besucher-
zahl von 6C0: RM. 667.7, in einer anderen bei 200 Besuchern: RM. 21.74.
Grundsatzliches
Wollen wir auch noch mit einstimmen in die Klagen, dafi der protestantische
Gottesdienst dem Kirchenmusiker nicht so viel Raum biete wie der katholische und
dafi es fruher anders war? Wollen wir fordern, dafi die Bachkantate in Leipzig in den
Gottesdienst eingebaut wird? Wollen wir der neuen liturgischen Bewegung sagen, dafi
90
HSiSf?«< ! "*'' "
Publikum oder Gemeinde — die Krise der Kirchenmusik
sie in musikalischer Hinsicht energischer vorgehen mufi? Wollen wir fragen, warm die
letzten Massenausgrabungen alter Musik endlich einmal von der evangelischen Kirche
nutzbar gemacht werden ? Wollen wir die Morgenfeiern der Berliner Funkstunde loben ?
Ware das die Not der evangelischen Kirchenmusik, es konnten ein paar energische
Verfiigungen der Kirch enbehorden vieles andern. Aber man redet mit diesen Dingen
an dem Kernpunkt vorbei. Man iibersieht, dafi durch unsere musikalisch best versorg-
testen Gottesdienste ein Rifi geht, der gerade in den letzten Jahrzehnten immer wieder
durch Teilerfiillungen obiger Forderungen verklebt wurde, bis ihn nach dem Kriege die
gegenwartig lebendigste und radikalste Theologie, die von Karl Barth und Gogarten,
wieder aufdeckte: den 150 Jahre alten Gegensatz zwischen Christentum und Idealismus.
Worum handelt es sich — soweit es fur unser Thema in Frage kommt — bei
diesem Gegensatz, und wie wirkt er sich fur die Kirchenmusik aus ? Durch die religiose
und kunstlerische Einstellung eines Goethe, Schiller, Kant, Hegel, Haydn, Mozart, Beet-
hoven verlor die Kunst endgiiltig ihre direkte Beziehung zur Kirche. Sie war eingestellt
auf Diesseitsfreudigkeit, erzeugte eine Hochachtung gegeniiber alien menschlichen, be-
sonders kiinstlerischen Leistungen, eine Freude am Schonen, den asthetischen Genufi.
Erstrebenswertes Ideal war der Kiinstler, der nach Beethoven der Gottheit naher steht
als die anderen und von dort aus die Strahlen des Lichtes der Menschheit sender. Dem-
gegemiber aber hielt die Kirche fest an der Verkiindigung der gleichen Siindigkeit und
Verlorenheit aller Menschen, des „ganz anderen" Gottes, der Notwendigkeit der Erlosung
durch die gottliche Gnade. Sie sah in dem Idealismus eine „Fehlentwicklung" und
„Ketzerei". Da ihr fur den Gottesdienst seit Bach grofie Meister und damil grofie Impulse
in Bezug auf die Kirchenmusik fehlten, da ferner der Rationalismus nachwirkte, erhielt
das Wort eine viel grofiere Bedeutung als es vorher hatte. Die Predigt wurde der
Mittelpunkt, auf den hin sich alles zu beziehen hatte. „Gottes Wort, das Fleisch ward",
d. h. Geist, der Form annahm, war seither nur denkbar als tatsachlich gesprochenes,
begrifflich faGbares Wort. DaG die Musik aber aus noch viel tieferen Quellen stammt,
noch reiner und schlackenloser Form ist, als das begriffliche Wort — diese Wert-
vorstellung trat immer mehr in den Hintergrund; Musik diente nur noch als „Aus-
schmuckung" des Gottesdienstes.
Der biirgerliche Mensch nun, soweit er Protestant war, stand in diesem Zweiwelten-
Konflikt, ohne sich aber zu entscheiden. Er besuchte die Kirchen und nahm dort die
protestantische Lehre in sich auf, andererseits ging er ins Theater und Konzert und be-
geisterte sich an den kiinstlerischen Leistungen. Die heraufkommende Kunst war nun so
stark individualistisch, daG das mehr oder minder anonyme Musizieren fruherer Jahr-
hunderte, das ganz auf Gemeinschaft und Dienst an der Religion eingestellt war, immer
mehr „Dienst am Werk" wurde, zu dem der Schaffende sich sein Gesetz selbst gab. Das
Publikum wurde Zuhorer, Bewunderer, Kritiker — passiv. Diese Haltung xibertrug sich
audi von Theater und Konzert auf die Gottesdienstmusik, wie umgekehrt kirchliche Werke
den Weg in den Saal fanden. Aus der Gemeinde wurde, wenn kirchliche Instrumental-
und Gesangsmusik erklang, ein idealistisches, meistens sogar nur kritisches oder bequem
genieGendes Publikum. Seine Haltung war auf jeden Fall dem Wollen der Kirche ent-
gegengesetzt. Wenn wir also heute beim Abendmahl so wie fruher Bachs Chaconne fur
91
Mehr Aktivitat in der Kirchenmusik
Solovioline spielen lassen oder sonst irgendwelche musikalische Bereicherung des Gottea-
dienstes bringen, so wird durch die aus dem vorigen Jahrhundert gewonnene Einstellung
niemals eine Steigerung der religiosen Haltung oder eine grofiere Intensitat religiosen
Erlebens erreicht. Es ist also verstandlich, wenn die Kirche beim Erklingen kunstlerisch
hochwertiger Musik im Gottesdienst Gefahr wittert, dafi in diesem Moment aus dem
Gottesdienst ein Konzert und aus der Gemeinde ein Publikum wird. Der Gottesdienst
muG aber in jedem Moment „Verkundigung des Gottlichen Wortes" sein, wie er es fruher —
auch wenn Musik erklang — war. Heute ist das nur nocb bei Textverlesung und Predigt
einerseits und beim aktiven Bekenntnis der Gemeinde in Liturgie und Choral anderer-
seits der Fall.
Diese geistige Situation mufi man sich Mar machen, wenn man die Lage der
evangelischen Musik und die unbefriedigenden Ergebnisse gutgemeinter Besserungsversuche
verstehen will. Unseres Erachtens ergibt sich fur die Zukunft hieraus folgendes: erst
wenn es den Musikpadagogen gelungen ist, aus dem passiven Musikgeniefien wieder ein
aktives Nacherleben der in dem Kunstwerk verkorperten geistigen Gesetze und Form-
werte zu machen, erst wenn in der Musik wieder eine hohere Offenbarung als in Weis-
heit und Philosophie gesehen wird, dann erst ist die Vorraussetzung dafiir geschaffen,
dafi die Kirchenmusik im Gottesdienst gegeniiber der einseitigen Verkiindigung durch
das Wort wieder in ihre alte Stellung riicken kann. Andererseits aber mufi die Kirche
heute schon anerkennen, dafi es diese aktive Haltung auch der gehorten Musik gegen-
iiber gibt: und dafi in einem Bachschen Werk z. B. tatsiichlich eine grofiere „Gotteswort-
Verkiindigung ; ' erlebt werden kann als durch eine Predigt. Warum will die Kirche auf
sie verzichten? Qui cantat bis orat! Predigt und Musik gehorten ja doch in den Zeiten
hochsten reformatorischen Lebens gleichwertig zusammen.
Die Notwendigkeit solcher grundsatzlichen Regelungen darf nicht verschiittet werden
durch das, was noch oder schon wieder in der Kirche an Musik lebendig ist. Sowohl im
Gottesdienst wie in Abendmusiken kann man gelegentlich musikalische Beeindruckungen
erfahren, dafi man glauben mochte, den obigen Gegensatz gabe es garnicht.
Praxis
Wir sagten schon: die geforderte Aktivitat und das Bekenntnis sind, soweit es sich
urn musikalische Aufierungsformen handelt, heute vor allem in der Liturgie und im
Choral vorhanden. Lassen wir die Liturgie beiseite. Das ist gerade jetzt alles im Werden.
Treten wir nur dafiir ein, dafi nicht in alien Gottesdiensten die gleiche schematische
Folge bleibt, sondern dafi entsprechend dem Grundgedanken des jeweiligen Sonntags
ein Wechsel eintritt. Es erscheint ja iiberhaupt im Moment fraglich, ob wir mit der
Uberwindung des Individualismus schon soweit sind, dafi wir die neuen Moglichkeiten
fur die neue Gemeinschaft sehen, sodafi aus den gegenwartigen Versuchen Endgiiltiges
hervorgehen konnte.
Aber auf dem Gebiet des Choralgesanges ist Durchgreifendes geschehen. Da im
19. Jahrhundert der gesungene Textinhalt wichtiger war als die rhythmische Kraft der
Choralmelodie, verflachte der Gemeindegesang zu der Eintonigkeit, die heute noch
vielerorts fur ihn typisch ist. In gleichmafiigen Vierteln, am Schlufi jeder Zeile eine
92
Die Kirche braucht neue Musik
Fermate klangen ruhige und bewegte Melodien gleichartig. Die Zeileneinteilung zerrifi
oft Melodie und Textsinn. Jetzt geht man auf die rhythmisch bewegte „alte" Form zu-
riick. Leichte Auftakte, Wechsel von 9chweren und leichten Werten, Wechsel im Zeit-
mafi charakterisieren den rhythmischen Choral. Wo dieser gut gesungen wird, da
ist fiir die inusikalische Bereicherung des Gottesdienstes mehr getan als durch solistische
Einlagen. Jetzt werden von hier aus die Kirch enchore, die, in der Tradition der Motetten
des 19. Jahrhunderts erzogen, vor jeder rhythmischen Verschiebung in einem Schiitz-
Chor ratios standen, diese als eine Selbstverstandlichkeit hinnehmen.
Desgleichen wird sich fiir die Gemeinde gegeniiber manchem Orgelwerk der alten
Meister ein besseres Verstandnis anbahnen. Der Wille zur Freudigkeit, der die Barock-
musik auszeichnet, kommt durch die frischen Bhythmen wieder in den Gottesdienst.
(Wobei leider viele Organisten Freudigkeit mit Schnelligkeit verwechse.ln und der
Gemeinde die „Freudigkeit" zu dem neuen Gesangbuch rauben.) Der andere Mangel,
dafi nach wie yor fiir eine Anzahl verschiedenartiger Texte nur eine Melodie zur Verfiigung
steht, konnte ja erst durch eine Zeit neuer evangelischer Schopferkraft auf musikalischem
Gebiete beseitigt werden. Schwierig ist aber angesichts dieser Tatsache die Wahl eines
Vorspieles. Was zur Melodie pafit, braucht noch nicht zu dem gewahlten Text zu passen.
Hier liegt eine Moglichkeit fiir den schaffenden Musiker der Gegenwart; denn es herrscht
trotz der vielen vorhandenen Choralvorspielbiicher ein ungeheurer Mangel. Wir konnen
heute noch fiir jeden Choral unseres Gesangbuches eine Menge Vorspiele gebrauchen
von 2 — 7 Minuten Dauer, Nachspiele in jeder beliebigen Lange, daneben Chormusik fiir
52 Sonntage!
Freilich, individuelle Experimente, unwahre Kiinsteleien, Nur-Asthetik konnen uns
nichts niitzen. Die Aufgabe liegt doch so : wir sollen mit unserem Vorspiel die Besucher
des Gottesdienstes mit all ihren Einzelsorgen und -freuden zu einer Einheit verschmelzen
und liber sich hinausheben. Daneben soil dem jeweiligen Aufbau des Gottesdienstes im
einzelnen gedient werden. Die Musik des vorigen Jahrhunderts ist fiir diese Zwecke
wenig geeignet. Sie wurzelt selbst im Individuellen, sie lafit den einzelnen im Grunde
bei sich, ihr fehlt die gemeinschaftbildende Kraft. Da die grofien Musiker des vorigen
Jahrhunderts kaum Kirchenmusik geschrieben haben, wurde die Aufgabe von weniger
Berufenen ergriffen, sodafi eine Fiille absolut wertloser Kirchenmusik vorliegt. So greift
man immer wieder auf die Musik vor und bis Bach zuriick. Niemand wird den Reichtum
und kiinstlerischen Wert dieser Musik in Frage stellen; aber allein reicht sie auf die
Dauer auch nicht aus. Ja, seien wir ehrlich, vielleicht erfassen wir mit ihr noch weniger
Menschen als mit der romantisierenden Musik, zumal wenn wir „moderne Orgeln"
haben. Sachliche, im alten Sinne „handwerklich" gut gearbeitete Musik mit der Hin-
wendung zu objektiven Gesetzlichkeiten, ist das nicht ein Grundzug der modernen
Musik? Das ist es auch, was wir fiir die Kirche brauchen. In dieser Zeit, wo es gleich
sinnlos erscheint, Quartette, Symphonien oder Opern zu schreiben, weil das Publikum
dazu fehlt, warten Tausende von Kirchenmusikern auf Neuerscheinungen, weil — wie
% ; gesagt — das vorliegende Material in keiner Weise ausreicht.
M l
Ik Erganzend zu diesen Problemen sollen spater : die Orgclbewegung und ihr Einflufi, alte und neue
Musik im evangelischen Gottesdienst und in Abendmusiken und weitere bedeutsame Einzelfragen behandelt
werden.
93
mil i i., mmmmmmmmmmmmmmmm
Alte Musik: ein Sonderfall im Programm
Rundfunk - Film - Schallplatte
Rundfunk und alte Musik
Hans David
Der aufierordentlich starke, stetig sich erneuernde stoffliche Bedarf der Rundfunk-
Gesellschaften fuhrt auf jedem Gebiet zu unaufhorlichen Versuchen, die Grenzen der
einbezogenen Kulturgebiete zu erweitern. Dies gilt naturgemafi in besonders hohem
Mafie fur die musikalischen Darbietungen, die ja im Rundfunk weit groGeren Raum
erhalten als im zuvor gewohnten kulturellen Leben. Der Wunsch nach Erschliefiung
von neuem oder zuvor schwach ausgewertetem Material wird vielleicht am deutlichsten
spurbar in der allzu bereitwilligen Aufnahme von Gebrauchsmusik der vorletzten Jahr-
zehnte. 1 ) Daneben hat das Bestreben, den Kreis der als lebendig anzuerkennenden Kunst-
iibung auszudehnen, den AnlaS dazu gegeben, dafi aus dem musikalischen Schaffen der
letzten l'/a Jahrhunderte zahlreiche vergessene und verkannte Werke hervorgeholt und
dem Bewufiisein der Gegenwart wiedergeschenkt werden konnten. Auch iiber die histo-
rische Scheide von 1750 hinaus wird nunmehr mit einer gewissen zuruckhaltenden
Regelmafiigkeit zuriickgegriffen. Indessen zwischen der geistigen Einordnung der alteren
Musik und jener der Werke aus neuerer Zeit bleibt ein prinzipieller Gegensatz. Die
Werke des^ 19. Jahrhunderts werden bis in die Gegenwart hinein mit leichten Ein-
schrankungen als giiltig, als lebendig geblieben empfunden. Von der Musik des aus-
gehenden 18. Jahrhunderts weiterhin trennt uns zwar ein grofierer Unterschied der
Stile, der Haltung, aber sie erscheint uns gleichfalla als Ausdruck der gleichen Epoche,
als fruhes Glied eben jener Entwicklung, die noch die Gegenwart bestimmt und darum
in tieferem Sinn uns nicht fremd sein kann. Dementsprechend werden Auffiihrungen
der vorklassischen, klassischen und romantischen Musik in nahezu gleichem Mafi wie
solche der neuesten Musik als unserem gegenwartigen Kulturkreis zugehorig anerkannt
und fiir selbstverstandlich gehalten. Auffiihrungen der friiheren Musik hingegen erscheinen,
mit Ausnahme vielleicht von Teilen des Bachschen Schaffens, durchweg als Sonderfalle,
die einem kleinen Kreis zuliebe durchgefiihrt werden. Wahrend die Auffiihrungen der
neueren Werke dem Gefiihl, Erlebnis, Genufi auch des Laien sich darbieten, erregen
die Auffiihrungen von Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock fast
durchweg lediglich historisches Interesse.
Dieser Gegensatz in der Einstellung zu den Schopfungen verschiedener Zeiten ist
keineswegs in einem Qualitatsunterschied begriindet; denn man kann schwerlich be-
haupten, dafi das kiinstlerische Niveau von genialen Musikern wie Dufay, Josquin,
Palestrina, Andrea und Giovanni Gabrieli, Frescobaldi oder Purcell durch die Schopfungen
') Man vergleiche die vollig flberzeugenden Ausfuhrungen, die von Dr. Nick, dem musikalischen Leiter des
Schlesischen Rundfunks, zu diesem Problem an gleicher Stelle gemacht worden sind : „Unterhaltung3muaik
im Rundfunk", Melos 1929 Dezember.
94
•*m?
MiRverhaltnis zwischen Werk und Wiedergabe
etwa von Bach und Handel oder Haydn, Mozart, Beethoven irgendwie „uberholt" ware.
Die verschiedenartige Beurteilung von Werken einerseits der ferneren, andererseits der
naheren Vergangenheit findet aber weiterhin auch in der Differenz der Stile nicht etwa
ausreichende Begriindung; denn wir erleben es immer wieder, dafi gelegentlich einmal
ein Moment oder auch vollstandige Satze uns zutiefst beruhren, als seien sie Aufierungen
unserer selbst, Ausformungen gleichsam der be8timmten Zeit, in der wir leben. Wenn
also die Auffiihrungen von Gestaltungeri der Vergangenheit nicht mehr zu bedeuten ver-
mogen als Stoff fiir geschichtliche oder gar psychologische Studien, so erklart sich diese
eben so betriibliche wie ungerechtfertigte Tatsache nicht etwa aus der Eigenart der Werke,
sondern aus der Eigenart der Interpretation, mit deren Hilfe man sie wiederzubeleben
versucht. Die Auffiihrungen alter Musik, wie sie in unseren Konzertsiilen iiblich geworden
sind, umschliefien auch fiir den Kenner und Liebhaber ein oft betrachtliches Mafi von
Langeweile. Fast niemals freilich wird das offen ausgesprochen ; denn man hat zu grofie
Achtung vor den Werken selbst, als dafi man zugeben mochte, sie seien doch schon ziemlich
angestaubt oder gar zopfig. In Wahrheit sind die Werke zumeist so grofiartig und in-
tensiv, dafi von ihnen eine unerhort starke urid packende Wirkung ausgehen miiCte.
Bei Auffiihrungen nun aber decken sich Struktur des Werkes und Art der Wiedergabe,
wie dem genauer Betrachtenden immer wieder deutlich wird, nur erschreckend selten.
Eben dieses Mifiverhaltnis zwischen Sinn des Werkes und klanglioher Verwirklichung
zerstort iiberaus^haufig die eigentliche Lebendigkeit der Werke, ja geradezu ihre iiber-
zeitliche Giiltigkeit. Wenn wir zu einer lebensvolleren Auspraguug alter Musik kommen
wollen, miissen wir weit starker, als dies bisher geschehen ist, urn die Probleme der
Auffiihrungspraxis — und zwar nicht so sehr im philologisch-historischen als im geistig-
kiinstlerischen Sinn — uns bemiihen. Dies gilt in erster Linie auch fur den Bundfunk.
Dafi man gern die Darbietungen alter Musik ausdehnen mochte, ist offensichtlich ; aber
zunachst geht, nicht ohne Grund, der grofite Teil der Horerschaft mit Bestrebungen
solcher Art nicht mit. Eben der Bundfunk konnte in diesem Zusammenhang eine kul-
turelle Leistung vollbringen, die von keiner anderen Institution laus durchzufiihren
ware, eine Leistung zugleich, die, keineswegs lediglich ein Geschenk an das musikalische
Leben der Gegenwart, dem Bundfunk selbst in erster Linie und in voller Breite zu-
gute kame.
Um die nicht ganz einfachen Verhaltnisse zu verdeutlichen, mufi auf einige prin-
zipiell wichtige Erscheinungen hingewiesen werden. — Die musikalische Gestaltung des
Mittelalters, der Benaissance und des Barock bis zur grundsatzlichen Wendung um die
Mitte des 18. Jahrhunderts pragt lineare und polyphone Grundhaltung aus, indem sie
in jedem Satz die Vorstellung einer unveranderlichen Anzahl selbstandiger Einzelstimmen
verwirklicht. Klangliche Wechsel ergeben sich aus dem thematischen, rhythmischen, zahlen-
mafiigen Verhaltnis der jeweils beschaftigten Stimmen: Solche Kunstiibung widerstrebt
ihrem Wesen nach jeder weitergehenden Differenzierung der Klangstarken, jeder rein
physikalischen Abwandlung des durch die Anlage der Satze gegebenen Grades von Laut-
heit. Zahlreiche geschichtliche Zeugnisse bestfitigen, dafi die alte Musik tatsachlich auf
Musizieren innerhalb einer einzigen beibehaltenen Klangebene oder auf Entgegensetzung
von einigen wenigen, in sich wiederum gleichbleibenden Klangspharen gestellt war. Eben
darum ist diese Kunst fiir den Bundfunk weit iiber das notwendige Mindestmafi
95
Warum so wenig Neues im Rundfunk?
hinaus geeignet. Die Tatsache, dafi durch Sendung und Empfang eine doppelte Apparatur
zwischen Klangquelle und Horer sich einschiebt, bedingt naturgemafi eine Beschrankung
des zur Verfiigung stehenden Klangraums; fur die Ubertragung bedeutet demnach eine
akustische Kunst, die nur begrenzte dynamische Differenzierung voraussetzt, idealen Stoff.
Die fiber alle Erwartung vorziiglichen Erfahrungen, zu denen ein im Konzertsaal so
heikles Instrument wie das Cembalo vor dem Mikrophon ffihrte, bestatigen die Richtig-
keit der zitierten ErwSgungen. Dementsprechend miifite fiir den Rundfunk umfassende
Wiederbelebung gerade von wertvollen Werken der Vergangenheit besonders wesentlich
erscheinen 1 ).
Opernfunk oder Funkoper?
Grundsatzliches zum Radioprogramm
Hanns Gutman
Es ist nur eine Teilerscbeinung der allgemeinen Mutlosigkeit, die seit einiger Zeit
den gesamten deutschen Rundfunk ergriffen hat, wenn die Versuche, zu neuen, funk-
typischen Vermittlungsformen zu gelangen, bis auf wenige und kaum bedeutungsvolle
Ausnahmen wieder eingeschlafen sind. Literarische Horspiele erscheinen mit einer
Seltenheit, die angesichts der materiellen Notlage so vieler, audi begabter Schriftsteller
einfach unbegreiflich ist. Mit den musikalischen Horspielen steht es weder anders noch
besser. Innerhalb der Musik sind an sich die formalen Moglichkeiten viel zahlreicher;
umso mehr mufi es auffallen, wie wenig Gebrauch von ihnen gemacht wird. Gar von
einer originalen Funkoper hat man seit Goehrs erstem und uberhaupt einzigem Versuch
(Malpopita) nichts mehr vernommen. Aber audi die fibrigen, weniger anspruchsvollen
Formen der Funk-Komposition werden, nach anfanglichem Auftrieb, heute nur noch
selten ausprobiert, und die sparlichen Beitrage, die man ab und zu horen kann, sind
im Durchschnitt von sehr geringer Uberzeugungskraft. Der Riickzug zu den bewahrten
alten vorfunkischen Musik-Kategorien wird mit fliegenden Fahnen angetreten.
Dieser bedauerliche Umstand ist weder mit der sattsam bekannten kulturpolitischen
Angstlichkeit aller offentlichen Institutionen hinreichend erklart noch durch die ebenfalls
bis zum Uberdrufi zitierte Wirtschaftslage gerechtfertigt. Denn so weit sind wir ja
schliefilich noch nicht, dafi rein kunsttechnische Experimente mit dem Hinweis auf ihre
„kulturbolschewistische" Gefahrlichkeit unterbunden werden konnten. Und wie giinstig
nach wie vor die Finanzen des Bundfunks liegen, das hat man uns eben erst an
hochster Stelle versichert, ganz abgesehen davon, dafi die Erprobung formaler Neuerungen
nicht unbedingt grofiere Mittel zu verschlingen braucht als die oftmals sehr kostspielige
Interpretation des ewig Gleichen. Kein Zweifel also kann dariiber bestehen, dafi, der
Rundfunk (in Deutschland) die geistige wie die materielle Handhabe besitzt, mehr ab
nur eine vermehrte Neu-Auflage von Konzert und Oper zu sein. Kein Zweifel aber
audi dariiber, dafi er von diesen seinen grofiziigigen Moglichkeiten zur Zeit einen gar
zu bescheideneu Gebrauch macht. Das soil uns nicht hiridern, diese immer wieder zur
Diskussion zu stellen.
*) Ein zweiter praktische Vorschlage enthaltender Aufsatz folgt.
96
Man muR den Horer uberlisten
Der beliebteste Einwand, der gegen die Forderung nach einer Vergeistigung des
Funkprogrammes imraer wieder erhoben wird, lautet: die Leute wollen das nicht. Die
Leute wollen „Rundtanze fiir die altere Jugend". Das stimmt sicher. Hinsichtlich der
geschmacklichen Stumpfheit des normalen Horers ist jede noch so unbegrenzte Skepsis
angebracht. Die Frage ware nur, bis zu welchem Grade der Tragheit eben dieses Normal-
horers nachgegeben werden mufi. Kein Zeitungsleser verlangt von seinem Leib- und
Magenblatt, dafi es lauter ihn personlich angehende Artikel enthalten miisse. Kein
Filmfreund erwartet von seinem Stammkino, dafi es nur seine Lieblingsfilme spielen
wird. Gewifi, ein Clair-Film mufi heute iiberall mit einem guten Dutzend konfektionierter
Klamaukware erkauft werden; aber er wird audi erkauft. Ebenso hat der Funk-
Abonnent kein Anrecht darauf, sechzehn Stunden am Tag die Melodie seines Herzens
zu horen. Es ist letzten Endes eine Frage des Prozentsatzes.
Um Mifiverstandnissen vorzubeugen : damit ist nicht einer hochmiitigen Esoterik
das Wort geredet. Keineswegs meine icli, dafi die der iiblichen Horbequemlichkeit ab-
gerungenen Stunden nun etwa zu exklusiven Veranstaltungen fiir Musiker und lntellek-
tuelle ausgebaut werden sollten. Im Gegenteil, gerade das ist ja die wichtige und lohnende
Aufgabe, fiir die serioseren Dinge den Kreis der Interessierten allmahlich zu erweitern.
Das geschieht indessen nicht, wie eine weit verbreitete lrrlehre behauptet, indem man
das Niveau so lange senkt, bis es mit dem Normalgeschmack zusammentrifft. Andrer-
seits konnen allerdings nur unheilbare Utopisten glauben, dafi die „Bildung"jdes Badio-
publikums gelingen wiirde, wenn man ihm nur lang und hartnackig genug mit „ernster
Musik" zusetze. Man unterschatze nicht, wie leicht es ist, einen Lautsprecher verstummen
zu lassen! Worauf es also ankommt, das ist vielmehr: auch die schwerere Kost schmack-
haft zu machen. Wer hier den Pharisaer spielt und durch solche Kunstgriffe die „Heilig-
keit" der Kunst bedroht wahnt, der fordert nicht die gute Musik, die er doch fordern
will, sondern blofi den Schlager, die Unverbindlichkeit jeder Art. Das Oberlehrertum
hat in der deutschen Musik schon Schaden genug angerichtet; der Rundfunk ware
wahrliaftig die letzte Stelle, wo man ihm einen Platz einraumen diirfte.
Fiir das, was mir vorschwebt, hat Gronostay kiirzlich den etwas anriichigen, aber
treffenden Ausdruck „Reiz-Montage" gepragt. Man mufi den Horer sozusagen uberlisten.
Darum: je unakademischer, desto besser. Je „reizvoller", desto wirkungsvoller. Wenn es
dem Rundfunk eines Tages gelingen sollte, das alte Vorurteil zu beseitigen, dafi gute
Musik nur ein Synonym fiir langweilige Musik ist, dann wird er mehr fur die musika-
lische Kultur erreicht haben als tausend doktriniire, ethosdurchpulste Yollbarte.
Erwagungen wie diese fiihren ganz zwanglaufig auf die Frage nach der Einbe-
ziehung der Oper in das Programm des Rundfunks. Denn die Oper ist diejenige unter
den grofieren Form en der Kunstmu9ik, die dem Laien die meisten Ansatzpunkte eines
leichteren Verstandnisses bietet. Man kennt das Fiir und Wider; es ist oft genug er-
6rtert worden. Aber alle noch so stichhaltigen Bedenken, die dagegen sprechen, ver-
mogen nichts auszurichten gegen den einen zwingenden Tatbestand, dafi der Rundfunk
einen unermefilich grofien Bedarf an Musik hat und es sich darum gar nicht leisten kann,
auf eine ganze Gattung zu verzichten. Die Aufnahme der Oper in das Radioprogramm
ist somit eine glatte Selbstverstandlichkeit. Nur: wie die Oper vor dem Mikrophon zu
erscheinen hat, das steht zur Debatte, und mir scheint, dafi iiber diesen Punkt noch zu
97
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Der Rundfunk, ein lebendiges Museum
oft der Zufall, zu selten eine kunstlerische Anschauung entscheidet. Da die praktische
Verwirklichung des Fernsehens offenbar wieder in weitere Feme geriickt ist, als es vor
Jahren den Anschein hatte, bleibt die Frage von unverminderter Aktualitat: wie hat
der Rundfunk die Oper zu verwandeln, um ihr ein Maximum an Wirkung zu belassen,
nachdem er ihr eine ihrer wesentlichen Eigenschaften, die Bildhaftigkeit, rauben mufi?
Die mehreren Moglichkeiten spannen sich zwischen zwei Extremen, die ich in der
Uberschrift dieses Artikels schlagwortartig zu skizzieren versucht habe. Opernfunk:
das ware die einfache Ubernahme einer stehenden Opernvorstellung aus einem Theater-
Funkoper, der aufierste Gegenpol: das ware ein eigens fur die Bedurfnisse des Rund-
funks komponiertes Kunstwerk, so sehr den nur-akustischen Bedingungen angepafit, dafi
es auf einer regularen Biihne gar nicht dargestellt werden konnte. Diese Moglichkeit ist
heute, wie gesagt, noch so gut wie unbenutzt. Ist also der Opernfunk offensichtlich nur
ein Behelf, die Funkoper aber einstweilen noch ein Wunschtraum, so mufi es zwischen
den beiden Polen mittlere Losungen geben, die keineswegs nur die ublen Begleiter-
scheinungen eines Kompromisses aufzuweisen brauchen.
Trotz der unvermeidlichen Liickenhaftigkeit des Gesamteindruckes kann fiir die
Ubernahme von fertigen Auffuhrungen aus einem Opernhaus manches sprechen. Etwa
die exemplarische Abgestimmtheit eines Ensembles, die der Rundfunk bei der prinzipiellen
Einmaligkeit seiner Darbietungen nicht schaffen kann. Oder das Beieinander mehrerer
grofier Sanger, die vor das Mikrophon zu bitten zu kostspielig ware. Oder auch die
dokumentarische Bedeutung einer Interpretation, etwa der Mozart-Darstellung durch
Klemperer. In all diesen Fallen spielt die Ubertragung ungefahr die gleiche Rolle wie
die Abbildungen in einem Kunstbuch. Wie durch diese ein legitimer Eindruck im Grunde
nur fiir den vermittelt wird, der das Original bereits gesehen hat, so hat eine solche
Opernubertragung eigentlich nur einen Sinn bei bekannten Opern, den Sinn einer er-
innernden Wiederholung.
Aber es sollte gerade nicht der Ehrgeiz des Rundfunks sein, ewig nur die Tradition
zu repetieren, die zumal auf dem Gebiet der Oper phnehin beschrankt genug ist, wie
der inzestuose Spielplan unserer Theater deutlich zeigt. Der Rundfunk befindet sich in
der einzigartigen Lage, Werke aus der Vergessenheit erwecken zu konnen, deren Wieder-
aufnahme in das Repertoire — trotz der Qualitaten der Partitur — zu riskant ware.
Es kann gar nicht oft genug betont werden, dafi das Radio nicht blofi eine Genufi-
Quelle, ein Erlebnis-Spender und Unterhaltungs-Automat sein darf. Die instruktive
Seite des Funkprogramms darf nie zu kurz kommen, was nichts mit oder Bildungs-
pedanterie zu tun haben mufi. Auf die Oper exemplifiziert, heifit das : der Rundfunk
ubernimmt u. a. die Funktion eines lebendigen Museums. Aber vom Bild-Museum unter-
scheidet ihn der Umstand, dafi er — da er die Werke sowieso mangels aller optischen
Faktoren nicht in ihrer Urgestalt bringen kann — sie fiir seine Zwecke redigieren darf
und — mu6. Die dramaturgisch bearbeitete Oper ist das Mittelglied zwischen Opern-
funk und Funkoper.
Wie weit eine solche redaktionelle Veranderung des gegebenen Kunstwerkes zu
gehen hat, das ergibt sich von Fall zu Fall. Ich habe den Eindruck, dafi man bisher
von dieser dramaturgischen Freiheit, die zugleich eine Notwendigkeit ist, einen gar zu
zaghaften Gebrauch gemacht hat. Mit ein paar musikalischen „Strichen" ist es da nicht getan.
98
^&^
Boris Godunow in der Urfassung
Vor allem eines ist in jedem Fall unerlfifilich: die moghchste Verdeutlichung des
Handlungsablaufes. dessen Verfolg nicht nur durch den Ausfall des Bildes, sondern fast
mehr noch durch die Unverstandlichkeit des Textes beeintrachtigt wird, der bekanntlich
schon im Theater gar zu oft unverstanden bleibt und hier durch das Fehlen der mi-
mischen Erlauterung noch an Klarheit verliert. Ob durch einen referierenden Ansager
a la Odipus, ob durch Einfiigung von Texten in das Libretto, ob durch einen voran-
gehenden Bericht — jedenfalls mufi die Handlung dem Horer, dem sie vflllig frerad ist,
mit alien Mitteln suggeriert werden.
Einige an sich sehr lobenswerte Opernsendungen der Berliner Funkstunde haben
kurzlich dargetan. dafi diese Forderung zur Zeit noch sehr mangelhaft erfiillt wird. Ein
Beispiel fiir viele : im „Boris Godunow", dessen Vorfuhrung in der originalen, nicht von
Rimski-Korssakow geglatteten Fassung geradezu eine Tat war, schildert der Ansager zu
Beginn die Vorgange der ersten Szene. Die Aufftihrung geht ohne Unterbrechung in
die zweite Szene tiber. Kein Mensch, der das Werk nicht kennt, kann den Handlungs-
Inhalt der wichtigen Kronungs-Szene auffassen. Das geht nicht. Diese Halbheiten sind
abzulehnen.
Im Falle des Original-Boris war es sicherlich richtig, das Werk in seiner echten,
unveranderten Partitur-Gestalt zu senden, weil hier ja gerade eine Richtigstellung gegen-
iiber der ublichen Auffiihrungsweise beabsichtigt war. In einem anderen Falle, bei
Verdis fruher Oper „I Due Foscari" war hingegen die Einrichtung unzulanglich. Das Werk
wirkte lahm, lahmer, als es selbst bei den zweifellos schwacheren Gehalten der Musik
notig gewesen ware. Ich habe hier nicht zu untersuchen, nach welchen Gesichtspunkten
im einzelnen die funkische Einrichtung einer Oper vorgenommen werden mufi; das ist
auch gar nicht denkbar, weil sich der Mafistab jeweils nach dem Habitus der einzelnen
Oper zu richten haben wird. Es ist eine Frage des praktischen Experimentes. , Aber es
mufi gesagt werden, dafi man sich diese lohnenden Experimente einstweilen noch zu
leicht macht.
Noch auf einen anderen HilfsgrifF, die Oper vor dem Mikrophon zu verdeutlichen,
will ich hinweisen, so unbeliebt er auch sein mag : das ist der einftihrende Vortrag.
Die zehn Minuten, in denen Oskar Bie neulich die wechselvollen Geschicke der Boris-
Partitur erzahlte, waren gewifi nicht verloren. Ich weifi sehr genau, wie viele Menschen
jede geistige, jede nicht gefuhlsmafiige Befassung mit Musik entrtistet und aus Prinzip
ablehnen. Sie mogen getrost abstellen. Den iibrigen wird eine solche orientierende Ein-
fflhrung willkommen sein, sofern sie sich nur, was naturlich Bedingung ist, von schul-
meisterlicher Stupiditat freihalt. Auch fiir diese Vortrage waren alle moglichen Formen
erst noch zu erproben. Sie konnten auch als Zwiegesprache versucht werden, bei neuen
Werken konnte man etwa den Komponisten mit seinem Dichter diskutieren lassen; bei
alteren Werken konnte ein Kulturhistoriker, der gar kein Musiker zu sein brauchte, die
kulturellen Hintergriinde aufrollen. Auch auf anekdotisches Material miifite gar nicht ver-
zichtet werden, und das alles konnte in durchaus unterhaltenden Formen vor sich gehen.
Aber mehr oder minder schwulstige Redensarten in der ublen Konzertfiihrerweise bieten
keinen Ersatz dafiir. Die Funkstunde Berlin spielte kurzlich Boitos bei uns ganz unbe-
kannten, in Italien sehr beliebten „Mefistofele". Ausgezeichnet. Aber gerade diese Oper
hatte ein paar stichhaltige Worte iiber die vielfaltigen Beziehungen des Faust-Themas
99
Eine Frage des Laien
zur Musik, iiber die merkwiirdige Personlichkeit Boitos, der ein talentierter Musiker,
Ubersetzer Wagners und Librettist des letzten Verdi war, sehr wohl vertragen.
Die funkdramaturgische Bearbeitung der Opernliteratur gehort zu den wichtigsten
und bisher noch keineswegs hinreichend beachteten Aufgaben des Rundfunks.
Opernfunk oder Funkoper? Wtinschenswert ware: Opernfunk und Funkoper, mit-
samt ihren Mischformcn, aber nicht in zufalliger Folge, wie sichs gerade trifft, sondern
in werkgemafter Auswahl, ira Rahmen einer durchdachten Spielplanpolitik, die das
einzelne Werk jeweils in seiner den Funkbedingungen angepafiten Gestalt vor das
Mikrophon stellt.
Musiksoziologie
Zur Frage: Musikverstehen
und Klassenzugehorigkeit Hans Boettcner
Im Anschlufi an die in Heft 12 erfolgte Behandlung der „Sieben Fragen eines Laien
an den Facbmann" ist darauf hingewiesen worden, dafi gerade die letzte der sieben
Fragen den Kernpunkt der Sache enthalte. und es ist der Wunsch geaufiert worden, auch
auf diese Frage im einzelnen einzugehen:
„Ist es dem Menschen, insbesondere dem Arbeiter von heute moglicli, die Musik des
Burgertums zu verstehen, oder ist er nicht der Arbeiter von heute, wenn er sie verstehi?"
Es wird dieser Frage, in der das Musikverstehen als Kriterium der Klassenzuge-
horigkeit verwertet ist, symptomatiscbe Bedeutung zuerkannt fur das musiksoziologische
Fragen oder richtiger: fur eine bestimnite Art heutigen musiksoziologischen Fragehs.
Man kann heute — und dies rechtfertigt im besonderen die Auseinandersetzung.
mit dieser wie auch den iibrigen sechs ,,Fragen des Laien" — vielfach dem Mifiverstandnis
begegnen, die musiksoziologische Untersuchung miisse da einsetzen, wo eine bedingungs-
lose Abhangigkeit alles Musikalischen (so auch des Musikverstehens) von einer jeweiligen
okonomischen oder sozialen Position vorgangig anerkannt ist 1 ). Ohne Zweifel ist auch
die vorliegende. Fragestellung, die das Musikverstehen zweier gegensatzliclien sozialen
Positionen „Arbeiter" und „Burgertum" zuordnet, von dieser Auffassung abhangig.
Demgegeniiber ist mit allem Nachdruck zu betonen : der Sinn des soziologischen
Fragens besteht gerade darin, dafi es von jeder vorsatzlichen Festlegung absieht und darauf
verzichtet, die Sachverhalte, um die es geht, in fertige Begriffe und Kategorien einzufangen.
Es besteht die Gefahr einer mifiverstandlichen Anwendung marxistischer Denkbegriffe
auf die Musik. Die hier vorgegebene Radikalitat bliebe eine scheinbare, denn „radikal
sein, ist " — nach Marx — „ die Sache an der Wurzel anfassen, die Wurzel fiir den Menschen
ist aber der Mensch selbst" (zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie). Wo immer
auch da9 musiksoziologische Fragen seinen Ausgangspunkt nimmt, sein Anspruch auf
') Vergleiche dazu die Antwort auf Frage 2 a in Heft 12 Seite 421.
100
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Musikerlebnis als soziologischer Ausgangspunkt
Bewufitseinsklarung ist verwirkt, wenn es in der toten Abstraktion endet, in der Ver-
fluchtigung der Begriffe. Es besteht die Gefahr, dafi das musiksoziologische Fragen den
Anhalt an der „Sache" selbst verliert, dafi Musik nur noch als beilaufiger und vertausch-
barer Gegenstand in jenen Formulierungen mitgefiihrt wird, die eine musiksoziologische
Klarung der Dinge versprechen. Die Sache aber, um die es der Musiksoziologie zu gehen
hat, ist erstlich einmal — Musik, und zwar Musik nicht als Ausdruck, Symbol, Kriterium,
Symptom, als Gegenstand dieser oder jener Einstellung, Auffassung und Weltanschauung,
sondern Musik in ihrer reinsten und echtesten Seinsmoglichkeit, namlich als die der
menschlichen Existenz verliehene Moglichkeit, Musik zu erleben. Nur hier, an der „Wurzel
der Sache" kann erfahren werden, was Musik wirklich ist und was es mit ihr auf sich
hat in den jeweiligen Zusammenhangen, in denen sie in unserem Alltag steht.
Wenn es schon unser Schicksal ist, daft wir den Intellekt einsetzen gegeniiber alien
Erscheinungen unseres Daseins und audi die irrationalen Gehalte des Lebens seiner
standigen Kontrolle unterstellen, so gilt es, die Moglichkeiten und Mittel des Intellekts
wirklich auch voll und ganz zu gebrauchen, also auch nicht davor zuriickzuschrecken,
den Intellekt mittels des Intellekts, wo es notig ist, in seine eigenen Grenzen zu verweisen.
Wenn wir also dazu gedrangt sind, Musik zum Gegenstand soziologischer Unter-
suchung zu machen, so kann dies nicht heifien, die Musik mittels gewohnheitsmaGiger
gesellschaftswissenschaftlicher Begriffe irgendwie auf einen „soziologischen Hauptnenner"
zu bringen oder in beliebige soziologische Thesen hineinzuzwangen, die nachher als
theoretische Befunde der tatsachlichen Wirklichkeit fremd gegeniiber stehen, vielmehr
mufi die musiksoziologische Bemiihung darauf gerichtet sein, den Seinsbereich des Musi-
kalischen in seiner besonderen Eigenheit und seiner speziellen Funktion innerhalb der
menschlichen Existenz festzustellen. Es liegt in der Situation, aus der heraus wir fragen,
begriindet, dafi eine solche primare musiksoziologische Bemiihung zugleich eine Selbstkritik
des Intellekts und seiner unendlichen Kombinationsmoglichkeiten bedeutet. Gerade hier,
an dem verstandesmafiig allein nicht mehr zuganglichen Phanomen der Musik wird sich
die Beichveite des Intellekts abgrenzen.
Bei der Behandlung der eingangs wiedergegebenen siebenten „Frage des Laien an den
Fachmann" in der Arbeitsgruppe „Musiksoziologie" der Stadt. Volksmusikschule Berlin-Siid
sind die nachfolgend skizzierten Gesichtspunkte betont worden. Soweit sich diese Gesichts-
punkte — wie in Punkt h — auf die von dem Fragesteller berufene Einstellung des Arbeiters
zur Musik beziehen, stiitzen sie sich auf Erhebungen, die von den Kursteilnehmern G. K.
und K. W. in Arbeiterkreisen selbst angestellt wurden. Diese praktische Befragung zahl-
reicher Angehoriger des Fabrikarbeiterstandes erfolgte selbstverstandlich nicht in der Er-
wartung, damit irgendein „unwiderlegliches Argument" in die Hand zu bekommen —
man fragt immer nur den einen oder anderen Arbeiter, und nicht „den Arbeiter von
heute" — als vielmehr in dem Bestreben, der Wirklichkeit dessen nicht auszuweichen,
was in der Frage mit der Bezeichnung „der Arbeiter von heute" zur Pramisse erhoben
ist. Es liegt nicht im Sinne der Frage, die ja an den ,,Fachmann" gerichtet ist, dafi sie
als solche und in ihrer besonderen Formulierung unmitteluaren Zugang in irgendwelchen
Arbeiterkreisen findet. Festzustellen ist als iibereinstimmendes Ergebnis der befragten
Arbeiter, da6 von ihnen eine Beziehung ihres Klassenbewufitseins zu der Art und Beich-
weite ihres Musikverstandnisses in keiner Weise zugegeben wurde; vielmehr wurde in
101
Eine Arbeitsgemeinschaft nimmt Stellung
diesem Zusammenhang immer wieder die Auffassung vertreten, daft alle an einem
speziellen Zweck orientierte Musik, etwa im Sinne des politischen Kampfliedes tatsachlich
als reine Zweckmusik zu betrachten sei, die iiberhaupt nicht mit dem eigentlichen
Musikbediirfnis in Zusammenhang zu bringen ist. Wir empfehlen gerade diese Frage
nach dem spezifischen Musikgehalt umsomehr der eingehenden Behandlung, als eine
solche musiksoziologische Untersuchung sich unmittelbar auf die Sache selbst richtet und
damit zugleich der der Musiksoziologie drohenden Gefahr eines leeren Konstruktivismus
wirksam zu begegnen vermag.
Wir bringen nach dem Vorgang unserer letzten Verdffentlichung abschliefiend die
Gesichtspunkte bzw. neuen Problemansatze, die sich in dem genannten Arbeitskurs fiir
die siebente Frage ergeben haben und wiederholen nochmals die
Frage:
„Ist es dem Menschen, insbesondere dem. Arbeiter von heute moglich, die Musik des
Biirgertums zu verstehen, odcr ist er nicht der Arbeiter von heute, wenn er sie versteht?"
Antwort:
a) Ob, inwiefern und mit welcher Berechtigung eine Musik „als Musik des Burger-
tums" anzusprechen ist, ist eine Frage, die sich an das geschichtliche Bewufitsein
wendet und von da aus ihre Beantwortung findet.
b) Geschichtliches Verstehen ist aber nicht gleichzusetzen mit musikalisch em
Verstehen. 1 )
c) Ich kann zwar als theoretischer Betrachter, als Historiker, Soziologe, eine Musik
aus ihren geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhangen heraus verstehen und
begriinden, doch gibt eine solche Untersuchung keinerlei Gewahr fiir das Musik-
verstehen in seinem eigentlichsten Sinne als unmittelbares Betroffensein durch die'
Musik.
d) Denn das Musikverstehen unterliegt vornehmlich nicht einem Akt der ratio-
nalen Erkenntnis (so wie die musikgeschichtliche oder musiksoziologische Untersuchung),
sondern einer Moglichkeit des musiksinnlichen Erfassens (Vgl. dazu die Frage 2, Punkt e
in H. 12, S. 421.)
e) Bedeutet der Zustand, in den der Musizierende, Horende bezw. Tanzende im
Vollzug oder Mitvollzug der Musik versetzt ist, nicht im reinsten und positivsten Sinne
gerade die Aufhebung seiner rationalen Existenz? (In primitiven Lebens-
f'ormen: Verziickung, Besessenheit, Bau8ch.)
f) Damit ware gesagt, dafi Musik den Menschen in einer Schicht seines Daseins
anzusprechen vermag, die jedenfalls nicht bedingt ist von dem sozialen Bewufitsein,
in dem er sich als Klassenzugehoriger erkennt.
g) Das schliefit nicht aus, dafi ein bestimmtes, politisches Bewufitsein ein be-
stimmtes musikalisches Erlebnis auszulosen vermag (Bevolutionslied, Bekenntnislied).
Es steht jedoch fest:
J ) Ein Kursteilnehmer (Fabrikschlosser) betont in seinen Aufzeichnungen zu der 7. Frage : „Mein
Gestandnis, dafi ich noch nie Musik „verstanden" habe ; wer etwas zu yerstelien geben will, wird nicht
Musiker".
102
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Eugen d'Albert f / Walter Schrenk f
h) Die Forderungen, die der Arbeiter tatsachlich an Musik stellt (nicht die ihm
theoretisch zugemuteten), geben keinerlei Anhalt und Berechtigung, ihn in seinem Ver-
haltnis zur Musik nach irgendeiner Richtung hin zu typisieren. Nut in Verkennung
der tatsachlichen Wirklichkeit konnte die Meinung entstehen, dafi eine bestimmte Musik,
etwa das Tendenzlied oder der Schlager, der Inbegriff der musikalischen Moglichkeiten
fur den Arbeiter sein konne oder dafi nur eine gedanklich (textlich oder programmatisch)
legitimierte Musik ihm angemessen sei.
Musikleben
Die Toten deS MarZ Heinrich Strobel
Durch Unfall in einer Autodroschke ist Walter Schrenk, der erste Musikkritiker
der Deutschen Allgemeinen Zeitung in Berlin, todlich verungluckt. Schrenk stammte aus
Ostpreufien. Er hat Orgel gespielt und gegeigt, bevor er als Nachfolger von Schunemann
an die D. A. Z. kam. Er war mit dem musikalischen Handwerk aufgewachsen. Auch als
Kritiker hat er stets seine Verbundenheit mit dem lebendigen Musizieren betont. Musik
horen war fiir ihn nicht Beruf, es war sein Lebenselement. Selbst der Berliner Musik-
betrieb konnte ihn nicht abstumpfen. Selbst der Zwang seines Berufs konnte ihm weder
seinen ostpreufiiscben Humor noch seine Begeisterungsfahigkeit rauben.
Schrenk war fur alles begeistert, was ihm echt und kraftig schieii. Darum stand
er auch von Anfang an auf der Seite der modernen Bewegung. Darum schlug er sich
immer wieder mit den grofien Werken der Vergangenheit herum. Gleichgiiltigkeit irgend
einer Sache gege.niiber gab es fiir ihn nicht. In einer kunstpolitisch schwierigen Situation
hat er sich immer wieder fiir die Sache der Jungen mit seiner ganzen Spontanitat ein-
gesetzt. Er hat auch eine Studie iiber die Entwicklung der modernen Musik geschrieben.
Schrenk war der Gegenpol des pedantischen, besserwisserischen Musikkritikers.
Schrenk war eine Kunstlernatur. Ein von Musik besessener Mensch. Man wird den
Menschen und man wird den Mitkampfer in einer gemeinsamen Front nicht vergessen.
Wenige Tage nach dem furchtbaren Ungliick, dem Walter Schrenk im Alter von
38 Jahren zum Opfer fiel, kam aus Riga die Nachricht, dafi Eugen d'Albert ge-
storben ist. Der Tod hat ihn ereilt, als er mit einer jener Affaren beschaftigt war, die ihn
in der Offentlichkeit mindestens so popular gemacht haben, wie seine Musik: mit einer
Ehescheidung. Siebenmal war d'Albert verheiratet. Das pafit zu dem Mann, der alles in
allem ein Originalgenie war. Prototyp des genialischen, selbstherrlichen Virtuosen. Wir
Jiingeren haben den Beethovenspieler nicht mehr auf der Hohe seines Ruhmes erlebt.
\\ Aber wir konnen uns vorstellen wie er war: ein leidenschaftlicher Kiinstler, der sich in
l-ff' r der Interpretation verzehrt, der sich den Teufel um Werktreue und Genauigkeit scherte,
wenn der Furor liber ihn kam. Er soil heute grofiartig, morgen langweilig gewesen
sein. Auch das gehort zu diesem Bild.
103
Das neue Klavierkonzert von Maurice Ravel
Der Komponist d' Albert ist aus der Musik der Vorkriegszeit nicht wegzudenken.
Man hat ihn geschmaht und zugleich beneidet. Geschmaht wegen seiner veristiachen
Kulissenreifierei, beneidet wegen seines Theaterinstinkts. d'Albert war gewifi kein origi-
neller Musiker. Er hatte einen theatralischen Spiirsinn. Er scheute vor keiner Krafiheit
und vor keiner Sentimentalitat zuriick, wenn es um den Effekt ging. Und doch hat er
den grofien Erfolg nur einmal gefunden: in Tiefland. Alle spateren Werke waren
schwachere Wiederholungen.
Pariser Notizen Robert caby
Im Ausland gelten die Klarheit und der Scharfsinn der Franzosen geradezu fur
sprichwortlich. Aber die kunftigen Musikhistoriker werden erstaunt sein, ein wie geringes
Mafi von Klugheit bei den frartzosischen Kritikern zu finden ist. Diese haben iiber
Satie, iiber Strawinsky und iiber Milhaud eine Unmenge blodes Zeug geschrieben, genau
so wie ihre Vorganger iiber Berlioz und Gounod. Nun, innerhalb des franzcjsischen
Musikpublikums, soweit es lebendig ist, gibt es niemanden, der die Dummheit dieser
Leute bestritte. Ihr Beruf erforderte nur ein wenig Verstandnis und eine Spur von Ge-
wissen, aber diese Schulfiichse wissen nichts Besseres zu tun, als Werke von magerer
Bedeutung (und manchmal sogar glatte Nieten) in den Himmel zu erheben, wahrend
sie alle wichtigen Werke geringschatzen, falls sie nicht gerade geruhen, sie mit ihren
Federhaltern niederzuknuppeln.
So hat, Anfang Januar, die feierliche Einfiihrung der Musik von Darius Mil-
haud in die Grofie Oper (mit dem Maximilian) in der Presse eine wahre Flut von
Albernheiten mit sich gebracht; und gleich darauf hat eine Gegenstromung, ange-
trieben von denselben Kritikern, mit der gleichen Wucht eingesetzt: ein hitziger Be-
geisterungstaumel, ein wahrhaft dithyrmabischer Jubel. Hatte man eben noch die fmsteren
Bannfliiche gegen die „Schule der falschen Noten" gelesen, hatte man das gehassige
Lacheln und die Fauste geballt gesehen gegen den „Dissonanzen-Mischer ci , namlich Mil-
haud, so gewahrte man jetzt plotzlich das Lacheln der Entriickung, die Augen geschlossen
in Wollust und die Arme weit geoffnet, um jubelnd den „unvergleichlichen Magier" zu
empfangen, den Triumphator aller Triumphatoren, den kleinen Herrn mit den silber-
grauen Haaren: Maurice Ravel, den Autor des Klavierkonzertes, dieser Kostbarkeit
unter den Meisterwerken, welche die Apotheose der Saison darstellte.
In Paris pflegt das grofie Musikpublikum immer um etwa zwanzig Jahre den
Werken und den Musikern nachzuhinken. 1930 hat es Ravel als grofien Musiker heilig
gesprochen und hat ihm, unterstiitzt von dem Geplauder der Kritiker und Journalisten,
Popularitat zugebilligt.
Uraufgefiihrt im Verlauf einer Festwoche, die Ravel in der Salle Pleyel personlich
dirigierte, sodann wiederholt in der folgenden Woche in den Concerts Pasdeloup und
vorziiglich gespielt von Frau Marguerite Long, war das Konzert von Ravel (man sagt
,,das" Konzert, mit der Genugtuung des Kenners, der den Beiz der „einzigen" Werke
auszukosten weifi) von vornherein ein Werk, das unter alien Umstanden lanciert werden
sollte. Es fand auch eine enthusiastische Aufnahme. Trotzdem kann man es beim besten
104
Nachtraglich Wirkung von Milhauds „Maximilian"
Willen nicht unter die wichtigen Arbeiten seines Schopfers einreihen. Seine Fehler sind
den Jungeren nicht entgangen, selbst denen nicht, die Ravel sehr schatzen. Die Lieb-
haber jener Musik, die ich nicht geradezu sinnlich nennen will, die man aber mit der
Haut aufnimmt, rait den Ohren geniefit, jener Musik, die voller sogenannten Raffine-
ments ist, voller Bonbons, Zuckerwerk und modischen Cocktails, — die Liebhaber einer
solchen Musik haben gesagt: dies sei ein Werk nach ihrem Sinn. Die Musiker, auch
soweit sie Anhanger Ravels sind, machen Vorbehalte. Sie begniigen sich zum Beispiel
damit, dem Mittelteil, dem Kernstiick des ganzen Werkes, einem Adagio a la Bach, zu-
zustimmen, wahrend sie von den Ecksatzen den einen, ein Allegro und Meno vivo, den
Freunden einer modernen Pseudo-Jazz-Musik, den anderen, ein brillant hingeschmettertes
Presto-Rondo, der Menge jener Hartnackigen iiberlassen, die noch immer am Barte von
Camille Saint-Saens hangen.
Was die Jungen betrifft, so haben die meisten von ihnen sehr wenig iibrig fur
diese neue INiedlichkeit. Ein Knochengeriist von Gelatine, eine gar zu gewohnliche
Fiillung; ein peinlicher Geschmack — so meinen sie.
Und in der Tat, man hatte sich einst kaum traumen lassen, dafi der Komponist
des zarten und wunderbaren Streichquartettes sich eines Tages zu so platten und gummi-
artigen Zugestandnissen bereit linden wiirde. Diese Jagd nach dem Erfolg um jeden Preis,
mit Hilfe der Sirenenklange eines Gershwin, mit Hilfe der Kiinste eines Pseudo-Bach,
die heutzutage so hoch im Kurs stehen bei Leuten, die nichts davon verstehen, mit
Hilfe eines leeren und nicht einmal sehr reizvollen Klingklangs, diese ganze Erfolg-
hascherei ist keine gute Empfehlung und nicht dazu angetan, eine Jugend fur Ravel zu
■ begeistern, die in der Musik ganz andere Dinge sucht.
Manche Leute sind sogar so weit gegangen, zu behaupten, wenn dieses Konzert fur
„Klavier und Orchester" mit irgendeinem beliebigen Namen signiert ware statt mit
dem seines Autors, so ware es nahezu unbeachtet geblieben! Selbst die, welche das neue
Violinkonzert Strawinskys nicht hochpreisen, wtirden doch das gleiche von diesem Stuck
nicht zu behaupten wagen.
Auch wenn man personliche Ubertreibungen beiseite lfifit, mufi man zugeben, daft
all dies weder der Ehre Ravels noch der Ehre der Musik dient.
Wahrend das Ravelsche Konzert, nachdem es einmal seinen Effekt auf eine Kate-
gorie von Horern gemacht hat, die mit wenig zufrieden sind, kaum ein zweites Anhoren
vertragt, weil seine gar zu rasch durchschaubaren Kniffe bald nicht mehr verfangen und
nur die geringe Dichtigkeit des Werkes enthiillen, scheint es mir andererseits fiir deutsche
Leser interessant, etwas von den Wirkungen zu erfahren, welche die Auffuhrungen
von Milhauds „Maximilian" hinterlassen haben. Zahlreiche Personen, beunruhigt offen-
bar und neugierig gemacht durch den vielspaltigen Eindruck, den sie aus der Premiere
mitgenommen hatten, haben sich diese Oper in mehreren Wiederholungen von Neuem
augehort. Eine kursorische Umfrage gestattet uns, hier die folgende, einmutige Beobach-
tung zu verzeichnen : Milhauds neues Werk gewinnt ganz betrachtlich bei wiederholtem
Anhoren. Erst allmahlich steigen die Beichtumer aus diesem ungeheuren Orchester auf
und verwurzeln sich im Geist des Horers. Das ist durchaus begreiflich, einmal, weil
105
^^"^^^SiSiPlli
Auric komponiert Fifme
Milhauds Musik eine Musik ist, die sehr stark mit dem inneren Ohr gehort sein will,
und nicht eine aufierliche, oberflachlicbe Musik; zum anderen darum, weil die einfachen
und tiefen Geftihle, die sie zum Ausdruck bringt, keineswegs brillant und weltlaufig
sind wie jene, die man in der konventionellen Erscheinung der Oper zu lieben pflegt.
Dieser Charakter der Maximilian-Musik und die vollendete Haltung des Publikums
wahrend der Auffiihrungen sind eine einzige Anklage gegen die Taubheit und die Ein-
falt der meisten unserer hochweisen franzosischen Kritiker, die iibrigens das bedeutende
und grofiartige Werk des Musikers, der die Choephores und die Eumenides geschrieben
hat, entweder aus Niedertracht verreifien (wie ihre fruheren, kindlichen Kritiken zeigen)
oder es aber iiberhaupt kaum kennen.
Prokofieff leidet an der Sucht, seine urspriinglichen Werke immer wieder um-
zuarbeiten. Diese Sucht mag der Sorge um die Form entspringen, sie ist aber nicht fiir
alle Musiken zutraglich. Nach Ansicht seiner Bewunderer hat dieser Russe so zum Bei-
spiel die schone Partitur seines Ballettes „Le fils prodigue" erheblich verschlechtert, in-
dem er eine Konzertsuite aus ihr machte, die aus dem Gleichgewicht geraten ist und
von der iibrigens zu vermuten steht, dafi sie noch nicht einmal die letzte Version dar-
stellt! Prokofieffs Siufonietta, die soeben in den Concerts Pasdeloup erstmalig in Paris
aufgefiihrt worden ist, stammt aus der Vorkriegszeit und hat ebenfalls mehrere Umar-
beitungen hinter sich. Das Resultat ist recht wenig bedeutsam. und es ware fraglos
besser gewesen, selbst auf die Gefahr hin, dafi sie unfertig sein sollte, die primitive
Fassung dieses Werkes beizubehalten, das nur ein Nachtrag zu der bekannten Symphonie
classique ist.
Georges Auric, der einst der beriihmten Gruppe der Six angehort hat, ist seit "
etwa sechs Jahren zu der Rolle eines Hilfsarbeiters fiir kleine Theater und mehr oder
minder avantgardistische Filme verurteilt gewesen. In der Tat hat der Autor der
„Facheux" seit 1925 nichts geschaffen als eine Anzahl wenig anspruchsvoller Biihnen-
und Film-Musiken.
Eine tonlich schlecht aufgenommene Partitur Aurics begleitet einen Film von
Jean Cocteau „Le Sang du Poete", der im Vieux Colombier lief. Der Film selber
hat nicht allzu viel Substanz; man findet darin das ganze Inventar Gocteaus wieder:
Statuen, Schnee, Spiegel, Hermaphroditen, Sterne, Engel und so fort . . . wobei die
peinliche Notwendigkeit offenbar wird, iiber die Anleihen hinwegzutauschen, die man
bei den surrealistischen Filmen von Luis Bunuel gemacht hat, beim Chien Andalou
und dem Age d'Or. Der Film enthalt neuartige und auch reizvolle Bilder, auch eine
oder zwei seltsame Szenen; das alles ist indes verbunden nur durch die pedantiseh
festgehaltene Note und den pratentiosen Romantizismus seines Autors.
Von den bemerkenswerten Szenen ist eine, die „Schneeballschlacht", die eine Epi-
sode aus den Enfants terribles (einem Roman Gocteaus) wiedergibt, in eine sehr er-
regende Atmosphare gehiillt, der die Musik Aurics einen wehmiitig-sehnsiichtigen Ton
hinzufiigt. Aber das Ganze ist, trotz der Ambitionen Gocteaus, nicht sehr erschiitternd.
Seine unbefangene Offenherzigkeit, die im Grunde doch nur seiner Ohnmacht als Maske
dient, lafit den Zuschauer eher traurig zuriick.
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman.)
106
^f^Sfifr-V'-r.,:-. --..**. 7
Erwin Schulhoff als Opernkomponist
Don Juan im Frack Erich Steinhard
Man hatte schon ein festes Bild von der Art Erwin Schulhoffs gewonnen, vom
sensitiven, ein wenig liisternen Modemusiker, von dem Unbeschwerten, Amiisanten,
Hitzigen, Kecken. Nach der Premiere seiner Oper „Flammen" am Brunn er National-
theater wird man ein wenig umlernen mussen. Er ist zwar noch immer kein Philosoph
geworden, wie man vielleicht dem Stoffe nach annehmen konnte, er hat nur fur die
Vitalitat und die in ihm lodernden Sinne einen anderen Weg der Auswirkung gefunden
und dabei den Boden eines ausgesuchten und verfeinerten Raffinenients nicht verlassen.
Ein Don Juan-Buch mufite ihn naturgemaS anziehen. Keine Angst, es handelt sich —
das mochte man gleich betonen — um keine Profanation des Mozartschen Werkes.
Dr. Karl J. Benes, der Librettist, hat die auGergewohnlich feine, inspirierte Arbeit auf
Anregung von Max Brod hin, der die Oper in deutscher Sprache nachgedichtet hat, aus
einer umfangreichen Schopfung losgelost und dem Komponisten vorgelegt. Es ist eine
Anlehnung an die ursprungliche Don Juan-Legende, in der die Don Juangestalt in den
Kreis der Faustsage iibergreift und sich den Bezirken Don Quixotes nahert. Und es ist
zugleich cine TJbertragung des Don Juanproblems in die Gegenwart.
Don Juan, enttauscht vom LebensgenuG, uberdriissig aller Lebensfreude, beginnt?
Seelen nachzujagen; stofit aber doch immer nur wieder auf Leiber; ein skeptischer,
ironischer Don Juan rennt durch das Stiick, er stiirmt in ein Nonnenkloster, in die
Einsamkeit der Berge, geht zum Meere, in seine Ahnengalerie — uberall das Gleiche
Da sehnt er sich nach dem Tod, er liebt den „Tod" (im Symbol einer Frau) und will,
sein Dasein in Askese beschlieCen. Er erschiefit sich — und bleibt am Leben, er steht
in der Bar, dort wo wir ihn am Beginn des Dramas angetroffen haben. Er mufi weiter
vegelieren.
Zwei Figuren nur stechen aus dem Stiick hervor: Don Juan (im Frack) und die
neu ersonnene „La Morte". Die Kontraste : Sein und Nichtsein. Don Juan und der Tod.
Das erotische Ringen der beiden fiihrt die Oper vor, alle anderen Personen der Uber-
lieferung sind weggelassen — nur einmal — in einer commedia del'arte-Szene tauchen
sie auf, kostumiert, maskiert, als Komtur und Donna Anna (die hier seine Frau spielt). —
In der Form einer mysteriosen Ballade ziehen zehn Bilder, sieben im ersten, drei im etwas
dramatischer gehaltenen zweiten Akt an una voriiber, visionar, wie in einent Traumstiick,
und doch wieder krafi, wie in einem Kinodrama, eine Kette von Phantomen, wie sie
die Entstehungszeit dieses Gedichtes (1922) gekannt hat. Auch in ihrer Abruptheit er-
innern diese Dramolets an die Epoche Hasenclevers.
Schulhoff, dem Komponisten der Tanzgroteske „Die Mondsiichtige" und des
mexikanischen Ballettmysteriums „Ogelala" ist das Theater nicht fremd. Aber es war
doch nur die exotisierende Biihne, die ihn zum Jazz reizte, die der Zerstreuung diente
und auf Effekt bedacht war. Deswegen war man neugierig, zu horen, wie der Kiinstler
sich zu symbolisti9chen Phantasien verhalten werde, die zu mondanen Tanzen nahezu
keine Gelegenheit bieten. Sicherlich hat die Schwiile der Atmosphare, der Geschlechter-
kampf, der das Thema Liebe zu einem Dithyrambus auf die Erotik treibt, ihn in Bann
gezwungen. Nervenhaft durchdringt er die zarte Dichtung mit Klangen, die in diesen
107
Konstruktives Theater auch in Brunn
feinen literarischen Gebilden aufstromen und doch nur von diesen gestaltet werden.
Eine feminine Musik. Ob Schulhoff ein Opernmensch ist, scheint hiermit beantwortet zu
sein. Er ist, das weifi man, ein phantasievoller Musiker, dessen Einfalle allerdings nicht
sehr tief gehen. Aber was er zu sagen hat, sagt er ungemein kultiviert, dekorativ und
glanzend. Freude an schillernder Harmonik, Uppigkeit der Farbe und Klangmischungen
sind ihm eigentiimlich, denn er ist in erster Linie ein virtuoser Instrumentator. (Man be-
trachte die neun Zwischenspiele.) Sein Orchester hat fast kammermusikalischen Klang, dafur
entdeckt man in seiner gelegentlich in Aktion tretenden Schlagzeugbatterie Vibraphon,
Glockenspiel, Xylophon. tiefe Glocken, Tamtam, Triangel, Ratsche, Castagnetten, Tam-
bourin und eine Serie von Becken und Trommeln. Schulhoff redivivus! Und auch eine
Jazzband lafit sich bescheiden vernehmen, naturlich als Kontrapunkt zu einer Mitter-
nachtsmesse, die gregorianisch gesungen wird — die Stimme aus der alten Welt. Ist
Schulhoff ein kantables Talent? Die Deklamation der Solisten und der chromatischen
Schattenchore geben Auskunft. Zentrum seines Ehrgeizes bleibt also das Orchester. Die
Streichermusik der Berglandschaft wirkt suggestiv, die Meeresszene ist mit impressionisti-
schen Gebarden von geradezu orientalischer Wollust gemalt, die tragenden Akzente der
Katafalkszene prfigen sich ein, wie die tiefen Gange der Soloflote, die - zum Eingang
und Abschlufi der Oper ertont.
Eine phantastische Suite von farbigen Musikbildern fur ein soigniertes Grofistadt-
publikum des Westens, dem Musik Dekoration bedeutet. Immerhin ein anregender Abend.
Der Beifall des Premierenpublikums, das den Komponisten, den Dichter und alle Mit-
wirkenden hervorrief, war freundlich. Die artistische Leistung des Herrn Knittl als
Don Juan darf man annehmbar nennen, auch die Darstellerin der „La Morte", Fraulein
Hlouschek, von Haus aus blafi gezeichnet, war so, wie sie sein mufite. Dem Orchester
soil ein besonderes Lob gezollt werden. Es ist nicht leicht, solche Kunst stilistisch ein-
wandfrei zusammenzufassen. Kapellmeister Chalabala und Regisseur Gavella, denen
dies gelang, sind ausgesprochene Begabungen.
Von jeder Opernillusion „befreites Theater" zeigte der Buhnenarchitekt Pesanek:
hartes geometrisches Treppensystem und primitive Formen. Er war der einzige kon-
struktive Denker, der alleinige zerebrale Erfinder in dieser Flut von Dichtung und Klang.
Melosberichte
Dresden : Die Urauffuhrung eines „90. heute zu einer so ernsten Textvorlage greift,
Ein neuer Psalm" des jungen Dresdner so bleibt, da die musikalische Unterlage
Mann? Komponisten Gottfried Miiller hier mehr als „Vorwand zum Musizieren",
durch die Philharmonie unter denn als „Bekenntnis" erscheinr, rein
Fritz Busch stand in einem nicht ganz musikalisch ein Werk iibrig, vor dessen
ghicklichen Zeichen. Ein Teil der Dresdner handwerklichen Qualitaten man Hoch-
Presse hatte eine Sensation daraus machen achtung haben mufi, dessen zu grofie Ab-
wollen, und durch xibertriebene Reklame hangigkeit von altklassischen Formeln aber
waren die Erwartungen so hoch gespannt dem entscheidenden Durchbruch wirklicher
worden, da6 eine kleine Enttauschung nicht Originalitat urid unbeschwerten Musizierens
ausbleiben konnte. Sieht man von der Tat- fast immer hindernd im Wege steht. Der
sache ab, dafi ein 16jahriger Komponist kontrapunktische Satz ist zu dick, weit
108
p^
$&&* ' m™*;*!**"!;-. 5i>
Paul Aron als Dirigent
cntfernt von der herrlichen Leichtigkeit
und Selbstverstandlichkeit etwa der letzten
Hindemithchore, und klingt wie ein spater,
nicht besonders starker Brahms.
Dafi da9 Dresdner Publikum dem neuen
Mann einen aufierst freundlichen Empfang
bereitete, wird man verstehen, wenn man
weifi, dafi seit dem letzten regularen Aron-
Konzert vor ca. einem Jahr hier keine ernst-
hafte neue Musik grofien Formats mehr
gemacht worden ist — dafi die Staatsoper
in ihren Sinfoniekonzerten seit Jahren an
aller Neuen Musik voriibergeht, also das
Publikum auch keine Vergleiche ziehen
konnte, die etwa zu Ungunsten Midlers
hatten ausfallen konnen. Man hofft, dafi,
nachdem wieder der Anfang mit zeit-
genossischer Musik im Opernhaus gemacht
worden ist. Busch jetzt nachholt, was in
den letzten Jahren versaumt wurde : man
erwartet von ihm in erster Linie Hindemiths
Oratorium und die letzten Konzertmusiken,
von Strawinsky mindestens die „Psalmen-
Sinfonie", und wenn er deutschen Nach-
wuchs fordern will, so hat er in Wolfgang
Fortner, Hermann Reutter, Wladimir Vogel
und Ernst Pepping so iiberdurchschnittlich
begabte junge Komponisten, dafi er um
Programme kaum verlegen sein dtirfte.
Um die Pflege Neuer Musik ist es in
Dresden seit dem Eingehen der Aron-
Abende schlecht bestellt — Gastdirigenten
bringen manchmal Novitaten mit — in
Chorkonzerten hort man bisweilen eine
Neuigkeit, aber die bewufite Pflege zeit-
genossischer Musik, wie sie in den Aron-
Abenden, wohl in Deutschland einzig da-
stehend, betrieben wurde, ist dahin — die
Liicke macht sich schmerzlich bemerkbar.
Aron brachte bisher nur in der „Komodie"
Nick-Kastners „Leben in dieser Zeit" zu
starkem Publikumserfolg, bei dem man fest-
stellen konnte, dafi es in Dresden doch noch
Menschen gibt, die den Sinn fur lebendige
Musikausiibung nicht verloren haben. Der
Text dieses Stiickes ist starker als die
Musik — immerhin wird man Nick im
Auge behalten miissen. Die Auffiihrung —
mit Lore Schubert, deren schauspielerisches
Format in Dresden einzig dasteht — war
nicht nur musikalisch ausgezeichnet, sondern
auch im Szenischen hatte Aron dabei mit
sparsamsten Mitteln Charakteristisches
erreicht. Herbert Trantow
Notizen
Oper und Konzert
Die „Junge Biihne" im Breslauer Opernhaus bringt
im Rahmen ihrer dritten Veranstaltung in diesem
Jahre Erwin Sdiulhoffs Jazz-Oratorium .,H. M. S.
Royal Oak" unter musikalischer Leitung yon Carl
Schmidt-Belden, und Ernst Toclis Musikmarchen „Die
Prinzessin auf der Erbse" in der Inszenierung von
Werner Jacob.
Die Urauffiihrung der von Mark Lothar neu be-
arbeiteten Oper von Haydn: „Die Welt auf dem
Monde" findet am 20. Marz unter Leitung von
Ceneralmusikdirektor Ladwig am mecklenburgischen
Staatstheater in Schwerin statt.
AuCerdem wurde die Oper vom Breslauer Stadt-
theater fflr Festauffiihrungen im Breslauer Schlofi
erworben, wo die erste Auffiihrung im Rahmen der
Breslauer Haydn-Feier am 31. Marz stattfindet.
Anlafilich des Haydn-Jubilaums erscheint eine von
Dr. Ernst Latzko besorgte Bearbeitung von Haydns
heroisch-komischer Oper ,,Ritter Roland" (Orlando
Paladino).
Die heitere Oper von Georg Vollerthun „Der
Freikorporal (Text von Rudolph Lothar) steht im
Repertoire der Stadt. Buhnen in Hannover. Das Werk
wird noch in dieser Saison zur Urauffuhrung gelangen.
In Mannheim fanden am 3. und 4. Marz Auf-
fiihrungen des Oratoriums „Die heilige Elisabeth" von
Joseph Haas statt. Der Chor bestand aus 700 Mit-
wirkenden, und der grofie Nibelungensaal war beide
Male uberfullt, sodafi eine dritte Auffuhrung in Aus-
sicht genommen werden mufi.
Die Musikantentengilde in Koln braclite Purcells
„Dida und Aeneas" zur Auffuhrung.
In einer Orgelfeierstunde gelegentlich einer Tagung
des Vereins schlesischer Kirchenmusiker bringt Kantor
Herbert Reichert - Freiburg/Schles. am 31. Marz in
der evangelischen Kirche zu Waldenburg das Orgel-
konzert mit Kammerorcliester von Paul Hindemith
unter Leitung von Kantor Max Hellwig zur Erst-
auffflhrung.
Alexander Tscherepnin spielte sein „Klavierkonzert"
mit grofiem Erfolg in Bukarest und im Stuttgarter
Rundfunk.
109
«mm
Melosnotizen
Karl Amadeus Hartmann hat eine „Toccata variata"
fur Klavier und Kammerorchester vollendet. Im Marz
findet in den modernen Musikabenden der Juryfreien
in Munclien unter Leitung von Rudolf Hindemith die
Urauffiihrung statt. Den Klavier-Part spielt der Mfin-
chener Pianist Kurt Arnold. Am gleichen Abend wird
das „Kleine Vorspiel" opus 30, von Karol Rathaus
fur Streichorchester und Trompete erstaufgefiihrt.
Hugo Herrmanns Oratorium „Jesus und seine
J linger" gelangt am 8. Mai in Weinheim unter Leitung
von Meifienberg zur Urauffiihrung. Stuttgart und
Berlin werden mit Auffuhrungen des Werkes folgen.
Das bei dem Preisausschreiben des Bruinier-Quar-
tetts preisgekronte Streichquartett von Heinz Pauels
kam am 15. Marz in der Berliner Singakademie
durch das Bruinier-Quartett zur Urauffiihrung.
Karl Hermann Pillneys „Musik fur Klavier und
Orchester" gelangte in Dortmund unter Sieben zur
erfolgreichen Urauffiihrung.
Verschiedenes
Gilnther Ramin, der Organist der Thomaskirche
in Leipzig, ist als Nachfolger von Prof. Walter Fischer
an die Staatliche akademische Hochschule fur Musik
in Berlin berufen worden.
Joseph Krips vom Badischen Landestheater wurde
an die Wiener Staatsoper verpflichtet.
Edward J. Dent wurde zum Prasidenten der Inter-
nationalen Gesellschaft fiir Musikwissenschaft, Sitz
Basel, als Nachfolger Peter Wagners gewahlt.
Die philosophische Fakultat der Universitat Zurich
hat aus Anlafi ihrer Goethe-Feier W. Reinhart in
Winterthur ehrenhalber die Doktorwiirde verliehen.
Bei der Tonkunstlerversammlung des Allgemeinen
Deutschen Musikvereins in Zurich (10.-14. Juni)
gelangen folgende Werke zur Auffuhrung:
H. E. Apostel, 5 Lieder fiir tiefe Stimme und
Orchester; Wolfgang von Bartels, ,.Frauentanz",
Kantate fiir Bariton, fur gem. Chor und Orchester;
Fritz Brun, Chaconne fiir Orchester; Conrad Beck,
„Es kummt ein Schiff geladen" fiir gemischten Chor
a cappella Hans Chemin-Petit, Cellokonzert; Walter
Courvoisier, Geistliche Lieder; Hans Gal, II. Streich-
quartett; Karl Gerstberger, Motette nach Matthias
Claudius; Paul Hindemith, „Das Unaufhorliche";
Otto JoM, Heitere Suite; Paul Kletzhi, Streichquar-
tett d moll; Ernst Krenek, Thema und 13 Variationen
fiir Orchester ; Gilnther Raphael, Violinkonzert ; Her-
mann Reutter, Misea brevis; Trud- Rittmann, Kleine
Suite fiir Gesang und Orchester; Othmar Schoeck,
„Penthesilea", Oper ; Ernst Toch, Musik fur Orchester
und Bariton; Herbert Trantow, Capriccio fiir 2 Kla-
viere und Orchester; Gerhart von Westermann, Rezi-
tativ und Arie mit Orchester; - Ein Nachmittag
wird den Bestrebungen der Scliulmusik gewidmet sein.
Das Beichskartell der Musikveranstalter Deutsch-
lands, in dem die gesamten Veranstalter mit Aus-
nahme des Bundes der Saal- und Konzertinhaber
110
Deutschlands organisiert sind, hat sich an den Reichs-
kommissar fur Preisiiberwachung, Dr. Goerdeler, ge-
wandt, um sein Eingreifen in der Musiktantiemen-
frage zu erreichen.
Ausland
Amerika:
Seit Beginn der Saison bringt die amerikanische
Presse Nachrichten fiber eine Beorganisation der
Metropolitan-Opera-Company, die sich jetzt zu Ge-
ruchten fiber eine Verschmelzung der Metropolitan-
Opera mit dem Philharmonic Symphony Orchestra
verdichtet haben. Demzufolge sollen erstens das
Orchester des Metropolitan und des Philharmonic
Symphony Orchestra miteinander verschmolzen werden.
Zweitens soil die Opernsaison, die zur Zeit 24 Wochen
lauft, um einige Wochen verkiirzt und die Zahl der
wochentlichen Vorstellungen soil gleichfalls vermindert
werden. Auch sollen samrliche erlbschende Kontrakte
auf eine neue, den Zeitumstanden Beclinung tragende
Basis gestellt werden.
Frankreich :
Die deutschen Mozartfestspiele, die im Januar und
Februar in verschiedenen franzosischen Stadten statt-
fanden, brachten den deutschen Kiinstlern grofie Er-
folge. Unter der musikalischen Fuhrung von General-
musikdirektor Franz von Hoefilin (Wuppertal) und der
szenischen von Intendant Dr. Georg Pauly (Saar-
briicken) gelangten „Figaros Hochzeit", „Die Ent-
fuhrung aus dem Serail" und „Cosi fan tutti" mit
Sangern der Staatsopern von Berlin, Wien und Munch en
in deutscher Sprache zur Auffuhrung. Den Hohepunkt
bildete eine Auffiihrung von „Figaros Hochzeit" an
der Pariser Opera Comique (Dirigent Georg Sebastian).
Die Grofie Oper in Paris hat kiirzlich „Elektra"
von Bichard Straufi aufgefuhrt. Die unter der Leitung
von Kapellmeister Philippe Gaubert stehende Auf-
fiihrung wurde alien Anforderungen vollkommen ge-
recht, sodafi das Publikum dem Werke eine Auf-
nahme bereitete, die darauf schliefien lafit, dafi eben-
so wie „Salome" und „Der Bosenkavalier" auch die
„Elektra" nunmehr zum Repertoirestiick der Grofien
Oper werden wird. In der Titelrolle zeichnete sich
Germaine Lubin aus und als Aegist und Orest sind
zu nennen Le Clezio und Singher. f -
Italien
Strawinskys neues „Violinkonzert" gelangte im
Monat Marz in Mailand und Florenz mit S. Dushkin
als Solist und unter Leitung des Komponisten zur
Erstauffiihrung.
Der Chor der Berliner Singakademie wurde unter
Leitung seines Dirigenten, Professor Dr. Georg Schu-
mann fiir drei Konzerte im romischen Augusteum
(Regia Accademia Santa Cecilia) fiir Mitte April ver-
pflichtet. Es gelangen Bach : MatthSus-Passion und
Handel : Israel in Agypten zur Auffuhrung. Anschliefiend
an Rom findet ein zweimaliges Auftreten des Chores
in Turin statt.
Melosnotizen
Oesterreich
Um jungen Kiinstlern aller Nationen Gelegenheit
zu geben, den Weg in die Dffentlichkeit zu finden,
wird in Wien in der ersten Junihalfte ein Internatio-
naler Wettbewerb filr Gesang und Violine veranstaltet.
Den Siegern in diesem Wettbewerb werden Geld-
preise der Stadt Wien in der Hohe von 20000 ost-
Schilling, mehrere Studienstipendien und Diplome
verliehen. Uber die Preiszuerkennung entscheidet eine
Jury, an deren Spitze der Direktor der Wiener Staats-
oper, Clemens KrauS, steht. Die Auswahl der zum
engsten Wettbewerb zuzulassenden Preisbewerber er-
folgt in Vorprufungen, die ebenfalls in Wien statt-
finden. Als Anmeldestelle tor Teilnehmer an dem
musikalischen Wettbewerb aus Deutschland hat sich
in dankenswerter Weise die Konzertdirektion Hermann
Wolff und Jules Sachs in Berlin zur Verfiigung
gestellt.
Ungarn
Paul Kadosa gab in Budapest einen Kompositions-
abend, an dem eine ansehnliche Garde junger Inter-
preten hauptsachlich Violin- und Klaviermusik zu
Gehor brachte. Besonders gefielen drei leichte Kinder-
sonatinen, die — ein beachtenswert guter Einfall —
tatsachlich von begabten kleinen Madchen und
Knaben vorgetragen wurden und dadurch ganz un-
mittelbar wirkten.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen fiir die Schrif tleitung u.Beaprechungaatucke nach Berlin-Charlottenburg2, Berliner Strafie 46 (Fernruf Fraunhof er 1371) erbeten .
Die Schriftleitung bittet vor Zusendung von Manuakripten um Anfrage mit Riickporto. Alle Reclite fur samtlidie Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich fur den Teil „Musikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN; fur denVerlag: Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ/
Verlag : MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten S j Femapr : Gutenberg 529, 530 ; Telegr. : MELOSVERLAG ; Postscheck nur Berlin 19 425 /
AuBlieferuug in Leipzig: KarUtrafie 10
Die Zeitschrift eracheint am 15. jeden Monats. — Zu beziehen durch alle Buch- und Muaikalienhandlungen oder direkt vom Verlag.
Dm Einzelheft koatet 1 .25 Mk., das Abonnement jahrl. 10. - Mk., halbj. 5.50 Mk, viertelj. 3. - Mk. (zuzugl. 15 Pf. Porto p.H., Ausland 20 Pf. p. H.J
Anzeigenpreiae : 'ji Seite 90.- Mk. >/, Seite 54.- Mk. '/« Seite 31.50 Mk. Bei wiederholungen Habatte. Auftrage an den Verlag.
Diesem Heft liegt bei:
»Der Weihergarten«, Verlagsblatt
des Hauses B. Schott's Sohne,
Mainz (II. Jahrgang, Nr. 2/3), Sonder-
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Ed.SdioltNr.2173 . . n.M.3.-(NP)
B. SCHOTT'S SOHNE /MAINZ UND LEIPZIG
Der Lehrer von Scrlabine, Medtner,
Rachmaninoff zeigt hier den Weg,
auf dem diese Pianisten zu ihrem
Weltruhm gelangten.
Bitte beziehen Ste sich bei alien Anfragen auf MELOS
111
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Wet mtetptetiett
Diese Ubersicht ist zumeist aus eingegangenen
Mitteilungen nach Mafigabe des zurVerfugung
stehenden Raumes zusammengestellt. Der
MELOSVERLAG bittet stets um neue oder
erganzende Einsendungen.
(time Wlu&ifc?
Vloline
(Foi'tsetzung aa8 dem Januur-ileft)
Georg Knlenkainpff ; Hindemith: Violinkonzert; Stra-
winsky : Pergolese-Suite; Szyrnanowski : Romanze;
Pizetti: Aria; Respighi: Sonate h-moll; Debussy:
Sonate; Sainl-Saens: Rondo capriccioso; Bohnke:
Praludium und Cbaconne; H. Tiessen: Duo; Oo-
-browen: Marchen; Glazounoff: Meditation; Rach-
maninoff-Press: Vocalise; de Fatla-Kreisler : Spa-
nischer Tanz; Scott: Dance; Ktelzki: Violinkonzert
Margit Lanyi: Bortok; de Falla
Martha Iiinz : Raoel : Tzigane
Edith Lorand: Bartok: Rumanische Volkslieder
Gerhard Meyer: A. Willner: Suite; Sonaten
Melanie Michaelis : H.o.Glenck: Konzertstiick; Haas:
Kammersonate fur 2 Violinen; Hindemith: Soto-
Sonate, op. 31 Nr. 1; Violinkonzert; Honegger:
Sonate; Bad. Peters: Sonate Gdur; Pialudium und
Fuge far Violinsolo; Pfttzner: Sonate emoll; Vio-
linkonzert ; Prok fieff: Violinkonzert;fiooei:Sonate;
Stravinsky : Pergolese-Suite; Toch: Sonale, op. 44;
Divertimento liir Violine und Violoncello, op. 37 Nr. 1
Ahua Hoodie: Hindemith: Violinkonzert
Engen Moris: de Falla: Suite espagnole
Alexander Moskowsky: Respighi: Gregorianisches
Konzert; Ravel: Tzigane. Sonate; Achron: Suite
bizarre; Prokofieff: Concerto, Melodies; Turina:-
Poema de una Sauluquena; Szyrnanowski: Noc-
turne et Tarantelle; Nin : Jardin de Lindaraja ;
Hindemith, Bartok, Caslelnuooo-Tedesco, Debussy,
Tscherepnin
Palmav. Pastzory-Erdmann : / laas .-Sonate ;Miekley:
Sonale ; Szymanowsky
Tliercse Petzko-Sckubert: H. Tiessin: Totentanz-
Suite ; Duo op. 35
Max Rostal: Bloch; Bohnke; de Falla; Strawinsky
Alexander Sclirauller : Hindemith: Violinkonzert
Boris Schwarz: Korngold : Sahe op.il; Szyrnanowski:
Tarantelle
Leo Sclrwiirz: Debussy, Hindemith, Honegqer,
Raphael, Raoel, Reger. Respighi, Strawinsky, Toch
Albert Spalding: Debussy: Minstrels; Ravel: Tzigane
Tossy Spiwakowsky: Castelnuooo-Tedesco : Chan'
hebraique; Stravinsky: Pergolese-Suite
Bal'cel Stern : Webern: 4 Stuckc, op. 7
Max Strnb : Windsperger: Violinkonzert
Anita Sujovolsky: Hindemith; de Falla
Jos. Szigeti: Bartok: Rhapsodie I
Henri Temianka: Bloch; Szyrnanowski: Notturno und
Tarantelle
Marianne Theiner: Casella: Violinkonzert
Jannes Thiband: Granados ; Raoel: Sonate
Dick Waleson: Bartok: 2 Rhapsodien; Castelnuooo-
Tedesco; Dobromen ; Nin
Kerttu Wanne: de Falla; Miihaud; Raoel
Nachdruck Dor mit besouderer Erlaubnis.
Viola
Paul Hindemith: Hindemith ;Solo-Sonaten op. 11 Nr. 5,
op. 25 Nr. 1, Sonate mit Klavier op. 11 Nr. 4, Kammer-
musikNr. 5 (Bratschen-Konzert) op, 36 Nr. 4; Winds-
perger; Miihaud
Walter Jesinghans : Hindemith: Sonate fur Viola
d'amore und Klavier
Francis Koene: Honegger; Sonate
Oskar Kromers: Will. Walton: Konzert
Falma von Pasztory-Erdmann: Hindemith: Sonaten
Karl Stumvoll: Htn'lemith: Sonate, op. 11 Nr. 4
Winfried und Reinhard Wolf: Hindemith: Sonate
op. 11 Nr. 4
Violoncello
Fritz Buhling: Kodaly: op. 4
Benito Brandia: Respighi: Adagio con Variazioni
Pablo Casals: Cassado, Granados, larina
G. Cassado: Albeniz, Cassado
Maurice Eisenberg: Debussy; de Falla
Alaurits Frank: Bloch; Kodaly: Sofo-Sonate op. 8;
Toch; Sonate op. 50
WolJ'g. Grunsky: Kodaly: Sonale op. 4
Bernhard Gilnther: Debussy: Sonale; H.nrftmith:
Sonate. op. 11 Nr. 3; Solo-Sonate, op, 25 Nr. 3;
Honei.ger: Sonate ; Kod ty; So- ate, op. 4; Duo fur
Violine und Cello, op. 7; A. Tscherepnin: Sonate.
op. 30; Praludien, op. 38 (mit Klav., auch Trommel);
a Mystere" op. 37
Hans Hagen : Konzerte: Hindemith : op. 36 Nr. 2; Toch;
op. 3o; Delias: Con'-erto 1921 e-moll; Dohnanyi:
Konzertstiick op. 12; Karl Striegler : op. 51 ; Graener:
op. 78; Bullerian: op. 41; — sonaten: Debussy:
d moll ; Pfitznei : op. 1 fis-moll; - Solo-Sonaten;
Hindemith: op. 2h Nr. 3; Haas; Divertimento
op. 30; Zoltan Kodaly: op. 8, Duo fur Violine und
Violoncello op. 7; — Haas: Grotesken Hagen:
Adagio op. 9; Hindemith'. 3 Stii-ke op. 8; Raoel:
Menuetl; Debussy: Menue't; Webern: 3 kleine
Stilcke op. 11
Eva Heinitz: Hindemith: Sonate op. 11 Nr. 3; Raphael:
Sona f e op. 14; Thomas', op. 7
Edmund Kurtz: Lopatnikoff: Sonate op. 11
Felix Kobert Mendelssohn: Sonaten von: BulUrian;
ijebussy; Boris Grossmann; M. Kolmski; Alex Ai.
Schti'tbel
Gregory Peker: Cassado; Hindemith; Raphael;
Tscherepnin
Sheridan Russell: Hindemith: Konzert
Miios Sadlo: Hindemith, op. 11; Kodaly, op. 4
Walter Schulz: Busoni; Debussy; Gal; Hindemith;
Kodaty; Lendvai; J. Marx; Ravel; Respighi;
Tiessen; Windspetgei
Alexander Schuster : Goossens. Rhapsodic op. 13;
Ai uid hteoen: Poema; Pijp>r: Sonate I;
A. Tscherepnin: Sonate op. 30
Karl Schwamberger: Casella; Honegger; Kodaly;
Pfitener; Tsch repnin; \Veismann
Die V erofferttlichung wird fortgesetztt
112
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^*9^^^!s
E.W. Korngold
3. Sonaie
C dur, Opus 25
fur Klavier
Ed. Schott Nr. 2227 M. 5.— (NP)
In dieser Julius Bittner gewidmeten vier-
satzigen Sonaie lebi unproblemaiisches
Ssterreichisdies Musikantentum. Korngolds
kultivierter Klangsinn, verbunden mil le-
bendiger melodischer Erfindung schuf hier
ein iiberaus dankbares Podiumstuck.
B. SCHOTT'S SOHNE / MAINZ
(Sine 2Bed(etfuttd
m mtififotiftfrer 33U6unfl
£fat>ierunferrid)f fleite Sfttftoge
3J». 4.50 / £einen OT(. 5.85
prof. 3Biflt? 3leb>erg: Si entba'It bod :8e|»e, 2SJertt>ofl(Te, mat
Id) jematd liber btefen ©egenffanb gefefen babe.
iUuftafl: Sin )>6'bagogtfd>d'u'&elif<f)ee: «ud) reiffter unb felnffer,
nomentll* pftitnotofllfdjer Sin, Oerelnigt in flo) afle ble
neuen 3&een unb frljrfijfifllgcn :8e|lrebungen jum 3tpcd
elncr uMrflid) 3«ltgemdgcn unb frucftlbaren JUjorm ber
muflfadfdien griiebung.
Sfflgemeine OTuflfjeitimg: "Dai Sua) Iff einc Sol, ei gebifrl
nlcftt nur In ble £<mb beiS SJlufifiebreriS, fonbern bfltfte
aud& JeDem OTufilfreunb ein tolllfommener Jfiljrer feln.
31 eu erftffen won berfelben Serfafferin:
(gfemenfe fter (5cfyufmufif
OTf. 5.70 / £einen 2»(. 6.75
Wild) fiir ben priootmufifteflrer wlrb biefe glnfUbrunq in bic
muflfpdbogogifcfjen ©runDfragen ein jrudjfbarer ffieg fcln
311 einfi<$liger unb fdnflierlWer (Sepaffung t>ei t(nferrin)t<f.
(S&r. Sriefrridj #tett>es 0. in. ft. £.
^lufifpfitxtgogifc^er XSerfog / Seriin«£i^terfelQe
Paul Hindemith's
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Studienpartitur Ed. Schott Nr. 3502 . . M. 3.-
Pressestimmen:
Es entsteht ein buntes und mannigfach belichtetes
Spiel, in dem die angeblirh schwerfalligen Blechinstru-
mente mit kammermusikalischer Leichtigkeit, ja nicht
selten mit einer franzosischen Grazie verwendet sind.
Das alles ist mit jener Meisterschaft gearbeitct, iiber die
allein Hindemith verfiigt und die der Klavietmusik das
Zeichen der Klassizitat aufpragt.
Berliner Borsen-Kurier (Heinrich Strobel)
Das Werk, in Chikago mit einem Da-capo-Erfolg
uraufgeliihrt, ist nicht nur das beste von Hindemiths
Konzerten, es gehort zu den gliicklichsten Arbeiten der
neuen Konzertliieratur xi erhaupt.
B. Z. am Hittag (H. H. Stuckenschmidt)
Es ist ein sehr inspiriertes, mit grofier iormaler
Logik gebautes Stuck, eindrucksvoll vor allem in den
Iyrischen Partien. Da gibt es einen ganz innerlich em-
pfundenen Variationensatz, erfullt von feinen, intimen.
melodischen Ziigen, und es gibt ein kraftvoll-energischcs
Finale, dessen zarter, beruhigter Ausklang zu Hinde-
miths schdnsten Eingebungen gehort.
Deutsche Allgeiueine Zeitung (Walter Schrenk)
. . . eine souvera'ne Freiheit in Form und Stil, eine
rhapsodische Gewalt ties melodischen Ausdrucks, eine
Kiihnheit klanglicher Kontraste, die alles ubertrifft, was
Hindemith je geschrieben hat. Und dabei eine konzer-
tante Bewegung zwischen den beiden machtigen Klang-
gruppen von faszinierender Buntheit . . .
Maiiizer Anzeiger (Heinrich Strobel)
Die Musik ist technisch sehr interessant, formal gut
gebaut und durchaus beherrscht im Ausdruck — alles
Eigenschaften, die wir auch hei Bach so bewundern.
Boston Evening Transcript
Diese Konzertmusik konnte ihrer Gesinnung nach
die Schopfung ernes Brahms des 20. Jahrhunderts sein.
The Boston Globe
. . . die Bewunderung wuchs mit der meisterhaften
Durchfuhrung. Der AbsrhiuS dieses Teiles — macntig
gesleigert — hatte wirklich Kraft in sich. Das Werk
verdient ofters gehort zu werden.
The Christian Science Monitor, Boston
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ZweckmaSigkeit und musikalischen Duxchdringung alles in den Schatlen, was auf diesem Gebiete bisher vorliegt.
Der systematische Aufbau des spieltechnischen Uebungsmaterials und die meistf-rhaft iiberlegene Auswahl
zahlreicher Stucke aus der klassischen und modernen i iteratur fur ein oder zwei Instmmente, darunter auch vk'le
Volkslieder, sowie eine grofie Anzahl instruktiver Zeichnungen geben diesem unvergleichlichen Werk seine Pragung
als Staiidardwcrk des Violoncell-Unterrichtes.
Husfiihrlichcr Prospeht kosienlost
B. SCHOTT'S SOHNE / MAINZ
BAND I Ed. Nr. 1585 M. 10.
Band I in 2 Hefien:
Heft 1 Ed. Nr. 1586 a M. 6.
Heft 2 Ed. Nr. 1586 b M. 6.
Bittc beziehen Sic steh bei alien Anfragen auf MELOS
115
■muni
PJP
Zwei erfolgreiche Bearbeitungen
J. S. BACH-HUBAY: Chaconne
fiir grosses Orchester gesetzt von Jeno von Hubay
Orchesterpartitur U. E. Nr. 5308 M. 15.—
„ . . . man bcwundert Hubays Meisterachaft, mit der er lat nte Farben einer
Solovioline auf die gewaltige Flacbe seines Orchesters zu iibertragen ver-
mochte . . . glutvoll grandiose Steigerung . . . wir musten sagen, dass Hubays
Effekte mit dem Zauber einer originellen Gestaltung wirken". (Pester Lloyd)
LISZT-HUBAY: Ungarische Rhapsodie
fiir Violine und Orchester. Fiir den Konzertgebrauch eingerichtet und
instrumentiert von Jeno von Hubay
(Naeh der Paraphrase tiber „Die drei Zigeuner")
Orchesterpartitur U. E. Nr. 1144 M. 15.—
Ausgabe fiir Violine und Klavier U. E. Mr. 6127 M. 4. —
„In den Ausmassen, in der Konstruktion, Vornehmheit und Wirkung, iibertrifft
dieses Werk alle bisher bestebenden Fantasien dieser Art." (Musical Courier)
Ansichtsmaterial von der
UNIVERSAL-EDITION A.-G.
WIEN-LEIPZIG
BERLIN: ED. BOTE & C. BOCK
Bevorstehende
OPERNPREMIEREN
10. Marz: Berlin
KURT WEILL
Stadtische Oper
DIE BURGSCHAFT
Oper in drei Akten. Text von Caspar Neher.
11. Marz: Berlin
HERBERT WINDT
Staatsoper unter den
Linden
ANDROMACHE
Oper in zwei Aufziigen. Text vom Komponisten.
Mitte April : Munchen
ROBERT HEGER
Staatstheater
SETTLER NAMENLOS
Oper in drei Akten. Text vom Komponisten.
Klavierauszflge und Textbiicher durch alle Musikalienhandlungen zu beziehen
Ansichtsmaterial von der
UNIVERSAL-EDITION A.-G. • WIEN-LEIPZIG
BERLIN: ED. BOTE & G. BOCK
116
BUie beziehen Sie stch bei alien Anftagen auf MELOS
Percy Grainger
Percy Grainger, geboren 1884 in Brighton (Australien),
lebt in New-York. Seine Kompositionen — besonders
die Stiicke fur Orchester — werden hflufig von den
grossen Rundfunksendern des In- und Auslandes ge-
bracht; in England und Amerika gehoren sie zu den
meistgespielten Konzertstiicken iiberhaupt.
Klavier
Landliche Garten (Country gardens), Englischer
Volkstanz fiir Klavier zu 2 Handen
Ed. Nr. 1726 M. 1.50
Piano -Albiun fur Klavier zu 2 Handen
Ed. Nr. 1425 M. 3.—
Schafer-Tanz (Shepherd's Hey) / Irische Weise
(Irish tune from County Derry) / Mork Morris-
Tanz / Lied des Kolonisten (Colonial Song)
Handel in the Strand, Engl. Volkstanz . M. 2.—
Paraphrase iiber Tschaikowsky's Blumenwalzer
Ed. Nr. 1727 M. 2.50
Die Kriegcr (The Warriors) fiir 2 Klaviere zu 6
Handen, bearbeitet vom Komponisten
siehe auch Orchester Ed. Nr. 1856 M. 6. —
Violine und Klavier
Molly am Gestade. Irischer Volkstanz
(Kreisler) M. 2.—
Melodie danoise (Wilhelmj) M. 1.20
Violoncello und Klavier
La Skandinavie, Melodies et Danses du Nord
Ed. Nr. 1985 M. 4.—
Air et danse suedois / Vermelands visa, Melodie
suedoise / Polska norvegien / Melodie danoise /
Air et Final sur des Danses norvegiennes
Youthful raptnre (Bausch der Jugend) furViolon-
cellosolo und Orchester
Partitur Ed. Nr. 2103 M. 2.50
Stimmen Ed. Nr. 2104 M. 6.—
Jede Doublierstimme M. — .50
— Ausgabe fiir Violoncello und Klavier
Ed. Nr. 2105 M. 2.—
Kammermusik
„Mein Robin ging fort" (Altenglisches Lied),
Fantasie ftir Klavier, Violine und Violon-
cello M. 3.50 (AV)
Molly am Gestade (Irischer Volkstanz)
ftir Streichquartett
Studien-Partitur M. 2.50
Stimmen M. 2.—
Wanderlied (Walking tunej fur Flote, Oboe,
Klarinette, Horn, Fagott
Studien-Partitur M. 2.50 (AV)
Stimmen M. 3.- (AV)
Orchester
Handel in the Strand, Englischer Volkstanz
Iris time (Irisches Lied) fiir Streichorchester
und 2 Horner. Partitur M. 2.50
Lied des Kolonisten (Colonial Song)
Mock Morris, Irische Tanze. Partitur M. 2.50
— Fur siebenstimmiges Streichorchester
Partitur M. 2.50
Molly on the Shore, Altirischer Volkstanz
Partitur M. 5 —
— Fiir siebenstimmiges Streichorchester
Partitur M. 2.50
Shepherd's Hey (Morris-Tanz)
Green Bnshes, Passacaglia iiber ein englisches
Volkslied Partitur (4°) M. 18.—
Die Krieger fiir Orchester und 3 Klaviere
Partitur (4°) Ed. Nr. 3354 M. 40 —
Chor
Schottisches Seeinannslied (Scotch Strathspey and
Reel) fiir 4stimmigen Mannerchor und Orchester
Klavier-Auszug (engl.-deutsch) . . . M. 3. —
Partitur M. 10.—
Stimmen M. 12. —
Jede Dublierstimme M. — .60
Vater nnd Tochter (Father and daughter)
fiir 5 Mannerstimmen und zwei gemischte
Chore mit Orchester
Klavier-Auszug (engl.-deutsch) . . . M. 2.50
Chorstimmen je M. — .50
Irisches Lied (Irish (une from County Derry)
fiir gemischten Chor a cappella (ohne Text)
Partitur M. —.80
Singp)artitur (bei Mehrbezug) .... M. — .30
Auffiihrungsmateriale, soweit keine Preise angegeben sind, nach Vereinbarung
B. SCHOTT'S SOHNE / MAINZ
BUte bezlehcn Sie stch bet Men Anfragen auf MELOS
117
wmmmmmm
Z U M H AYD N - JAH R
NEU AUFGEFUNDENE WERKE VON
JOSEPH HAYDN
FUR ORCHESTER:
Notturno C dur (1790)
ftir Flote.Oboe, 2 Horner und Streicher.bearbeitet
VOn Karl G e i r i n g e r Orchesterpartitur EM. 7.50
Zahlreiahe Aaffuhrungen, u. a. in New York,
Philadelphia, Amsterdam, Hiloersum (Bund-
funk), Bergen, Waldenburg, Bratislava (Rund-
funk), Briinn (Rundfiink) usw. usu>.
Divertimento
fur 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Horner, 2 Fagotte,
bearbeitet von Karl Geiringer
Orchesterpartitur RM. 5. —
Partita
fur Flote, Oboe, 2 Horner, 2 Violinen, 2 Violen,
Violoncell und KontrabaB, bearbeitet von Karl
Geiringer Orchesterpartitur RM. 7.50
Echo
fur Streichorchester, bearbeitet von Jeno v.
Takacs
FOR GESANG UND ORCHESTER:
Arien, neu bezeichnet und neu ftir Orchester
gesetzt von Paul A. P i s k. Deutscher Text von
R. S. Hoffmann
Man kann sagen, was man wolle (Dica
pure die vuol dire) fur Sopran mit 2 Oboen,
2 Fagotten und Streichern
Orchesterpartitur RM. 5. —
Nun steh' ich auf dem Oipfel (Care spiagge
selve addio) fur Sopran, mit Flote, 2 Klari-
netten, Solovioline und Streichern
Orchesterpartitur RM. 5. —
Ist's ein Traum, ein hold' Erwachen?
(Dove son che miro inttorno) fur Sopran
mit 2 Klarinetten, 2 Hornern, Pauken und
Streichern Orchesterpartitur RM. 5 —
Friiher erschienen:
Pastorelle ftir mittlere Stimme, 2 Floten, 2
Klarinetten, und Streicher instrumentiert von
Felix Weingartner (Material in Abschrift)
CHORWERKE:
Tobias Helmkehr. Oratorium in zwei Teilen
fur 2 Soprane, Alt-, Tenor-, Baritonsolo,
gemischten Chor und Orchester (deutsch, fran-
zosisch, englisch). Musikalische und textliche
Bearbeitung von G. A. Glossner
Orchesterbesetzung: 2 faches Holz, 2 Horner, 2 lrom-
peten, 3 Posaunen, Pauke, Cembalo und Streicher
Klavierauszug mit Text RM. 3 — / Textbuch RM. —.30
Ansichtsmate riale bereitwitligst — Materia]
nach Vereinbarung
UNIVERSAL-EDITION A.G.
Berlin : Ed. Bote & G. Bock
3ofeM fytybn
Nation*
3eil)effe jum OTufifanfen, l. JUtye, #eff 19.
24 ©eifen, fart. 3m —.80
©onberbrucf aud ber grofjen Ranonfammfung
Don grit} 3 8 be
33on fciner pcrfonticrjfren ©eife (ernen t»ir #ai)bn
in feinen STanond fcnnen. 2JW biefen fleinen Rom»
pofifionen wanbfe er fid) nid)f an bie Oeffenflld)*
feif, fonbern fflhlfe fid) t»ie aud) Sftojarf, Seef<
fioben unb anbcre ganj fm berfraufen ffreid ber
jreunbe. ©en 3(bfd)(ug bilben bie „12 ©ebofe ber
ftunff", ein grojjered ftanonmerf 3ofepf) #at)bn$.
Omrieti ttt Dtbuv
5ur obligate £aute, 25ioffne, Sraffdje unb Seflo.
Tlatf} einer f)anbfd)rififid)en Mortage au$ bem
18. 3afirh. fieraudgeg. Don #. !D. Sruger. 1924.
32 ©. Quart. Rail 1. £fb. 3m 3.—. SefferWtr. 53
@8 hanbeff fid) filer urn bie JBiebererttetfung
einetf bi>ff(g bergeffenen SDcrfcd, bai aud) ju £ef>»
jeiten bed 3J?efffertf nid)f gebrucff tourbe, fonbern
nur fianbfd)riff(id) JSerbreifung fanb. #at)bn$
S?ammermufitoerfe mif obligafer Xaufe gefjiSren
nlcfit nur sum Seffen, trad und in biefer Sfrf er-
fialten iff, fonbern geben aud) ben f(anglid)engahig»
feifen ber £aufe im SBerfftreif mif anberen 3nffru«
menten boffauf (Megenfieif jur freien dnffa.fung.
©<rei#<rio Jtr. \
(F»Dur) fUr 2 Violinen unb XJiofonceffo
(£>ad #au$fon8ert #eft 1).
fteraudgegeben bon ipilmar u. 2Baffer ftbcfner.
1931. Quart, l. Saufenb. ©timmenfafj 3m 1.25.
Seffefkflr. 562.
©iefed mirfiid) tDerfbofle 2Berf aud #ai)bntf
3ugenbjcit mfrb foroohi burd) feinen mif Sinmuf
gebaarten ffirnff tpie aud) burd) feine eerhalfni^
mafjig feid)fe ©arffeffbarfeif (iberafl mif Jreube
aufgenommen tperben.
(3m gemeinfamen Serfage mif 2Ditl). #anfen,
ffopenfiagen)
2Bo(feti&u«et<:8ertiti
118
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Eine Friihlingsmusik
Eine Fulle melodischer Einfalle
Eine Herbst-Sinfonie
Eine gigantische Hymne
Ein Herbstpoem
Der vierte Satz der Herbst-Sinfonie
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Romantisches
Klavierkonzert
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Gastelli Romani
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Morgengesang
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Abendweise
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120
BUte beziehen Ste sith bet Men Anfiragen auf MBLOS
hatte das MiBgeschick, kurz vor dem Kriege veroffentlicht zu werden. So fand sie nicht
die ihren Qualitaten gebuhrende Beachtung. Ihre Vorziige seien somit neu ins Licht gestellt:
1.
2.
3.
4.
Erwerbung grundlicher Notenkenntnisse und groSer Lesefertigkeit
(von Anfang an beide Schlussel),
Methodische Schulung des rhythmischen Denkens
SchSrfung des Tonartengefuhls,
Systematische Schulung der Hand (in Bezug auf Gymnastik, Anschlag und
Formengewandtlieit).
Dabei gelten folgende Grundsatze:
nur wenig Neues auf elnmal,
nur das Notwendigste und Brauchbarste,
moglichst nur innerlich Zusammenhangendes,
Grundsatze und Anschauungen also, die sich die Padagogik von heute immer mehrzu eigen macht.
Prels RM. 4.—
Kin T'rtpil von 1S)I6: .Die Wolfcr'schc Klavicrsehule hat sirh nach zweijahriecm Gebrauch
als dip Bostf fiir Anfanpier prvviesen. Der (icbrauch dor bridcn .Schlussel von Anfans an ist
au><rezpiphnpt, und die VorzGpo dps polyiihonen Spiels ^ind unvprkpnnbar, Tn^ere Priifun^pn
am Selilu6 dps Soliuljalircs habpn uns liewiesen, dau das Iciinstlerisi he Niveau in dpn Anfanger-
klavsrn sich bedeulpnd gehobpn bat: musikalisches Pbrasipren, sauberer mphrstimmiger Sntz.
hpsscrpi plastischpr Anschlag, uniehlharp Notpnkpnntnisse und all dip Vurziipp. die zwcifcllos
am' dipsp ausgezeiehnpte Klaviprschule zururkzufuhren sind *
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Melodie- u. Karmonielehre
Der Verfasser gebt von der Dar-
stellung der diatonisclien Skala
aus und baut darauf seine ncue
Lchre von Melodie, Harmcmie
und Polyphonie auf. Durch die
ungcahnte Erweiterung der Be-
grifle von Ilarmonie und Tonah-
tat durfte die neue Lehre wohl
dazu bcitragen, die in jenen
Begriffcn noch herrschendc Ver-
wirrung zu kliiren und zu Kisen.
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7V#*** <?/£«/*»<?/ des Allgemeinen
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Paul Hindemith
Das Unaufhorliche
Oraforium fur drei Soli (Sopran, Tenor, Bass}, gemischien Chor,
Knabenchor, Ordiester und Orgel ad libitum. Text von Gottfried
Benn. Klavierauszug Ed. Schott Nr. 3258 M. 12.— iNP)
Textbudi mit einem Vorwort von G. Benn . . . M. — .40 ;NP)
Conrad Beck
„Es kummf cin Schiff geladen"
Altes Weihnaditslied fur vierstimmigen gemischten Chor a cappella
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Hans Gal
Zweites Quarteii
a-moll, op. 35, fQr 2 Violinen, Viola und Violoncello
Pariitur Ed. Sdioft Nr. 3496 M. 2.—
Stimmen Ed. Schott Nr. 3151 M. 8.—
Hermann Reutter
Missa brevis
fQr eine Altsiimme, Violine und Violoncello, op. 22
Ed. Sdiott Nr. 3153 M. 6.—
Ernst Toch
Musik fur Orchesier und cine Baritonstimme
op. 60 (nadi Worten von R. M. Rilke)
B. SCHOTT'S SOHNE / MAINZ
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122
BUtc bezichen Ste itch bet alien An/ragen auf MELOS
Heft 4 April 1932
11. Jahr K
Neue Musik
vom Blickfeld unserer Generation Kari womer
Der folgende Aufsatz ist das Ergebnis mehrerer GesprSche, die
wir mit dem VerfaSBer hatten. Es lag uns daran, die Einstellung
der heute etwa Zwanzigjihrigen zu den dringendsten Fragen der
Gegenwart festzustellen, nicht in Form von neuen Schlagworten oder
Aufrufen, sondern in klarer und umfassender Begrundung. Wie weit
der Verfasser fur seine Generation spricht, kann vielleicht erst eine
Dislcussion zeigen, zu der wir die jungen Musiker anregen mochten
und der in unserer Zeitschrift Raum zu geben wir als eine be-
sonders wichtige Aufgabe betrachten wiirden.
1.
Unter unserer jungen Generation verstehen wir diejenigen, die ungefahr zwischen
1905 und 1915 geboren wurden. Die Stellungnahme dieser Generation zur modernen
Musik wird bestimmt durch die Situation, in der wir uns befinden. Deshalb mussen
wir uns diese Zeitumstande zunfichst einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen fuhren.
Die Lebensumstande, in die unsere Generation schicksalsmafiig hineingestellt wurde,
kann man sich verwirrender und unruhiger kaum vorstellen. Eine wirtschaftliche Krise
von ungeahntem Ausmafi droht uns zu erdriicken. Wir treten in das Berufsleben ein
und mussen taglich sehen, dafi unsere Arbeitskraft nicht gebraucht wird. Wir sind also
uberfliissig geworden und um den Sinn unseres Lebens betrogen. Das weltanschauliche
Bild, das sich uns bietet, ist nicht minder verworren. Auf der einen Seite stehen die-
jenigen, die negativ einen Sinngehalt des Daseins verneinen, auf der anderen Seite
drangen sich die verschiedensten, extrem sich widersprechenden Lebensanschauungen
verwirrend auf uns ein, die alle sich um eine Zielsetzung des Lebens bemuhen. Alle
politischen, wirtschaftlichen und geistigen Kampfe der Gegenwart werden in unsere
Generation direkt hineingetragen und sollen da zum Austrag gebracht werden.
Das denkbar unruhige Zeitbild, das wir so erblicken, stellt uns vor die folgenden
Tatsachen: 1. In dem jetzigen System der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ord-
nung mussen Schwachen und Liicken bestehen, denn es ist den vorhandenen Anspriichen
nicht mehr gewachsen. 2. Von den weltanschaulichen Grundlagen, die uns angeboten
werden, hat noch keine die tragende Kraft einer einheitlichen Zusammenfassung be-
wiesen. Damit stehen wir vor den folgenden Aufgaben: wir mussen die Grundfehler
und Mangel der jetzigen Zustande erkennen und dann zu einer Umgestaltung und zu
einem Aufbau auf einer neuen Grundlage heranschreiten.
123
vet
Weltanschauung und Kunst
Die Arbeit an der Erkenntnis und Verwirklichung eine9 neuen Lebens- und
Kulturideals, seines Inhalts und seiner Formen steht heute primar im Vordergrunde
unseres Denkens und Handelns. Ihm widmen wir zuerst unsere Kraft.
Jede Kultur, die das ganze Leben tragend umschliefien will und Werte hochster
Art zu zeugen sich als Aufgabe gestellt hat, kann sich nur auf der einen Grundlage er-
heben: namlich dem Willen zum gegenseitigen Verstehen, der aus wahrer, uneigen-
nutziger Menschenliebe erwachst. Daher mufi unsere Arbeit einsetzen mit der Einsicht
in das Schicksal des Menschen, das die Wurzel aller Probleme zusammenfafit. Aus dieser
Erkenntnis heraus folgt die Tat. Voraussetzung dazu ist, dafi jeder an sich selbst zuerst
zu arbeiten beginnt.
Nach diesen grundsatzlichen Gedanken, die wir als Mafistab iiber una selbst und
als Aufgabe der zukiinftigen Entwicklung voranstellen, wollen wir betrachten, in welcher
Weise wir die Musik und insbesondere unsere moderne Musik als grofies kulturtragende9
Element in die Entwicklung hineinstellen.
In der Kunstproduktion fruherer Zeiten stand der schaffende Kunstler auf dem
Boden der vorherrschenden bezw. allein bestehenden weltanschaulichen Grundlage c-der
er bahnte sich innerhalb des gegebenen Rahmens eigene Wege. Heute geht uns diese
einheitliche Grundlage ganzlich ab. Infolgedessen ist jeder bei der gespannten Lage der
Gegenwart gezwungen, sich den weltanschaulichen Hintergrund selbst zu erarbeiten.
Diese Notwendigkeit tritt ganz besonders an den schaffenden Kiinstler unumganglich
heran. Der Kunstler mufi somit zugleich Trager und Kiinder einer neuen Weltanschau-
ung sein.
Das kunstlerische Schaffen entspringt der korperlichen, seelischen und geistigen
Haltung und Einstellung, welche der Kiinstler vertritt. Immer schon war das kunstle-
rische Schaffen in seinen Gipfelleistungen Aufierungsform und Mitteilung letzter weltan-
schaulicher Einsichten. Wir betrachten das Kunstwerk, auch das musikalische, als eine
Schopfung, in der ideelle geistige Erkenntnisse Form gewonnen haben, die sich nur
aufierlich von denjenigen der Philosophie, Religion oder Literatur unterscheiden. Die
ethische Natur und die hohen geistigen Qualitaten des Kiinstlers stehen in einem inneren
ursachlichen Zusammenhang mit dem Wert seines Schaffen9 und bilden einen unmittel-
baren, sich gegenseitig durchdringenden und erganzenden Prozefi.
Die kiinftige Entwicklung unseres Geisteslebens werden daher diejenigen SchSpfer-
personlichkeiten leitend bestimmen, die willens sind, ihre ganzen menschlichen und
kiinstlerischen Krafte bewufit in den Dienst der grofien geistigen Idee zu stellen. An
sie geht unser Ruf.
Aus diesen Aufgaben, die dem Kunstler in der heutigen Zeit zufallen, ergeben sich
von selbst entsprechende Forderungen an den Laien.
Der Mensch von heute ist vermoge eines aufierordentlich gesteigerten Einfuhlungs-
vermogens in der Lage, die Musik vergangener Epochen gefiihlsmafiig nachzuerleben.
Dieses Nachvollziehen bleibt aber ein rein asthetischer Musikgenufi, der an dem Sinn
der Kunst vorbeigeht. Denn Musik will den Horer im Letzten seines Wesens erfassen,
ihn aufwuhlen und in die Probleme hineinzwingen. Erst dann, wenn die Beschaftigung
mit der Kunst Antrieb zur eigenen schopferischen Betatigung wird, zum kampferfiillten
124
Unser Weg zur neuen Musik
Ringen um eine neue Sinnsetzung des Lebens, beginnt die Kunst ihren Sinn zu erfullen.
Wenn sich mit dem Musikhoren ein Verstehenwollen der geistigen Situation, der mensch-
lichen Problematik verbindet, unter deren Voraussetzung das Kunstwerk erst entstand,
wird das kiinstlerische Nachschaffen fruchtbar, denn so kann es zur Klarung der eigenen
Problematik beitragen. Es dient dann als Anregung zur eigenen Arbeit und mm Aufbau
einer positiven Lebensgestaltung.
Wir sind uns dariiber im klaren, dafi bei der von uns mit grofiter Entschiedenheit
geforderten Betonung weltanschaulicher Tendenzen Gefahrmomente auftreten, denen wir
nunmehr kurz begegnen mochten. Man konnte neuerdings mehrfach beobachten, wie iiber
der Absicht, lehrhafte, tendenziose Inhalte primar in den Vordergrund des Kunstwerks
zu stellen, die rein kiinstlerische Form vernachlassigt wurde. Ein solches Werk geniigt
natiirlich keineswegs den kiinstlerischen Anspruchen, die wir stellen miissen, vielmehr
mufi die Darstellung mit dem Gehalt eine neue Einheit eingeKen, die als Synthese das
Wesen des Kunstwerks ausmacht. Damit mochten wir auch denjenigen entgegentreten,
die vielleicht aus unseren Ausfiihrungen politisch-tendenzhafte Hintergriinde herauslesen
wollen, die in die Kunst hineinzutragen uns ganzlich fern liegt.
Und nun zur Frage, wie stehen wir zur neuen Musik und wie beurteilen wir ihre
Hauptvertreter. Unsere Generation ist in ihrer musikalischen Entwicklung unmittelbar
in die neue Musik hineingewachsen. In dem herkommlichen Musikunterricht wurden
wir noch mit den Klassikern von Bach bis Beethoven erzogen, aber der unaufhaltsam
weiterdrangende Entwicklungsgang in uns fiihrte uns folgerichtig iiber die Romantik zur
Moderne. Die moderne Musik und gleichzeitig die gegenwartige Situation der Musik ist
unser ureigenstes, uns personlich am starksten beriihrendes Geschick. Wir erlebten in
den letzten Jahren, wie die Entwicklung neuer Musik zu einer stilistischen Klarung kam,
sodafi sich mit dem Namen „moderne Musik" jetzt ganz klare Vorstellungen verbinden,
die wir mit einem Satz umreifien mochten. Im Gegensatz zur Musik der Romantik und
Nachromantik vermeidet die moderne Musik individuelle, subjektiv erlebte Gefiihlsziige
als unmittelbaren Ausdruck und verbirgt das personliche Erlebnis hinter einem verall-
gemeinernden objektiven Tonausdruck. Strawinsky und Bartok gelangten durch die
Einbeziehung der Volksmusik in den thematischen Bereich dahin. In Deutschland haben
besonders Hindemith und Weill Ahnliches erreicht, Weill am starksten in der ..Biirgschaft"
an einigen Stellen. Strawinsky ist das gleiche am starksten im „Oedipus" gelungen.
In Deutschland marschiert Paul Hindemith an der Spitze allerlebendenKomponisten. Sein Stil
wird von uns unbedingt bejaht; wir sehen in ihm das fruchtbarste Ergebnis unserer
neuen Musik und halten ihn grundlegend fur die weitere Entwicklung der nachsten Zeit.
Die Musik Hindemiths ist oft Ausdruck einer unproblematischen, vitalen Musizier-
lind Spielfreude, nicht das Resultat eines Ringens um Probleme der Welt, die Gestaltung
des Kampfes mit vernichtenden gegensalzlichen Machten in sich selbst. Nur manchmal
ahnt man etwas davon, z. B. im Oratorium. Strawinsky hat heute, wie es scheint, einen
unmittelbaren Einflufi auf die deutsche Entwicklung verloren. 1 ) Wir wissen, dafi er sich
rastlos immer neue kiinstlerische Probleme zur Losung stellt. Wir verfolgen seine Werke
mit Interesse und verstehen sie aus seiner Entwicklung heraus. Es bleibt auch fur uns
') Wir lassen diese Urteile absichtlich ohne Kommentar. Die Schriftleitung.
125
J -t-.--v
Wir brauchen neue Formen
erstaunlich, wie stark personlich er oft die Aufgaben lost und wie sehr er dabei manch-
mal die Stimmung, die Problematik unserer Zeit zum Ausdruck bringt. Trbtz alledem
haben wir fast schon einen „historischen" Abstand zu seinem Schaffen. Bartok und
Milhaud, diese beiden reprasentativen Vertreter moderner Musik, konnen wir hier tiber-
gehen, da sie uns in Deutschland zur Zeit nicht mehr so interessieren wie von den
Auslandern einzig Strawinsky.
Somit sind audi von der stilistisch-technischen Seite her grundlegende Voraus-
setzungen erfiillt. Wir sind daher der Ansicht, dafi eine neue Epoche der Musikentwicklung
angebrochen ist, die zu erfiillen ein wesentlicher Teil der Mitarbeit unserer jungen
Generation sein wird.
Sehen wir uns nun nach den kunstlerischen Moglichkeiten urn, durch die wir ent-
scheidend in der Lage sind, unser Ziel der Formung und Fruchtbarmacliung neuer
kulturtragender weltanschaulicher Einsichten zu verwirklichen. Nach all dem, was wir
bisher gesagt haben, kann uns nur daran gelegen sein, Musikausubende und Horende,
Fachmann und Laien, Kunstler und Liebhaber zur aktiven Stellungnahme und Teilnahme
zu erziehen und auf sie bildend im Sinn unseres Kulturideals zu wirken.
Blicken wir zum Schlufi noch einmal kurz zuriick. Wir glauben, dafi wir heute an
einer Zeitwende stehen, die ebenso einschneidend wie die nach dem Weltkrieg in unser
Leben und in unsere Kultur eingreift. Wir sehen uns als Glieder unserer jungen
Generation am starksten erfafit von der Notwendigkeit, die auf alien Lebensgebieten
ins Schwanken geratenen Formen durch neue zu ersetzen. Wir sind uns der ungeheuren
Schwierigkeit bewufit, welche diese Aufgaben, vor welche wir gestellt sind, mit sich
fiihren. Wir wissen aber auch urn die hochste Verantwortung, die wir damit vor uns
selbst, vor unserer Zeit und vor der Geschichte ubernehmen.
Nachdem der Verfasser bis hierher eine weltanschauliche Grund-
legung seines Verhaltnisses zur neuen Musik gegeben hat, halten
wir im zweiten Teile des Aufsatzes, der sich mit akuten Einzelfragen
beschaftigt, die Ergebnisse unserer Gesprache fest. Das geschieht in
der Form, dafi wir auch unsere Einstellung zu den einzelnen Fragen
kurz zusammenfassen und der des Verfassers gegeniiberstellen. .
Oper und Konzert unterliegen heute Uns scheint, dafi die Bedurfnisse des
infolge der wirtschai'tlichen Krise und des Publikums hier unterschatzt werden. Noch
Niedergangs der burgerlichen Gesellschafts- heute oder vielleicht: gerade heute gibt es
schicht einem starken Abstieg. Oper und wieder weite Menschenkreise, die im Konzert
KonzertsindabtTgeradedie!nstitute,indenen nicht nur oberflachlichen Genufi suchen.
das geniefierische Musikhoren, gegen das was Gerade wenn man die Verhfiltnisse aufier-
wir so heftig angehen, zu den bedenklichsten halb der Grofistadt einbezieht, verstarkt
Pflanzstatten wurde. Sie haben somit den sich dieser Eindruck. Die wirtschaftlichen
kulturellen Sinn, den alle grofien Kom- Note haben im allgemeinen zu einer Aus-
ponisten in ihnen sahen, namlich den Sinn lese, oft zu einer Steigerung der Qualitat
der Forderung der Gemeinschaftsbildung gefuhrt. Musikhoren ist nicht nur „F6rde-
auf einer angestrebten ethischen Grundlage rung der Gemeinschaftsbildung auf einer
126
._____, Gesprach mit einem jungen Musiker
zumindest stark eingebiifit. Es liegt uns angestrebten ethischen Grundlage"; e9 gibt
ganzlich fern, diesen Musikinstituten etwa dariiberhinaus auch heute nooh individuelle
den Boden abgraben oder sie als veraltet Musikbediirfnisse, die durch ein hochwertiges
zur Seite stellen zu wollen. Wir sehen Konzert vollstandig erfiillt werden.
aber Wege zu einem fruchtbaren Aufbau
einzig in der Erziehung des Publikums.
Die Formen des Laienmusizierens,
wie sie in Sing- und Musiziergemeinschaften,
in der Schulmusik und an Volksmusik-
schulen seit Jahren wieder recht intensiv
gepflegt werden, bringen von vornherein
schon die aktive Teilnahme der Ausiibenden
am Musikgeschehen mit sich. Hier stehen
wir auf einer wesentlich anderen Basis.
JedeMusikiibung ist ein starkesverbindendes
died in der Gemeinschaft, aber es ist ein
Irrtum, anzunehmen, dafi die Musik eine
positive Gemeinschaft, die es auch im
Lebenskampf bleibt, tragen kann, wenn
nicht vorher schon gemeinsame geistige
Ideen vorhanden sind, welche die Einheit
der Gemeinschaft schaffen. Wir sehen
in der Form des Laienmusizierens un-
bedingt eine ganz produktive Form, in
der moderne Musik an den Menschen heran-
getragen werden kann, und daher wichtige
Arbeitsmoglichkeiten fiir die Zukunft. Von
hier aus miissen wir sofort scharfe Kritik
an der bedenklichen musikalischen Mittel-
ware iiben, die heutzutage in der Laien-
rriusik auf den Markt getragen wird.
Kritik an der Mittelware, die heute als
Laienmusik ausgeboten wird, ist berechtigt.
Aber wo liegen ihre Ursachen? Warum
haben sich bedeutende Musiker, wie Hin-
demith, der in seinem Lehrstiick einen
Typus geschaffen hatte, von dieser Form
des Musizierens abgewandt ? Warum haben
die Kreise, deren geistige und gesinnungs-
mafiige Verbundenheit aufier Zweifel steht,
noch keine wirklich bedeutende Musik
hervorgebracht ? Die Frage liegt doch wohl
so; kann Musik heute iiberhaupt noch in
einer Gemeinschaft von Laien derartige
Funktionen iibernehmen, wie sie zum
Beispiel die Jugendbewegung in ihr suchte?
Eine entscheidende Tat ist die Schul-
Oper. Sie ist eine kiinstlerische Moglich-
keit, bei der lehrhafte Tendenzen den
Teilnehmern vermittelt werden konnen.
Brecht und Weill haben das Problem als
erste gleich am gliicklichsten gelost. Die
zahlreichen Nachfolger, die dann kamen,
haben die fruchtbare Idee bedenklich ver-
flacht. Das zeigt am deutlichsten, dafi „die
Aktivierung des Horers" ein Schlagwort
ist, dessen Verwirklichung auf ernste
Schwierigkeiten stofit, und der wir erst
muhsam den Boden ebnen miissen.
Die Bewegung der Schuloper ist wohl
noch zu Jung, um schon jetzt eine ab-
schliefiende oder iiberhaupt nur zusammen-
fassende Stellungnahme zu ihr zu versuchen.
Schon die Tatsache, dafi einige Werke dieser
Art sich in weitem Umfange in der Schul-
musik durchgesetzt haben, ist ein ent-
scheidender Erfolg. Wir diirfen die Schul-
oper auch nicht isolieren; sie steht in
dem grofien Zusammenhang der Schulmusik
iiberhaupt, in welche die neue Musik heute
schon in erstaunlichem Umfange ein-
gedrungen ist.
127
Gesprach mit einem jungen Musiker
Wahrend sich unsere musikalische Ent-
wicklung noch so vollzog, dafi man uns
zuerst mit dem herkommlichen Unter-
richtsmaterial vertraut machte, das ganz
auf dem Boden der klassischen Musik stand,
fuhrt man jetzt das Kind gleich am Anfang
schon in die moderne Musik ein. Zu diesem
Zweck schrieben fast alle unsere modernen
Komponisten leichte Stiicke fiir Unterrichts-
zwecke. Es ist unendlich wichtig, dafi diese
Absichten weiter gepflegt werden. Man
soil aber nur gute Musik verwenden, denn
man wird uns recht geben, dafi die bis-
herigen Kompositionen — von verschwin-
denden Ausnahmen abgesehen — wenig
geeignet sind, hohe Vorstellungen von dem
Qualitatswert moderner Musik zu erwecken.
Wohl gibt es, ahnlich wie in der Laien-
musik, hier viel Geringwertiges; manche
Komponisten haben das Entgegenkommen
an den Laien im Sinne einer Niveau-
senkung mifiverstanden. Aber es besteht
doch wohl kein Recht, von „verschwindenden
Ausnahmen" zu sprechen. Wir haben eine
Reihe (um einige Beispiele zu nennen) von
vier Heften „Fiir Kinder" von Bartok, die
leichten vierhandigen Tanze und die Stiicke
„Pour les cinq doigts" von Strawinsky, die
Klavierstiicke fiir Anfanger von Hindemith.
Die Streicher verdanken diesem Kom-
ponisten das grundlegende „Schulwerk fur
instrumentales Zusammenspiel", neuerdings
eine grofie Reihe zweistimmiger Satze in
der Schule des Violinspiels von Doflein.
Die Entwicklung einer Musikform hat
letzten Endes immer nur auf wenigen
Schultern geruht.
Die starkste Forderung unserer modernen
Musik mussen wir aus mehrfachen Griinden
vielleicht doch vom Rundfunk erwarten.
Durch den Rundfunk sind wir in einer
Weise wie nie zuvor in der Lage, Musik
an weiteste Volksschichten heranzulragen,
und konnen in umfassender Art erzieherisch
wirken. Die eigensten Mciglichkeiten fur
den modernen Musiker bestehen in der
Notwendigkeit, funkeigene Musik zu
schreiben, und in dem Ausbau des Horspiels.
Man gebe gerade unseren jungen Kom-
ponisten und Dichtern Gelegenheit, Ein-
blicke in funkische Eigenheiten zu gewinnen.
Bei der Ausgestaltung der Programme
konnen wir uns nicht der oberflachlich
gleichgiiltigen Meinung anschliefiea: das
Publikum will es nicht besser. Das gleiche
gilt auch fiir die Schallplatte und den
Tonfilm. Es gibt Menschen genug, die
gar nicht zufrieden sind. Noch nie hat
sich der wahrhaft schopferische Geist nach
dem Publikumsgeschmack gerichtet, sondern
er hat seiner Zeit den Stempel aufgedriickt.
Fiir den Tonfilm, nicht fiir die Schall-
platte, mussen wir zustimmen. Auch
der anspruchsvolle Musiker ist in der Lage,
sich heute eine Schallplattensammlung von
hoher Qualitat anzulegen. Dafi ein sehr
grofier Teil der Verbraucher in Film, Schall-
platte und Rundfunk nichts anderes befrie-
digen will als ein Amiisierbedurfnis, ist
wohl keine „oberflachliche, gleichgiiltige
Meinung", sondern eine Tatsache, die sich *
nach dem einzig entscheidenden Gesetz
von Angebot und Nachfrage reguliert. Die
deutschen Sender haben es im allgemeinen
heute gelernt, sich auf alle Horerschichten
gleichmafiig einzustellen. Wenn er sich
ernstlich darum bemiiht, kann auch der
gebildete und musikalisch verwohnte Horer
bei richtiger Auswahl Anregungen genug
fiir sich finden (wobei wir nur noch betonen
mochten, dafi es bei dem heutigen Stande
der Technik das Problem einer „funk-
eigenen Musik" eigentlich kaum noch gibt).
128
Die ewigen Geseize der Oper?
Friedemann Bach oder Burgschaft? Heinrich strobei
„Die Oper steht still in ihrer Entwicklung. Die Produktion ist zuriickgegangen ;
und in gewissem Sinne ist die Frage berechtigt: Sind die Moglichkeiten dieser . . .
Kunstform erschopft? Schaffende . . . richten den suchenden Blick auf neue Moglich-
keiten, auf neue Ziele. Aber was geschieht? Alter Stil siegt, neuer Stil unterliegt.
Paul Graener respektiert die ewigen Gesetze der Oper und trifft den Geschmack des
Opernpublikums. Kurt Weill kummert sich nicht um die Gesetze und tut einen Fehl-
schlag nach dem andern." Ich zitiere diese Satze als Einleitung einer Betrachtung von
Graeners „Friedemann Bach" und Weills „Biirgschaft" nicht, weil ich sie fur besonders
tiefsinnig halte. Ich zitiere sie, Weil sie in einer der ideell angesehensten deutschen
Zeitungen stehen und weil sie zeigen, wie grofi heute die Verwirrung ist. Man kann sich
der experimentellen Problematik eines Werkes wie der „Biirgschait" durchaus bewufit
sein, und man wird doch aufs scharfste protestieren, wenn gegen dieses Werk ein Typus
ausgespielt wird, der hochstens als Ruhr- oder Unterhaltungsstuck Anspruch auf Be-
achtung finden kann. Die Grenze zwischen Unterhaltung und Kunst ist selbst fur einen
grofien Teil der Kritik heute verwischt. So weit ist die geistige Bequemlichkeit schon
gediehen.
„Friedemann Bach" und „Burgschaft" — sind das iiberhaupt vergleichbare Grofien ?
Man wird sagen: „Agyptische Helena" und „Biirgschaft", das prunkvolle, rauschende
Musikdrama und die moderne, didaktische Oper, das konnte gegenubergestellt werden.
Aber gerade die Schiefheit des Vergleichs ist bezeichnend fiir die Situation. Vor drei
Jahren ware dem „Friedemann Bach" gar nicht diese Ehre widerfahren. Man hatte ihn
als das genommen, was er im besten Falle ist: als sentimentales, kitschiges Opern-
theater mit einer ohne Zweifel sehr gekonnten Musik. Man hatte immerhin die erotischen
Peinlichkeiten noch bemerkt, in die Budolf Lothar, auf Brachvogels Spuren wandelnd,
den armen Friedemann verwickelt. Man hatte sich an der Art gestofien, mit der hier
unter leitmotivischer Profanierung des B-A-C-H professorale Klassizitat und schwelende
Kulissenromantik vermengt werden. Man hatte auch nodi ein kritisches Ohr fur diese
verdachtige Volkstiimelei gehabt, die sich mit (nicht einmal echten) bachischen Federn
schmuckt. Heute werden um diese pseudoromantischen Verlogenheiten schiitzend die
ewigen Gesetze der Oper gebreitet. Die ewigen Gesetze der Oper? Das konnte heifien :
Behandlung zeitloser menschlicher oder geistiger Konflikte in. einer allgemein verbind-
lichen Form. Was geschieht hier? Aus einer historischen Gestalt wird ein junger Fant,
der zur Mutter Grafin hiniiberwechselt, nachdem ihm die Tochter entschliipfte, und den
mitten im Orgelspiel der Liebestod befallt. Nur durch die Qualitat der musika-
lischen Arbeit unterscheidet sich „Friedemann Bach" von einem Leharschen Singspiel,
das im ubrigen mit viel geringeren Ambitionen auftritt. Gerade diese Haltung ist typisch
fiir eine ganze Richtung der heutigen Oper: diese Richtung will iiber die Problematik
der Gattung und der geistigen Situation durch Ver-Rotterung hinwegtauschen. Sie geht
den Weg des Tonfilms. Ihre Produkte sind kunst- und geistfeindlich.
Wenn schon von ewigen Gesetzen der Oper gesprochen werden mufi, dann wird
man sie weit eher in der „Biirgschaft" finden. Denn das eine mufi diesem Werk in
jedem Fall zugestanden werden : der Wille, einen grofien Stoff in einer moglichst allge-
129
'-"■-■"iiiiidiiiimni
Klassizismus und Song
^
mein verbindlichen Form darzustellen. Die Absicht: das Unheil, das durch den Besitz
und durch die Gier nach Besitz in die Welt gekommen ist, moglichst allgemein plausibel
zu machen, diese Absicht verfiihrt Neher und Weill sogar zu einer allzu plausiblen, um
nicht zu sagen naiven Behandlung des Problems. Der Ausgangspunkt ist eine Parabel
von Herder. Matthes findet in der Spreu, die er von seinem Freund Orth kauft, einen
Beutel Gold. Soil er ihn zuruckgeben ? Wenn Orth ihn nicht benotigt: nein. Orth aber
benotigt ihn. Erpresser hinterbringen ihm die Absicht des Freundes. Man einigt sich,
zum Richter zu gehen. Er entscheidet: keinem von euch beiden gehort das Geld. Es
gehort euren Kindern. Gebt sie zusammen, wenn sie alter sirid. Da kommt der Kommissar
der grofien Machte, d. h. des Kapitalismus, und andert die Entscheidung: beide sind
schuldig, das Geld gehort dem Staat. Und nun wird gezeigt, was dieser Staat bringt-,
der auf den Besitz des Geldes aufgebaut ist: Krieg, Teuerung, Hunger und Krankheit.
Orth, der Matthes zweimal aus einer mifilichen Lage half, verrat ihn jetzt, um seinen
Besitz nicht zu gefahrden.
Es ist klar, dafi dieser Stoff einen Musiker wie Weill interessieren mufite, der sich
seit Jahren bemiiht, das musikalische Theater in den Dienst der sozialen Idee zu stellen.
Den Musiker Weill reizt der menschliche Konflikt und das formale Problem. Den Ideo-
logen Weill reizt die soziale These. Der Musiker will die Oper, natiirlich nicht die her-
kommliche dramatisch ausladende Oper, sondern die formal gebundene, episch gestraffte
Oper. Der Ideologe will das Lehrstiick. Der Opernkomponist halt sich an den Konflikt
der Herderschen Fabel, der Ideologe an den Satz: nicht der Mensch andert sich, sondern
die Verhaltnisse andern den Menschen. Aus der Verquickung der Elemente entsteht
die Problematik der „Biirgschaft". Im ersten Teil stimmt alles zusammen. Im zweiten
kommen sich Oper und Lehrstiick dauernd in die Quere. Die Herdersche Fabel kunn
die sozialen und politischen Thesen nicht tragen. Den ersten Teil hat Neher mit zu-
weilen dichterischer Kraft geformt. Der zweite entgleitet ihm. Weder die Gerichts-
szenen, noch die Plagen, die er in der Art der apokalyptischen Reiter symbolisiert, ge-
winnen iiberzeugende szenische Gegenstandlichkeit. Es wird zu viel theoretisiert, und
der Beweis fur die These von der Veranderung wird doch nicht einwandfrei erbracht.
In der Dreigroschenoper und in Mahagonny hat Weill eine Zwischenform aus
Schauspiel und musikalischem Theater angestrebt. In der Biirgschaft nimmt er die grofie
Opernform auf. In den Zwischenformen hatte er unter dem Einflufi des Jazz und der
Moritat jenen Songstil ausgebildet, der seitdem die stilistische Grundlage seines Schaffens
bildet. Der Songstil sicherte ihm die Popularitat. Aber Weill war viel zu klug und viel
zu beweglich, um nicht zur rechten Zeit die relativ engen Moglichkeiten dieses Song-
typus zu erkennen. Wie das moderne Schauspiel Brechts so war auch der Song fiir ihn
nur ein Durchgang. Sein Schaffen erhielt zwar dadurch erst eine geistige Richtung. Aber
so ernst er es auch mit den sozialen und didaktischen Tendenzen nahm: die Sehnsucht
nach der Oper war nicht umzubringen. Im Jasager geschah der erste Schritt zum for-
malen Klassizismus. Der Jasager verdankte seine Einheit der Knappheit seiner Formen.
Er ist mit der Dreigroschenoper zu vergleichen. Die gleiche Konzentration, die gleiche
Schlagkraft. Die Gleichung Klassizismus — Song ging im Jasager restlos auf.
Wie der kleinen Dreigroschenoper das grofi angelegte Mahagonny folgte, so folgt
dem einstiindigen Jasager die mehr als abendfullende Biirgschaft. Die geistige Abhangig-
130
Oper und Lehrstuck
keit von Brecht ist ebensowenig zu leugnen wie die musikalisch-formale von Strawinskys
Oedipus und von Milhauds Christophe Colomb, Sie zeigt sich in der Verwendung de9
Chors als iiberpersonlichen Akteur und im letzlen Teil sogar als entscheidenden Trager
des Geschehens, sie zeigt sich in der strengen formalen Gliederung und im Verzicht auf
jede Bewegungsdramatik im Sinn des 19. Jahrhunderts. Die Biirgschaft ist eine Nummern-
oper, die im epischeh dritten Akt in das szenische Oratorium iibergeht. Die grofie
Opernform stellte den Musiker Weill vor vollig neue Aufgaben, Er hat sie mit aufter-
ordentlichem Konnen und aufierordentlichem Formgefiihl gelost. Er wandelt den aus
Song und Archaismus geformten, absichtlich kargen und scharf deklamierenden Stil mit
staunenswerter Mannigfaltigkeit ab. Alles, was er von seinen Vorbildern ubernimmt,
schmilzt er diesem Stil so restlos ein, dafi es oft schlagender wirkt als dort. Gerade
weil die Starke des Komponisten die kleinen Formen und die knappen Umrisse sind,
mufi man die kiinstlerische Okomonie der Biirgschaft bewundern.
In einem Werk, das sich nicht ausschliefilich an das Gefiihl wendet, sondern in
dem die Gefuhlskonflikte nur Mittel zur Darstellung der Idee sind, hat das Wort natiir-
lich eine iiberragende Bedeutung. Die Biirgschaft ist deshalb in einer Art von melodischem
Bezitativ geschrieben, das Weiils konsequenter Kunstwille hier zur volkstiimlich-melancho-
lischen Lyrik, dort zur statuarischen Monumentalitat der Chore umbildet. Wie in Mahagonny
wird die dramatische Erregung vorwiegend durch die Bhythmik ausgedriickt. Die Bhythmik
ist zwar wenig variabel, aber an vielen Stellen von einer faszinierenden gestischen Unmittel-
barkeit. Besonders im ersten Akt gelingen Weill frappante Formulierungen. Der erste Akt
ist nicht nur der geschlossenste Teil der Oper; er ist iiberhaupt das Reifste, was Weill
bisher fur das Theater geschrieben hat. Vom Vorspiel mit seinem spannenden Ostinato
fiber die ganz unschlagerhaften Songs der drei Strolche und uber die unheimliche
Nebelszene bis zum Wettlauf zwischen dem schwimmenden Matthes und dem Boot der
Erpresser: es ist eine zwingende Folge von musikalischen Nummern, die nicht nur das
Essentielle jeder Situation auf die einfachste und schlagendste Formel bringen, es gibt
auch Stiicke, in denen das Operntheater wirklich wieder zum allgemein verstandlichen
Symbol menschlicher Konflikte wird. Die Szene des Wettlaufs wird ausschliefilich vom
Chor dargestellt. Jede dekorative Deutung fehlt. Es ist ein Gipfel gestischer Musik und
ein Gipfel des neuen Operntheaters. Die beiden folgenden Akte erreichen nicht die
Geschlossenheit des ersten. Das liegt, wie schon angedeutet, am Text. Es liegt aber
auch daran, dafi die Intensitat der Musik gerade da nachlafit, wo sie das episch-didak-
tische Geriist fiillen miifite. Gewifi gibt es ausgezeichnete Nummern wie den barbarischen
Kriegsmarsch oder den Hungerchor. Aber es bleibt doch der Eindruck einer gewissen
Gleichformigkeit — trotz der Weiterfiihrung der „privaten" Handlung, die bei dem mit
einer Tanzszene kombinierten Tod der Frau Matthes in die bedenkliche Nahe einer
neuen Sentimentalitat fiihrt. Der letzte Akt sucht einen Kompromifi zwischen Lehrstuck
und Oper, zwischen intellektueller Ansprache und gefiihlsmafiiger Aussprache. Er zeigt,
dafi eine Verbindung beider im Bahmen des Operntheaters nicht moglich ist. Lehrstiick
und Oper sind grundverschiedene Gattungen. Auch Weill wird sich zwischen beiden ent-
scheiden miissen.
Graener und Weill hintereinander an der gleichen Biihne: das bedeutet auch den
scharfsten Gegensatz der Auffuhrungsstile. In „Friedemann Bach" sah man den ganzen
13t
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Eberts grofler Erfolg
knalligen Prunk, die ganze hohle Pose des alten Operntheaters. Es war Regime Singer.
In der „Biirgschaft" sa h man eine vollkommene Verwirklichung des modernen Opern-
theaters : klare, ruhige Linien, auch da, wo das Romantisch-Phantastische gestreift wird,
aufierste Disziplin in der Geste, in der Bewegung der Massen, aufierste Genauigkeit und
energische Straffung in der musikalischen Wiedergabe. Es war eine Glanzleistung der
Stadtischen Oper, an der die Leiter der Auffuhrung (Ebert, Stiedry, Neher) gleichen
Anleil hatten wie die Solisten (vor allem Rode und Reinmar in den Hauptrollen) und
der prachtvolle Chor. Die „Burgschaft" hat bewiesen, dafi zielbewufite Fiihrung und
kiinstlerische Hingabe in einem Jahr aus einem verschlampten Theater ein vorbildliches
Theater machen konnen. Sie war eine mutige Tat in einer Zeit grofiter kulturpolitischer
Angstlichkeit.
Musik und Wirtschaft
Das Zentralinstitut fur Erziehung und Unterricht hat im letzten
Winter unter dem Vorsitz Ministerialrat Kestenbergs Beratungen
mit den Vertretern aller grofieren Musikverbande gehaot, fiber deren
Ergebnisse es die folgenden Mitteilungen macht.
Auf dem Wege zur Planwirtschaft
„ Musik in der Wirtschaftskrise", unter diesem Generalthema haben im
Winter 1931/32 in der Musikabteilung des Zentralinstituts interne Beratungen irii
kleinen Gremium, grofiere Aussprachen vor dem Forum der Offentlichkeit und Ver-.
handlungen in einzelnen Arbeitskommissionen stattgefunden, alle mit dem Ziel, Klar-
heit iiber die Wege und Moglichkeiten zur Linderung der Not der Musiker zu schaffen.
Der ganze Fragenkomplex wurde gelegenlich eines Ausspracheabends (veranstaltet in
Verbindung mit dem Berliner Tonkiinstler-Verein im Dezember 1931) unter Ein-
beziehung der wichtigsten musikalischen Zeitfragen: der Konzertkrise, der Arbeits-
beschaffung fur Musiker, des Ausgleiches zwischen lebendiger und mechanischer Musik,
der Verbindung zwischen Schul- und Privatmusik diskutiert. Vorschlage, die allgemeine
Beachtung gefunden haben, brachte ein Referat von Professor Dr. Georg Schunemann
uber das Thema „Wie konnen wir der Arbeitsnot in der Musik steuern?" Die Forde-
rungen dieses Referates und die aus der Versammlung geaufierten Wunsche (vor allem
die Ausfiihrungen von Professor Dr. Moser, Herrn Jahn und Herrn Prietzel)
wurden weiterverfolgt durch die Arbeit einzelner Kommissionen. Es bildeten sich die
Kommissionen „Rundfunk und Konzertwesen" (Leiter: Professor Dr. Schunemann), „An-
gebot und Nachfrage" (Leiter: Prietzel), „Schulmusik und Privatmusik" (Leiter: Direktor
Professor Dr. Moser). Verhandlungen mit offentlichen Korperschaften, die bereits von
diesen Kommissionen eingeleitet oder von ihnen vorgescblagen wurden, imindeten in
132
M^ff
Doppelverdiener und Auslander
die erste grofiere Aussprache von Vertretern der Reichs- und preufiischen
Ministerien und einzelner im offentlichen Musikleben stehenden Per-
sdnlichkeiten iiber die Lage der Musik in der Wirtschaf tskrise und die
Mdglichkeit einer Planwirtschaft, die unter dem Vorsitz von Ministerialrat
Kestenberg in der Musikabteilung des Zentralinstituts am 1. Marz 1932 stattfand. Die
Musiker waren vertreten durch Arnold Ebel. Professor Havemann, Maria Leo, Direktor
Professor Dr. Moser, Araandus Prietzel, Professor Dr. v. Schillings, Professor Dr. Schumann,
Professor Dr. Georg Schiinemann, Susanne Trautwein u. a.; von den Behorden er-
schienen Vertreter des Reichsministerium des lnnern, des Reichsfinanzministeriums, des
Reichsarbeitsministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums, des Reichsjustizministeriums,
des Preufi. Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums fur Handel und Ge-
werbe, des Preufi. Ministeriums des lnnern, des Ministeriums fiir Volkswohlfahrt, des
Ministeriums fiir Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, der Deutsche Stadtetag und die
Stadt Berlin. Die Beratungen erstreckten sich auf die wichtigsten wirtschaftlichen und
organisatorischen Fragen der gegen wartigen Musikpflege; den Nachwuchs, die Berufsnot,
das Doppelverdienertum, die mechanische Musik, das Urheberrecht, das Musikgewerbe
und die Musikerziehung. Dieser Aussprache kommt deshalb besondere Bedeutung zu,
weil sie es den anwesenden Musikern ermoglichte, ihre Wiinsche direkt den Behorden-
vertretern zu iibermitteln, wahrend andererseits die Vertreter der amtlichen Stellen in
vielen Punkten sofort auf die bereits im Gang befindlichen Neuordnungen oder Anderungen
hinweisenkonnten. So wurden vom Vertreter des Ministeriums fiir Handel und Gewerbe Mit-
teilungen iiber dieNeuregelung auf dem Gebiet der Lehrlingskapellen gemacht, die durch
Zusatzein derReichsgewerbeordnung erfolgen soil. DieschwierigeMaterieder Bekampfung
des Doppelv er dienertums wurde nach den verschiedensten Richtungen hin be-
sprochen. Die Vertreter der Ministerien sagten zu, erneut an die bestehenden Verbote
des Beamtenmusizierens zu erinnern. Als erste Frucht gerade dieser Erorterungen kann
ein Erlafi des Reichsministeriums des lnnern gebucht werden, durch den die obersten
Reichsbehorden ersucht werden, „den Behorden vorstan den die Vorschriften iiber das
nebenberufliche Musizieren der Beamten in Erinnerung zu bringen und sie zu veranlassen,
Ubertretungen grundsatzlich im Wege des Dienststrafverfahrens zu verfolgen". Um ein
gleiches Verfahren sind die Landerregierungen und die Hauptverwaltung der Deutschen
Reichsbahn-Gesellschaft gebeten worden. — Die Frage der Auslan derb esch aftigun g
wurde im Zusammenhang mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften erortert. Die durch
die mechanische Musik bedingte neue Situation auf dem Gebiet der musikalischen
Reproduktion erfordert eine Anderung des Urheberrechtsgesetzes. Die Musikerscliaft ver-
langt vor allem Schutz gegen das gewerbliche Ausnutzen der Lautsprechermusik und
gegen den ,,unlauteren Wettbewerb" der mechanischen Musik gegeniiber der lebendigen
Musik. Alle diese Fragen haben als Ziel die Erhaltung alter und die Schaffung neuer
Arbeitsmoglichkeiten fiir die qualifizierten Musiker. Eine Sonderaussprache wandte sich
dem Aufgabengebiet der kommunalen Musikpflege zu. Der Vertreter des Deutschen
Stadtetages sagte seine Hilfe bei der Einrichtung stadtischer Musikauskunftsstellen
zu, deren Aufgabe es sein wurde, zur planvollen Gestaltung des gesamten Musiklebens der
Kommune beizutragen. Schliefilich wurden mit dem Vertreter des Pro vinzialschulkollegiums
Berlin Beratungen iiber die nahere Fiihlungnahme zwischen Schulmusik und Privat-
133
Musik ist keine Ware
m u s i k gefuhrt. Alle diese Fragen sind zwar noch im Flufi, sie sind aber bereits ein erhebliches
Stuck vorwarts getrieben worden. Der Widerhall, dem die in den verschiedenen Be-
ratungen aufgestellten Forderungen in der OfFentlichkeit begegnen, und die bereits ein-
getretene Erfiillung einzelner wichtiger Punkte zeigen, dafi der Marsch auf dem Wege
zu einer musikalischen Planwirtschaft wenigstens eingeleitet ist.
Randbemerkungen zur Frage
Musik und Wirtschaft
Eberhard PreuBner
Dem vorstehenden Bericht uber die Verhandlungen, die im Zentralinstitut fur
Erziehung und Unterricht stattgefunden haben, seien ein paar allgemeine theoretische
Bemerkungen angeschlossen. Zunachst eine einschrankende: der Begriff Wirtschaft kann
in der Musik nicht dieselbe nur auf den vorhandenen Absatzmarkt und die im Augen-
blick herrschende Kaufkraft abzielende Bedeutung haben, die wir sonst im Wirtschafts-
leben anzuwenden pflegen. Die „Wirtschaftlichkeit" der Musik ist und kann niemals eine
grofie im Sinne der Quantitat sein. So imponierend manche Ziffern im Umsatz des
Musiklebens aussehen mogen, sei es, dafi wir an die Tantiemen, die fur die Komponisten
eingehen, oder an die anderthalb Millionen Sanger der Chorvereine oder an die im-
ponierendste Ziffer: die einkommenden Bundfunkgebuhren, die wohl zum grofiten Teil
dem Musikverbraucb zugute zu schreiben sind, denken, alle diese Zahlen sind, rein
wirtschaftlich gesehen, der geringste Teil im Wirtschaftskorper. Aber die Zahl regiert
die Musik so wenig wie die Statistik. Ware die Ziffer, der reine Umsatz mafigebend,
so ware, wie Paul Bekker in einem Artikel „Kasse und Kunst" (Anbruch XIV/2-3) am
Theaterfall, dem Fall kaufmannisch-wirtschaftliche Fiihrung oder gemeinniitzig-kunst-
lerische Leitung des modernen Theaters, sehr richtig alien Sparkommissaren vorhalt,
allerdings die Amiisieroperette oder der Tonfilmschlager auf der Schallplatte die —
wirtschaftlich ste Form in der Musik. Das Wirtschaftsprinzip in der Musik regelt sich
aber, soweit die ernsthafte Musik gemeint ist, nicht im freien Verkehr nach Angebot
und Nachfrage allein. Sondern unterstiitzende und fordernde Zwischeninstanzen sind in
der Organisation der Musik notwendig. Wobei in diesem Zusammenhang ganz aufier
acht bleiben m6ge, wer diese Bindeglieder am besten bilden sollte: offentliche Instanzen,
der Staat, oder private Stellen. Musik befindet sich von jeher im Kampf gegen die^
Wirtschaftsform. Heute in der Wirtschaftskrise kampft Musik gleichsam gegen eine ver-
starkte Front: gegen die durch die Krise erschiitterte Wirtschaftsform. Der Protest, der
ziemlich einheitlich gegen den drohenden Kulturabbau und leider weniger einheitlich
gegen die Kulturreaktion einsetzte, ware verfehlt, wenn er sich gegen die Wirtschafts-
krise als solche wenden wollte, und ware auch sinnlos, wenn Abhilfen lediglich auf dem
Wege der Ankurbelung der. musikalischen Wirtschaft im engen Sinne von Angebot und
Nachfrage empfohlen wurden. Der Protest ist aber sofort sinnvoll, wenn er sich dagegen
wendet, dafi Musik plotzlich infolge der Wirtschaftskrise als Ware gemessen wird, dafi
man, stockt der Umsatz, Musikinstitute wie musikalische Warenhauser einschrankt oder
gar schliefit.
134
Austausch statt Schutzzoll
Neben diesen allgemeinen Darlegungen mag ein spezieller Fall dartun, dafi die
Zahl und infolgedessen auch die Wirtschaftlichkeit in der Musik nur relativ zu bewerten
sind. Der Beweis sei an dem Fall : die Geltung der deutschen Musik im internationalen
Giiteraustausch angestellt. Wollten wir nach der Ausfuhrziffer die Geltung bewerten, so
wiirde eine Hauptrolle die Ausfuhr von — Mundharmonika-Instrumenten spielen miissen.
Die Mundharmonika-Industrie pflegt auch auf diese Zahlen mit Stolz hinzuweisen. Und
trotzdem, so darf doch wohl ganz ohne jeden Seitenhieb auf eine musikalische Spiel-
waren-Industrie gefolgert werden, bedeuten diese Ziffern fur die tatsachliche Geltung
deutscher Musikwerte nichts. ') Das, was die eigentliche Rentabilitat deutscher Musik im
Ausland ausmacht, sind Dinge, die nur mit geringen Ziffern aufwarten konnen: um
ein Beispiel herauszugreifen, etwa Auslandsreisen beruhmter Orchester und Chore,
Reisen, die streng genommen an sich unwirtschaftlich sind, dy h. die nur durch wirt-
schaftliche Zwischentrager und Stiitzen (vermutlich meist durch das Auswartige Amt)
zustande kommen. Hier zahlt also eigentlich nicht mehr die Wirtschaftlichkeit, sondern
kulturell-geistige Momente, die durch ihre Qualitat auch die Unwirtschaftlichkeit auf-
heben und umwerten.
Dieses Beispiel der musikalischen Ausfuhr ist auch in einer anderen Weise
lehrreich. Der Wunsch, den einheimischen Musikern alle irgendwie erreichbaren Arbeits-
gelegenheiten zu sichern, hat nicht nur in Deutschland, sondern sogar in viel ein-
schneidenderer Form im Ausland, z. B. in England und in Danemark, zur Ausschaltung
von auslandischen Musikern oder wenigstens zur programmatischen Forderung einer
Auslandersperre gefiihrt. Sehr bald hat man erfahren, dafi auch hier die Zahl uberschatzt
wird. Ganz abgesehen davon, dafi von alien Seiten der geistige und kulturelle Austausch
hochwertiger Musik (selbstverstandlich mit Einschlufi der reisenden Virtuosen) weiter
gewiinscht und energisch gefordert wird — in diesen Tagen z. B. unternimmt die
Berliner Singakademie eine Konzerttournee nach Italien — auch die absoluten Zahlen der
im deutschen Musikgewerbe tatigen auslandischen Musiker sind nicht erschutternd ; sie sind
gar nicht erschutternd, wenn man an die Ausgleichsziffern der im Ausland immer noch
tatigen deutschen Musiker denkt. Die Gef'ahr der Errichtung musikalischer Schutzzoll-
grenzen, die vor einigen Monaten in der Tat zu drohen schien, ist heute wohl ernsthaft
nicht mehr vorhanden. Trotz aller Bestrebungen nach Autarkie zeigt es sich doch (was
auch auf der oben erwahnten Konferenz im Zentralinstitut zur Sprache kam), dafi die
Handelsvertrage, die internationalen Vereinbarungen der Lander untereinander die
Durchfuhrung musikalischer Grenzsperren von vornherein verbieten. Dafi gerade fur
diese Handelsbeziehungen, die nicht nur auf politisches, sondern schnell auch auf kultu-
relles Gebiet uberzugreifen pflegen, Musik eine nicht zu unterschatzende Rolle spielen
kann, muGte sich der deutsche Musiker immer wieder vor Augen halten. Unter diesem
Gesichtspunkt ist eine Absperrung vom Ausland nicht nur zu verwerfen, sondern an
ihrer Stelle eine sinnvolle und planmafiige Organisierung des internationalen Austausches
im Interesse aller Lander dringend zu fordern.
l ) Wem dieses Beispiel nicht eenugt, denke an die Ein- und Ausfuhr von Filmen und an das Zahlen-
yerhaltniB der Unmenge schlechter Filme zu den paar kunstlerischen Filmen, die aus dem Ausland zu uns
jacommen oder die wir selbst ausfiihren.
135
mmmmmiFvmmgm
Das neue Orgelideal
Kirchenmusik
Musik und Protestantismus
Hermann P. Gericke
Der Verfasser setzt hier seine im vorigen Hefte begonnene Dar-
stellung der Lage der protestantischen Kirchenmusik fort. Wir gehen
in den folgenden Heften auf die geistigen und kiinstlerischen Prob-
leme des Neukatholizismus ein.
Die Orgelbewegung
Es soil einmal einen Organisten gegeben haben, der mit seiner Orgel zufrieden
war. Er ist seit der modernen Orgelbewegung bestimmt auch unter die Norgler ge-
gangen. Und das kam so: vor einem Jahrzehnt klagte er etwa: ich habe eine ganz alte
Orgel mit klapprigen Tasten und ganz scharfen und schrillen Pfeifen. Mein Kollege
hat es fertig gebracht, dafi man seine alte Orgel umbaute, und jetzt hat er eine prima
moderne mit Schweller, fix und fertigen p — , mf— , f— und Tuttiknopfen, einer Aeoline
so zart und einer Vox coel — wie ein Fernwerk, dabei 50 Register — ich habe nur
20. — Schliefilich hatte .er es audi geschafft: seine alte Orgel wurde durch eine neue
ersetzt. Er war mit der Gemeinde stolz und zufrieden. Da machte er die Bekanntschaft
mit der Gurlittschen Orgelbewegung und mochte jetzt seine „moderne" Orgel auf Ab-
bruch verkaufen. Was hat er nur? Wenn er den feierlichen Zug zum Miinster aus
Lohengrin spielte — wie ein richtiges Orchester! Ein sauberea und liickenloses Cres-
cendo vom ppp bis zum fff und zuriick! Heute behauptet er: aufier seinen 3 Floten,
einem Prinzipal und einer Mixtur ware kein brauchbares Orgelregister drin ; es ware
ein Orchester, aber keine Orgel!
Hier liegt die entscheidende Wandlung, die Hunderte von Organisten Prof. Gurlitt
und seinen Mitarbeitern verdanken. "Wir haben das falsche Orgelideal mit dem iiber-
wiegenden Streicherklang aufgegeben, das nach dem Vorbild des Orchesters im 19. Jahr-
hundert entstanden war und bis in unsere Zeit hinein reichte. Wir haben das Sauseln
und Rauschen, die „gewaltige Macht der brausenden Orgel" satt. Wir wollen nicht per-
sonliche Ausdruckskunst. Wir wollen eine Bachsche Fuge klar und stilecht spielen konnen
mit dem festlichen unpersonlichen Klang, der der Orgel fruher den Namen „K6nigin
der Instrumente" verlieh. In dieser Ruckwendung zum wirklichen Orgelklangideal haben
wir neben der (im vorigen Teil dieses Aufeatzes aufgewiesenen) Choralbewegung heute
die wertvollste Bereicherung der Kirchenmusik. Auch die Organisten sind damit von
der „Symphonie der Tausend" zur Kammermusik zuruckgekehrt.
Nun sind die modernen Schwellerorgeln aber einmal da ; und wahrscheinlich ist es
auch gar nicht erwiinscht, an ihre Stelle eine durch historische Forschung wieder erstandene
Pratoriusorgel zu setzen. Man wird aber auch nicht mehr gute alte Orgelregister, wo sie noch
vorhanden sind, riicksichtslos durch moderne ersetzen. Andererseits haben wir gelernt, von
unseren 50 „modernen" Registern 30 wegzulassen und mit den restlichen brauchbaren klar
136
^^fff
Choralvorspiele nach Rezepten
und durchsichtig zu musizieren. Endlich haben wir audi durch die Wiedereinsetzung des
alten Orgelklangideals das Verstandnis fur die Welt der alten Meister wiedergewonnen.
Vor wenigen Jahren noch versuchten wir (audi an bedeutenden Stellen soil es so ge-
macht seiri), Buxtehude wie Brahms mit Schwellern und Dynamik zum Klingen zu bringen.
Heute glauben wir — nicht zuletzt auch durch die Beeinflussung von der Jugendmusik
aus — dera Geist der Alten ohne diese technischen Hilfsmittel naher zu kommen. Dafi
durch diese Klarung auf dem Gebiet der Orgelmusik zugleich eine wichtige Vorarbeit
fur ein neues kompositorisches Schaffen auf kirchenmusikalischem Gebiet geleistet worden
ist, ist bei der formalen Verwandtschaft zwischen moderner und alter Musik verstandlich.
Die Gefahr der Typisierung
In dieser Situation ist aber zugleich fur den gegenwartig Schaffenden eine Gefahr
gegeben, die ihm von den Formen der alten Meister und der begeisterten Aufnahme,
die ihre Wiederausgrabung in alien Kreisen gefunden hat, droht. Das meiste an heutigen
Neuerscheinungen ist ihr auch tatsachlich erlegen: es handelt sich urn die Moglich-
keit der Erstarrung in typischen Formen nach dem „grofieren Vorbild, das Nacheiferung
weckt". So erscheinen z. B. die Choralvorspiele wie nach Rezepten komponiert. Die drei
hauptsachlichsten Typen, nach denen man Vorspiele arbeitet, sind etwa folgende :
1. man lege ein Choralthema in den Sopran oder Bafi, sodafi es deutlich horbar ist,
und komponiere dazu mit zwei Stimmen kontrapunktisch. 2. man musiziere mit Bafi
und Zwischenstimmen ein paar Takte vorweg bis sich Gelegenheit bietet, die erste
Choralzeile dariiberzulegen, und so fiihre man alle Zeilen durch. 3. man benutze das
Choralthema fugiert. — Erfreulicherweise zeigt eine Reihe von jungen Musikern den
starken Willen, neue Wege zu finden, selbst auf die Gefahr hin, dafi die ersten Versuche
noch keine endgultig vorbildliche Musik ergeben, wie sie die Kirche fiir ihre ganz be-
stimmt festgelegten Zwecke braucht. Darum werden die Arbeiten eines W. Fortner,
H. Herrmann, K. Thomas, S. W. Midler und E. Pepping pp. mit grofiter Aufmerksamkeit
verfolgt. Es ist schwer, etwas Abschliessendes uber sie zu sagen. Es scheint aber so,
dafi die Chormusik bereits klarer als die Orgelmusik ihre Formen sieht: Thomas' Choral-
motetten, L. Webers Zwiegesange, Satze von Marx und Rein, auch einige Beispiele aus
dem neuen Chorbuch von Katz zeigen trotz aller Verschiedenheit neue Wege mit ein-
heitlichem Grundzug. Loslosung vom Subjektivismus und Rationalismus sind die Haupt-
gesichtspunkte, die die Erneuerungsbestrebungen in der evangelischen Kirchenmusik
charakterisieren.
Wenn man mit ihnen Ernst machen will, mufi man auch den Mut zu anderen
grundsatzlichen Fragen aufbringen, von denen eine der wichtigsten die folgende ist.
Welchen Sinn haben eigentlich Abendmusiken?
Mit Orgelwerken alter Meister, selbst auf Pratoriusorgeln, mit Kantaten von
Buxtehude, mit Blockflotenmusik der Barockzeit und evtl. wertvollen modernen Schop-
fungen — was sollen unsere Abendmusiken eigentlich sein? Konzerte?
Gottesdienst ? Erbauungsstunden ? Wo finden wir den Sinn fiir unsere Programme?
137
« mtR
Musik als religiose Handlung
- Die Praxis ergibt zwei Grundtypen des gegenwartigen Programmaufbaues : der
eine wahlt zunachst eine Uberschrift: Lob Gottes in der Natur! Singet dem Herrnl
Ihr habt hier Traurigkeit! Aus tiefer Not schrei ich zu Dir! Das ist das Leitmotiv des
ganzen Abends. Ein Orgelsatz eines alten Meisters entsprechend in Dur oder Moll lei tet
ein, es folgt ein Instrumentalstuck mit gleichem Grundcharakter, dann vielleicht Choral-
variationen, wozu die einzelnen Strophen zum Nachlesen abgedruckt werden . . . Deti
Ausklang bildet ein Gemeindegesang. Was haben wir mit diesem Programmtyp geleistet ?
Wir waren froh, den subjektiven Musizierform en des 19. Jahrhunderts enlronnen zu sein,
eine Veranstaltung zu haben, in der das begrifflich fafibare Wort, der Gedanke nicht
herrscht, und zwingen nun dem Horer durch unser Leitmotiv eine Einstellung auf,
die nie im Sinne der Alten lag: Dur-Freude, Moll-Trauer. Die umfassende Grofie, das
Objektive der alten Musik legen wir in eine noch viel engere Fessel, als sie der Musik
des 1 9. Jahrhunderts zu eigen ist, da bei dieser die Grofie der subjektiv schaffenden Per-
sonlichkeit immer noch weit umfassender ist als unser jetzt subjektiv auslegendes oder
hineinlegendes Ich. Ferner enthalt unsere Aufforderung, den Text bei den Choralvariationen
mitzulesen, die direkte Anweisung zum lirerarischen Ausdeuten der Musik, als waren
die Variationen nach der Art symphonischer Dichtungen geschaffen. Obgleich zugegeben
werden soil, dafi der allgemeine Grundton der Variationen den Strophen entspricht,
wird man z. B. bei Bachs: „0 Gott, Du frommer Gott" an der Stelle: „So gib den
Worten Kraft und Nachdruck ohn' Verdrufi' vergeblich eine Sleigerung erwarten.
Demgegenuber wird bei der Veranstaltung von Abendmusiken der andere Typ
dieses rationalistische Moment fernhalten. Er wird sie vielmehr benutzen, um sein
Publikum in ein inneres Verhaltnis zu der gebotenen Musik zu bringen, wie es er-
forderlich ist, wenn diese Musik einmal wieder dem Gottesdienst nutzbar gemacht werden '
soil. Er mufi als erster daran glauben, dafi die Musik allein genugt, ohne dafi man sich
etwas dabei denkt (wenn audi Kolosser 3 scheinbar so ausgelegt werden konnte). Es
ist nicht der l'art pour l'art Standpunkt, der hier vertreten wird, das ware das andere
noch unbrauchbarere Extrem. Der religiose Gehalt der Musik ist garantiert durch die
Grundhaltung unserer alten Meister, ohne solche Grundhaltung soil man als Schaffender
sich ein anderes Gebiet suchen. Dann kann der Programmaufbau ausschliefilich nach
musikalischen Gesichtspunkten erfolgen. Es muS dem Kirchenmusiker gentigen, dafi auf
musikalischem Gebiet „gespielt" wird. Wie es letzten Endes iiberhaupt darauf ankommt,
diesem ,', Spiel en" als religioser Handlung in der protestantischen Kirche wieder
Berechtigung zu verschaffen.
138
9^
Bereinigung schlechter Auffuhrungsgewohnheiten
Rundfunk - Film - Schallplatte
Rundfunk und alte Musik 1
Hans David
Unser Bild der alten Musik wird vollig bestimmt durch die Auffassung des 19. Jahr-
hunderts, das Musik in erster Linie als Sammlung, Verdichtung und Entladung klanglicher
Energien empfand. Tonkunst ist von Beethoven bis Mahler und Reger ein dynamisches
Geschehen, wobei der Begriff der Dynamik vorzugsweise die Vorstellung wachsender
Klangstarke und des tonlichen Abschwellens einschliefit. Diese Auffassung vom Wesen
der Musik ist im vorigen Jahrhundert mit stetiger Verstarkung auf die Interpretation
der alteren Musik ubertragen worden, indem man entweder naiv diese Kunst einfach
als eine dynamische sich vorstellte oder bewufit sich bemuhte, sie durch dynamische
Modernisierung effektvoll zu machen. Der Erfolg dieser Bestrebungen war begreiflicher-
weise der, dafi die Bearbeitungen das Wesen der Werke weit eher unkenntlich als wirksam
werden liefien. Indem man sich bemuhte, den Werken, die ihrer Natur nach nicht in
dem neuen Sinn dynamisch waren, Entwicklungen der Lautstarke aufzuzwingen, verdeckte
man die Krafte, die den eigentlichen Ablauf bestimmten, und zerstorte die Moglichkeit,
das polyphone Gewebe, dessen Dichtigkeit den entscheidenden Wert der Gestaltungen
umschlofi, deutlich zu machen. Die Eingriffe rachen sich im Konzertsaal, sie haben
sich geradezu verheerend in der Hausmusik ausgewirkt, und auch der Musikalienhandel
leidet unter der Verge waltigung, der man die Musik von Jahrhunderten unterworfen
hat. Zur starksten Bedeutung aber gelangt jene Verfalschung der alten Musik gerade im
Rundfunk. Denn die Dynamisierung der alten Musik nimmt ihr nicht nur ihren eigensten
Gharakter, sondern sie gestaltet zugleich die im hochsten Sinne mikrophongemafie Kunst
der alten Meister zu einem Zwitterding um, das der Ubertragung die gleichen Schwie-
rigkeiten bereitet wie die Musik des 19. Jahrhunderts, ohne dafi jegliche Notwendigkeit
hierzu vorliegt. Fiir den Ruudfunk hat demnach in noch hoherem Mafi als fiir unser
Konzertleben und insbesondere die Laienmusik die Bereinigung unserer Auffiihrungs-
gewohnheiten alter Musik aufierste Bedeutung.
Die nachweisbare Verfalschung, die- durch die nachtragliche dynamische Um-
gestaltung der Pragungen vergangener Zeiten sich ergibt, ware aus der Interpretation
der heutigen Musiker, von denen fraglos viele guten Willcns und trotz aller Schwierig-
keiten nicht ohne' Sinn fiir das Wesen der Werke sind, verhaltnismafiig leicht auszu-
8cheiden, wenn nicht jene romantischen, mit Bewufitsein subjektiven und darum fast
durchwegwillkurlichenDarstellungsweisen unseren Musikalienmarkt fast vollig beherrschten.
Fast alle Neuausgaben alter Musik sind „fiir den praktischen Gebrauch bearbeitet" ; mit
erschiitternder Regelmafiigkeit bedeutet solche Bearbeitung in erster Linie eine dyna-
mische Phantasie auf Grund des gegebenen Materials. Drucke, aus denen das urspriing-
liche Bild der Werke ersichtlich wird, existieren zunachst in den Denkmalerserien und
*) Der im vorigen Hefte begonnene Aufsatz wird hier abgeschlossen.
139
mm
m^
^PWPI!
Der Rundfunk braucht eigenes Material
Gesamtausgaben, die den meisten Musikern schon aus finanziellen Griinden nicht zu-
ganglich sind, weiterhin in einer verhaltnismfifiig noch kleinen Anzahl von unbezeich-
neten Neudrucken. Leider ist aus doppeltem Grunde mit diesen an sich durchaus
begriifienswerten Gruppen von Ausgaben dem Rundfunk nicht recht gedient. Die
Originale der alten Musik, ganz abgesehen von den Unterschieden der Notierungsweisen,
enthalten sich zumeist jeder interpretatorischen Bezeichnung, jedes Hinweises auf die
klanglicbe, charakterliche, kontrapunktische Ausfiihrung, vielfach audi jeder Kennzeichnung
des Bewegungsmafies. Unsere Musiker nun sind ohne Belehrung, wie man aus solchem
anhaltlosen Material zu musizieren habe, aufgewachsen und nicht gewohnt, sich mit
unbezeichneten Werken auseinanderzusetzen ; infolgedessen ergeben sich, sobald unsere
Kiinstler und Bearbeiter die Originale der Gegenwart zuganglich machen wollen, Mifi-
griffe in geradezu unglaublicher Zahl. Fur den vielbeschaftigten Musiker im aufreibenden
Rundfunkdienst kommt dazu, dafi er nicht einmal die Zeit hatte, eine unbezeichnete
Ausgabe einzurichten und auszuarbeiten. Der Rundfunk braucht bezeichnetes Material;
es miifite dafiir gesorgt werden, dafi alle wesentlichen Ausformungen der alten Musik
in aufftihrungsfertiger Einrichtung zur Verfugung stehen. Die Aufgabe hierbei ist, die
iibliche willkurliche und nach romantischer Auffasung dynamisierte Bearbeitung durch
eine rein sachliche Bezeichnungsweise, die eine klare Verwirklichung aller bedeutsamen
Elemente des Werkes selbst ermoglicht, zu ersetzen. Dafi eine solche durchaus objektive
Interpretation der alten Musik moglich ist, wird von den kiinstlerisch interessierten
Musikwissenschaftlern der jiingeren Generation und wohl auch von den ernsthaft
strebenden jungen Musikern kaum noch bezweifelt; wie sie durchzufuhren sei,
dariiber wird in anderem Zusammenhang- ausfuhrlich zu sprechen sein.
Fiir den Rundfunk nahezu gleich wichtig ist die Frage der Auswahl. Die Denkr-
maler beriicksichtigen die Ausfuhrbarkeit von Werken uberhaupt nicht; denn 9ie sollen
historisch bedeutsame Werke wissenschaftlich zuganglich machen. Die Neuausgaben fiir
den praktischen Gebrauch hingegen sind selbstverstandlich unmittelbar abhangig von
dem vorhandenen oder zu erweckenden Bedarf. Infolgedessen konnen jene Werke am
ehesten Neuausgaben erfahren, zu deren Ausfiihrung jeweils ein Mindestmafi von Tech-
nik und eine eirifachste Besetzung ausre'icht. 1 ) Demgegeniiber hat der Rundfunk Bedarf
an Werken vollig anderer Art. Stxicke fiir Orchester sind ohne Miihe verwertbar, da-
neben Musik fiir solistische Blechblaser, fiir solistische Holzblasergruppen, fiir ungewohn-
liche kammermusikalische Zusammenstellungen verschiedenartiger Instrumente; wesent-
lich ist nicht die technisch und organisatorisch leichte Darstellungsmoglichkeit, sondern
die Intensitat der Pragungen an sich. Fiir den Verleger bedeuten alle Arbeiten solcher Art,
soweit er nicht durch Leihgebiihren sich schadlos halten kann, glatte Verlustinvestierungen;
denn gerade die Werke fiir selten verfugbare Besetzungen bleiben, mogen sie nOch so
reizvoll und bedeutend sein, fiir jenen grofien Kreis der selbstandigen Musiker und der
Laien, der den Verbrauch, die Hohe der Auflagen bestimmt, gleichgiiltig. Der Rund-
funk wird also nicht erwarten dvirfen, dafi gerade die Werke, an deren Besitz ihm am
meisten liegen miifite, in brauchbaren Ausgaben zuganglich gemacht werden. Er selbst
sollte die Herstellung des Materials in die Hand nehmen und gegebenenfall9 dem freien
*) Man vergleiche hierzu die Ausfiihruneen fiber Auswahl alter Musik fiir Neudrucke, die ktirzlich hier
erschienen sind: „Uber Ausgaben alter Musik", Melos, Oktober 1931.
140
Figaro im Berliner Volkskino
Konzertleben von dem, was er fiir sich erschlossen hat, mitteilen. Dafi die Sammlung
eines fiir den Rundfunk bestimmten Materials alter Musik vollig systematisch und auf
wissenschaftlicher Grundlage aufgebaut sein miifite, braucht wohl nicht nochmals
betont zu werden; dariiberhinaus ist erste Voraussetzung fur fruchtbare Auswirkung
eines solchen Unternehmens, dafi tatsachlich mit festem Glauben an die Moglichkeit
und Notwendigkeit objektiver Interpretation, mit sicherem Wissen um die Voraus-
setzungen und Mittel der rein sachlichen Verwirklichung alter Musik an die hochst ver-
antwortungsvolle Aufgabe herangegangen wiirde. Die Durchfiihrung der angedeuteten
Idee einer systematischen Sammlung alter Musik in auffiihrungsfertigem, ohne Willkiir
und Dynamik bezeichnetem Material wiirde dem Rundfunk iiberaus vielfaltigen, jede
denkbare Resetzung heranziehenden Stoff hochster kiinstlerischer Qualitat und starkster
Mikrophoneignung zuganglich machen. Dariiber hinaus ware von hier aus Erziehung zu
einer den Werken innerlich gemafien Interpretation und damit zugleich jene breite und
reine Erschliefiung der musikalischen Werte der Vergangenheit moglich, die bisher nur
gelegentlich, durch den personlichen Instinkt einzelner hervorragender Interpreten, er-
reicht worden ist.
Kritische Umschau
Funksiunde Berlin: Uber Sinn und
Wanderoper Notwendigkeit der
und Brecht Deutsclien Musik-
biihne hat ihr Lei-
ter, Erbprinz Reuss, kiirzlich im Melos be-
richtet. Jetzt stellte diese Wanderoper ihre
erste Leistung vor: einen Funkquerschnitt
durch Handels „Rodelinde". Tags zuvor
wurde eine Art offentliche Generalprobe
des „Figaro" in einem Grofikino des fier-
liner Ostens veranstaltet. Es war fiir die
meisten Resucher wohl der erste Figaro in
ihrem Leben, und es war ein lauter Er-
folg. Hat die deutsche Musikbiihne ge-
halten, was sie versprach ? Im Prinzip ge-
wifi. Man mag tiber die einzelnen Krafte
verschiedener Meinung sein, man mag
fragen, ob bei dem heutigen Angebot nicht
manche bessere Stimme hatte gefunden
werden konnen — der Geist dieser kiinst-
lerischen Gemeinschaftsarbeit, die Hingabe
aller an das Werk, der vollige Verzicht auf
Interpretenalliiren, dies alles ist vorbildlich.
Und vorbildlich audi die sachliche und
doch gespannte Art, mit der Hans Oppen-
heim die Handelpartitur zum Erklingen
brachte. Audi da Verzicht auf alle nach-
gestalterischen Zutaten.
Die Moglichkeiten der Wanderoper
mogen relativ beschrankt sein — ihr
aktiver Vorstofi gegen die Repertoire-
schlamperei, ihr praktischer Versuch einer
Uberwindung des „Retriebes" hat weit
iiber ihren Gattungs-Regriff hinaus Re-
deutung fiir den Neuaufbau des Opern-
theaters.
Wie die Deutsche Musikbiihne sich
durch den Rundfunk zum ersten Mai der
Offentlichkeit prasentierte, so fand audi
die Urauffiihrung von Brechts neuem Schau-
spiel „Die heilige Johanna der Schlacht-
hofe" in der Rerliner Funkstunde statt.
Nichts ist bezeiclinender fiir die Verworren-
heit der heutigen Theaterzustande, als dafi
sich keine Riihne fand, die die Urauf-
fiihrung dieser bedeutenden Dichtung ris-
kierte. Denn gerade dies ist wichtig: zum
ersten Mai gelingt in der heiligen Johanna
die Verbindung von moderner sozialer
Problematik und klassischer Form. Die
heilige Johanna ist eine Dichtung von
hoher sprachlicher Schonheit, und sie ist
zugleich ein Zeitstuck von iiberzeitlicher
Symbolkraft.
H. St.
141
Die sozidlogischen Formen des Chorsingens
Meloskritik
Neue Chormusik
Herbert Rosenberg
In der leider zu fruh eingegangenen Zeitschrift „Musik und Gesellschaft" wurd«
langere Zeit eine lebhafte Debatte iiber die Moglichkeit des ,.existentiellen" Musiziereni
gefiihrt, d. h. iiber die Moglichkeit, das Musikmachen aus der asthetischen Isolierung; in
die es im jahrhundertelangen Gang der Musikentwicklung geraten ist, herauszulosen und in
den menschlichen Lebensverlauf derart neu einzugliedern, dafi sich von ihm aus die gleichen
Verbindungsfaden zu alien ubrigen menschlichen Handlungsweisen hin- und herspinnen,
die uns fur die meisten aufiermusikalischen Aktions- und Rezeptionsvorgange selbstver-
standlich sind. Mit anderen Worten: das Musikmachen und -hSren sollte nicht mehr eine
Enklavesituation sein, die mit dem organisch sich entwickelnden historischen Leben des
Menschen nicht das mindeste zu tun hat.
Es soil und kann nun hier nicht die Frage untersucht werden, ob Musikmachen und
Musikhoren innerhalb des gegenwartigen Standes unserer Kulturentwicklung nicht not-
wendig immer ein historischer, also audi unexistentieller Prozefi sein mufi. Sicher ist
aber, dafi man das Musizieren wenigstens wieder in eine grofiere Lebensnahe riicken
kann. Derartiges versuchte zuerst die Jugendbewegung. Heute findet dieses Streben aber
auch ein Echo in Kxeisen, die aufierhalb von ihr stehen. Den schlussigsten Beleg dafur
bildet es, dafi vier so wesensverschiedene Komponisten wie Hugo Herrmann, Erwin
Lendvai, Carl Orff und Arnold Schonberg sich — bewufit oder unbewufit —
im gleichen Streben zu vereinigen scheinen.
Es ist wohl ohne weiteres einleuchtend, dafi in diese Richtung zielende Versuche
zunachst mit Vokalkompositionen hervortreten werden, bei denen die Wortgebundenheit
von selbst aus der Enge des nur asthetischen Verhaltens hinausfuhren kann, falls man
ihnen mit der entsprechenden Einstellung begegnet. Wertmafistabe fiir die hierherge-
horende Musik sind vor der Hand noch nicht ausgebildet. Wir haben zwar gelernt, die
Eaktur einer Musik als — wie es uns freilich nur irrtumlich schien — „Musik an sich"
zu bewerten, wobei wir den ublichen nur asthetischen Zusammenhang mit dem Aus-
fiihrenden oder Horenden stillschweigend voraussetzen. Wie weit aber diese Art der Be-
wertung noch dort zureicht, wo ihr Objekt in einer andersgearteten Verbindung mit dem
„Verbraucher" steht, ist eine offene Frage.
Sie drangt sich vor allem bei zwei Kantaten von Carl Orff auf, die mutig neue
Wege suchen, „Veni creator spiritus" und „Der gute Mensch", auf Texte von Franz
"W erf el. Orff schreibt, wie er in dem Geleitwort aufiert, bewufit fiir eine „Gemeinschaft".
Aus dieser Einstellung heraus versucht er, nach seinen eigenen Worten, durch leichteste
Ausfuhrbarkeit und Einfachheit der Anlage den Ausfuhrenden ein Hochstmafi an Intensitat
zu ermoglichen. Sein Chorsatz rechnet mit vier gemischten Stimmen, die so stark be-
142
^^^
Carl Orffs Werfelkantaten
setzt sein miissen, dafi sie an Hohepunkten geteilt werden konnen. Dazu treten als Be-
gleitung drei Klaviere und ein fur fiinf Spieler berechnetes Schlagzeug: mehrere Becken,
Pauken, Trommel, Gong, Xylophon, Glockenspiel usw. Dieser Aufwand an Instrumenten,
die in Laienkreisen — und in diesen ist ja der Gedanke des Gemeinschaftsmusizierens
vorziiglich lebendig — kaum vorhanden sein werden, arbeitet eigendich der Absicht
Orffs entgegen; doch wird wohl zur Not das Begleitinstrumentarium auch verkleinert
werden konnen, obgleich in der Partitur nirgends ein ad lib.-Vermerk steht. Orffs Satz
entspricht ungefahr den kleinen Proben, die wir aus dem „neuen chorbuch" von Katz
kennen, d. h. eine sehr einfache, zuweilen psalmodierende, stets streng diatonische und
ans Kirchentonale gemahnende Melodik wird teils in der Art der fruhmittelalterlichen
Organumtechnik durch Quinten und Oktaven, gelegentlich auch Quarten begleitet, teils
aber auch fiber einen rhythmischen Ostinato des liegenden Basses gefiihrt. Charakteristisch
fur Orffs Technik sind die haufigen Oktavenverbindungen je zweier der vier Stimmen,
die den Satz auf eine klanglich sehr reizvolle Zweistimmigkeit reduzieren. Nicht minder
haufig sind Unisonogange. Eine leichte Polyphonie entwickelt sich nur selten und geht
dann kaum iiber kurze Gegenbewegungsgebilde hinaus, fur die die Vorliebe fur Sekund-
bezw. Nonreibungen bezeichnend ist. Die Melodik reiht lauter kurze, durch die Text-
abschnitte bestimmte Bogen fast spannungslos oder doch nur mit sehr flach angelegten
Steigerungen aneinander. Die Instrumente geben eine feingliedrige klanglich-rhythmische
Grundierung, iiber der der Chorsatz fast schwerelos, ruhig schwebend und wohlartikuliert
verlauft.
Die Primitivitat dieser Musik, die sehr viel vom Impressionismus gelernt hat, ist
letzthin nicht ursprunglich, sondern im Gegenteil hochst verfeinertes asthetisches Reiz-
mittel, das ohne entsprechende Vorbildung der Ausfiihrenden — denn fur Zuhorer sind
die Kantaten wohl nicht gedacht - kaum die rechte Wirkung haben diirfte.
Die Musik ist nur Deklamationsgrundlage des Textes: aber selbst durch ihu kann
die wohl beabsichtigte, doch auch gefahrliche Monotonie, die iiber einigen der Kantaten-
eatze liegt, nicht vollig gebannt werden, Die Texte sind sehr feine und tiefgrundige Ge-
dankenlyrik, ebenso esoterisch wie die Musik. Die in ihnen angestrebte Objektivitat laftt
sie wohl als Grundlage eines Gemeinschaftserlebnisses geeignet erscheinen, und ihre
menschliche Allgemeingiiltigkeit, die in ihnen als latente Forderung ausgesprochen ist,
gibt den Kantaten eine Art existentieller Verankerung. Bedenken habe ich nur gegen
die verfeinerte, beinahe exklusive Haltung der beiden Werke. Ein Gemeinschaftserlebnis
werden sie wohl auslosen konnen; aber die soziale Breite dieser Gemeinschaft wird
gering bleiben.
Breite Wirkung ist einem „Psalm der Befreiung", op. 75, von Erwin Lendvai
gewifi. Das Werk ist fiir Mannerchor, Sopransolo und ein mafiig stark besetztes Orchester
auf einen Text komponiert, den Walter Stein aus der Bibel zusammengestellt hat.
Er gliedert sich in drei Teile, die man etwa als Klage iiber den Zorn Gottes, Bitte um
seine Hilfe und Lobpreisurig seiner Gnade bezeichnen konnte. Die aktuelle Beziehung
seines Inhaltes zum Schicksal unserer Tage ist deutlich und wird durch den Titel noch
unterstrichen. Die Idee des Werkes ist freilich etwas konventionell, und ebenso ver-
schmahen auch die technischen Mittel jeden revolutionaren Gestus. Die satztechnische
Meisterschaft Lendvais ist ja bekannt; in dem hier besprochenen Psalm stellt er sie
143
W^R3R^^*Jilpppfls(
Lendvai und Herrmann als Chorkomponisten
abermals unter Beweis. Stilistisch ist er vielfach von der Altklassik etwa Bachs abhangig;
viele Faden fiihren audi zu Brahms hiniiber. Es ist dabei selbstverstandlich, dafi er das
eigene Cesicht wahrt, das durch die fur ihn typische Herbheit der Kontrapunktik und
eine trotz vielfacher Chromatik im Grunde unsinnliche Harmonik gekennzeichnet wird.
Die Thematik ist, wie leider oft bei Lendvai, etwas unplastisch, und der Orchestersatz
scheint mir in seiner reichen Kontrapunktik zu dick geraten zu sein (ich urteile nach
dem Klavierauszug), beides Mangel, die sich zum Nachteil der formalen Klarheit aus-
wirken konnen. Andererseits ist Lendvais Werk aber reich an reizvollen und wirkungs-
sicheren Partien, wie es z. B. die im 1. Satz mehrfach wiederkehrende Steigerung mit
der Kulmination auf dem oberen Nebentondreiklang der Unterdominante uber dem Orgel-
punkt der Tonika (Takt 67 u. a.) oder das Sopransolo, mit dem der 2. Satz einsetzt,
oder endlich der grofiangelegte cantus firmus-Satz im 3. Teil sind.
Der ungewohnlich begabte und produktive Hugo Herrmann ist in diesem Zu-
sammenhang mit seinem op. 77, „Strafiensingen", 7 Chore nach eigenen Texten zu nennen.
Audi er wird von dem Wunsch nach einer unmittelbaren Lebensnahe, nach einer im
besten Sinne aktuellen Stoffgebundenheit getrieben. So geht er zwar vom aufierlich
Nadistliegenden aus, von der Strafie und ihren Gestalten — z. B. „Strafienmadchenruf"
oder „Taxisong" — ; aber seine Eindrucke setzt er um in Lyrik von sehr unprfignantem
und privatem Charakter, die manchmal togar unverstandlich bleibt, z. B. in Nr. 1
„Ziehharmonika" oder Nr. 5 „Tanzerbarcarole".
Den Herrmannschen Chorsatz kennzeichnet die Neigung zur Parallelfiihrung der
Stimmen ; die Gliederung erfolgt meist in kurzen, oft nur ein- oder zweitaktigen Abschnitten,
denen ein absichtsvoller Verzicht auf Entwicklung entspricht. Damit und nicht zuletzt
mit seiner Neigung, klangliche und rhythmische Elemente des Jazz 'aufzugreifen, zeigt
er sich als Spatimpressionist (iibrigens nicht nur hier, sondern viel deutlicher noch z. B.
in seinen Choretiiden, op. 72 u. a.). Leider deckt sich, von Ausnahmen abgesehen, der
Charakter der Musik durchaus mit dem der Texte, d. h. er ist weichlich, um nicht zu
sagen verwasdien. Die Chore stehen also, sowohl von der textlichen wie von der musi-
lischen Seite her betrachtet, in allzu schrofTem Gegensatz zu der Harte und eindeutigen
Klarheit des inhaltlichen Vorwurfs. An ihm komponiert Herrmann hier entschieden
vorbei.
Uberraschend ist es, dafi auch Arnold Schonberg in seinen ,,Sechs Stiicken fiir
Mannerchor", op. 35, auf eigene Texte den Weg aus der privaten Aufierung, wie sie
seine Chore aus op. 27 und besonders op. 28 darstellen, nicht nur zum Allgemein-
giiltigen gefunden hat — denn dahin gehoren auch bereits die Texte der beiden Satze
op. 27, 1 und 2 — sondern dafi er die Inhalte seiner Gedichte der Alltaglichkeit ent-
nimmt. Die Texte behandeln zwar Abstracta, aber diese Abstracta, wie z. B. „Das
Gesetz", „Gluck", „Verbundenheit" ergeben sich als allgemeingultige Formulierungen ganz
banaler Tatbestande. Dazu kommt noch ein weiteres: einige der Texte aus op. 35
nehmen sich Alltaglichkeiten des gesellschaftlichen Beieinanderlebens der Menschen zum
Gegenstand und verallgemeinern sie in einer Form, die bis zur treffenden Gesellschafts-
kritik fuhrt. Das scheint mir fur den als extremen Individualisten verschrieenen Schon-
berg immerhin ein bemerkenswertes Novum zu sein. Ob es allerdings mehr ist als nur
ein Sonderfall inncrhalb seines Schaffens, mufi die Zukunft zeigen.
144
Schonbergs Mannerchore
Die Kompositionen sind freilicb weniger artistisch als die oben genannten
friiheren Chore, die ich allein zum Vergleich heranziehen mochte. Im wesentlichen sind
sie nach dem Zwolftonprinzip gebaut, aber ohne allzu straffe Konsequenz. So ist z. B.
Nr. 2 „Das Gesetz" ein regelrechter Oberstimmensatz, der in der Melodie zwar das
Zwolftonprinzip streng durchfiihrt, die Unterstimmen dagegen meist sich zu einem freien
Begleitkomplex zusammenschliefien lafit. Anders ist dagegen etwa Nr. 3 „Ausdrucks-
weise" gestaltet: im ersten Abschnitt dominiert die Unterstimme, die bis zu Takt 5 streng
nach dem Zwolftonprinzip ablauft; die Oberstimmen bringen zwar gleichfalls alle zwolf
Tone des Oktavraums, aber jede einzelne ist in sich frei gestaltet, d. h. mit beliebigen
Wiederholungen gleicher Tone. Mit anderen Worten, hier kommt wieder so etwas wie
motivische Gestaltung im alten Sinne zum Vorschein. Im zweiten Abschnitt der im
Bafi liegenden Hauptstimme erganzt sich diese mit dem Sopran zum strengen Zwolf-
tonkomplex ; die Mittelstimmen verlaufen frei usw. In dem umfangreichen Stuck „Lands-
knechte" (Nr. 5) greift Schonberg zu impressionistischer Technik, die er mit den Mitteln
des Zwolftonprinzips unnotig kompliziert und intellektualisiert; man kann die kompli-
zierte Faktur doch nicht mit dem Ohr durchdringen. Sehr sonderbar fiir Schonberg ist
der letzte Chor „Verbundenheit". Er ist mehr oder minder brav tonal im altesten Sinne;
reine Dreiklange herrschen vor. Dabei handelt es sich keineswegs um blofie Parodie.
Der Text ist ein sehr bitterer Hohn auf menschlichen Egoismus und asoziale Unver-
bundenheit. Die rhythmische Gestaltung ist in alien sechs Choren sehr klar und aus-
drucksvoll.
Dem Horer hinterlassen diese Stiicke, die ich keineswegs erschopfend charakterisiert
zu haben glaube, einen ungewohnlich lebhaften und tiefen Eindruck. Ein Arbeiterchor
(das 13er-Quartett des AGV. „Vorwarts", Hanau, unter seinem Leiter Franz Schmitt)
bewaltigte kiirzlich in einem Nachmittagskonzert ihre exorbitanten Sch.wierigkeiten in
meisterhafter Weise.
Neuerscheinungen
Wir bringen in dieser stfindig wiederkehrenden Rubrik ohne An-
spruch auf Vollstandigkeit eine erste Auswahl aus den musikalischen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wir behalten une vor, auf
einzelne der hier erwahnten Werke noch ausfiihrliclier einzugehen.
Neue Musik,
Carl Orff, Cantus-firmus-Satze I. Zwolf alte Melo-
dien fiir Singstimmen oder Instrumente.
Schott, Mainz
Joseph Haas, Zum Lob der Natur, Kantate fur ein-
bis dreietimmigen Jugendchor mit Streichorchester
und Orgel oder 2- bezw. 4handiger Klavierbe-
begleitung, op. 81 Nr. 2. Sc/iott, Mainz
Paul Dessau, Das Eisenbahnspiel, fiir Kinderchor,
Soli und 2 Geigenpartien (I. Lage). Text von
Robert Seitz. Balan, Charlottenburg
Das kleine Stuck wurde auf der letzten Neuen Musik-
woche in Berlin aufgefuhrt Die Art, wie die Kinder auf
die einiachcn, unmittelbarenMelodien Dessaus eingingen,
zeigie schon damals, difi es seinen Zweck in weitestem
Mafie ert'ullt.
Ernst Pepping, Choralbuch (30 kanonische Chorale
fiir gemischten Chor a cappella, erste Reihe:
4. Aus hartem Weh klagt menschliches Geschlecht,
5. Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, 6. Christ ist
erstanden, 7. Christum wir sollen loben
schon, 8. Der du bist drei in Einigkeit, 9. Der
Heiden Heiland komm her, 10. Erhalt uns Herr
bei Deinem Wort, 11. Freu dich, du werte
Christenheit, 12. Freu dich, heilige Christenheit,
15. Herr Christe, treuer Heiland wert; zweite
Reihe: 17. Jesu, deine Passion, 19. Mit Fried
und Freud ich fahr dahin, 20. Mitten wir im
Leben sind, 23. O Mensch, bewein dein Siinde
grofi, 24. Schmuckt das Fest mit Maien, 25. Sei
Lob und Ehr dem hochsten Gut, 29. Wer nur
den lieben Gott lafit walten). Scliott, Mainz
145
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Neuerscheinungen
Armin Knab, Zwei Zeit-Lieder, fiir einstimmigen
Chor und Bias- oder Streichorchester oder Klavier :
1. Befreiungslied der Deutschen (Goethe 1814),
2. Unser Leben (E. G. Kolbenheyer 1930).
Schott, Mainz
Paul Graener, Der Retter ist nicht weit, op. 95,
Dichtung von Friedrich v. Schlegel, Hymnus fur
Mannerchor mit Begleitung von 4 Hornern, 3
Trompeten, 3 Posaunen, Kontrafagott, Pauken
und Klavier. Eulenburg, Leipzig
J. Gatter, Das Hohelied, op. 63, Worte von Christ.
Morgenstern, fur dreistimmigen Mannerchor,
Sopransolo und kleines Orchester.
Eulenburg, Leipzig
Arnold Ebel, Vier Chorgesange fur gemischten Chor
a cappella, op. 36 :
a) zwei leichte Chorlieder : 1. Die kleine Bleicherin,
2. Sag an, o lieber Vogel mein
b) Mahnung, c) Sturmesmythe.
— Vier Lieder von Will Vesper fiir vierstimmigen
Mannerchor a cappella, op. 38: 1. Abendtrunk,
2. Der Sommerwind, 3. Der Morgen, 4. Wenn
ich nur der Wind war. Schott, Mainz
Bruno Stunner, Musikantenleben, Suite fiir Manner-
chor und kleines Orchester, op. 69 (Klavier-
auszug). Schott, Mainz
Haydn und Mozart
Joseph Haydn, Sechs Sonaten fiir zwei Violinen
und Klavier (Cello ad lib.), op. 8, zum ersten
Male neu herausgegeben von A. Giilzow und
W. Weismann. Peters, Leipzig
Das ist eine Haydn-Jubilaumsgabe, welche einen Sinn
hat. Sie gibt dem Musiker unbekannte Friihwerke Haydns,
die den Streichquartetfkomponisten noch auf den Bahnen
der alien Triosonate zeigen. Ueber alles historische Inter-
esse hinaus werden diese von frischer, musikantischer
Kraft getragenen Stiicke gerade in unserer Zeit als
lebendige Musik oestehen.
Joseph Haydn, Sechs Chore fur gemischte Stimmen,
herausgegeben von Fritz J6de.
Kistner & Siegel, Leipzig
Aus dem Vorwort: Die hier zusammengestellten sechs
gemischten Chore Haydns sollen ein ganz kleines Denk-
mal fiir einen Menschen sein, der uns heute mehr zu
sagen hat, als dafi er uns bei einer eigens fiir ihn ver-
anstalteten Gedenkfeier freundlich unterhalt. Wenn wir
seiner am 1. April 1932 bei seinem 200. Geburtstage be-
sonders gedenken, so sollten wir davon iiberzeugt sein,
dafi damit im Grunde wesentlich mehr als ein hoch-
achtungsvoller milder Riickblick auf vergangene Schon-
heit getan ist. Ein Menschentum wie das, welches sich
in den hier vorliegenden Choren offenbart, steht in der
Einsamkeit seiner begnadeten Grofie iiber Vergangenem
und Kommendem.
Joseph Haydn, Kanons, Beiheft Nr. 19 zum „Musi-
kanten", herausgegeben von Fritz Jode.
Kallmeyer, Wolfenbiittel
Joseph Haydn, Flotenuhrstiicke fiir Klavier, Werke
fiir das Laufwerk (Fliitenuhr) ; fur Klavier zu
zwei Handen iibertragen und erstmalig heraus-
gegeben von Ernst Fritz Schmid. Nagel, Hannover
Aus dem Vorwort: Wir leben heute in einer Zeit, in der
das Problem der mechanischen Musik mehr denn je in
den Vordergrund geriickt ist. Da mag es von besonderem
Interesse sein. den Blick auf die Stellung voriger Jahr-
hunderte zu diesen Fragen zu lenken. Die mechanische
Musik ist namlich durchaus nicht erst eine Errungen-
schaft unserer neuesten Zeit; mindestens schon das
15. und 16. Jahrhundert, in dem der erfinderische Geist
der Renaissance oft wunderliche Bliiten trieb, kannte
musikatische Automaten. Freilich diirfen wir nicht ohne
weitcres die mechanischen Musikinstrumente jener Zeit
etwa mit unseren Grammophonen gleichsetzen ; aiich im
musikalischen Automaten und seiner Literatur aufiertsich
der besondere Geist einer Zeit, wie in jedem anderen
Musikinstrnment. Wenn wir nun das wichtigste mecha-
nische Musikinstrument des spateren 18. Jahrhunderts,
die Flo'tenuhr, betrachten, das Modeinstrument des Rokoko
und noch des Biedermeier, so finden wir, dafi sie durch-
aus nicht in erster Linie bestimmt war, moglichst getreue
Wiedergaben lebendig produzierter Musik zu Gehor zu
bringen, sondern dafi sie eine umfangreiche Original-
literatur besafi, die von den grdfiten Tonsetzern der Zeit
bereichert wurde. Hierher gehoren die herrlichen Werke
Mozarts, Beethovens und vor allem Joseph Haydns fiir
die FlQtenuhr. Die vorliegende Sammlung vereinigt alle
bisher zum Vorschein gekommenen Flotennhrwerke
Haydns in einer getreuen Uebertragung fiir zweihandig
Klavier; sie will zugleich anlafilich der zweihundertsten
Wiederkehr der Geburt des Meisters alien Freunden
seiner gottlichen Muse eine Gabe besonderer Art dar-
bieten.
Joseph Haydn, Die Londoner Trios, fiir 2 Floten
und Violoncello, herausgegeben von LeO Balet.
— Divertimento Es-dur fiir 4 Streichinstrumente,
herausgegeben von Karl Geiringer.
Nagel, Hannover
W. A. Mozart, Drei Konzerte nach Klaviersonaten
von Joh. Christ. Bach fur Cembalo (oder Klavier),
2 Violinen und Bafi. I. D-dur, II. G-dur,
III. Es-dur, herausgegeben von Heinr. Wollheim,
Kadenzen und AusBetzungen der bez. Basse von
Wolfg. Jacobi Schott, Mainz
Aus dem Vorwort: Die drei vorliegenden Konzerte
wurden vom jungen Mozart im Haag, wohin er mit seinen
Eltern nach einem fiinfzehnmonatigen Aufenthalt in
London ging, nach drei Klaviersonaten Joh. Christ. Bachs
als selbstandige Kleine Konzerte fiir Klavier, 2 Violinen,
und Bafi (zum Teil beziffert) eingerichtet. Mozart empfing
ja gerade in London seine ersten grofien Eindriicke von
Bach, anter deren spontaner Nachwirkung die Arbeit
sicherlich entstanden ist. Er hat sich dieser drei KompO-
sitionen lange bei seinen offentlichen Konzerten bedient.
Padagogisches
Alfred Baresel - Rio Gebhardt, Jazz-Klavierschule,
Die neue Klaviervirtuositat.
Willi. Zimmermann, Leipzig
Wir kommen auf dieses grundsatzlich wichtige Werk
noch zuriick.
Collegium liiusicuin (Heft 1 / 1932), Blatter zur
Pflege der Haus- und Kammermusik, in Ver-
bindung mit Jos. Bacher, Karl Gofferje, Hilmar
Hockner, Willi Schuh, Robert Treml und Walde-
mar Woehl herausgegeben von Walter Blanken-
burg. Barenreiterverlag, Kassel
Heinrichs, Wohlauf, ihr Wandersleut ! Ein Wander-
liederbuch fiir Jung und Alt.
Thomas, Kempen (Rhein)
Musikalische Volksbildung (Heft 1), Mitteilungen
aus Theorie und Praxis des Tonwortes, Blatter
fur Fragen der musikalischen Erziehung. Heraus-
geber : Markus Kodi, Schriftleiter : Frank Benne-
dik und Wilh. Stolte. Litolff, Braunscliweig
Willy Rehberg, Der neue Gurlitt, Heft 1, eine Aus-
wahl der leichtesten Klavierstucke aus den Werken
von Cornelius Gurlitt. 2 Hefte. Scliott, Mainz
Ferdinand Kuchler, Lehrbuch der Technik des
linken Armes (Violine). Hug, Leipzig- Zurich
J. Stutschewsky, Das Violoncellspiel, neue systema-
tische Schule vom Anfang bis zur Vollendung ;
2 Bande (oder 4 Hefte). Scliott, Mainz
Hans Mersmann
146
Tietjen und die Privaibuhnen
Musikleben
Umgruppierung in den Berliner Theatern
Heinrich Strobel
Die grofie Krise hat auf die Berliner Theaterverhaltnisse eine Wirkung ausgeiibt,
die noch vor einem Jahr kein Mensch fiir moglich gehalten hatte. Bis zum Beginn der
nachsten Spielzeit wird eine vollige Umgruppierung stattgefunden haben. Diese Um-
gruppierung steht unter dem Zeichen der Ausschaltung Max Beinhardts, der bisher die
reprasentativste Erscheinung im Berliner Theater war. Bernhardt gibt nun auch das
deutsche Theater auf, um sich ganz auf seine Gastspiele im Ausland konzentrieren zu
konnen. Es wird sich zeigen, ob er auf die Dauer ohne kunstlerischen Stiitzpunkt
arbeiten konnen wird. Martin, der Direktor der Volksbiihne und Dr. Beer, der Direktor
des deutschen Volkstheaters in Wien, werden gemeinsam das Deutsche Theater in Berlin
ubernehmen. Dadurch wird der wichtige Posten der Volksbiihne frei, an dem Martin
bis jetzt mit grofiem Gliick arbeitete. Man spricht von Jannings als seinem Nachfolger.
Da aufierdem der Komiker Hirsch das bisher staatliche Schillertheater ubernehmen wird,
und Barnowskys Verbleiben nicht sicher ist, so wird fast jedes Berliner Theater im
nachsten Winter eine neue Direktion haben — ausgenommen die im Botterkonzern zu-
sammengeschlossenen Biihnen.
Auf der einen Seite sieht man die zunehmende Gefahrdung der auf Stars und
damit auf einen Zufallsspielplan eingestellten privaten Schauspielbiihnen, auf der andern
Seite eine Befestigung und Vergrofierung der reinen Unterhaltungsbiihnen, die nun alle
Gattungen vom Lustspiel mit Musik bis zur grofien Bevueoperette spielen (Morgen gehts
uns wieder gut — Liselott.) Diese Vorgange haben auch auf die Staatstheater zuriick-
gewirkt. Den verschiedenen Angriffen gegen ihre Leitung suchte man mit der Opferung
des Schauspieldirektors Legal zu begegnen. Aber dieses Tauschungsmanover gelang
Tietjen doch nur halb. Er konnte nicht umhin, sich der Offentlichkeit zu stellen. Das
geschah in einer Sitzung, in der sich Tietjen personlich zu verteidigen suchte. Diese
Verteidigung bestand in larmoyanten Bitten um gut Wetter fiir die Zukunft. Irgend-
welche positiven Gedanken zum Neuaufbau der Staatstheater kamen nicht zum Vor-
schein. Wer es noch nicht wufite, konnte es hier erfahren: namlich, dafi Tietjen gerade
das Gegenteil von dem ist, als das ihn seine Freunde ausgeben : das Gegenteil eines
Organisators und eines zielbewufiten Fiihrers. Gerade ein Fiihrer mufi fiir das Staats-
theater in einem Augenblick gefordert werden, wo die ernst zu nehmenden Privatbiihnen
immer mehr ins Hintertreffen gegeniiber den Amiisierbiihnen geraten.
Dafi die Staatsoper in den Krisentagen die Urauffiihrung einer modernistischen
Elektra-Kopie, die „Andromache" von Herbert Windt herausbrachte, mufite den Skepti-
147
.WPHWJKI.-
Berthold Goldschmidts erste Oper
zismua gegen Tietjen ebenso bestfirken, wie das Wiederengagement von Kleiber, der sich un-
beschadet seiner Dirigentenqualitaten nicht als Erzieher des Orchesters und des Ensembles
erwiesen hat. Man mag zum Komplex: Berliner Theater stehen, wie man will, man mag im
Zusammenbruch der Privatbuhnen sogar einen notwendigen Vorgang erblicken, dies
eine ist unbestreitbar: in einer Zeit, in der die dffentliche Kunstpflege aufs schwerste
gefahrdet ist, miissen die aus offentlichen Mitteln unterstiitzten Staatstheater fiihrend
und vorbildlich sein. Die Preufiischen Staatstheater im heutigen Zustand sind es nicht.
Mannheim: Spiegel der Provinz
Karl Laux
UraufFiihrung der Oper „Der gewaltige Hahnrei" von Berthold Goldschmidt in
Mannheim. Eine Dame der Gesellschaft, Sangerin aus Liebhaberei, verlafit das Theater.
„Er schreibt noch zuviel ab." Gegenfrage: „Von wem?" „Von Schreker." „Was kennen
Sie denn von Schreker" ? Verlegenes Ausreden. Sie hat etwas von Schrekerschuler gehort,
also mufi von Schreker abgeschrieben sein. So sind die Leute. Sie wollen mitreden,
aber sie verstehen nichts davon. Weil sie nichts davon verstehen konnen. Sie haben
namlich gar keine Gelegenheit, neue Werke kennen zu lernen. Und wenn — dann
gehen sie nicht hin.
1.
Das gilt nicht vom Mannheimer Na tionaltheater. Im Gegenteil. Es diirfte
wenig Theater in Deutschland geben, Berlin mit eingerechnet, die das Neue so syste-
matisch pflegen wie das Mannheimer. Das Verdienst von Generalmusikdirektor Joseph
Bosenstock, der in Intendant Herbert Maisch einen verstandigeri, mutigen Chef hat.,
Schonstes Besultat dieser Zusammenarbeit: die UraufFiihrung „Aus einem Totenhaus"
von Janacek im vorigen Jahr. Unsere diesjahrige UraufFiihrung gait einem jungen Kom-
ponisten, ermoglichte dem Berliner Berthold Goldschmidt den Sprung auf die Biihne.
Ein kraftiger Ansprung. Von hier aus kann es weiter gehen. Zunachst ist Goldschmidt
noch am Text hangen geblieben. Er machte aus dem in Paris als Serienstiick gegebenen,
in Berlin durch Meyerhold importierten Scliauspiel „Le cocu magnifique" des Flamen
Fernand Crommelynck die Oper „Der gewaltige Hahnrei". Was an dem Stuck
dichterische Verbramung, lyrisches Bankenwerk war, fiel mit Becht dem dramaturgischen
Zugriff des Komponisten zum Opfer. So blieb der dramatische Kern, der in seiner
Kiihnheit einer Veroperung widerspricht. Die Geschichte ohne Details : Bruno wird zum
Hahnrei, weil er sich selbst dazu macht. Er wird an der Treue seiner Frau irre. Da
sich die Treue nicht beweisen lafit, will er, una aus den Qualen des Zweifels heraus-
zukommen, der Untreue gewifi sein. — Der Gedanke ist mit unheimlicher, ge-
spenstischer Konsequenz durchgefuhrt. Er lafit daran denken, dafi in Flandern nicht
nur die Idylliker Verhaeren und Timmermanns, sondern auch die skurrile Da-
monik eines James Ensor daheim sind. Nicht nur der erotischen Situation
wegen, die in der Oper naturgemafi breiter und grober wirken mu6, ist dieser Text
gefahrlich. Auch die Tatsache, dafi die Handlung mit der Darstellung eines psycho-
logischen Experiments, nicht eines schaubaren Geschehens zusammenfallt, ist nicht opern-
gemiifi. Wenigstens nicht im Publikumssinn. Es bleibt ein feinnerviges Kammerspiel.
148
Eine neue Opernwoche in Mannheim
Das Bestechende an der Ver^onung Goldschmidts aber ist, dafi er den Ton dieses
Kammerspiels ausgezeichnet getroffen hat. Trotz der Grofie seines Orchesters. Ein Verist
vom Schlage d' Alberts hatte diese Szenen wutender Eifersucht, aufflammender Liebe mit
alien Feuern einer romantischen Tonsprache bengalisch beleuchtet. Goldschmidt aber
legt seine Tonsprache in die strengen Fesseln formaler Bandigung. Wenn sich auch
keine geschlossenen Formen wie etwa in Hindemiths „Cardillac" oder in Alban Bergs
,,Wozzek" ergeben, so begegnen wir doch auf Schritt und Tritt musikalischen Szenen
mit einheitlichem Tonmaterial, kontrapunktiscben Beziehungen bis zur kanonischen Strenge,
formalen Bindungen einzelner Szenen. Erstaunlich ist dabei die Fertigkeit der Gold-
scbmidtschen Sprache. Das Orchester ist mit einer souveranen Beherrschung des Klang-
licben gehandhabt, wobei der Ausdruck immer herb bleibt und sich nie im Halbdunkel
billiger EfFekte verliert. Auch der dramatische Impuls fehlt nicht. Er wirkt doppelt in
diesem Falle.
Die Auffuhrung war eine Glanzleistung der Mannheimer Biihne. Joseph Rosenstock
bewies sein eminentes Konnen an der Entratselung der schwierigen Partitur; eine Glanz-
leistung auch des Nationaltheaterorchesters. Es ist immer wieder bewundernswert, mit
welcher Eleganz Rosenstock die kompliziertesten Dinge lost. Die Regie Richard He ins:
Musterleistung einer Innenregie, die sich ebenso sehr an die psychischen Vorgange wie
an die musikalischen Vorzeichen hielt. Zwei singende Schauspieler in den Hauptrollen :
Else Schulz und Heinrich Kuppinger. Gute Sanger, gute Schauspieler. — Es soil nicht
verschwiegen werden, dafi es das Werk nur auf drei Auffuhrungen brachte. Die guten
Burger hatten Angst. Vor dem StofF, vor der Musik und vor dem Gekeife der national-
sozialistischen Presse.
Das zeitgenossische Schaffen war aufierdem vertreten mit Kreneks „Leben des
Orest". In einer sehr farbigen Wiedergabe, musikalisch von Rosenstock, szenisch von
Hein betreut. Dabei auch kassenmafiig ein Erfolg. Beruhigung fiir die Stadtvater.
Geplant als nachste Neuheit Bergs „Wozzek". Mit Weills „Burgschaft" soil das neue Jahr
begonnen werden. Geplant ist fiir Ende der Spielzeit eine neue Opernwoche, die
die Neuheiten im Repertoire zusammenfassen soil. Das wird dann ungefahr so aussehen :
Bergs „Wozzek". Janaceks „Aus einem Totenhaus". Hindemiths „Neues vom Tage".
Kreneks „Leben des Orest". Pfitzners „Herz". Goldschmidts „Hahnrei". Strawinskys
„Oedipus rex". Diesen konnte man vielleicht mit der ausgezeichneten „Elektra"-Auffuhrung
zusammenspannen. Ist noch jemand da ? Ich glaube nichts, was von Bedeutung ware.
Geht es etwa auf Kosten der alten Oper ? Das liefie sich ein so tiichtiger Musiker
wie Rosenstock nicht nachsagen. Er hat einen „Don Giovanni" (mit Trieloff in der Titel-
rolle) herausgebracht, der ein Muster an Sauberkeit und dramatischer Triebkraft war.
So auch sein „Tristan", seine „Carmen", sein „Fidelio". Im Ausbau eines vielseitigen
Spielplans unterstiitzt ihn der erste Kapellmeister Dr. Ernst Cremer, der sein Bestes
in dem von Hein sehr putzig ausstaffierten „Don Pasquale"' gab.
Wieso diese Einzelheiten, die iiber Mannheim hinaus nicht interessieren ? Ich glaube
doch, weil sie das Schicksal der Provinz spiegeln. Intensivstes, gar nicht klein-
stadtisches Arbeiten in einer vom Schicksal sehr mitgenommenen, der Industrien und
Banken beraubten mittleren Stadt. Und die Frage : wie ist das finanziell zu machen?
Der Zuschufi ist empfindlich gekiirzt worden. Die Gagen abgebaut. Fiir Experimente
149
Das Konzert bleibt zuruck
wird das Geld immer knapper. Die Oper, die an sich teurer ist als daa Schauspiel,
wird bei dieser Adam Riese-Rechnung am ehesten zu leiden haben. Wo ist ein Ausweg ?
Die Frage einer Zusammenlegung. einer Konzentrierung wird wieder einmal akut, be-'
Bonders wenn man bedenkt, dafi das badische Landestheater in Karlsruhe nur eine
Schnellzugsstunde entfernt ist. Aber selbst wenn man nur an einen Austausch etwa
besonders exponierter Krafte (sagen wir des wenig beschaftigten Heldentenors) denkt,
so ist doch leicht einzusehen, dafi ein so intensives, alle Moglichkeiten des Kunstlerischen
erfassendes Arbeiten nicht mehr moglich sein wird. Die Provinz wird sich zwischen
Kunst und Kasse entscheiden miissen.
2.
9
Mit Konzertstiicken ware jene Dame aus der Einleitung noch viel mehr in
Verlegenheit gekommen. Hier fehlt so gut wie alles. Was kennen wir schon von Hinde-
mith? Ist uns Strawinsky vertraut? Nicht einmal die Orchesteretiiden von Vogel hat
man in Mannheim gehort. Wir wissen nicht, dafi es junge Russen gibt. Milhaud ist ein
spanisches Dorf. Schonberg der leibhaftige Teufel.
Im Konzert fehlt eben eine Personlichkeit, die etwas wagt. Die vom National-
theater-Orchester veranstalteten Akademie-Konzerte machen ihrem Namen Ehre. Sie
sind akademisch. Sie helfen sich mit grofien Namen, um das finanzielle Risiko auf sich
nehmen zu konnen. Was diese grofien Namen an Musik mitbringen, ist bekannt. Es
6ind uberall dieselben, so brauchen sie fiir Mannheim nicht aufgezahlt zu werden. Doch
verdanken wir Kleiber immerhin Tochs „Theater-Suite" und FurtwMngler eine Symphonie
von Sekles. ProkofiefF spielte sein Klavierkonzert und dirigierte seine Klassische Sym-
phonic Dafiir horten wir dreimal hintereinander die Fiinfte von Reethoven.
Viel besser sieht es in den Chorvereinen aus, wo eben wieder die Personlich-
keit des Chorleiters entscheidet. Das Gros bleibt zuruck. Aber die Avantgarde ist da.
Max Sinzheimer macht mit dem Liederkranz alte Volkslieder in neuen Satzen, Ulrich
Herzog bringt in der Liedertafel ( neuzeitliche Chormusik fiir Manner- und gemischten
Chor und stellt ein Kontingent voji 700 Mitwirkenden auf die Riihne, um die Haas'sche
„Elisabeth" aufzufiihren, zweimal vor aus verkauf tern Haus, im Nibelungensaal, der
4000 Menschen fafit. (Allerdings hatte der Riihnenvolksbund die Finanzierung und die.
Organisation ubernommen.) Die Volks-Singakademie, der grofie gemischte Arbeiterchor,
vermittelte uns unter der Leitung von Ernst Cremer die Rekanntschaft von Pfitzners
„Dunklem Reich" und Wedigs ,,Chorkantate". Wie erschreckend, wie argerlich, wie
blamabel, wenn daneben das Kartell der Arbeitergesangvereine in einem „Konzert der
Zweitausend" reinsten Kitsch auffiihrt, dessen sich ein biirgerlicher Verein schamen
wiirde. Von den Mafinahmen eines Hanns Eisler u. a. haben die Leute keine Ahnung.
Wenn audi die reprasentativen Konzerte versagen, im kleinen Kreis kiindet sich
das Neue an. Die Gesellschaft fiir neue Musik entfaltet neue Aktivitat, seit sie
einen neuen modus vivendi gefunden hat. Um die Ausgaben fiir Saal, Releuchtung usw.
zu sparen, versammelt man sich in Privathausern. Das Kolisch-Quartett spielte Schon-
berg, Webern, Milhaud, Ravel. Druskin sprach iiber die bolschewistische Musikpflege.
Wichtig ein Abend mit neuer badischer Musik. Darunter die Urauffiihrung der „Partita
fur zwei Klaviere", op. 107 von Julius Weismann, eines Werkes, das die entschiedene
150
, f ifV--'
Planwirtschaft in der Provinz
Hinwendung des Komponisten zur t neuen Musik besonders klar spiegelt. Musik strengster
Gesetzmafiigkeit, unbeugsamen Formwillens. Trotz aller Kiinste nichts von Artistik.
Wenn es bisher an der notwendigen Zusammenfassung der Krafte fehlte, eben an
der musikalischen Plan-„Wirtschaft", so soil es auch hierin besser werden. Es soil nicht
mehr vorkommen, dafi — wie oben bemerkt; — dreimal in einem Konzertwinter die
gleiche Symphonie Beethovens gespielt wird. Es soil nicht mehr vorkommen, dafi in
einer Woche sich sieben Konzerte zusammendrangen und andere Wochen leer ausgehen.
Nachdem in der Neuen Badischen Landeszeitung schon vor Jahren ein Stadtisches Musik-
amt gefordert worden war, dem die Organisatioa des Musiklebens obliegen sollte, kon-
6lituiert sich in diesen Tagen eine Arbeitsgemein schaft der konzertgebenden
Vereine, die jene Forderung sozusagen auf demokratischer Basis durchfiihren will. Es
ist noch nichts Genaues iiber die Organisation bekannt. Man konnte sich jedenfalls
denken — und man mufi dies fordern, dafi sie mehr als eine mechanische Organisation
wird. Sie darf sich nicht damit begniigen, Konzertdaten festzusetzen, sie mufi das Musik-
leben auch mit Ideen befruchten. Wenn es Karl Eberls, der verdienstvolle Leiter der
Mannheimer Volksmusikpflege bisher verstanden hat, die Konzerte dieser Organisation
nach einem bestimmten kiinstlerisch-padagogischen Plan aufzubauen, so miifite es jetzt
gelingen, die gesamten Mannheimer Konzerte planvoll anzulegen.
Uberall also Ansatze, gute Ansatze. Hier hat sich die Provinz bereils fiir die Kunst
entschieden.
Melosberichte
Moderne Durch das nachdriickliche
Musik in Eintreten Walter Bedcs fiir
Magdeburg * e ■, Pfl r ge zei ^ en6 f ische *
' J a Musik, die von lhm schon seit
Jahren eindringlich propagiert wurde, ist
in Magdeburg ein fiir das gegenwartige
Musikschaffen aufnahmebereites und emp-
fangliches Konzert- und Theaterpublikum
herangebildet worden. Wenn auch in der
letzten Zeit die neue Musik etwas in den
Hintergrund getreten ist, sind doch Er-
eignisse von besonderem Wert hervorzu-
heben. Nach dem grofien Erfolg, den Beck
mit Pfitzners „Das dunkle Beich" gefunden
hatte, brachte er jetzt, im Sinfoniekonzert
des Stadtischen Orchesters, Strawinskys
„Psa]men-Sinfonie" mit dem Theaterchor
zur Erstauffiihrung. Mit Liebe und Sorgfalt
widmete sich Beck dem Werk, dessen vitale
Religiositat wie aus dem geklarten Spiegel-
bild des „Sacre du printemps" erscheint.
Den starksten Eindruck hinterliefi auch in
der Interpretation die klar disponierte
Doppelfuge. — In einem Chorkonzert des
Magdeburger Manner gesangvereins 1908
(Dr. Walter Rabl) gelangte der von Paul
Hindemith dem Mannerchor, aus Aner-
kennung fiir die Wiedergabe seiner schon
bekannten Mannerchorwerke, gewidmete
„Tod" (Holderlin) zur Urauffiihrung, ein in
Form und Linie knapp und prazis gefafites
Werk, von fliefiender Bewegung, die sich
stellenweise zu dramatischem Aufschwung
erhebt. Der Klang ist wie der sauber ge-
fiihrfe Satz den Ausdehnungsmoglichkeiten
und Grenzen des Mannergesangs angepafit.
Die Auffuhrung durch den Magdeburger
Mannergesangverein, der sich schon in
friiheren Konzerten fur die moderne Chor-
musik einsetzte und auch jetzt wieder
Chore von Hans Gal brachte, wurde den
Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht.
Erich Valentin
151
^mmmm^mm
Klemperers Wiener Erfolg
Konzert- Knapp vor Toresschlufi brach
hochflui plotzlich eine Flut wichtiger
in Wi«»n Konzertereignisse iiber uns
herein. Allen voran das Wiener
Debut Otto Klemperers, das sich zu einem
wahren Triumph gestaltete. Klemperer
wurde dem Geschmack aller gerecht, in-
dem er uns neben einer inspirierten Wieder-
gabe der D-dur-Suite von Bach und Beet-
hovens Siebenter die Wiener Erstauffiihrung
von Strawinskysreifstem Werk, der„Psalmen-
sinfonie" brachte. In wenigen Proben war
es ihm gel un gen, Chor und Orchester zu
selten erlebten Hochstleistungen emporzu-
heben. —
Auch die Philharmoniker brachten unter
Clemens Kraufi einen fur Wien neuen
Strawinsky, das „Bienenscherzo" op. 3, zu
erfolgreicher Erstauffiihrung. Alexander
Tsclierepnin wurde als Interpret seines 2.
Klavierkonzertes sehr gefeiert. Auch ein
anderer Busse, Iwan Boutnikoff, machte
sich um dag Wiener Musikleben sehr ver-
dient durch Veranstaltung einer Konzert-
reihe mit ausschliefilich neueren Orchester-
und Chorwerken. Im letzten Konzert seines
Cyklus gefiel besonders Tochs „Kleine
Theatersuite", wahrend Malipieros „Sinfonia
del Mare" allzu epigonal anmutete. Die
unter Leitung von Anton Webern stehenden
Arbeitersinfoniekonzerte brachten imBahmen
ihrer Goethe-Feier Kreneks „Suite aus der
Musik zu Triumph der Empfindsamkeit"
mit grofiem Erfolg zur Erstauffiihrung.
Krenek wird in letzter Zeit iiberhaupt allent-
halben viel aufgefiihrt. So fand auch sein
neuer Liederzyklus „Durch die Nacht" (nach
Worten von Karl Kraus) kiirzlich durch
Hedda Kux hier eine eindrucksvolle Wieder-
gabe.
Im Gegensatz zu Berlin brachte das
Konzert, das die „Pan American Association
of Composers" in' Wien veranstaltete, den
Amerikanern einen grofien kunstlerischen
Erfolg. Anscheinend war man hier etwas
vorsichtiger in der Programmaufstellung
vorgegangen und bot neben gediegenen
Kammermusikwerken von Ives, Copland,
Caturla, Chavez und Biegger nur drei von
Anton Webern aufs sorgfaltigste einstudierte
kurze Orchesterwerke von Buggies, Wei6
und Cowell, die allgemeinen Anklang fanden.
In kleinerem Bahmen registrieren
wir nur ganz kurz die Wiener Erstr
auffiihrung der interessanten Bauern-
lieder „Unterschale" von Strawinsky, der
„Hymnen" von Ludwig Weber und des sehr
gekonnten neuen Sextettes von Ernst Kanitz.
Eine Spezialitat fur sich bilden die Kammer-
musikabende der Schiiler Professor Simon
Pullmanns, an denen jetzt stets aUe Werke
in vierfacher Streicherbesetzung aufgefiihrt
werden. Dieses multiplikative Verfahren
kam besonders einigen klassischen Werken
und Korngolds Klavierquintett op. 1 5, weniger
aber dem d-moll-Quartett von Schonberg
zugute. Unter alien Umstanden bleibt aber
die studiertechnische Leistung (auch die
komplizierteste Blaserkammermusik, wie
Milhauds „5 Symphonien", wird ohne Diri-
genten gespielt) ganz erstaunlich. —
Gegeniiher diesem reichen Konzertleben
nimmt sich der Opernbetrieb sehr diirftig
aus. Als einzige Neueinstudierung wurde
uns Kienzls vergilbter „Kuhreigen" geboten.
Sonst gibts nur das ode Allerweltsrepertoire
und langwierige Sanierungsprojekte, wo doch
der einzige Ausweg nur in moglichst raschem
Anschlufi an die lebendige Produktion der
Gegenwart zu suchen ware. Willi Reich
Notizen
Auffiihrungen
Oper
Daa Stadttheater in Danzig wird Paul Hindemiths
„Cardillac" demnachst zur Erstauffiihrung bringen.
Rossinis „Semiramis" wurde im Rostocker Stadt-
theater uraufgeftihrt, und zwar in einer vollig neuen
Textgestaltung, die Hans Bodenstedt, der Intendant
der „Norag", in der Weise wagte, dafi er aus der
ernsten Oper eine heitere machte.
152
Verdis Jugendoper „Die Sdilacht von Legnano"
gelangte am Augsburger Stadttheater zur deutschen
Urauffuhrung.
Die Berliner Funkstunde hat ein unbekanntes Werk
von Tschaikowsky, die in Deutschland noch nicht ur-
aufgefiihrte Oper „Die Pantoffeln der Zarin", zur
Urauffuhrung angenommen.
Kurt Strieglers Oper „Dagmar" gelangte am
Opernhaus in Dresden unter Leitung des Komponisten
zur Urauffuhrung.
Melosnotizen
Im Breslaucr Opernhaus kam die Oper „Lais" von
Richard Enders in der Inszenierung von Werner Jacob
und unter musikalischer Leitung von Carl Schmidt-
Belden zur Urauffiihrung. Die Intendanz hat ferner
die von Mark Lothar faearbeitete komische Oper
„Die Welt auf dew. Monde" von Joseph Haydn an-
genommen.
Goethes Singspiel „Eru>in und Elmire", vertont
von der Herzogin Anna-Amalia zu Sachsen-Weimar-
Eisenach, kam im Laufe der letzten Wochen mehr-
fach zur Auffuhrung. Das Werk, durch Max Fried-
laender neu herausgegeben, befindet sich u. a. in
Vorbereitung in Miinchen (Staatstheater), Hamburg,
Karlsruhe, im Sfldwestdeutachen Rundfunk (Frank-
furt a. M.) etc.
Oratorium und Chor
Werner Egks Oratorium „Furchtlosigkeit und Wohl-
wollen" wird am 23. April in Altenburg (Thiir.) durch
den Chorverein „Einigkeit" (Mitglied des D. A. S.)
unter Leitung von Johannes Platz-Gofinitz zur Auf-
fuhrung kommen. Das Werk wurde im Mai 1931 in
Miinchen anlaftlich der 4. Festwoche fur neue Musik
unter Hermann Scherchen uraufgefGhrt, infolge Zeit-
mangels allerdings mit starken Kiirzungen. Die Kritik
bezeichnete damals das Oratorium einstimmig als be-
deutendstes Werk der gesamten Festwoche und aufier-
ordentlich wertvolle Bereicherung der neueren Ora-
torienliteratur. In Altenburg erscheint das Werk zum
ersten Male vollstandig und in z. T. neuer Fassung.
Am gleichen Abend gelangt Hermann Wunschs Sin-
fonie „Hammerwerk" zur Wiedergabe. Ein Beweis,
dafi sich auch in der „Provinz" starke Krafte fiir die
neue Musik einsetzen.
Das Oratorium von Hugo Herrmann „Jesus und
seine Jiinger" gelangt am 8. Mai in Weinheim (an
der Bergstrafie) unter Leitung von Musikdirektor
Alfons Meifienberg zur Urauffiihrung.
Im Monat April linden Auffiihrungen des Oratoriums
,JOie heilige Elisabeth" von Joseph Haas in folgenden
Orten statt : Wiesbaden, Halberstadt, Miinchen (dritte
Auffuhrung), Bodenheim a./Rh. (zweite Auffuhrung).
Lendvais Chorwerk „Psalm der Befreiung", dessen
Urauffiihrung auf dem Frankfurter Sangerbundesfest
im Juni stattfindet, wurde u. a. von den Lehrer-
Gesang-Vereinen in Plauen, Leipzig und Rostock zur
Auffuhrung fiir die nachste Spielzeit erworben.
Kapellmeister Hermann Meifiner-Kssen brachte
mit dem Essener Mannerchor Sanssouci 1860 neue
Chore von Ludwig Weber, H. K. Schmid, Bruno
Stiirmer sowie den Zyklus „Lons-Lieder" von Erwin
Lendvai mit Erfolg zur Auffuhrung.
Zum Haydn-Jubilaum wurde in Mannheim auf
Veranlassung von Karl Eberts durch den Auaschufi
fiir Volksmusikpflege dem dortigen Stadtschulamt eine
Auffuhrung der „Schopfung" viillig unentgeltlich zur
Verfugung gestellt. Dirigent war Kapellmeister Max
Sinzheimer.
pieue Konzertwerke
Paul Hindemith hat dem Berliner Philharmonischen
Orchester zu dessen 50 jahrigen Jubilaum ein Varia-
tionenwerk „Philharmonisches Konzert" geschrieben,
das am 14./15. April unter Wilhelm Furtwangler
zur Urauffuhrung gelangte.
Das neue Orgelkonzert von Wolfgang Fortner wird
am 27. April in Frankfurt a. M. zur Urauffuhrung
gelangen. Weitere Auffiihrungen sind in Berlin, Zurich,
Hamburg, Dortmund, Mannheim, Konigsberg und
Freiburg i. Br. vorgesehen.
Das zweite gemeinniitzige Urauffiihrungskonzert
des Berliner Sinfonie-Orchesters brachte unter Leitung
von Dr. Frieder Weismann drei Urauffiihrungen : „Vor-
spiel fiir kleines Orchester" des Dresdener Komponisten
und Pianisten Herbert Trantow, „Konzertsatz fiir
Klavier und Orchester" von Karl Stimmer (Solist :
Hans Erich Biebensahm) und „Variationen fiir grofies
Orchester mit obligatem Klavier" von Walter Gmeindl.
In einem Privatkonzert der Ortsgruppe Berlin der
I. G. N. M. gelangten Kammermusikwerke von Peter
»Schmacht, Norbert von Hannenheim, Winfried Zillig
(Kompositionsschule Schonberg), Gerhard Frommel,
Hermann Ambrosius (Schule Pfitzner), Kurt Fiebig
und Vladas Jakubenus (Schule Schreker) zur Ur-
auffuhrung.
Die 15. Morgenfeier der „Freien Vereinigung zur
Pflege zeitgeniissischer Musik" brachte in Greifswald
unter Leitung von Hans Engel ein „Konzert fiir zwei
Streichorchester und zwei Trompeten" des jungen
Boris Blacher zur Urauffiihrung. Weiter wurde auf-
gefiihrt das kleine Vorspiel fiir Streichorchester und
Trompete von Karol Rathaus und das 2. Streich-
quartett von Alfred von Beckerath.
Die deutsche Urauffuhrung der 3. Symphonie von
Albert Roussel findet am 28. April in Baden-Baden
unter Leitung von Generalmusikdirektor Ernst Mehlich
statt.
Im siidwestdeutschen Rundfunk dirigiert Hermann
Scherchen nachstens eine Veranstaltung : „Neue Musik
vor anderthalb Jahrzehnten" . Es ist ein Querschnitt
durch die Donaneschinger Periodc, auf die man in
der heutigen Zeit der Stagnation nur mit Bewun-
derung und Neid zuruckblicken kann.
Beveridge Webster, der ausgezeichnete junge ameri-
kanische Pianist, gab in Berlin zwei Klavierabende,
in denen er u. a. auch Stiicke von Hindemith spielte.
Sclmloper
Das Schulspiel „Cress ertrinkt" von Wolfgang
Fortner hat seit der erfolgreichen Urauffuhrung in
Bad Pyrmont auf dem Musikfest der Sektion Deutsch-
land der I. G. N. M. zahlreiche Auffiihrungen u. a. in
Koln. Dortmund, Elberfeld, Jena, Hamburg und
kurzlich durch die Giinter Hess-Schule im Chemnitzer
Schauspielhaus erlebt. Die Hohenzollern-Oberreal-
schule in Berlin und eine Reihe weiterer Schulen in
Frankfurt a. M., Basel, Hannover, Regensburg und
Bad Godesberg bereiten gleichfalls Auffiihrungen vor
153
mm.
Melosnotizen
Die Schuloper „Die Jobsiade" von Jacobi-Seitz,
die im Herbst 1931 im Zentralinstitut fur Erziehung
und Unterricht zur erfolgreichen UrauffQhrung ge-
langte, ist bisher in folgenden Stadten zur Auffuhrung
gebracht bzw. angenommen worden : Berlin, Bochum,
Dresden, Hamburg, Hannover, Magdeburg, Ober-
hausen, Riga, Weimar, Wien.
Personalien
Im Alter, von 62 Jahren ist Richard Specht in
Wien gestorben. Specht war einer der angesehensten
Wiener Musikkritiker. Er kam auf dem Umweg iiber
die Architektur zur Musik. Seine Kritiken zeichneten
sich durch Brillanz des Stils und psychologische Ein-
fiihlungsfahigkeit aus. Specht trat mit grofiem schrift-
etellerischen Temperament fur Straufi und Mahler
em. Diesen beiden Kiiristlern hat er auch breit an-
gelegte, glanzend geschriebene Studien gewidmet.
Seine letzte Arbeit gait der Revision des Urteils
iiber Puccini. Specht war ein gebildeter und viel-
seitiger Mensch. Aus dem kiinstlerischen Wien der
Vorkriegszeit ist seine Gestalt nicht wegzudenken.
Intendant Paul Bekker tritt mit Schlufi dieser
Spielzeit von der Leitung des Wiesbadener Staars-
theaters zuriick.
Hanns Schulz-Dornburg, der Leiter des Dessauer
Friedrich-Theaters, wird die anhaltische Buhne mit
Ablauf der Spielzeit verlassen.
Paul Pella hat sein Amt als Leiter der Aachener
Oper niedergelegt. Der Anlafi dazu war eine Mafi-
nahme der Stadt Aachen, auf Grund deren Prof.
Raabe, der Dirigent der stadt. Konzerte, nun auch
aus Ersparnisgriinden im Theater dirigieren soil.
Pella hat an der Aachener Oper verdienstvolle Arbeit
geleistet.
Auf Betreiben der Nationalsozialisten hat der
Senat der Freien Stadt dem langjahrigen musikalischen
Leiter des Danziger Stadt-Theaters, Generalmusik-
direktor Cornelius Kun. gekiindigt.
Der ordentliche Professor der Musikwissenschaft
und Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts
und Instrumentenmuseums an der Universitat Leipzig,
Dr. phil. Theodor Kroyer, hat den an ihn ergangenen
Ruf an die Universitat Koln angenommen.
Verschiedenes
Der Allgemeine Deutsdxe Musikverein hat einen
Aufruf gegen einen weiteren Abbau des deutschen
Musiklebens erlassen.
Der Provinzialverband Hessen-Nassau desR.D.T.M.,
Ortsgruppe Frankfurt a. M., veranstaltet vom 17. bis
19. Mai einen musikpadagogisdien Kursus fur Ge-
tangserziehung in Verbindung mit dem Berliner
Zentralinstitut fur Erziehung und Unterricht. Es
wirken u. a. mit Prof. Hans J. Moser, Prof. Walter
Rein, Prof. Nowack.
154
Der Verband der konzertierenden Kunstler Deutsch-
lands und der Deutsche Konzertgeberbund haben sich
zu einer Arbeitsgemeinschaft mit einem gemeinsamen
Engagementsbiiro zusammengeschlossen. Die Berliner
Konzerte werden nach wie vor von jedem Biiro selb-
standig arrangiert.
Die Musikabteilung des Zentralinstituts fur Er-
ziehung und Unterricht gibt fiir das kommende
Sommerhalbjahr wieder ein Verzeichnis aller musik-
padagogisdien Tagungen und Lehrgange, Singwochen
und Freizeiten heraus, die von den verschiedensten
privaten und offentlichen Stellen in ganz Deutsch-
land veranstaltet werden. Das Verzeichnis ist gegen
Voreinsendung von 15 Pf. durch das Zentralinstitut
fiir Erziehung und Unterricht, Berlin W 35, Pots-
damerstr. 120 erhaltlich.
Das Neunzehnte Deutsche Bachfest der Neuen Bach-
gesellschaft wird in den Tagen vom 3. — 5. Juni dieses
Jahres in Heidelberg stattfinden. Das Programm wird
wie auf friiheren Bachfesten Chor-, Orchester-,
Kammermusik- und Orgelmusik-Aufmhrungen, Mit-
gliederversammlung und Vortrag umfassen. Sonstige
Auskiinfte erteilt die Geschaftsstelle der Neuen Bacb-
gesellschaft, Leipzig, Niirnberger Strafie 36, I,
Beim II. Kammermusikfest in den Pfullinger
Hallen am 3.-5. Mai gelangen Werke von Harler,
Bach, Haydn, Schubert, Hindemith, Pfitzner, Reutter,
Sturmer, Hugo Herrmann, Petyrek, Strawinsky und
Paul Grofi zur Auffuhrung. Mitwirkende u. a. : Wend-
lingquartett und Wiesbadener Streiclitrio. Kunstlerische
Leitung : Hugo Herrmann.
Ausland
Amerika
Auch die Metropolitan-Oper in New York ist von
der Krise in Mitleidenschaft gezogen worden. Man
plant starke Gagenkiirzungen und vollige Urn-
organisation.
Ernst Tocli, der sich z. Zt. auf einer Tournee in
Amerika befindet, fand dort sowohl als Pianist wie
als Komponist, nach den Berichten der Presse, eine
uberaus giinstige Aufnahme.
Frankreich
Hindemiths Spiel fiir Kinder „Wir bauen eine
Stadt" kam zum ersten Male in Paris in franzosischer
Sprache zur Auffuhrung und wurde so begeistert
aufgenommen, dafi sofort eine Wiederholung des
ganzen Spiels stattfinden mufite.
Italien
Casellas neue Oper „La donna serpente" gelangte
am Teatro Reale in Rom zur ersten Auffuhrung.
Oesterreidi
Das Violinkonzert von Jerzi Fitelberg ist fur das
Internationale Musikfest in Wien angenommen worden.
Das Konzert fiir Streicher wurde erfolgreich in
Briissel, Rotterdam und Warschau gespielt.
Melosnotizen
Der Wiener Komponist Hans Jelinek wurde so-
eben von der John Hubbard-Stiftung der New Yorker
Association of Music School Settlement mit einem
Preis von 500 Dollar fur ein Werk fur Schulorchester
ausgezeichnet.
Tschechoslowakei
Hans Krasas Chorwerk „Die Erde ist des Herrn",
fur gem. Chor, 4 Soli und Orchester kam im Prager
Deutschen Theater (Rundfunkiibertragung) unter der
Leitung Dr. Heinridi Swobodas zur Urauffuhrung.
Ungarn
Paul Kadosa verzeichnete in letzter Zeit mit
mehreren Werken eine ganze Serie erfolgreicher
Auffiihrungen. So gelangte die „Partita" fur Violine
und Klavier, die jetzt auch Joseph Szigeti in sein
Repertoire aufnahm, in Budapest, die „Al Frescos-
Suite im Bukarester und Budapester Rundfunk zur
Aufftihrung. Auch die „//. Klaviersonate" , die „(7n~
garisclien Volkslieder" und die „Bauernfiedel" fanden
in mehreren Budapester Konzerten ein dankbares
Publikum.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungenfiir die Schriftleitungu.BeaprechungaatuckenachBerlin-Charlottenburg2, Berliner Strafte46(Fernruf Fraunhofer 1371) erbeten.
Die Schriftleitung bittet vor Zuaendung von Manuskripten urn Anfrage mit Riickporto. Alle Rechte fiir aamtliche Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich fur den Teil „Muaikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag : Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag : MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten 5 j Fernapr : Gutenberg 529, 530 ; Telegr. : MELOSVERLAG ; Poattcheck nur Berlin 19 425 /
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Die Zeitachrift eracheint am 15. jeden Monata. — Zu beziehen durch alle Buch- und Musikalienhandlungen oder direkt vom Verlae,
Dai Einzelheft koatetl.25Mk., daa Abonnement jahrl. 10. -Mk., halbj.5.50Mk, viertelj. 3. - Mk. (luziigl. 15Pf. Porto p. II., Ausland 20 Pf. p. H.;
Anzeigenpreiae : */i Seite 90.— Mk. '/, Seite 54.— Mk. l j t Seite 31.50 Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. Auftrage an den Verlag
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(II. Jahrgang, Nr. 4),
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JVurz nach Goethes 100. Todestag jalirt sich auch der seines Freundes und musikalischen
Beraters Carl Friedrich Zelter zum 100. Male. Fur eine vorurteilslose Wurdigung von Zelters
Schaffen fehlte es bisher an einem Neudruck seiner Lieder in reprasentativer Auswahl ; denn
die alten Originalausgaben gehoren als „Goetheana" zu den gesuchtesten Seltenheiten des Buch-
antiquariats. Hier soil die angezeigte A.usgabe von 50 Liedern Zelters, von denen 15 nach den
Autographen zum ersten Mai zum Druck lcommen, Abhilfe schaffen. Sie bringt neben
18 Liedern verschiedener Dichter, wie Paul Gerhard, Matthisson, A. W. v. Schlegel, Tieck, Vofi,
Herder, Schiller u. a. vor allem
32 GOETHE-LIEDER
die beweisen, dafi kein anderer Komponist dem Dichter so nahe gekommen ist, wie Zeltei
tDeine Kompositionen filhle icli sogleidi mit meinen Liedern identisdi .
andern Komponisten mufe ich erst aufmerken, wie sie das Lied' genommen, was
sie daraus gemadit habern. (Goethe an Zelter 1820)
Eine Ausgabe fiir alle Sanger und SSngerinnen, Musiker und Musikfreunde !
B. Schoii's Sohne / Mainz
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157
m^
*mm
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Die neue Oper von
KURT WEILL
DIE BURGSCHAFT
Oper in drei Akten, Text von Caspar Neher
findet bei der Urauffiihrung an der Stadtischen Oper in Berlin und der
Erstauffuhrung am Staatstheater Wiesbaden
enthusiastische Aufnahme bei Publikum u. Presse
rp Aus der Presse:
lempo
Ein interessantee und starkes Werk von gesunder Modernitat. Eine Grofitat der Stadt.
Oper. Ein begeistertes Publikum.
Hier erlebt man erstmals wieder in der jungen Generation eine musikalische Xra, deren
Hohenstrahlung iiber weite Strecken durchhalt.
8 Uhr-Abendblatt
Grofier, unwidersprochener Erfolg. Nach dem ersten und dritten Akt Ovationen fur alle
Beteiligten. Applaus wahrend der Aufftihrung,
Morgenpost
Die merkwiirdigste Opernpremiere der letzten zwei Jahre. Sturmischer Erfolg.
12 Uhr-Bla tt
Ein starkes, nachhaltiges Erlebnis. Ein Standardwerk der neuen deutechen Opernliteratur.
Vorwarts
Endlich : die Zeitoper.
Die neue Zeit
Emunvergefilicher Tag fur dieMusikgeschichte. Die moderne Opernkunst haf einen Sieg er-
rungen, der nach den vielen grofien Fehlschlagen der letzten Zeit wie eine Erlosung wirkt.
Deutsche Tageszeitung
Weill ist ein geborener Opernmann. Die Stofflichkeit wird durch das Tempo der Musik mit
starkster Erregung geladen, die iiber alle Konstruktionen hinwegtragt. Das Haus, von
der Wucht dea Schlusses bezwungen, spendete sturmischen und ausdauernden Beifall.
Montag-Morgen
Die Oper lebt. Hier ist ein betrachtlicher Schritt vorwarts auf dem Weg zu einem musi-
kalischen Theater getan.
Tageblatt
Dies ist ein Werk tiefsten Eindrucks, das una angeht. Wenn es eine ernsthafte Oper der
Zeit gibt, so ist es die „Burgschaft".
Film-Kourier
Eine Repertoire-Oper mit Spielaussicht fur die nachsten funf Jahre wurde kreiert.
Wiesbadener Tageblatt
Der dritte Akt steigert sich zu gigantischer Grofie.
UNIVERSAL - EDITION A.-G., WIEN- LEIPZIG
BERLIN : ED. BOTE & G. BOCK
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ARMIN
KNAB
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B. Schott's Sohne
__^^___ Mainz
A rmin Knab, 1881 geboren, in Wiirzburglebend,
■£*- wurzelt als Scharlender im Bo-Jen seiner fran-
kischen Heima>. Abseils vom Gelriebe des mo-
dernen Musiklebcns wurden seine starken und
personii' hen Werke dank ihrer Schlichtheit und
naturhaften Artung zum gesicherti'n Besitz einer
standig wachsenden Gemeinde.
Gemeinschaftsmusik :
Variaiionen iiber rin eigencs Kinderlied
for 2 Viollnen, Viola und Violoncello
Spielpartilur .... Ed. Schott N,. 1569
Gesang mil Klavier .-
,■],! |
Litauische Lieder (B. Dehmel)
Ed.SchottNr. 1699
Chor :
M.
1.20
2.50
| Ken I |
Zwei ZeitJieder
fiir einstimmigen Chor mit Bias- oder
Streichorchester oder Klavier Part, (zus.)
1. Bel'reiungslied der Deutschen: „Bruder,
ai.fl Die Welt zu befrein !" (Goethe 1814)
ChorstimmenjeM — .20 / Blaserstimmen je
Streicherstimmen je
2. Urser Leben (Kolbenheyer)
ChorstimmenjeM. - .20 / Blaserstimmen je
Streicherstimmen je
Die Baucrn.
Vier Lieder fiir Miinnerchor a cappella
(R. Billinger) Partitur (vollst.)
Pfingsten / Wir Bauern / Spruch
auf dem Friedhof-tore / Ein Brotlaib
Stimmen (zu jed.Choreinz ) je M. — .20 bis
Traucr-Ode fiir Mannerch'or a cappella
.Der Samann saet den Samen" (M.Claudius)
Partitur M. 1. — / Siimmen je
Drei Frauenchore a cappella (R. Billinger)
Partitur (vollst.)
Maria Verkundigung / Die Heiligen /
Die Lilie
Stimmen (zu jedem Chor einzeln) . . je
Kindheit (Ruth Schaumann)
Drei Lieder fiir eine Singstimme oder
einstimmigen Chor mit Begleitnng von
2 Geigen (auch chorisch zu beseizen)
Gloria / Das kleine Herz / Die Ohren
Sing- und Spieipartitur Ed.SchottNr. 1568
| Meu I |
Alte Kinderreime
fiir Einzclstimme oder 1—2 stimmigen
Chor init und olme Instrumente
l iuko von Halberstadt / Der Pudel / An-
frage / Kuhkauf / Blocksberg / Hirs- brei /
Freierci / Schlaflied , Schmied / Ammen-
uhr / Regenlied / Komm, liebe Sonne /
Eierliauf / Das Ganslein
Partitur .
Ausfuhrlicher Prospekt kostenlosl
-.20
-.20
-.20
-.20
1.80
-.25
-.25
1.80
-.20
1.20
G etn Joseph
HAAS
Zum Lob der Natur
Kantate fiir ein- bis drei stimmigen Jugend-
chor in Begleitung eines Streichorchesters
mit Orgel (oder nur mit zwei- bezw. vier-
hanr iger Klavierbegleitung), op. 81 Nr. 2,
naih Worten von W. Dauffenbach.
Partitur (auch Orgel- bezw. Klavie^tirome)
Ed. Schott Nr. 2152 M. 3 —
Stimmen: Groler Chor . . . je M. —.35
Kleiner Chor . . . je M. — .25
Chor je M. —.50
Fruher erschien in gleicher Besetzung :
Joseph Haas
Zum Lob der Musik
op. Rl Nr. 1
Partitur (auch Orgel- bezw. Klavierstimme)
Ed. Schott Nr. 2151 M. 3.—
B. Schoifs Sohne / Mainz
Bitte bcziehcn Sic sfch bei alien Anfragcn auf MELOS
Rassegna Musicale
Rivista bimestrale di
critica e storia
diretta du
Guido M. Gatti
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Torino (Italien)
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Die politischen Machte
haben versagt!
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unserer Zeit schreiben
die bekanntesten deutschen
Schriftstellerin derWochen-
zeitung
Die
Literarisdie
Welt
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Berlin-Halensee,Westfalische Str.38 M
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»Die Literarisdie Welt«
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Falls ich Ihnen nach der dritten Nummer nicht
mitteile, dass ich auf den Weiterbezug ver-
zicbte, foitte ich um weiteie Uebersendung bis
auf Widerruf zum Preise von Mk. 1. — monat-
lich, zuziiglich 30 Pfennig Bestellgeld.
Neue Blicher und Schriften
liber Musik
Cherbuliez, A.-E.
„Joseph Haydn"
RM. 3 -
,Zum besten was iiber die Kunst unseres Meisters Gber-
haupt gesagt worden ist, gehort das, was in der Ab-
handlung steht, die kiirzlich der Schweizer A.-E. Cher-
buliez unter dem schlichten Titel , Joseph Haydn* ver-
offentlicht hat. Ein kenntnisreicher scharfcr Kopf spiirt
darin den Quel I en der Kunst des Tondichters nach, legt
in denkbarer Kurze seine formale SchafFensart in Sym-
phonic und Quartett dar, geht auch ein wenig auf seine
sonstlgen Werke ein und setzt sich mit seiner allge-
meinen Kunstanschauung auseinander."
Dr. M. linger, Leipzig
Mohr, Ernst, Die Allemande
Eine Untersuchung ihrer Entwicklung von
den Anfangen bis zu Bach und Handel.
Teil I Text, Teil II Notenbeispiele.
Zusammen RM. 12. -
Mehrere Jahrhunderte Musikgeschichte im Brennpunkt
einer kleinen, aber bedeutenden Form! Von ihr em Ur-
sprung als schlichte Tanzmusik weist der Verfasser die
reiche Entwicklung der Allemande wie ihren Weg
(Frankreich, Niederlande, England, deutsche Suiten-,
franzdsische Lautenkomponisten, franzftsische u. deutsche
Klaviermusik^ bis zu J. S. Bach auf. Reiches Noten-
material erga'nzt die umfanglichen Forschungen.
Rossel, Willy, Die Bewegungspro-
bleme des Orgelspieles RM. 1.-
Rossel bietet — verbunden mit einer Anzatal Notenbei-
spielen und grundlegenden Uebungen — eine eingehende
Analyse der Bewegungsprobleme fur die Orgel, die auch
fur alle anderen Tasteninstrumente Geltung hat. Sie
dient als Vorstudie zu dem Uebungsmaterial fur Orga-
nisten und beriihrt dabei noch andere Fragen des prak-
tischen Organistenberufes.
Wehrli, Werner, „Musikalisches
Ratselbuch"
40 merkwiirdige. Klavierstuclce nebst
lustigen Versen. Buchschmuck von Albert
J.Welti RM, 3.-
m Wehrlis mit lustigen Federzeichnungen ge-
schmiicktes B Ratselbuc'h" ist ein rechtes Geschenkwerk-
lein und ein Freudenquell fiir jeden musikalischen
Menschen." Dr. W. Schuh
van Zanten, Cornelie, Das wohltem-
perierte Wort als Grundlage fiir
Kunst und Frieden RM. 2.50
Zum erstenmal wird hier griindlich die sprachphysiolo-
gische Aufgabe der Konsonanten klargelegt. Absolut
neue, streng wissenschaftliche Begriife, werden auf die
menschliche Stimme ubertragen, so dafi die Grundlage
fiir eine neue Nomenklatur in der Gesangstimme ge-
schaffen ist.
Durch den Buch- und Musikalienhandel
sowie direkt vom Verlag
Gebriider HUG & Co.,
Z ii r i ch und Leipzig
160
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J. Stutscheavsky
Das Violoncellspiel
Neue sysiematische Schule vom
Anfang bis zur Vollendung
(NP)
Die vorliegende Violoncell-Schule von Stutschewsky ist das in seiner Art einzig dastebende Ergebnis einer
jahrzehntelangen Unterrichtspraxis des Verfassers, der, aus einer tiefenKenntnis aller physischen und psychischen VorgElngc
heraus, den Violoncell-Unterricht erneuert und in lebendige Beziehung zu den praktisch-musikalischen Problemen von
Heute setzt. Das auf diese Weise gesammelte Material stellt in seiner Grundlichkeit und Vielseitigkeit, padagogischen
Zweckma&igkeit und musikalischen Durchdringung alles in den Schatten, was auf diesem Gebiete bisher vorliegt
Der systematise he Aufbau des spieltechnischen Uebungsmaterials und die meisterhaft uberlegene Auswahl
zahlreicher Stiicke aus der klassischen und modernen Literatur fur ein oder zwei Instiumente, darunter aucb viele
Volkslieder, sowie eine grofie Anzahl instruktiver Zeichnungen geben diesem unvergleichlichen Werk seine Prague g
als Standardwerk des Violoncell-Unterrichtes.
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Band I In 2 Heften:
Heft 1' . . . Ed. Nr. 1586a
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Heft 2 ... Ed. Nr. 1586b
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BAND II . . . Ed. Nr. 1587
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Band II in 2 Heften :
Heft 1 ... Ed. Nr. 1588a
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Heft 2 ... Ed. Nr. 1588b
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Ernst
Todl
5X10Etiiden
fur Klavier
I Zehn Anfangs-Etiiden, op. 59 Ed. Nr. 2196 M. 2.-(NP)
II Zehn einfache Etiiden, op. 58 Ed. Nr. 2197 M. 2.-(NP)
III Zehn Mittelstufen-Etiiden, op. 57
2 Hefte Ed. Nr. 2198/9 je M. 2. - (NP)
IV Zehn Vortrags-Etiiden, op. 56
2 Hefte Ed. Nr, 2166/7 je M. 2. - (NP)
V Zehn Konzert-Ettiden, op. 55
2 Hefte Ed. Nr. 2161/2 je M. 3. - (NP)
Das Etiidenwerk von Toch stellt in seiner Gesamtheit ei-
nen geschlossenen Lehrgang des modernen Klavierspiels
dar, in welchem alle Probleme der durch den neuen Stil
bedingten Technik von einem der hervorragendsten moder-
nen Komponisten systematisch behandelt werden. Toch, der
al> ausObender Kunstler selbst Pianist ist, war fur die Losung
einer solchen Aufgabe, die sich ihm wie vielen anderen
in der Praxis taglich aufs neue stellte, doppelt geeignet.
Fruiter erschienen:
Burlesken, op. 31
daraus :
Klavier
Ed. Nr. 1822 M. 2.50
„Z»er Jongleur" . . . . Ed. Nr. 1823 M. 2.—
Eines der erfolgreichsten modernen Konzertstflcke
Drei Klavierstiicke, op. 32 .
Fiinf Gapriccetti, op. 36 . .
Klavier-Konzert mit Orchester,
Parti tur (4°)
Klavier-Auszug
Tanz- und Spielstticke, op. 40
Sonate, op. 47
op. 38
Ed. Nr. 1824 M.
Ed. Nr. 1825 M.
2.—
2.50
Ed. Nr. 3383 M. 30 —
Ed. Nr. 1859 M. 8.—
Ed. Nr. 1412 M. 2.50
Ed. Nr. 2065 M- S.-
Kleinstadtbilder, op. 49,14 leichteStucke Ed. Nr. 2082 \J. 2.50
Streichinstrumente
Zwei Divertimenti fur Streichduo, op, 37
Nr. 1 fttr Violine und Violoncello Ed. Nr. 1910 M. 4.—
(Schottpreis 1926)
Nr. 2 fur Violine und Bratsche . Ed. Nr. 19C9 M. 4.—
Sonate fttr Violine und Klavier, op. 44 Ed. Nr. 1240 M. 5.—
Sonate f. Violoncello u. Klavier, op. 50 Ed. Nr. 2084 M. 5
Quartett fttr 2 Violinen, Viola u. Violoncello, op. 34
Studien-Partitur Ed. Nr, 3472 M. 2.—
Stimmen Ed. Nr. 3128 M. 10.-
Konzert fur Violoncello und Kammerorchester, op. 35
(Schottpreis 1925)
Studien-Partitur Ed.Nr.3473M. 4.—
Klavier-Auszug Ed. Nr. 1993 M. 6.—
Cesang und Klavier
Neun Sopran-Lieder, op. 41 . . . Ed. Nr. 2055 M. 4.—
Weitere Werke von Ernst Toch (Orchester, Gesang und Kammer-
orchester,Chor,Buhnenwerke) s. Kaialog JZeitgendts'uche Musik a ,
B. Schott's Sohne
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Umfang jebeei #effe$ 16 6eHen. prcief elngefn :R3Jt. 1.80
im 2If>onnement (idftrlid) 10 ^effe) im 3af)r :fi3tt. 12.— / ftdbjafjr 3^. 7.—
profoefte foffenfotf / 2(nf»d)tfiffenbungcn unt>erbinbfid).
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Grnjl £on)ar t>on Rnorr : 6d)ftf fat, fiir einfffmmigen
(Sljor mif Ordjeffer
pout &inbemiu): ©fiiif autf „6piet unt> #ffrfd)u(e"
fiir 2Jlelobfelnffrumenfe
3brgen Senfcoti: Stefne ©tiitfe fttr jtoei gtefdje
Slodftofcn
Bifijefm 3Mer: SDueft fur stabler unb ein 3Mobie«
inffrumenf
Jjo^tt 3refonb: „3nbfan (Summer*
fur Stopfer
3nJ)ott to* 2. &effe*
jfjefoj Sie&en: ©ie 3ungen, breiffimmig, (Sfjor
(auS op. 40)
Gbuarb 3udmoijer: SDatf ©o«^e«3J?i
ffori XHm ' „2otenftoge" fiir gtefdje ©timmen
a cappelta
UBifli Surfarb: ,/Sreubenruf" fiir gemiftfjten 6t)or
3B«tter £eig(>: 2Jluffc for ©fringe '
Grnft pepping: „(Srfd)ienen iff ber tjerrtid) Sag".
(Sfyoratoorfpiet fiir Drget.
©erfarb 2Waa&: Rtam'er|tQcf
&eff 3 erfdjeinf in $?urje
3m gemeinfamen Serfage Don
IBifljefm #anfen
£?o&enf)agen«.£eip3ig
162
2DolfcnbutteI« Berlin
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Fur den modernen Musik-Unterricht :
B. SEKIES
Hopp, hopp - summ, sum m?
Deutsche Kinderlieder, ganz leidit gesetzt
Fflr Klavier zu 2 HSndeiT! \ 7 ... Ed. Schott Nr. 2149 M. 1.80
Fur Klavier zu 4 Handen Ed. Schott Nr. 2187 M. 2.-
(leicht fllr beide Spielei")
Die heute allgemein anerkannte Bedeutung des
> Volksliedes fur die musikalische Erziehung will
Sekles mit dem vorliegenden Werke bestati-
gen. Er bringt darin bekannte Volks- und
Kinderlieder fur den Elementar-Unterricht im
Klavierspiel in einer Fassung von ganz neuem
Reiz, ankniipfend an seinen B Musikbaukasten",
deriiberallsobegeistertenWiderhallgefunden hat
n> «h* *******
as-* i. J
Per Musikbaukastcn
fur den ersien Klavier-Unierrichi
10 deuisdie Volkslieder in je 8 AusfuhrungsmSglirhkeiten fiir das
Zusammenspiel von Lehrer und Schuler Ed.SchottNr.2128M.2 — (NP)
Prof. Willy Rehberg schreibl:
Nicht nur die Kinder, sondern auch der Lehrer und die klavierspielenden
Angehorigen werden viel Freude erleben an diesen herrlichen, meister-
haften Variationen von Kinderliedern (im Umfang von 5 Tonen). Die neue
Art der Darstellung, geradezu eine .Erfindung", ist imstande, in den
Kindern den Instinkt fur das Wesen der Musik zu wecken.
Der Violinbaukasten
10 deuisdie Volkslieder fur Violine in der 1. Lage mit Begleitung
einer 2. Violine oder des Klaviers (audi als Trio) in insgesamt
16 Ausfuhrungsmoglidikeiten . . . . Ed.SchottNr.2192M.2.-(NP)
hieraus einzeln: Erste u. zweite Violinst. (zus.)Ed.SchottNr. 2192a M.-.80(NP)
Ein dreifaches Problem wird hier gelOst: das der Freude des Kindes am
Stoff, das der Einfuhrung ins erste Ensemblespiel durch die verschiedensten
Ausiuhrungsmoglichkeiten (auch chorische !), schliefilich das Problem un-
bewufiter musikalischer Erziehung. Ein einzigartiges und einmaliges Werk
fiir den Elementarunterricht im Violinspiell
Musikalische
Geduldspiele
Elemenftarschule der Improvisation. Rhythmische, melodisdi-
harmonische Uebungen zur systematisdien Gehorbildung. 3 Hefte
Ed. SchottNr. 2170a/c je M. 2-
Die Fantasie des Schiilers B sriie]end B zur eigenen musikalischen Improvisation
anzuregen, d. h. die in jedem Kinde schlummernden produktiven Krafte zu
wecken — das ist die Forderung eines zeitgemaSen Musikunterrichtes.
Sekles findet hierfur mit dem vorliegenden Werkchen eine prakiisch-geniale
Losung: dem Mittelding einer Harmonie- und Improvisationsschule durch
systematische Gehoibildung.
In jeder guten Musikalicnhandlung vorrSiig
Ansidiisexemplare bereitwilligst
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Karl Hessel
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2 Hefte, Preis je RM. 2.—
Ente Urfeile:
Es sind prachtvolle Werke und fur die Schiller unent-
behrlich ; ich lasse hie bereits von meinen Schiilern
spielen. Awvn Liebermann,
Aussohuti d. Kollegiums f. d.
Staatlichen Examen, Berlin.
Die in der .Kurzgefafiten Cello-Schule" eingeschlagene
Methoile halte ich fur sehr originell ; die Anlage und
Darbietung des Unterrichtsstoffes verdienen wegen ihrer
musterhaften Folgerichligkeit und Klarheit jedes Lob.
Das gleiche ist auch von den 23 .Lagenubungen" zu
sagen. Jedem Cellisten seien Sie wa'rmstens empfohlen.
Roman von Putikowski, Hannover'Siid
Kammermus ker, Soloceltist
des Opernhaus Oichesteis.
Die LagenilbUngen sind gediegen und bilden fur die Ent-
wicklung der Strich- und Gnfftechnik eine sehr wert-
volle Erganzung der didaktischen Cello-Liieratur.
Oskar H. Thomas, Zurich.
Fur jugendliche AnfSnger ist Hessels Celloschule
ein unubertroffenes Lehrmittel, in Welches naheliegende
Gedanken erstmalig in die Praxis umgesetzt werden.
Das Ei des Columbus. Die famose Schule sei alien
Lehrern, die mit Anfangern zu tun haben, warm
empfohlen. Oskar Victor Zack, Schiers.
Man spiirt die Liebe zu seinem Instrument und zuseinen
Schiilern aus jeder Seite heraus. Wie sorgfaltig und klug
er zu Werke geht. Wie er von Anfang an bedacht ist.
den Anfanger zu interessieren . . . Dem Lehrer ist fur
eigenes Vorgehen viel Raum gegeben. Auch ist viel
anderes Lehrmaterial zur Erganzung und Bereicherung
des Lehrganges empfohlen.
Fritz Reitz
Soloceltist des Tonhalteorahestei s, Zurich
Durdi Jede Musikalienhandlung erhalilich, wo
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Sensationeller Erfolg
eines n e u e n Orchesterwerkes
von ERNST
KRENEK
Suite aus der Musik zu Goethes
T riumph der g mpfindsamkeit
Erstauffiihrung am 13. Marz
in Berlin unter Bruno Walter,
in Wien unter AntonWebern.
Einige Pressestimmen :
Berliner Tageblatt (A. Einstein)
Alle9 ist musikalisch mit bo zarter und witziger
Hand gemacht, dass man seine helle Freude
daran hat.
Vossische Zeitung (M. Marschalk)
Die Musik hat etwas Zeitloses, etwas allge-
mein giilliges, sie ist schleehtweg schoae
Musik. Sie ist melodisch; sie ist geistreich
und witzig und ausserordentlich fein in ihrer
Faktur . . . mit lebhaftem Beifall aufgenommen;
Deutsche Tageszeitung {Springer)
Adagio von seltsam fliesaendcr Schonheit,
in die Bizarres einbricht; eine Tanzmusik,
phantastiach, kiinstliuh und prezios, geht un-
mittelbar auf die Parodie los, auf die Goethes
Posse abzielt.
Der Wiener Tag (.Max Graj)
Musik, die wirklich fast etwas Goethesches
gibt; heitere Uoerlegenheit. Ruhe, ja, eine
spiiiiiende Ruhe der Leidenschaft, die ge-
sundbringend den Horer durchstromt.
Ansichtsmaterial von der
UNIVEBSAL-EDITION A.-G.
WIEN- LEIPZIG
Berlin: Ed. Bote & G. Bock
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Violine I erste Lage) oder zwei-
fltimmigen Geigenchor eingerichtet
von MAX KAEMPFERT
Ed. Schott Nr. 2220 . . . M. 1.50 (NP)
Die fast vergessen gewesenen entzuckenden Kla-
vier-Sonatincn ozarts, die Willy Rehberg den
Klavierspielern erneut zuganglich gemacht hat, Hegen
jetzi in einer pSdagogisch vun Max Kaempfert treff-
lich redigierten Ausgabe fur zwei Violinen vor. Sie
eignen sich hervorragend als Einfuhrung in das
Ensemblespiel.
ferntr einzeln:
Violine I (I. Lage) Ed. Schott Nr. 2220a
" M. 1.- (NP)
(hierzu Klavierstimme: Die Wiener So-
natinen von W. A. Mozart. 6 Sonatinen
fiir Klavier, herausgegeben von Willy
Rehberg. Ed. Schott Nr. 2159 M. 2.—.
Violine II Ed. Schott Nr. 2220b M. 1.— (NP)
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Neue Musik fur Orgel
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C. Beck, Sonatina
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Ed. Nr. 2132 2.50 (NP)
Willy Burkhard, Fantasie (inVorb.)
— In dulcijnbilo(Variationen iiber den
Hafilerschen Choralsatz) (in Vorb.)
— Aus tiefer Not { Variationen iiber den
Mablerschen Choialsatz) (in Vorb.)
Franko-Sanimann, Cantus-Firmus-
Praludien. 307 grofi. Choralvorspiele
— Band IV
Ed. Nr. 134 brosch. M. 18.—, geb: 21.— (NP)
— Band I — III
Ed.Nr.131/3brosch.jeM.15.-, geb. 18.- (NP)
Ph. Jarnacb, Konzertstttck, op. 21
Ed. Nr. 2087 2.50
Liber organi. AltfranzOsische Orgel-
meister, aus den Sammlungen von
Guilmant-Pirro herausgegeben von
Einst Kaller. 2Bde. Ed.Nr.13J3/4je 2.50 (NP)
A. Moeschinger, Introduklion und
Doppelfuge, up. 17 . Ed. Nr. 2102 2.50
P. Muller-Ziiricli.ToccataCdur, op. 12
„ - - Ed. Nr. 2116 2.50
Hermanu Scnroeder
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Fantasie, op. 5b . . Ed. Nr. 2188 2.50
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„Ert5dt' uns durch dein' Gute"
(aus der Kantate Nr. 22) fiir Klavier zu zwei Handen
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Melosbiicherei 3
Paul Hi
von
Heinrich Strobel
Miteinem Bild, mehreren Faksimiles,
vielen Notenbeispielen und einem
Notenanhang M. 3.20
Aus dem Vorwort zur zweiten Auflage:
Das Buch wendet sich nicht an muslkwlssenschaltllche
Seminare, sondern an den prektlschen Musiker und an den
gebildeten Lalen. Der Leser soil angeregt und aufgeklart
warden. Er soil einen Begrlff vom Wesen der Hindemlth-
schen Musik und damit vom Wesen der Neuen Musik iiber-
haupt bekommen. Mit trockener Systematlk und Sezie-
rerel wlrd dlese Abslchl nlcht zu errelchen sein. Die ent-
wicklungsgeschlchlllche Tendenz wurde gegenuber der
ersten Auflage noch starker herausgearbeitet. Nur bei den
letzten Werken, deren Bedeutung fur das spatere Schaffen
des Komponlsten noch nlcht zu ubersehen ist, wurde der
elnfuhrenden Beschrelbung etwas mehr Raum gegeben.
Fernor erschien in der Reihe der Melosbiicherei:
Die Tonsprache der neuen Musik
von Hans Mersmann
(Zweite Au(lage) M. 2-80
Zur Geschichte der jtingsten Musik
(1913-1928)
von Heinz Tiessen m. 2.80
Fur Deutschland kommt von den oben genannten
Preisen 10°f„ gemaD Notverordnung in Abzug.
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Bizzarria .......'...'.." . 2175 2. —
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Bauerntanz (aus .Harnasie') 1511 2. —
Polnische Weise 5298 1.50
Kammermu sik
I>aszl6 Lajtha
op. 11 III. Streichquartett, Part. .... 3763 3.—
Hierzu Stimmen . 3764 6.—
Saxophon und Klavier
Necil Kazim
Allegro feroce . . . . . . . . . . .' 10024 2.—
Cesang und Klavier
Hanns Eisler
op. 27/1 Solidaritatslied 10073 —.50
op. 27/2 Die Spaziergange 10074 —.75
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Drei Chansons (Erich Kastner) :
1. Monolog des Blinden 10025 1.50
2. Fantasie von iibermorgen 10026 1.50
3. Maskenball im Hochgebirge .... 10027 1.50
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5 Jugendweisen, gem. Chor, Part. . . . 10013 —.50
Hanns Eisler
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mit Klavier, K.-A 10073 —.50
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Politica, Manner-Chor a capp., Part., . . 10035 —.30
PhSnomen, Manner-Chor a capp., Part. . 10036 — .30
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Berliner Borsen-Courier:
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der Blaser und in der unbcfangenen Heiterkeit erinnert eB an ,,Neues vom Tage". Nur
daG die Melodik, namentlich in den bewcgten Nummern, noch gegenstandlicher, man
darf fast sagen: noch einganglicher ist. Mit einer kompositionstechnischen Meister-
schaft, die einzig ist in der modernen deutschen Musik, werdcn die Klanggruppen, die
eolistischen Bliiaer, ja sogar die Pauke, in den Variationen der Ruihe nach herausge-
stellt. Jcder bekommt sein Solo: Die Horner und Trompeten blaacn ein regelrechles
Konzert, aus dem zum Schluss noch ein sehr lustiges Fugato springt. Die holien Holz-
blaser losen das zarte Thema in ein Scherzo auf, das nach edit Ilindemithscher Weise
langsam verklingt. Aber am schonsten ist die vorletzte Variation: ein wirbelndes Con-
certino von Solovioline, Solobratsche und Solocello, in das die ubrigen Instrumente
lmmer wieder das fanfarenhafte Kopfmotiv des Themas werfen. Heinricli Strobel
Deutsche Tagcazeitung, Berl in:
• • ■ ■ ei n Variationenwerk, das in Hindemiths personlichem Stil, in kunstvoller
lonung die Ausdrucksmoghchkeiten des neuen Orchesterklanas ausschopft Ubcr
aem jU«nwerk der kornphzierten Arbeit und ihrer eieenwilLen Probfemstellung Btcht
erne Verhaltenheit, Discretion, ja Feierlichkeit, welcfie den Eindruck bestimmt und
tedmiKhe Kunst vergeistigt Prof Dr Hermann Springer
Aufluhrung»da U8 r ca. 25 Minuter, . AiiHQhrungsmaterial in Vorbereitung
B. SCHOTT'S SOHNE / MAINZ
BUtc tokta Sic OO, M «lfe„ Anfnvm vf MBLOS
Heft 5/6
11. Jahr
Mai/Juni 1932
Geschichtliches
Die Historisierung der Musikkultur waiter wiora
i.
Der historische Horizont und Wissensschatz haben sich — das unterliegt keinem
Zweifel — im Laufe der Zeiten standig erweitert. Und ebenso sind auch das historische
Bewufitsein, das Interesse und VerstSndnis fiir alte und fremde Musik, deren positive
Bewertung und Bedeutung fur das praktische Musizieren gewachsen und werden iiber
die Gegenwart hinaus weiterhin zunehmen. In einer Jahrtausende langen Entwicklung
vollzieht sich eine fortschreitende Historisierung aller Bereiche der Musikkultur wie der
Kultur iiberhaupt.
Wir versuchen, die Stadien dieses Entwicklungsprozesses ganz kurz anzudeuten. In
den Anfangen kennen die Menschen keine andere Musik als die, welche gerade in ihrer
Lebenswelt, in ihrer Gruppe ausgeiibt wird; und wenn sie doch einmal Kenntnisse von
anderen erlangen, so sind diese vage und ohne Einflufi auf das eigene Musizieren. Dann
aber wachst die Erfahrung durch Wanderungen, Kriege, Tradition, pietatvolles Interesse
fur die Vorfahren, spater durch Entdeckungsreisen, noch spater durch systematische
Forschung. Man kornmt mit anderen Lebenswelten in Beriihrung und lernt ihre Musik
kennen. Aber man ubernimmt diese vorerst noch nicht. Und man sichtet und wertet
noch egozentrisch. Man sieht das Fremde nicht in seiner Eigenart, sondern schlieBt von
sich auf andere und halt die eigenen Anschauun,gen und Normen fiir allgemein
gultig. Naiv fiihlt jeder sich mit seiner Gruppe als Mittel- und Hohepunkt der Welt.
Er halt die eigene Musik fiir vollkommener als die der anderen, der „Primitiven" „Wilden",
„Barbaren", oder gar fiir die beste aller iiberhaupt moglichen Musikarten. Er glaubt an
einen gradlinigen Fortschritt, innerhalb dessen seine Kunst die bisher oder iiberhaupt
hochste Stufe bilde, an eine „stete Vervollkommnung der Technik und der Ausdrucks-
mittel" oder dgl.
Aber allmahlich, mit wachsendem historischen Wissen und Kennen, schwindet
solche egozentrische Naivitat. Im historischen Bewufitsein vollzieht sich eine weitgehende
Exzentrierung, ahnlich wie im physikalischen Weltbilde, in dessen Anfangen man den
winzigen Landstrich, den man bewohnte und kannte, fiir das Universum hielt oder fiir
dessen Mittelpunkt, und das sich dann zu geozentrischen und heliozentrischen An-
schauungen entwickelte und weiterhin zum Relativismus der Gegenwart. Auch im musik-
historischen Weltbild erscheint nun die eigene Lebenswelt als kleiner Teil eines riesen-
169
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Hausse in historischen »Entdeckungen«
haften Canzen, der eigene „Stil" als einer unter unzahligen. Man sieht sich an einer
geschichtlich vielleicht unwichtigen Stelle innerhalb einer ungeheuren Mannigfaltigkeit.
Man bescheidet sich und gibt anderen den Vorrang. Die Werke der Vergangenheit ge-
winnen immer grofiere Bedeutung fiir das eigene Musizieren. Die gesamte Musikkultur
wird durch und durch historisch.
Nun diirfen freilich diese Angaben nur als vereinfachendes Schema aufgefafit werden.
In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter. Es gibt Gegenbewegungen, und die Gesamt-
bewegung ist nicht einfach gradlinig und gleichmafiig. Sie teilt sich gemafi den ver-
schiedenen Kulturen, Landern und Sachgebieten in mehrere Bewegungsziige, die sich im
Tempo, Rhythmus und dergl. unterscheiden- Sie verlauft beispielsweise anders in Mittel-
europa als in China, anders in der Wissenschaft als in den iibrigen Bereichen der Musik-
kultur, anders bei den Eliten als im Durchschnitt. Vielleicht haben alle Bewegungsziige
einen einzigen gemeinsamen Ursprung, und z. T. vereinigen sie sich sicberlich wieder,
zumal gegenwartig, im „Zeitalter des Ausgleichs", der internationalen Wissenschaft,
des Weltverkehrs, des Rundfunks und des internationalen Repertoires in Konzert, Theater
und Tonfilm.
Am weitesten ist die Historisierung der Musikkultur (wie so viele Bewegungen) in
Europa fortgeschritten und hat hier zu unserer ganz eigentiimlichen und unvergleichlichen
Situation gefiihrt. Wir versuchen im folgenden, diese kurz zu charakterisieren.
2.
Als Erscheinung und verursachender Faktor der Historisierung ist am sinnfaltigsten
die spezifisch abendlandische Ausbildung der Musikhistorie und der ihr verwandten
Wissenschaften, besonders der Musikethnologie und -soziologie. Wie alle positiven Wissen-
schaften haben diese Disziplinen den unendlichen Fortschritt des Wissens zum Ziel und
fordern dadurch geradezu systematisch die Historisierung auch der anderen Bereiche
der Musikkultur. Eine grofie Zahl von Forschern steht in ihrem Dienst und bringt durch
gemeinsame Arbeit einen gewaltigen Wissensschatz zusammen. Musikwerke aller Art
werden publiziert, Denkmaler der Tonkunst, der deutschen. osterreichischen, italienischen,
japanischen usw., Volkslieder, gesammelte Werke grofier und immer mehr auch kleiner
Meister, SchaJlplattenreihen mit ,,Musik des Orients" und „Abendlandischer Musik aus
zwei Jahrtausenden". Man erforscht Werke, Stile, Musikleben und Theorien aller Zeiten,
Volker, Klassen, Menschentypen und behandelt sie in einer grofien Zahl von Schriften.
Was immer fruher nicht beachtet oder gering geschatzt wurde, wird in der gegenwartigen
Historie „wieder" entdeckt und rehabilitiert, und sei es auch nur in einer Dissertation.
Viele Forscher beginnen ihre Schrift mit der Versicherung, die von ihnen behandelten
Gegenstande seien bisher bei weitem unterschatzt worden. Sie betrachten ea als eine
„Ehrenschuld", das „zu Unrecht Vergessene" wieder zu beleben, und schelten die „eng-
herzigen Vorurteile" unseref Vorfahren gegen die alte und exotische Musik, ihre „Ein-
seitigkeit, Beschranktheit, Ungerechtigkeit" (die jedoch in Wirklichkeit aus den fruheren
Stufen der Historisierung heraus zu verstehen sind).
Manche von ihnen konstatieren freudig, dafi „unsere Zeit" ausgerechnet zu ihrem
Spezialgebiet eine besondere Zuneigung habe, vielleicht gar infolge einer „tiefen geistigen
Wahlverwandtschaft". Aber sie tauschen sich zumeist. Ihr Wunsch ist der Vater ihrer
170
Echte und falsche Renaissancen
Verallgemeinerung. Sie selbst und der bisweilen recht kleine Kreis um sie sind nicht
„die Zeit"; auch nicht deren herrschende Stromung. Es gibt heute viele andere Kreise
und Stromungen mit ganz anderen Interessen, die sich nicht weniger zeitgemafi und
fortschrittlich dxinken als sie. Unsere Zeit hat fur unendlich vieles Platz und Interesse
und fiihlt sich mit allem moglichen verwandt. Was wird denn heute nicht geschatzt?
Man schatzt Eigenart und Eigenwert alter Formatile, Klangstile, Musikinstrumente. Man
hat „wieder" Verstandnis fiir die sogenannte Vorklassik, fur den Barock, die Nieder-
lander, die Polyphonie des Mittelalters, fiir alle Arten der Volksmusik, fiir Gebrauchs-
rausik, die Musik des Alltags und dariiberhinaus fiir die aufiereuropaische Musik. Die
Musikwissenschaft riickt mehr und mehr ab auch vom europaozentrischen Weltbild.
3.
Von der Wissenschaft aus verbreitet sich die immer grofiere Achtung und Beachtung
der fremden Musik auf weite Kreise. Die Wissenschaft ist ein besonders wichtiger Faktor,
wenn auch keineswegs die einzige Ursache der Historisierung des praktischen
Musizierens, wie sie auch wiederum durch diese viele Antriebe und Anregungen erhalt.
Immer mehr wird alte Musik geiibt und gepflegt, besonders in der Kirche, der
Schule, der Jugendbewegung, der Hausmusik, im Rundfunk. Man baut Instrumente aus
alter Zeit, Cembali, Blockfloten, Gamben, Fiedeln und dergleichen. Eine Unmenge von
Noten wird in popularen Ausgaben veroffentlicht. Immer mehr Werke und Stile werden
„wiederbelebt", haufig unter kraftiger Nachhilfe der Reklame. Eine „Renaissance"
folgt der andern. Es gibt teils gewachsene, teils gemachte Renaissancen Bachs, Palestrinas,
Handels, Schiitzens, Verdis, OfFenbachs. Man mochte beinahe fragen, was heut nicht
wiederbelebt wird. Dabei handelt es sich primar keineswegs um Wiederweckungen in-
folge innerer Verwandtschaft. Gewifi sind auch die Verwandtschaften der Epochen
von Wichtigkeit, vor allem aber sind die Renaissancen zu deuten als Teilformen jenes
grofien Gesamtprozesses, der allgemeinen Historisierung. (Auf die Eigenart der musikalischen
Renaissancen im Unterschied zu denen in anderen Kulturgebieten kann hier nicht naher
eingegangen werden. Dafi sie verhaltnismafiig spat eintreten, liegt vor allem an der
Gegebenheits- und Notierungsweise der Musik und der damit zusammenhangenden ge-
ringen Uberlebensfahigkeit.)
Auch die Art und Weise der Reproduktion hat sich infolge der Historisierung
gewandelt. Ebenso wie in der Wissenschaft und den Editionen wird besonders seit der
zweiten Halfte des vorigen Jahrhunderts das Ideal der historischen Treue mehr
und mAr herrschend. Man mochte die alten Werke moglichst in ihrer urspriinglichen
Artung wiedergeben ; der „Dienst am Werk" ist dabei teils Grund, teils Rechtfertigung.
Es wird zur Selbstverstandlichkeit, dafi man bei oifentlichen AufFiihrungen alter Musik
auch entsprechende alte Instrumente verwendet. Man scheut sich vor Veranderungen und
Bearbeitungen, vor „subjektiven Zutaten" und dem „Hineintragen des eigenen Geschmacks".
Man riickt weit ab von der unhistorischen Naivitat friiherer Praktiker und Herausgeber.
Die Geschichtswissenschaft gewinnt dadurch grofie Bedeutung fiir die Praxis, dafi sie die
alten Werke „einwandfrei herausgibt" und die originale Aufftihrungspraxis erforscht.
Und wie die Reproduktion ist auch das Neuschaffen weithin historisiert. Viele
schreiben archaistisch, primitivistisch, exotisch, „im alten Stil" (auch ohne es im Titel
171
^W'^^^PWJIPII
Uberall historischer Nihilismus
zu verraerken), fiir alte Instrumente, z. B. fur das Cembalo, in alten Formen und
Gattungen. Mittelbar hat sich die Historisierung auf die Bedeutung der Komposition im
Rahmen der Musikkultur ausgewirkt sowie auf ihre Produktivitat and wirtschaftlich-
soziale Lage. In tiefen Zusammenhangen scheint sie mit manchen Kompositionsstilen zu
stehen, z. B. mit der Entwicklungsmusik, die sich in der zweiten Halfte des 18. Jahr-
hunderts ausbildete, parallel zum grofien Aufstieg der Historie. des historischen Bewufit-
seins und der Entwicklungsidee in den Natur- und Geisteswissenschaften, der Biographie,
dera Drama und Roman usw.
4.
Alle diese Formen der Historisierung, die durch den Fortschritt des historischen
Bewufitseins mit bedingt worden sind, wirken wiederum auf dieses zuriick. Sie bereiten
den Boden dafiir, dafi historische und historistische Anschauungen von den Eliten auf
weite Kreise absinken und vielfach zu Gemeinplatzen werden. Fast jeder nimmt heute
teil an dem Gerede iiber den verschiedenen Geist und Geschmack der Zeiten, iiber das
Zeitgemafie, den Gegensatz der Generationen und dergleichen.
Wir gewohnen uns daran, Musik historisch zu horen, als Ausdruck ihrer Schopfer
und Epochen, als Glied in der Geschichte, als Musik etwa des Barock oder des Rokoko.
Wir horen und begreifen auch d J e Musik der Gegenwart historisch. Sie wird uns, kaum
entstanden, schon zum historischen Erkenntnisobjekt. Die „moderne Musik" ist sehr vielen
(und nicht nur Laien) fremd, fremder als alle heut gepflegte Musik der Vergangenheit.
Und das naive Gefiihl, auf dem Hohepunkt der Geschichte zu stehen, ist fast vollig ge-
schwunden. Die alteren Geschichtsbilder verlieren immer mehr an Bedeutung, besonders
in der Wissenschaft ; so z. B. der Fortschrittsgedanke, die klassizistische Anschauung von
den klassischen Bliitezeiten und den nicht klassischen Verfallsperioden, der Glaube an
ein goldenes Zeitalter in der Vergangenheit und dessen "Wiedererneuerung in der nachsten
Zukunft. Anschauungen wie die Lehre vom spezifischen Kunstwollen treten an ihre Stelle-
Mit der fortschreitenden Historisierung entstehen relativistische und historistische Stand-
punkte oder Standpunktslosigkeiten und verbreiten sich immer weiter, auch wenn sie viel-
fach fiir uberwunden erklart werden.
Die Einsicht in die Vielfaltigkeit und Grundverschiedenheit der Stile und Musik-
anschauungen macht sehr deutlich, dafi der grofite Teil besonders des systematischeh
Musikwissens keineswegs iiberhistorisch und allgemeingiiltig ist. Es wird zur Binsenwahr-
heit, dafi die Formenlehre, Rhythmuslehre etc., etwa in der Art Riemanns, nur fiir einen
Teil neuzeitlich-abendlandischer Musik gelten ; und dafi die Kontrapunktlehre Musikideale
verabsolutiert, die den Stilen Palestrinas bezw. Bachs nahestehen. In den intellektuellen
Eliten bilden sich eigentiimliche historistische Denkformen aus. Man betraclitet alles
historisch, aber die historische Betrachtung selbst wird wiederum als geschichtlich ge-
bundene in Frage gestellt. Ernster als je stellt sich das Problem, ob iiberhaUpt
allgemein verbindliches Wissen iiber wesentliche Dinge moglich sei. Aller Anspruch auf
Objektivitat und Allgemeingiiltigkeit wird fragwiirdig. Ein historisuscher Nihilismus ist
heute nicht mehr nur drohende Gefahr, sondern weithin herrschend. Es kann dies an
dieser Stelle nicht naher ausgefiihrt werden. Nur eines sei zum Schlufi noch gesagt. Sehr
deutlich zeigt sich gerade hier fiir jeden, der sich nicht vorschnell iiber Schwierigkeiten
hinwegsetzt oder blind an ihnen vorubergeht, das Unheimliche in unserer Lage. Ea gibt
172
rwiKww*"
Uberschatzung der archaistischen Musik
mehrere Wege, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Wir konnen ihm gegeniiber die
Augen schliefien und es nicht sehen wollen; wir konnen unser Los beklagen und
untatig andere Zeiten ersehnen; wir konnen uns utopisch und in Selbstiiberschatzung
gegen die ubermachtige Entwicklung auflehnen. Oder wir konnen die Situation als ge-
geben hinnehmen und uns bemuhen, aus ihr herauszuholen, was moglich ist. Ihre
realistische Erkenntnis, die historische Selbstbesinnung und die Aufweisung jener Moglich-
keiten werden von hier aus zu dringlicben Aufgaben.
Geschichte und Gegenwart
Hans Mersmann
1.
Die gelaufigste und wohl auch brauchbarste Definition erklart Geschichte als Sinn-
gebung eines Vergangenen durch die jeweilige Gegenwart. Sinngebung: das ist deutlich
und verschwommen zugleich. Deutlich ist die Peripherie des Begriffs; sie lafit klar er-
kennen, dafi wir der Vergangenheit gegeniiber zur Aktivitat verpflichtet sind, da6 ein
Entwicklungsraum sich mit der Beziehung auf die jeweilige Gegenwart standig und
fliefiend verandert. Die Sinngebung selbst bleibt im Dunkel; mittelbar ist sie Ordnung,
Beziehung, immer erneute Aufschichtung des historischen Materials.
Fur Geschichte, auch fur die Musikgeschichte ist die Sinngebung der Vergangenheit
ein geistiger Akt, fur die Kunst selbst aber eine schopferische Auseinandersetzung. So-
lange die Entwicklung einer Kunst auf der gesicherten Bahn eines Stilablaufs liegt, hat
sie keinen Grand, sich um vergangene Epochen zu kiimmern. Erst wenn die Tragkraft
des eigenen Bodens nachlafit, sucht sie einen Halt aufierhalb ihrer selbst. Archaistische,
also ausgesprochene historisierende Stromungen in der Musik des 19. Jahrhunderts gibt
es etwa von Brahms an; sie verstarken sich bei Mahler und Beger.
Durchbruch und Festigung eines neuen Stils ist noch nicht Gegenwart, sondern
ist Vergangenheit und Zukunft zugleich. Daher am Anfang der jungen Kunst neben
alien vorwartsdrangenden Kraften auch eine vielfaltige Beziehung zur Vergangenheit.
Diese Beziehung erscheint uns heute ganz unsystematisch ; sie erstreckt sich etwa bei
Hindemith ebenso sehr auf das 18. und 17., wie gelegentlich auch auf das 16. Jahr-
hundert. Man hat das Auftreten solcher historischen Nahen wohl stark iiberschatzt.
Ihre negative Bedeutung: die zunachst entschiedene Abkehr vom 19. Jahrhundert ist
wichtiger, als die positiven Beriihrungen mit vergangener Kunstiibung. Diese liegen
mehr aufien : das Streifen fremder Kulturen, die Exotik in der Musik, die etwas perverse
\orliebe fur Negerplastik und ahnliclie Tagesstromungen der Kunst.
Mit der Klarung und stilistischen Beruhigung der neuen Musik haben die alten
Schlagworte ihre Bedeutung verloren. Futurismus und Archaismus treten in gleicher
Weise zuriick; ein Entwicklungsweg beginnt, sich abzuzeichnen. Wenn jetzt etwas ein-
geschmolzen wird, so ist es stilistisch wieder das 19. Jahrhundert. Das ist solange nicht
Beaktion, sondern eine naturliche, an alien Stilwenden wiederkehrenden Entwicklung,
als sich die innere Haltung der Musik dadurch nicht verandert. Was tibrig bleibt, ist
173
Das MiRverstandnis der alien Musik
ein neu erwachtes Interesse an der Vergangenheit, ein Wille zu lebendiger Historic Fiir
die Musik spielt diese Einstellung von jeher eine ganz andere, grofiere Rolle als in den
andern Kiinsten. Denn „Sinngebung des Vergangenen durch die Gegenwart", das be-
deutete fiir sie ja immer schon die Bachausgabe von Liszt oder Bulow, Reger oder Busoni.
2.
Damit stehen wir inmitten eines Fragenkreises, der uns heute nicht ohne Grund
aufierordentlich beschaftigt. Das Thema: Historie und Gegenwart ist in ganz anderm
Sinne aktuell geworden. Es handelt sich nicht mehr darum, ob Strawinsky im Stile
Pergolesis oder Hindemith im Stile Handels komponiert, sondern aus der inneren Ver-
bundenheit unserer Zeit heraus ist uns heute der gesamte Komplex der vorbachischen
Musik in einem nie gekannten Grade lebendig geworden. Friiher waren Bach und Handel
isolierte Einzelerscheinungen in unserer Musikpflege, die im engeren Sinne erst mit
Haydn begann, jetzt wenden wir uns mit einer oft weit iiber das Ziel hinausschiefienden
Uberschatzung den kleinen und kleinsten Musikanten des 17. und 18. Jahrhunderts zu.
Man kann diese Liebe zur alten Musik kaum als eine gluckliche bezeichnen. Denn
sie krankt an zu vielen und zu tiefen Mifiverstandnissen. Aus der Sinngebung ist eine
Vergewaltigung geworden. Wir haben die alte Musik, um sie uns zuganglich zu machen,
aus den drei entscheidenden Zusammenhangen herausgelost, in denen sie lebte, wir
haben sie aus ihrem durch die Noten gegebenen Klangbild, aus ihren durch die In-
strumente der Zeit gegebenen Darstellungsbedingungen und schliefilich aus ihren
kulturellen und soziologischen Bindungen herausgeschnitten.
Es bleibt erstaunlich, in wie geringem Grade bei der Flut von Neuausgaben alter
Musik, mit deneh der Musikalienmarkt noch immer uberschwemmt wird, das Problem
des Klangbildes heute erst gelost ist. Ein Generalbafi aus der Zeit um 1700 wird zwar
nicht mehr durchweg im Brahmsschen Klaviersatz ausgesetzt, wie dies bis vor einiger
Zeit selbstverstandlich war, aber Phrasierung und Dynamik leiden noch unter den
gleichen, tiefen Mifiverstandnissen wie friiher. Es soil hier nicht noch einmal iiber
Einzelheiten gesprochen werden, mit denen sich gerade unsere Zeitschrift eingehend be-
schaftigt hat. Hier handelt es sich nur um den Kernpunkt. Friiher war es selbstver-
standlich, dafi der Musiker, der seine Stimme phrasierte, dabei seinem Instrument eben
so gerecht wurde, wie der Musik iiberhaupt, die er vor sich hatte. Heute erleben wir
in einer iiberwiegenden Zahl von neuen Ausgaben eine Phrasierung, die aus der Bogen-
technik herauswachst, aber den kleinsten musikalischen Organismus zerschneidet. Ebenso
schlimm verhalt es sich mit der Dynamik, die den grofien, ungebrochenen Flufi mancher
alten Musik willkiirlich zerschlagt. Alle diese Entstellungen wiegen mindestens ebenso
schwer wie das Problem des Generalbasses. Rifi dieser immer wieder eine Kluft zwischen
dem Wissenschaftler und dem praktischen Musiker auf (der eine machte stilgeschichtlich
einwandfreie, aber kunstlerisch unmogliche Bearbeitungen, der andere das Gegenteil),
60 scheint heute diese Kluft sich viel mehr dem Musikpadagogen gegeniiber aufzutun.
Denn der ist es, der die Stimmen phrasiert und „einrichtet" und so die Ausgabe mit
seinem (wenn moglich beriihmten) Namen deckt.
Von den beiden andern angefuhrten Gesichtspunkten ist die Frage des Instruments
die leichtere. Hier ist unsere Empfindlichkeit einigermafien gewachsen, hat die intensivere
174
Jubilaumsgeschaftigkeit
Beschaftigung mit alter Musik zugleich zu einer Wiedergeburt des Cembalo, der alten
Orgel, der Blockflote, teilweise auch der alten Streichinstrumente gefiihrr.
Mit der Frage nach den gesellschaftlichen und kulturellen Bindungen der alten
Musik treten die letzten und tiefsten Mifiverstandnisse in unsern Gesichtskreis. Ein
Divertimento von Michael Haydn ist im Konzertsaal genau so unmoglich, wie ein
Messensatz von Josquin. Das Werk verliert durch diese gewaltsame Einbeziehung in
unsere heutigen Musizierformen nicht nur Farben, Zusammenhange, sondern es wird in
seinen ursprunglichen Daseinsbedingungen letzten Endes vollig zerstort. Ein alter, poly-
phoner Vokalsatz, von einem grofien gemischten Chor konzertmafiig aufgefuhrt (die
Wiedergabe mag sogar relativ rein sein) : das bleibt eine artistische, also rein asthetische
Angelegenheit. Auch eine kleine Gemeinschaft musizierender Menschen kann diese tiefen
Mifiverstandnisse nur teilweise beseitigen; das Letzten Entscheidende fehlt: die Musik als
Funktion des Gottesdienstes. Fur die Instrumentalmusik kann eine Erneuerung der
Hausmusik viele Mifiverstandnisse beseitigen. Alle die Friihformen der Kammermusik
bis zum Divertimento, welche der Konzertsaal zerdriickt, konnen in einer privaten
Musikpflege ihren alten Sinn wiedergewinnen.
Varum hat man dariiber beim H a y d n jubilaum so wenig gesprochen ? Bisher war
von Geschichte als einer inneren Nahe der Gegenwart zu irgendeiner Epoche der Ver-
gangenheit die Bede. Wir vergafien, dafi die Geschichte in unserer Zeit aber zum
grofien Teil vom Kalender gemacht wird. Dafi jedes Jubilaum zu einer plotzlichen Flut
von Auffuhrungen, die ebenso lautlos und schnell verschwinden, wie sie gekommen
sind, und zu einer gigantischen Literatur fiihrt. Wenn in all dem ein Sinn ware, so
lfige er einzig in einer produktiven Auseinandersetzung mit dem Objekt. Sie miifite,
getragen von dem Verantwortungsbewufitsein der Gegenwart, die lebendigen Beziehungen
zur Geschichte untersuchen, mufite das fliefiende, standig wechselnde Verhaltnis der
Epochen zueinander neu formulieren. Das haben die Musiker bei Haydn aber genau so
wenig getan, wie bei Goethe.
Das 19. Jahrhundert sah in Haydn den naiven Programmusiker der „Schopfung",
den „Papa Haydn" und spater vor allem den Vorlaufer Beethovens, den Schopfer des
Streichquartetls und der grofien heroischen Symphonic Dafi man dabei, wenn man von
Haydn sprach, lediglich seine Spatwerke meinte, von etwa hundertfunzig Symphonien
ein Dutzend, von den Quartetten und Klaviersonaten ahnliche Bruchteile, das kam schon
deshalb nicht in das Bewufitsein, weil die unbekannten Werke zum grofiten Teil noch
in Archiven schlummern und eine Gesamtausgabe noch in ihren Anfangen steckt.
Diese grofien Spatwerke Haydns sind uns fester Besitz. Sie kehren regelmafiig in
den Konzertprogrammen wieder und geben das Bild des spaten Haydn, der im Ringen
um die grofie Form, um die thematische Arbeit in erster Linie der Vorlaufer Beethovens
bleibt. Er ist es, der, besonders in seinen Streichquartetten, den Entwicklungs-
gedanken in der Instrumentalmusik am fruhesten und klarsten formulierte. Aber gerade
diese Spatwerke sind zwiespaltig, oft innerlich unvollendet, Ubergang zu einer neuen,
vorgeahnten, aber noch nicht vollig erreichten Entwicklungsstufe. Diese Werke mufiten
im Mittelpunkt des Interesses des 19. Jahrhunderts stehen. Denn sie waren der Weg zu ihm.
175
Goethe und Beethoven
Unsere Zeit aber hatte in ihrer Jubilaumsgeschaftigkeit wenigstens eine Entdeckung
machen konnen : den friihen Haydn, den jungen Kapellmeister im Esterhazischen Schlosse,
zumal eine solche Entdeckung durch ein paar Neuausgaben schon vorbereitet gewesen
ware. Was una hier entgegenspringt, ist eine frappante Ahnlichkeit der historischen
Situation. Die Grundlagen eines neuen Musikstils waren geschaffen. Sein Wegbereiter
war Stamitz; er spielt historisch eine ahnliche Rolle, wie vielleicht Arnold Schonberg
heute. Haydn hat um diesen neuen Stil nicht mehr zu kampfen. Er besafi ihn bereits.
Audi er schrieb „Gebrauchsmusik" : Divertimenti zur Tafel oder zur Unterhaltung der
Gaste, Symphonien fur das abendliche Konzert, Trios und vor allem Streichquartette
fur den Privatsalon des Fiirsten, der selbst mitspielte. Die Musik, die hier gemacht
wurde, bewahrte ihre Lebensnahe schon durch die Gesetze ihres Verbrauchs, durch die
Anpassung an die Gesellschaft, fiir die sie bestimmt war. Unmerklich wurde aus dem
Handwerker der Kiinstler, aus dem Kammerdiener der grofie Meister. Als der alte Haydn
aus London zuriickkam, war er auch in seiner Heimat beruhmt. Er war eine kunstlerische
Personlichkeit im Sinne des 19. Jahrhunderts geworden. Diese Entwicklung miifite uns
'nteressieren ; denn sie umschliefit, rucklaufig gesehen, ein wichtiges Stiick Gegenwart.
4.
Es ist etwas peinlich, aber doch wohl notwendig, noch tiber Goethe zu sprechen. Es
geschieht auch hier nur, um die Frageatellung zu untersuchen. Die Musiker suchten sich
von Goethe den kleinen Ausschnitt, von dem sie meinten, dafi er sie betrafe. Vielleicht
hatten sie auch von diesem Ausgangspunkte mehr finden konnen. Statt seiner Tonlehre,
die doch nur eine private Angelegenheit ist, wiirden seine Theorien iiber die Musik im
Singspiel, wie sie etwa der Briefwechsel mit Kayser, dem Weimarer Kapellmeister, ent-
halt, vom Blickpunkt unserer heutigen Opernasthetik aus interessieren.
Goethe und die Musik: nicht eine feste, meSbare Grofie, wie oft dargestellt, sondeTn
Symbol einer grofien mehrfachen Wandlung des Menschen und seines Werkes. Sie be-
ginnt mit spontaner Nahe, mit der IJnmittelbarkeit des Volkslieds, geht dann in die
kiihlere, gelassene Duldung iiber, die in der Musik eine der dienenden, dekorativen
Kunste sieht, und schlagt dann am Ende nochmals in leidenschaftliche, aus der Totalitat
seines Wesens hervorbrechende Bejahung um.
Gerade in diesem Wechsel des Verhaltnisses aber liegt ein Entwicklungsgesetz, das
in diesem Ausmafi nur Goethe in sich umschliefit und das in, der Musikgeschichte, wieder,um
in frappanter Ahnlichkeit, ebenfalls erkennbar wird. Konventionelle Gesellschaftslyrik —
uberschaumende elementare Kraft — durchbrechende, anfangs rhapsodische, dann immer
mehr zur Gestaltung hindrangende Subjektivitat, Ausdruck, Bekenntnis — Beruhigung,
Objektivierung des Ausdrucks, klassische Ausgewogenheit der Form — Durchbruch einer
romantischen, in kosmischer Metaphysik verbundenen Weltanschauung, Weitung und
Auflosung der Formen, tonende Farbigkeit — Synthese des gesamten Entwicklungs-
raumes, Riickkehr und zugleich neue Bindung, hochste geistige Abstraktion und zugleich
eine fast primitive Sinnlichkeit. Wie nahe liegt hier Beethoven, von dem Gesetz dieser
inneren Periodizitat aus gesehen! Auch sein Werk ist Spannung und zugleich Synthese
zweier Jahrhunderte, mit einer merkwiirdig ahnlichen Lagerung der einzelnen Ent-
wicklungsraume, Gegellschaftsdichtung und friihe konventionelle Sonatinenmusik, Sesen-
176
Romantisme und Romantik
heimer Lyrik und das Klangerlebnis der ersten Sonaten, Werther und Pathetique,
Iphigenie und Fiinfte Symphonie, kosmische Dichtung und die spaten Klaviersonaten,
der Zweite Faust und die letzten Quartette, das sind die Beruhrungen.
Das verdichtet sich zu der Idee Goethe, dem grofien geistigen Kernpunkt
deutscher Kultur urn 1800. Diese Idee ist wohl audi fur den Musiker noch wichtiger
als das lyrische Werk. (Dieses ware einmal von der andern Perspektive aus zu sehen.
Nicht: die Vertonung Goethes als Markstein in der Musikgeschichte, sondern: die geistigen
und dichterischen Inhalte in ihrer verschiedenen Spiegelung durch die Musik.) Denn mit
dieser Idee hat sich in irgendeiner Form das ganze 19. Jahrhundert auseinandergesetzt.
Sie lag uber diesem Jahrhundert als ein grofies Erbe, das zu tragen war, xiber seiner
Literatur ebenso wie iiber seiner Musik. Unsere Aufgabe aber ware nicht die jubilaums-
begeisterte Erkenntnis innerer Nahe, sondern klare Abgrenzung, vielleicht sogar Abstofiung.
Denn dies eine lehrte er uns: Kunst nicht als abseitige, isolierte Aufierung, sondern
als Funktion eines Ganzen zu begreifen, als kleinen Ausschnitt aus der Totalitat des
Lcbens, dem sie verbunden bleibt.
Morphologie der deutschen Romantik
Werner Danckert
In der ersten Halfte des vorigen Jahrhunderts wird nahezu das ganze Abendland
von einer „romantischen" Bewegung ergriffen; dennoch entfaltet sich kein romantischer
Stil gesamteuropaischer Pragung. Bomantik als Lebensverfassun g ist sicherlich
ein rein deutscher Gehalt. Der franzosische romantisme, „la jeune France" genannt, der
sich als „Liberalismus in der Literatur" ausgibt, ist tatbereit, wirklichkeitsnahe bis zu
orgiastischer Grellheit; die deutsche Bomantik ist das grofie Zuruck, die Flucht in den
Traum, die Wollust des Entwerdens. Delacroix, Guericault, Balzac und Victor Hugo
sind politische Naturen, Berlioz ein Vitalist. (Der entschiedene Gegensatz der beiden
Welten wird durch die hubsche Anekdote vom Taktstocktausch zwischen Mendelssohn
und Berlioz sinnbildlich erleuchtet: der Deutsche uberreicht sein zartes Stabchen, der
Franzose einen klobigen Eichenkmippel als Gegengeschenk.)
Hier handelt es sich nicht nur um zwej auseinanderstrebende Verzweigungen eines
gemeinsamen Kunststammes, sondern um wurzelhaft geschiedene Geisteslagen. Der ge-
schichtliche Zusammenhang erschliefit das Problem. Die deutsche Bomantik ist der un-
mittelbare Widerhall der grofien Erfulhmgszeit, ist Ausmundung der Klassik; der fran-
zosische romantisme hingegen geht aus der empfindsamen Biirgerkunst der Bevolution
hervor (Gretry ist ihr musikalischer Hauptreprfisentant). Die deutsche Bomantik ver-
kfirpert eine machtige innere Schicksalswende, die Kunst des jungen Frankreich erscheint
wie eine Krauselung der Stilgeschichte jenseits ihrer organischen Entfaltung. Die fran-
zosische Bevolution hatte die hofischen Ideale und mit ihnen zugleich die ewig-klassi-
zistische, beharrende Geist-Kunst des ancien regime gesturzt; zuruck blieb der rohe
Naturgrund, der sich dem logozentrischen Menschen des Westens sogleich auftut,
wenn er die unYerriickbaren Idole dee Masses und der Klarheit preisgibt. Klassizismus
und Naturalismus sind die beiden polarischen Entfaltungsmdglichkeiten franzosiecher
177
Weltbild der deutschen Klassik
Kunst; ihr Wechselspiel ist audi in alteren Epochen der franzosischen Kulturgeschichte
offenbar: fast mochte man sagen, die klassizistische Formfreude des Westromanen sei
ein bestandiger kiinstlicher GegengrifF zum vitalen Naturalismus, eine geistige Ordnung,
deren „wandellose" Dauerformen jene Spannung gleichsam verewigen.
Die deutsche Klassik des 1 8. Jahrhunderts erwachst nicht in soldi einem
geistigen Spannungsfelde, in solch einer fast prezios anmutenden Sphare wie die klassi-
zistische Dichtung von Corneille bis auf Moliere, die musikalische Zierkunst von den
Gaultiers bis auf Rameau. Ihr fehlt vor allem das vorbestimmte gesellschaftliche Klima :
sie erschafft sich ihren Wirkungsraum, wahrend der franzosische Kiinstler ihn vor-
aussetzt, sie bildet, wenn jener darstellt. Die deutsche Wesensart unterwirft sich nicht
bedenkenlos objektiven Normen, unwandelbaren Massen und gesellschaftlichen Verbind-
lichkeiten. Denn heilig ist ihr vor allem das dynamische Gesetz des inneren Selbstes.
Die deutsche Klassik ist der hochst einmalige, unwiederholbare Versuch, innere und
aufiere Gesetzlichkeit des Kunstwerks in harmonische Ubereinkunft zu bringen.
Der deutsche Klassiker — Goethe, Haydn und Mozart, Schiller und Beethoven —
gestaltet furs erste subjektiv, vom Ich ausgehend; zum anderen aber glaubt er, dafi
die subjektive Regel zugleich objektives Gesetz bilde. Darunter ist nun keinesfalls die
starre, prfistabilierte Harmonie des Barock zu verstehen (ihr musikalisches Symbol: der
Generalbafi), sondern ein lebendiges Wechselverhaltnis. Der Mensch ist ein Mikrokosmos,
der Kosmos soil Makro-Anthropos werden. So ist die Formgebung des klassischen
Kiinstlers zugleich individuell und typisch. Das Individuelle brachte der Sturm und
Drang: Gefiihlsdynamik, psychologische Gestaltung; die Typik ist Vermachtnis des Barock:
alle klassischen Rahmenformen sind iibernommen! Darum erscheinen die asthetischen
Losungen des Klassikers 9tets als Grenzfalle, errungen unter diesem Doppelaspekte.
Der klassische Mensch ist Individualitat und zugleich „Weltburger", Mitglied einer idealen
Demokratie. In seiner eigenen Brust findet er das sittliche Gesetz seines Wirkens, aber
dieses Gesetz ist zugleich fur alle Geistwesen verbindliche Begel. Die Welt fangt im
Menschen an, sie ist anthropomorph im hochsten Sinne.
Diese Doppelheit von individuell getontem Gehalt und typischer Form zur Uber-
einkunft zu bringen ist die idealistische Situation des Klassikers. Er vertraut dieser
Ubereinkunft, so wie er die Harmonie zwischen Personlichkeit und Menschheitsgemein-
schaft nicht preisgibt. Es war keine leichte Aufgabe, diesen zuversichtlichen Glauben* zu
bewahren, ihn gegen alle Widrigkeiten des Schicksals durchzusetzen. Es bedurfte hoher
moralischer Kraft, die heraufbeschworenen Krafte des Gefuhls, des Individuums, dem
Nomos der Menschheitsidee unterzuordnen. Keine abendlandische Klassik hat sich ihren
Wirkungsspielraum so muhsam erkampfen miissen wie die letzte, die deutsche, die
weltbiirgerliche.
Kein romantisches Kiinstlergeschlecht des Abendlandes steht daher in so fuhlbarem
Gegensatz zur vorangehenden Klassik wie die deutsche Romantik. Eine bedeutsame
Wende der nationalen Geistesgeschichte verbindet sich hier mit einer gesamteuro-
paischen Stufe: mit dem endgiiltigen, unerhort raschen Aufstieg des Burgertums, des
real en Burgertums, des Burgertums im Selbststande ! Die deutsche Biirgerlichkeit des
18. Jahrhunderts war im wesentlichen immer noch hofisch uberformt; als Bildungsideal
gait ihr der galant-homme. Selbst der Humanitatsgedanke der Klassiker erweist sich
178
Flucht vor der Wirklichkeit
letzthin als ein idealer Aris tokratismu9, denn es handelt sich ja nichtum die konkrete,
empirische Men9chheit, sondern urn die ideale Gemeinschaft der Gebildeten. (Eine geistes-
geschichtlich aufschlufireiche Parallele : die englische Aristo-Demokratie mif dem heute
noch giiltigen Leitbilde des gentleman.)
Demgegeniiber bedeutet die deutsche Romantik Biirgerlichkeit kat exochen: nicht
so sehr der Absicht nach, umso mehr hinsichtlich der Aus wirkung. Die romantische
Blickwendung auf Gefuhlslagen und seelische Vorgange fiihrt zur Entwertung des
Tektonischen, zur Problematik der Form, zur Abspaltung des Handwerklichen vom er-
fiillenden Gehalte. Nicht dafi es dem romantischen Kunstler an „Idealismus" gefehlt hatte!
Ganz im Gegenteil : er war zu idealistisch, idealistisch bis zur Verstiegenheit. Stets auf
der Suche nach wunderbaren, irrationalen Grenzfallen des Erlebens, beraubte er sich der
Moglichkeit, ein Vorbild zu errichten, eine Sphare zu bilden. Letzthin wirkte die Romantik
entformend, zuriickleitend zur Gestaltlosigkeit; man hat diese regressiven Ziige wohl
stets lebhaft empfunden, obwohl sie sich einer kursorischen Stilanalyse nicht ohne
weiteres erschliefien.
Der Romantiker nimmt das klassische Tonartgefiige als Gehause, ohne die inne-
wohnenden Gehalte vorbehaltlos anzuerkennen, aber auch ohne die Kraft, es seinen
Impulsen restlos anzugleichen. Das Gehause bedeutet ihm Schutz und Geborgenheit;
er kann sich jederzeit dahin zuruckfluchten, wenn seine phantastischen Reisen ins Reich
des Wunderbaren sich als Traumbilder erweisen.
In dieser Entwirklichung, Flucht vor der Wirklichkeit, liegt der Schwerpunkt des
Romantischen. Man sucht metaphysische Tiefen und verzweifelt im gleichen Augenblick
an der Moglichkeit, das reale, gelebte Dasein mit metaphysischem Gehalte zu erfulJen.
Das begliickende Erlebnis der Weltverbundenheit, der Ich-Entgrenzung, bleibt Illusion.
Die Kunst wird zur Gefiihlsoase in der Wiiste der Alltaglichkeit. Das isolierte Gefiihl
erhebt sich zum einzig giiltigen Evidenzerlebnis, zum Priifstein metaphysischer „Echtheit".
Der Vorstofi zum Unbedingten bleibt unwirksam, denn alle Entgrenzungsversuche fiihren
letzthin doch nicht iiber die Ich-Sphare hinaus. Die farbigen Klangwunder, die ver-
wegenen Vorstofie ins Nachtreich des Unbewufiten leiten nur allzurasch wieder zuriick
ins biedermeierliche Idyll. Man liebt die Nachtpfade ins Absolute — nicht zufalliger-
weise bliiht der Okkultismus! — und iibersieht, daiJ auch im iibergreifenden Kosmos
Stufen bestehen, die nicht zu iiberspringen sind.
So ist Gespaltenheit ein Urphanomen des romantischen Erlebnisses. E.Th. A.Hoff-
mann und Louis Ferdinand, der Preufienprinz, sind Schizoide von hohen Graden. Der
fruhromantische Mensch, noch dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts nahe, spiirt
zwischen gemeiner Wirklichkeit und verklarter Traumwelt eine unuberbriickbar tiefe
Kluft. Erst die hochromantische Generation — Schubert, Weber — gewinnt ein naheres
Verhaltnis zur Realitat: ihr ist innerhalb der romantischen Entfaltung die Mittagshohe
der Erftillung anvertraut. Namentlich bei Schubert, dem Bauernfeldt „die rechte Mischung
von Idealem und Realem" nachruhmt, wird die Weltabgeschiedenheit durch ein
pantheistisches Naturgefiihl gemildert. Weber hingegen iiberwindet mit heroischem Elan
seine von Grund auf tiefer angelegte Gebrochenheit(dieGebrochenheitdessentimentalischen
Menschen). Mendelssohn und Schumann endlich bringen den spatromantischen Stil zu
Ende: hier formelhafte Glatte, dort angstvolles Sichmuhen um das zeugende Erlebnis,
179
Der Romantiker: der Dilettant des UnbewuBten
ein oftmals kunstliches Anfachen des schopferischen Funkens zur schnell wieder ver-
loschenden Flamme.
Jetzt wird eine Grundschwache romantischen Kiinstlertums offenbar: die scharfe
Scheidung von Inspiration und Technik, Einfall und Verarbeitung. Der Romantiker ist
der Dilettaiu des UnbewuGten. Statt zu begreifen, dafi audi hohere, transempirische
Bewufitseinslagen sorgsamer Pflege bediirfen, dafi die Schopferkraft in der stillen Magie
des Vorbildes am besten gedeiht, vergeudet er unablassig lebendiges seelisches Kapital,
immerfort auf der Jagd nach Einfallen, nach plotzlichen Erleuchtungen. Aber man lebt
nicht von „Einfallen" ; audi der starksten Vitalitat droht Erschopfung, wenn sie das
anvertraute Pfund nicht wuchern lafit. Der irnmer erneute Biickgriff auf die person-
liche Gefiihlssphare, die allzu rasche Entgrenzung des Ich bedeuten unweigerlich cin
Aufzehren der vitalen Substanz. Um den Verlust auszugleidien, greift der romantische
Musiker zum Genre, zur literarischen Assoziation: Der Dichter spricht, indem er
burgerliche Gefiihlslagen ins Transzendentale ausweitet. Hinter den Davidsbiindler-
tanzen verbirgt sich „ein ganzer Polterabend", in den Novelletten kommt die
enthusiastisch verehrte Braut „in alien moglichen Lagen und Stellungen vor". So be-
kennt gewifi kein naiver Realist, sondern ein idealistischer Sdiwarmer, der sich die
Phantasie von Spannung und Sehnsucht befliigeln lafit, jeder konkreten Erfiillung
aber scheu aus dem Wege geht. Seit der Romantik verbindet sich mit dem Worte
„Idealismus" in Deutschland unloslich der Beigeschmack der Verstiegenheit, der Ent-
wirklichung.
Wenn vollends kleinbiirgerliche Epigonen sich der Requisiten bemachtigen, so ent-
steht ein pseudoromantisches Genre : die realistische Schaueroper, die hausbackene
Ballade. Marschner und Lowe begriinden diesen vormarzlichen Realismus, der im Grunde
nur eine Verbramung alten Aufklarertums bedeutet, ein iiberaltertes Vermachtnis des
18. Jahrhunderts. Liszt und Wagner iiberwinden rasch diese Zwischenstufe, befeu,ert
von sinnverwandten Strebungen der jungfranzosischen Schule. Der geniale Virtuose, der
geniale Regisseur: zwei Reprasentanten des politisch gesinnten, tatbereiten Jungdeutsch-
land, betreten die Biihne der Geschichte. Die romantische Tragodie ist zu Ende ge-
bracht. Nur die Versatzstiicke bleiben; ihrer kann sich fortab bedienen, wer immer
mag. Nur zu gern ergreift ja gerade der naturalistische Kiinstler fremdes Leben, um
sich Fiille und Macht seiner Vitalitat zu erweisen. Das Zeitalter der Transkriptionen
verstand es wohl, romantisches Sehnen ins Orgiastische umzumiinzen, romantische Ver-
lorenheit als handfesten Pessimismus zu instrumentieren. Aber keine Kunst der Uber-
setzung vermag uber den Bedeutungswandel der Gehalte hinwegzutauschen. Nicht die
Gebrochenheit des Sentimentalischen macht den Bomantiker ! Wohl zehren Brahms und
noch Pfitzner bewufit von romantisdien Stilvermachtnissen, aber ihr schopferisches Agens
entspricht dem naturalistischen Lebensgrunde : nie hatte ein Bomantiker es gewagt, sich
selbst altmeisterlich zu verklaren! (Solche heroisch sentimentalische Vereinsamung liegt
im „Personaltvpus" eines Kunstlers vorgebildet, in einer nahezu „uberzeitlichen" Erb-
anlage: von ihrer Deutung, die sich kursorisch nicht iibermitteln lafit, handelt mein
Buch „Ursymbole melodischer Gestaltung")
Romantische Gebrochenheit hingegen ist der Ausdruck einer einmaligen, . durch-
aus zeitlich gebundenen Situation. Ihren Sinn erleuchten heifit morphologisch
180
"W
WF
Das Moiu proprio von 1903
denken, heifit Geschichte als ein Lebensschicksal verstehen. In der Romantik liegt
ein geheimes Bewufitsein vom „Sundenfall" menschlichen Schopfer turns. Die Unschuld
des Werdens ging verloren, als der klassische Mensch - Heros der Selbstbeschrankung -
sich entschlofi, den unendlichen Strom des Lebens zwischen endlichen Formen einzu-
dammen. Das Gebrochene der Romantik offenbart sich nun darin, daG sie diese
Meisterschaft und Hybris der Verwirklichung, dieses „In-Form-Sein", nicht mehr fiir
sich selbst aufzubringen vermag. Die Entelechie des Kulturlaufs hat die Individuen
freigesetzt, die Lebenskurve wendet sich nach dem Gipfel, die Entformung beginnt.
Und den Schaffenden selbst, den Vereinsamten, befallt jenes seltsame Erlebnis der Ver-
lorenheit, des freibeweglichen Schwebens im leeren Raume, das uns aus ungezahlten
Bekenntnissen des romantischen Kiinstlergeschlechts entgegenklingt. Darum strebt die
vereinsamte Seele sehnsuchtig zuriick ins Dunkel, in die Geborgenheit des friihen Da-
seins, ins Mittelalter, in die Heimat, in Traum und Tod.
Kirchenmusik
Nachdem wir una in den letzten Heften mit protestantischer Musik
beschaftigt haben, beginnen wir heute eine Diskussion fiber katholische
Kirchenmusik. Der in gemeinsamer Arbeit der beiden Verfasser ent-
standene Aufsatz ist als Basis fiir eine Reihe von weiteren Veroffent-
lichungen gedacht.
Katholische Kirchenmusik Wa|ter Ber(en . Eige| Kruttge
Die offizielle Meinung
„Die vornehmste unter diesen Sorgen ist zweifellos die, dafi wir die Wiirde des
Gotteshauses zu wahren und zu fordern haben . . . dort mufi das christliche Volk . . .
beim offentlichen feierlichen liturgischen Gottesdienst am gemeinsamen Gebet der Kirche
teilnehmen. Nichts darf also im Heiligtum geschehen, was die Frommigkeit und Andacht
der Glaubigen ablenken oder auch nur beeintrachtigen konnte.
Die Kirchenmusik mufi also die besonderen Eigenschaften der Liturgie besitzen,
vor allem die Heiligkeit und Giite der Form; daraus erwachst von selbst ein
weiteres Merkmal, die Allgemeinheit. Sie mufi den Charakter wahrer Kunst
besitzen; sonst vermag sie nicht jenen Einflufi auf die Zuhorer auszuiiben, den sich die
Kirche verspricht, wenn sie die Musik in die Liturgie aufnimmt.
Aus diesen Grunden gilt der Gregorianische Choral so sehr als hochstes Ideal der
Kirchenmusik, dafi man mit Recht das allgemeine Gesetz aufstellen kann: Eine Kirchen-
komposition ist umsomehr kirchlich und liturgisch, je mehr sie sich in
ihrer Anlage, ihrem Geist und ihrer Haltung dem Gregorianischen
Choral nahert.
181
Die Kraft der Liturgie ist unverbraucht -
Die Kirche hat alle Zeit den Fortschritt der Kiinste gepflegt und begiinstigt. Sie
la6t zum Dienate der Religion alles zu, was der menschliche Geist im Laufe der Jahr-
hunderte an Gutem und Schonem hervorgebracht hat, vorausgesetzt, dafi die liturgischen
Gesetze immer gewahrt bleiben. Deshalb findet auch die neue Musik die Billigung der
Kirche, da auch sie Werke von kunstlerischem Werte, geistiger Disziplin und wirklicher
Bedeutung aufzuweisen hat, die der kirchlichen Handlungen keineswegs unwiirdig sind."
„Motu proprio" Pius X., vom 22. XI. 1903
Gesetz der Liturgie.
Wesentliches Kriterium fur eine katholische Kirchenmusik ist — handwerkliche und
kiinstlerische Qualitat vorausgesetzt — Ubereinstimmung mit dem Gesetz der Liturgie.
Liturgie im Sinne der katholischen Kirche ist das geformte Leben der Gemeinschaft aus
dem Geheimnis des Glaubens. Von diesem Lebenszentrum her wird auch die kiinstlerische
Erscheinungsform gefordert und gepragt. Der Aufbau der Messe, die strenge Regel der
Stundengebete, die Ordnung der Sakramente entsprechen in alien Erscheinungsbildern
per accidens kiinstlerischen Gestaltungsprinzipien. Kennzeichnend im grofien: der Rhythmus
des Kirch enjahrs, Beispiel im einzelnen: der grandiose Aufbau der Gesamtliturgie in der
Karwoche.
Die Liturgie, gesetzmafiige Form des Corpus Christi mysticum, zieht von jeher den
kiinstlerischen Gestaltungswillen in ihren Dienst. Wir sind uns kaum mehr bewufit, dafi
das ganze Kunstschaffen des christlichen Mittelalters undenkbar ist ohne den tragenden
Grund der Liturgie. Wir empfinden vielleicht noch die raumbildende Kraft der liturgischen
Gemeinschaft in Kirchen und Kathedralen, spiiren die Allseitigkeit der mitschwingenden
kiinstlerischen Wirkung in der Farbigkeit von Mosaiken, Glasfenstern, Bildwerken und
Gewandern.
Die kiinstlerische Zeugungskraft der Liturgie ist unverbraucht; ihre Gegenwartig-
keit ist nicht im historischen Geschehen aufgehoben. Ihre Existenz kann, paralell dem
religiosen Bewufitsein einer Zeit, verdunkelt erscheinen, mehr oder minder intensiv er-
fafit werden, aber der tragende Grund bleibt identisch. So gibt es innerhalb des
Katholizismus kein wesenhaft Neues, wohl die Moglichkeit einer Erneuerung, einer An-
naherung an die echten Quellen. Aber deshalb kann man nicht von einem „Neb-
Katholizismus" sprechen.
Die vorbildliche Kirchenmusik.
Von alien Kiinsten hat die Musik die engste Verbindung mit der Liturgie erfahren.
Im Gregorianischen Choral hat der liturgische Gedanke — gleichviel von welchen
historischen Voraussetzungen aus — pragnante und adaquate Gestalt gewonnen. In der
Zeit seines Werdens ist der Choral die mafigebliche und am weitesten entwickelte Musik;
aber es liegt in der Eigenart seiner wesensmalSigen Verbindung mit der Liturgie, dafi
er sich nicht im Ablauf seines historischen Daseins erschopft, sondern als lebendige Kraft
durch die Jahrhunderte fortwirkt. Auch uber die Liturgie hinaus: der Blick auf das
Werden der Polyphonie, das Entstehen der abzweigenden volksmusikalischen Formen des
Mittelalters, bestatigt, wie stark der Choral auf die aufierkultische Musikentwicklung ge-
182
m*
Die groBe Reinigung des Gregorianischen Chorals
wirkt hat. Die musikalische Substanz des Chorals ist auch dort aufzuspiiren, wo sie nur
noch latent in Erscheinung tritt, bei Bach, bei Mozart. Nach der mehr aufierlichen
Apperzeption gregorianischer Melodik in der romantischen Epoche, bei Liszt, hat erst
die Neue Musik wieder eine tiefere Verbundenheit zum Choral gefunden.
Dem Schicksal der zeitweiligen Verdunkelung und Entstellung in Anschauung und
Wiedergabe ist auch der Gregorianische Choral nicht entgangen. Dies kann nicht scharfer
dokumentiert werden, als mit dem Hinweis auf die Editio Medicaea von 1614, die in
der Entstellung und Verkummerung des originalen Melos ein peinliches Zeugnis ver-
legerischer Geschaftstuchtigkeit ist, die sich falschlich mit dem Namen Palestrina verbramt.
Es bleibt dem Historismus des 19. Jahrhunderts vorbehalten, die Frage des
Gregorianischen Chorals entscheidend wieder in Bewegung zu bringen. Die franzosische
Benediktinerabtei Solesmes wird zum Sammelpunkt der Erneuerungsbestrebungen im
Bereiche der Liturgie, des Chorals. Es charakterisiert die Zwiespaltigkeit des 19. Jahr-
hunderts, dafi zu gleicher Zeit der Irrtum der Editio Medicaea in einem offiziellen Neu-
druck sanktioniert, wahrend er gleichzeitig durch die zahe und stille Arbeit der Benediktiner
erst ganz entlarvt wird. Ein Zuruckgehen auf die altesten und reinsten Quellen — durch
die in dieser Zeit ausgebildete historisch-philologische Methode erst moglich geworden —
fiihrt zu der heute entschiedenen Benaissance des Gregorianischen Chorals. Eine gegen
viele Widerstande ankampfende minutiose wissenschaftliche Arbeit, leidenschaftlicher
Sauberungswille erreicht das imposante Ergebnis, dafi die Frucht dieser Arbeit, die
Neufassung der Gregorianischen Melodien in der Editio Vaticana fur den gesamten Be-
reich der katholischen Kirche verbindlich erklart, die Editio Medicaea ausgeschaltet wird.
Die Bedeutung dieser Reform erklart sich aus der Situation, der sie entgegensteht: ein
Absinken der Kirchenmusik in einen ihrem Wesen kontraren Subjektivismus wird auf-
gehoben durch Weckung des Sinnes fur objektive Gebundenheit; ein Zerfliefien in billige
Gestaltlosigkeit, sentimentale Unwahrhaftigkeit wird bekampft durch die Forderung von
Formqualitat und Gesinnungsechtheit. Das Gefiihl fur die musikalische Substanz des
Gregorianischen Chorals ist neu geweckt. Er riickt wieder in den Mittelpiinkt des
kirchenmusikalischen Geschehens.
Im Gregorianischen Choral sind in der formalen Bindung der Einstimmigkeit die
verschiedensten Stilelemente aufgehoben, zur Einheit der Wirkung gebracht. Vom primitiven
Ruf der grofien Gemeinde bis zur kunstvollen Melismatik der Sehola cantorum umschliefit
er die Vielfaltigkeit der musikalischen Form in einem Geist. Dafi die fur die Wieder-
belebung des Chorals entscheidenden Edikte in die ersten Jahre unseres Jahrhunderts
fallen, steht in aufhellendem Zusammenhang mit dem Werden der neuen Musikgesinnung.
Hirer Forderung nach Objektivierung, Allgemeingultigkeit, Wahrhaftigkeit, Qualitat
entsprechen die Wesensmerkmale des Gregorianischen Chorals.
183
Die beiden Fronten der Schweizer Musik
Musikfeste
Tonkunstlerfest in der Schweiz Hans Ehinger
In diesen Wochen ist aus der Feder des Ziiricher Musikhistorikers A. E. Cherbuliez
eine grofiere Publikation erschienen, die sozusagen eine Schweizerische Musikgeschichte
darstellt. Der Verfasser verzichtet jedoch bewufit darauf, ihr einen Titel dieser Art zu
geben; er nennt sein Buch „Die Schweiz in der deutschen Musikgeschichte". Und ahnlich
wie Cherbuliez hat der Basler Privatgelehrte E. Refardt, der wohl griindlichste Kenner
dieser Materie, sich wiederholt geaufiert: eine schweizerische Musik im eigentlichen Sinne
gibt es nicht; es sind wohl Ansatze dazu vorhanden, sie genugen aber keineswegs, von
einem spezifisch schweizerischen Stil zu reden.
Aufgeschlossen sein, den Blick tiber die Grenzen hinauswenden, war von jeher
eine Eigenschaft des Schweizers aus einer Notwendigkeit her aus geboren, da das Land
abgesondert weder wirtschaftlich noch kulturell bestehen kann.
Die Musiker taten von Anbeginn nicht anders als die andern, wobei gleich gesagt
sein mufi, dafi auf diesem Kunstgebiet die Schweiz bis anhin am wenigsten geleistet
hat. Hodler, Bocklin unter den Malern, Gotthelf, Kell er, Spitteler unter den Dichtern —
ihnen ist kein Musiker an die Seite zu stellen, den einen, Ludwig Senfl, in friiherer
Zeit ausgenommen. Uberblicken wir durch die Jahrhunderte die rausikalischen Geschehnisse
auf eidgenossischem Boden, so machen wir die Feststellun g, dafi in manchen Stadten
reger Betrieb geherrscht hat, dafi tuchtige Krafte iiberall tatig waren, dafi der und jener
Schweizer sich auch aufierhalb des Landes einen gewissen Namen zu machen wufite —
an Fiihrergestalten hat es aber fast auf der ganzen Linie gefehlt.
So blieb es bis in die jiingste Vergangenheit, bis Huber, Hegar, Doret, Jaques-
Dalcroze als Richtunggebende auftauchten, bis an der nachsten Generation in Suter,
Andreae, Brun, noch spater in Schoeck und Honegger, jungstens in Beck Komponisten
erschienen, die iiber die Landesgrenzen hinaus zu den Fuhrend en zahlen. Aber auch sie
haben wohl im einzelnen typische schweizerische Motive verwendet, sind dem Fein-
horigen vielleicht an der etwas kantigen, konzession slosen Schreibweise erkenntlich —
eine schweizerische Schule werden sie gleichfalls nicht bilden.
Und wollen es auch gar nicht. Je nachdem sie in der deutschen oder welschen
Scliweiz — Tessiner Komponisten gibt es kaum nennenswerte — geboren wurden,
wenden sie ihr Augenmerk und ihre Neigung deutscher oder franzosischer Schule zu.
Mehr noch als Vertreter anderer Gebiete des Kunst- und Geisteslebens, betrachtet sich
der Schweizer Musiker als dem grofien germanischen oder romanischen Stamme zugehorig.
So ist es denn weiter nicht verwunderlich, dafi die Schweizer Komponisten an
den Tonkunstlerversammlungen des Allgemeinen Deutschen Musikvereins stets regen
Anted genommen. Sehr oft wurde dabei auch ihr Schaffen einbezogen, und wenn nun-
mehr die 62. Tagung auf Schweizerboden stattfindet, so ist das nicht einmal eine Neu-
184
Neue Musik in der Schweiz
heit. Schon vor genau fiinfzig Jahren, 1882, hat ebenfalls Zurich die Komponisten
Deutschlands beherbergt, 1903 waren sie in Basel, 1910 nochmals in Zurich. Die Stadt
am See ist 9omit eine der am meisten beriicksichtigten iiberhaupt. Und wenn man weifi,
dafi aufier den vier Malen in der Schweiz die Tagung nur noch einmal, im Jahre 1905
in Graz, aufierhalb der deutschen Marken vor sich ging, so wird dieses Wissen die
Freude der Schweizer noch heben.
Es darf aber wohl auch gesagt werden, dafi der Boden fur die kommenden Ge-
schehnisse gut vorbereitet ist. Von jeher hat sich das kleine Bergland auf alien Gebieten,
so auch auf dem der Musik, dem Neuen stets offen gezeigt. In Genf dominierte und
dominiert wieder einer der tatkraftigsten Vorkampfer der Moderne, Ernest Ansermet,
Zurich ist der Leiter des Tonhalleorchesters Volkmar Andreae als Dirigent und Komponist
durchaus forts chrittlich gesinnt, und in Basel, das an seiner Spitze einen Vertreter der
Klassik und Romantik hat, wird auf dem Gebiete der Kammermusik viel Wertvolles
geleistet, nachdem schon Hermann Suter sehr aufgeschlossenen Sinnes war. Ganz besonders
ist es aber Winterthur, das man als eine eigentliche Vorburg der neuen Musik bezeichnen
darf, in der Werner Reinhart und Hermann Scherchen jeder auf seine Art das ihre tun.
Wenn die schweizerischen Musiker bei den Tagungen des Allgemeinen Deutschen
Musikvereins oft Gastrecht genossen, so darf andererseits betont werden, dafi im Lande
selbst Gegenrecht gehalten wird. Zwar sind die Tagungen des Schweizerischen Ton-
kiinstlervereins — die .33. geht der deutschen in Vevey unmittelbar voraus — eine nalionale
Angelegenheit; sonst aber kommen auslandische Werke der Gegenwart oft zu Wort.
Es wird in diesem Zusammenhang weniger interessieren, wieviele Urauffxihrungen
franzosischer und belgischer Herkunft in Genf und den anderen Stadten der romanischen
Schweiz vor sich gegangen sind. Mehr dagegen, dafi das Wesentliche aus dem reichen
Werke eines Hindemith weiten Schichten bekannt ist, dafi manches von Toch und be-
sonders von Krenek zur Auffiihrung gelangt ist, dafi Gal zu einem Konzert mit eigenen
Werken nach Basel eingeladen wurde. Aber auch Reutter, Kletzki, Raphael, Trantow
sind mit einzelnen Werken vertreten. Und von den anderen Bestreitern der Zuricher
Programme wird der und jener, den man in der Schweiz nicht kennt, auch in seiner
Heimat noch nicht durchgedrungen sein.
Werden Musikfeste wie dieses angekiindigt, so erscheinen alsbald die Skeptiker auf
dem Plan und aufiern ihre Bedenken. Vielleicht, dafi intern ationale Veranstaltungen
reorganisationsbedurftig sind, da die Berucksichtigung allzu vieler Sonderwiinsche zu-
weilen iibertrieben wurde. Anders verhalt es sich bei den Musiktagungen der einzelnen
Lander, die als Treffpunkt fur alle interessierten Kreise stets unentbehrlich bleiben
werden. Dabei schadet es wenig, wenn der Hauptakzent mehr auf dem Wort Tagung denn
auf dem Wort Musik liegt. Dies ist auch der Grund, weshalb jegliche Vorschau auf das
in Zurich Bevorstehende unterbleibt. Es sei lediglich die Reichhaltigkeit des Gesamt-
programmes festgehalten : die musikalischen Veranstaltungen — als Sonderauffuhrungen
das Oratorium „Das Unaufhorliche" von Hindemith und die Oper „Penthesilea" von
Schoeck, zwei Orchester-, ein Chor- und ein Kammermusikkonzert — werden durch
Empfange und Ausfahrten erganzt.
Es ist somit reichlich Gelegenheit gegeben, Kontakt zu suchen und zu finden. Fur
die kleine Zahl der Schweizer Musiker eine besonders giinstige Gelegenheit, mit ihren
185
mm
Das junge Skandinavien
Kollegen aus dem grofien Nachbarreich in Verbindung zu treten, Briicken zu schlagen,
die nicht mehr abgebrochen werden sollten. An die Gaste aus Deutschland richtet sich
der Wunsch : auch fernerhin die Schweiz, unter Wahrung ihrer Selbstandigkeit als einen
engverwachsenen Teil, zwar nicht desselben Landes, doch desselben Kulturkreises zu
betrachten, ihr entgegenzukommen, damit sie nicht in Abgeschlossenheit gerate.
Ein nordisches Musikfest Ernst Giaser
Die Tatsache eines skandinavischen oder nordischen Musikfestes ruft unwillkiirlich die
Frage hervor: gibt es eine den skandinavischen Landern gemeinsame nordische Musik-
kultur? Die Resultate des soeben beendeten VI. Nordischen Musikfestes lassen erkennen,
dafi eine skandinavische Kulturunion auf musikalischem Gebiete jedenfalls einstweilen
problematisch erscheint. Man erkennt, dafi der musikalische Ausdruck die Gemeinsam-
keit in vieler Beziehung ebenso verleugnet, wie es der sprachliche im Grunde tut. Die
finnische Sprache ist ja den iibrigen Skandinaviern vollig unverstandlich, sodafi die Ver-
standigung nurdurch Schwedisch undDeutsch erfolgt. Jedoch auch Norwegisch beginnt immer
mehr in Ausdruck und Klang sich von seinen Schwestersprachen zu entfernen. Da ist
es nun ein auffalliges Faktum, dafi in der Musik gerade P^innland und Norwegen gleiche
Bestrebungen entwickeln, wahrend der Kontakt der beiden anderen Lander sowohl zu
diesen wie zu einander immer schwacher wird.
Die Auswahl der bei dem Helsingforser Musikfest gebotenen Kompositionen, war
nicht durchweg geeignet, diesen aktuellen Prozefi zu illustrieren. Es wurde vielerlei Be-
kanntes, Allzubekanntes gegeben, und die Auswahl des Neuen, quantitativ wie qualitativ,
war oft willkurlich oder gar unverstandlich. Immerhin war es wohl moglich, ein Bild
der gegenwartigen musikalischen Situation im Norden zu gewinnen, trotz der Lucken-
haftigkeit der Beispiele.
Das Musikfest war so organisiert, dafi jedem der vier Lander ein Abend fur
Oichesterkompositionen zur Verfiigung gestellt war, wahrend sich die Kammermusikauf-
fiihrungen samtlicher Lander auf zwei Tage beschrankten.
Die finnische Orchestermusik bot an Interessantem eine Karelische Rhapsodie des
hochbegabten, stark an Ravel und dem friihen Strawinsky orientierten Uuno Klami.
Witzig und effektvoll, impressionistisch beeinflufit, schreibt Vaino Raitio. (Ballettmusik
„Wolkenziige"). Von Aarre Merikanto, dem Schottpreistrager des Jahres 1924, wurde im
Bahmen der Kammermusikkonzerte ein Konzert fiir Violine, Klarinette, Horn und Streich-
sextett aufgeffihrt, das bei vielen Anklangen an Bartok eine sehr eigenartige und reiz- '
voile Klangwelt bietet. Man hatte gern ein neueres Werk dieses Komponisten gehort.
Die iibrigen finnischen Komponisten bewegen sich fast durchweg in der Sphare des
Romantischen. Ihnen alien (Kilpinen, Madetoja, Melartin u. a.) ist die Vorliebe fiir das
Lied gemeinsam, und hier wieder die vokalisenhafte melodische Linie auf dem meist
diisteren Hintergrund des illustrierenden Klavierparts. Sibelius dagegen geht, relativ be-
trachtet, merkwiirdig reaktionare Wege, ohne seine hochstpersonliche Eigenart aufzugeben.
Er ist immer noch Finnlands markanteste Musikerpersonlichkeit.
186
Finnland und Norwegen fuhrend
In ganz anderer, bedauerlicher Weise reaktionar erscheinen die schwedischen Ton-
setzer. Wenn man nicht annehmen will, dafi die Programmauswahl in diesem Falle
durchaus einseitig war, so mufi man schliefien, dafi das dortige Musikempfinden sich
noch immer an den Ausdrucksmitteln Tschaikowskys, Rachmaninoffs und Rimsky-
Korsakoffs genug sein lafit. Ich wufite weder aus der gebotenen Orchester- noch der
Kammermusik ein Gegenbeispie], mit Ausnahme von Kurt Atterbergs Chorwerk „Das
Lied"; er hat den Sinn fur ein im modernen Sinne freies Melos, gibt jedoch leider seiner
glanzenden Regabung fur die Orchesterbehandlung allzu sehr zugunsten eines ober-
flachlichen Virtuosentums nach.
Diesen Werken gegenuber wirkt die Produktion Danemarks durchaus iiberlegen.
Auch abgesehen von dem grofien Carl Nielsen bemerkt man eine lebendige Teilnahme
an modernen Problemen. Und ist auch die Zahl der ernsthaft nach Neuem Strebenden
gering, so iiberraschen doch alle durch gediegene Arbeit nnd substilen Klangsinn. Jorgen
Rentzon, bekannt durch sein Zusammenarbeiten mit Fritz Jode, war mit einem
Variationenwerk fiber ein danisches Volkslied fiir Streicher und Klavier sehr gliicklich
vertreten. Kirchentone finden zwanglos Anwendung, die Kombination von Streich-
concertino. iibrigen Streichern und Klavier als markanten Trager des Rhythmischen
ergibt ein helles, frisches Klangleben. In anderer Weise schreibt Finn Hoffding (Sphare :
Korngold, Graener), ein Meister in der Rehandlung des Orchesters. Die danische Kammer-
musik war u. a. sehr gut und typisch durch Johan Hye-Knudsens Quartett fiir Flote,
Violine, Cello und Oboe vertreten. Reger'sche und franzSsische Einflusse mischen sich
hier und resultieren in einer etwas kalten, aufierordentlich kultivierten und virtuosen Kom-
positionsweise. Einen iiberwaltigenden Eindruckhinterliefi Carl Nielsens Funfte Symphonic
Mit seiner mystischen Primitivitat des melodischen Materials, dem freien kontrapunktischen
Aufbau und der merkwurdig bedeutsamen Instrumentation ist Carl Nielsen des heutigen
Skandinaviens geschlossenste Personlichkeit.
Gleichwie die Bindung der jiingeren Danen zum deutschen Musikempfinden trotz
vielfacher franzosischer Einflusse sehr stark ist, so auch bei den jiingsten Norwegern,
doch schreiben die letzteren viel revolutionarer. Die Dritte Symphonie von Harald
Saeverud gibt ein gutes Beispiel hierfur. Charakteristisch sind hier kuhne kontrapunktische
Verarbeitungen von kurzen, energiegeladenen Motiven, andrerseits zahe melodische
Spannungen und ein eigenartiger kalter Orchesterklang. Fartein Valens Pastorale fiir
Orchester ist von noch grofierer harmonischer Riiclcsichtslosigkeit, jedoch von zarter und
durchsichtiger Faktur. Eine besondere romantisch-archaische Richtung reprasentieren
Monrad-Johansen (vorzugsweise Chorwerke) und Ludvig Irgens-Jensen, der durch ein
Klavierquintett vertreten war. Ganz besonders verdienen Rjarne Brustads „Capricci" fiir
Violine und Viola genannt zu werden: knappe Stiicke von grofiem klanglichen und
rhythmischen Reiz und haufiger Anwendung von bitonalem strengen Kanon.
Der Kampf um neue eigene Form und Ausdrucksweise wird in Finnland und
Norwegen besonders ernst genommen. In Danemark halt man sich vorsichtig zuriick,
wahrend man in Schweden anscheinend vollig den Kontakt mit dem jungen Schaffen
verloren hat. Die Zeit wird es bringen, ob und wann einige oder auch alle skandina-
vischen Lander sich eine gemeinsame, typische Tonsprache zu erarbeiten vermogen
187
Der Stillstand der agyptischen Musik ^___
Derarabische Musikkongrefi zu Kairo
Curt Sachs
Sieben Stiihle stehen auf dem Podium. Nebeneinander sitzen der Geiger, der
Lautenschlager, der Zitherspieler ; auf der anderen Seite einer mit der kleinen Schellen-
trommel und zwei, die den Chor ausmachen. In der Mitte in einem Armsessel der
Liebling Aegyptens, die Beduinentochter Um Kulthum. Die Instrumente spielen eine
Einleitung; jedes einzelne Instrument improvisiert, so wie es sich bei uns nur noch in
der Kadenz des Konzerts erhalten hat; dann finden sie sich zusammen. Und nun fallt
die Sangerin ein. Nicht in der uppigen Klangfarbe des Bel canto, sondern zuriickhalten-
der, gleichsam zweidimensionaler. Sie seufzt, sie schluchzt, sie jubelt in den gewagtesten
Melismenketten der Hohe und gleitet vergehend in die Tiefe; sie singt von der Liebe,
vom Mondenschein, der durch die Sykomorenzweige des Gartens geistert, und vom
leisen Platschern der Wellen. Hohes Lied und Tausendundeine Nacht. Die Instrumente
begleiten, nicht in Akkorden, nicht in Gegenstimmen. Sie gehen mit der Melodie, aber
sie umspielen sie wie Kinder die schreitende Mutter. Bald hat die grelle Geige die Ober-
hand, bald die trocknen Schlage der Laute, bald das glitzernde Klirren der Zither.
Und immer schliefit die Schellentrommel das Ganze zusammen, mit ihren eigenwilligen,
fast irrationalen Rhythmen, fein und zuriickhaltend mit den Fingerspitzen betupft oder
samtig mit den Ballen geriihrt.
Drei, vier Stunden wahrt solch eine Kantate und die Leute unten im Saal horen
zu, gebannt und atemlos, in einer Hingebung, um die wir sie beneiden konnten ; mit
geschlossenen Augen sitzen sie da, und von Zeit zu Zeit entfahrt ihren Lippen ein ent~
ziicktes, ekstatisches „ja salam!" Wer das sieht, begreift, wie in Tausendundeine Nacht
die Junglinge, vom Lied der Sklavin getroffen, ohnmachtig zusammenbrechen.
Europa hat eine Musikgeschichte. Quader auf Quader ist geturmt worden, Pariser
Mehrstimmigkeit, italienische Trecentisten, Niederlander, Palestrina, Schiitz, Bach, Mozart,
Beethoven, Wagner — Arabiens Musik hat sich nicht wesentlich geandert seit den Zeiten
des 13. und 14. Jahrhunderts, in denen Europa sie kennen gelernt und von ihr ge-
nommen hat. ;
Dieser Stillstand ist es, der den heutigen Aegyptern oder, sagen wir besser: einer
aegyptischen Oberschicht schmerzlich zum Bewufitsein kommt. Sie empfinden das be-
greifliche Mifibehagen eines energisch vorwartsstrebenden Volkes, sich von Europa seit
vielen Jahrhunderten musikalisch uberflugelt zu sehen, und sie fiihlen, dafi eben dieses
Vorwartsstreben sich auch musikalisch auswirken miisse. Sie hangen mit alien Fasern
ihres Herzens an der schluchzenden Stimme ihrer Sanger, an der Eigenart und dem
Reichtum ihrer Tonleitern und den Dreiviertelstufen ihrer Stimmung. Nie wiirden sie
eine europaische Schallplatte auflegen. Aber sie mochten alldem die Moglichkeiten neuer
Entwicklung geben.
Was tun ? Die einen meinten : Bereicherung durch harmonischen Satz. Sie wufiten
nicht, dafi die Harmonik das eigentlich Melodische, etwa unseren Kirchentonen Ver-
188
Radikaler Orient und besinnlicher Okzident
gleichbare ihrer Musik zerstoren wiirde. Europaische Instrumente! riefen die anderen.
Sie wufiten nicht, dafi unsere Instrumente aus dem sinnlich iippigen Klangideal des
Barocks geboren sind und den orientalischen Weisen anstehen, wie Olfarbe einer leichten
chinesischen Zeichnung. Die Dritten rieten, reinen Tisch zu machen und schlechthin
europaisch zu musizieren. Sie merkten nicht, dafi sie im Begriff waren, ihre Seele
wegzugeben.
Der Verfasser ist schon 1930 nach Kairo geladen worden, urn die Verhaltnisse zu
studieren, seine Ansicht zu sagen, und, wenn moglich, einen Bat zu geben. Als er dann
im Verfolg eines mehrmonatigen Aufenthalts dem Konige, der fur all diese Fragen ein
warmes Interesse zeigt, personlich iiber seine Eindriicke berichtete, aufierte dieser den
Gedanken, bei der Vielfalt der Meinungen in ein oder zwei Jahren eine Konferenz zu-
sammenzubringen, in der geeignete Personlichkeiten aus Europa und den arabisch
sprechenden Landern gemeinsam die Grundlagen feststellen, die staatliche Organisation
beraten und ihre Gedanken iiber Zukunftsmoglichkeiten austauschen sollten.
Trotz der schweren Wirtschaftslage, die auch Aegypten nicht verschont hat, ist die
Konferenz fur dieses Friihjahr einberufen worden. Von uns Deutschen waren
Hindemith, von Hornbostel, Lachmann, Sachs, Wolf geladen. (Schiinemann war
leider verhindert). In Genua stiefien Wellesz, Heinitz und Haba zu uns, und in
Kairo hatten wir die besondere Freude, unter den Nichtdeutschen Bartok zu
begriifien. Drei Wochen haben wir in den scbonen Baumen des „Instituts fur orientalische
Musik" getagt und in sieben Kommissionen die Fragen der theoretischen und geschicht-
liclien Grundlagen, der Komposition, der Instrumente, des Unterrichts beraten. Es braucht
niclit betont zu werden, dafi die Vertreter zweier so verschiedener Kulturen wie der
abend- und der morgenlandischen nicht immer leicht zu einer Einstimmigkeit kommen
konnten. Seltsamerweise haben sich fast durchgangig die Orientalen als radikale Fort-
schrittler erwiesen, und die Europaer als mahnende und bremsende Konservative. Und
es ist uns nicht immer leicht geworden, unsere aus langer Geschichte geschopfte Er-
fahrung geltend zu machen, dafi in der Kunst organisches Wachstum Alles und aufiere
Nachahmung Nichts ist. Dennoch konnten trotz der kurzen Zeit eine grofie Anzahl ein-
deutiger Antworten auf die Fragen des Ministeriums gegeben werden — selbstverstandlich
eher in der Bichtung der Organisation als in der einer zukiinftigen Musikgestaltung.
Was hier geantwortet ist, will das Ministerium ebenso unverziiglich in die Wirklichkeit
umsetzen, wie seinerzeit die Vorschlage des Verfassers.
"Wenn es eine Kommission gab, in der im Zusammenarbeiten von Orient und
Okzident jederzeit Einstimmigkeit herrschte, so war es die der Grammophonaufnahmen.
Die Begierung hatte hier Opfer gebracht, fur die ihr auch die europaische Musik und
Musikwissenschaft dauernd Dank schuldet. Aus alien Teilen des Nahen Orients hatte
sie ganze Orchester kommen lassen, aus Marokko, Algerien, Tunesien, Syrien und dem
Iraq, und aus deren Musikvorrat sind die wertvollsten Stiicke in einer rastlosen Arbeit von
fiinf Wochen aufgenommen worden. Das Ministerium hat uns Hoffnung gemacht, dafi die
Hauptsammlungen Europas von diesen Platten, die nicht in den Handel kommen sollen,
einen Abzug erhalten. Wenn es diese Hoffnung erfullt, so wird es dem bahnbrechenden
Kongrefi von 1932 ein einzigartiges Denkmal setzen.
189
mmmmmmmammmmmmmm*mmmtm
Mussorgsky: Der Uberwinder der Romantik
Ausschnitte
Im ersten Heft des neuen Jahrgangs der Vierteljahrsschrift fur Literaturwissen-
schaft und Geistesgeschichte lesen wir einen sehr konzentrierten Aufsatz von Jaques
Handschin-Basel „TJber die Musikasthetik des 19. Jahrhunderts", der interessant genug
ist, um an dieser Stelle im Auszug mitgeteilt zu werden.
Das 19. Jahrhundert ist ein Jahrhundert, in dem sich der nationale Gedanke entfaltet, und es
ist das Jahrhundert der deutschen Vorherrschaft in der Musik. Im 18. Jahrhundert konnte eine im
wesentlichen aus Frankreich nnd Italien stammende Gesellschafts- und Formenkultur sich mit
deutschem Blut fallen und dabei Schopfungen hervorhringen, bei denen noch die einzelnen Be-
standteile zwar ihrer nationalen Herkunft nach unterscheidbar sind, aber der iiber^iegende Eindruck
der des Universalen ist . . . Doch nun der Weg vom 18. Jahrhundert zur Romantik. Die deutschen
Wesensziige werden immer ausgepragter, der Eindrudc des Universalen tritt zuriick, und bezeichnen-
derweise verschiebt sich gleichzeitig der Schwerpunkt des Geschehens von dem sudlichen Einflussen
stets zuganglichen Dsterreidi nach dem deutschen Norden.
Jetzt beginnt die Rolle der deutschen Musik als Mentor der fibrigen Volker. Es ist zu Recht
eingesetzter Mentor, insofern der Zustrom deutscher Schopferkraft die Kulturelemente des 18. Jahr-
hunderts zum schlechthin Giiltigen, zur Klassik emporgefuhrt hatte. Es ist aber audi ein bedrudcen-
der Mentor, weil gerade jetzt die deutsche Musik ihre nationalen Ziige mehr und mehr auspragt.
So erklaren sich zwei einander scheinbar widersprechende Dinge: die ungeheure kulturverbreitende
Rolle der deutschen Musik und des deutschen Musikers im 19. Jahrhundert und die Tatsache, dafi,
wo wir die neuen nationalen Schulen aufbliihen sehen, dies immer mehr oder weniger in Opposition
gegen die Vormachtstelhing der deutschen Musik geschieht - sofern es nicht in Opposition gegen
die ltaliemsche Oper geschieht, welche eine noch altere Schicht europaisdier Vorherrschaft reprasentiert.
Einen Konflikt birgt die Situation noch in anderem Sinne. Die deutsche Musik des 19. Jahr-
"""derts ist Erbin der Klassik, will dabei aber neue Lebensinhalte verkorpern. Dieses Erbe ver-
schafft ihr einen gewaltigen Vorsprung, und zugleich driidct es sie nieder. Die neuen Lebensinhalte
vertragen sich nicht mit der ererbten Formenwelt; aber man steht zu sehr unter dem Bann der
Klassik urn von Grund auf neu aufzubauen, und so beginnt man, die klassischen Formen zu dehnen,
zu stredcen und umzubiegen ... die visuelle, plastische Grundhaltung wird ersetzt durch emotio-
nelle, poetische, innerhalb des Poetischen aber ist es weniger das Epische, sogar audi weniger da's
Dramatische als das Lyrische. Das Erotische, in der Klassik so gut wie nicht existierend, wird mehr
und mehr zum Stimulans und Agens der kunstlerischen Gestaltung.
Der mnere Zwiespalt wird audi dadurch nicht behoben, dafi Liszt in seiner symphonischen
Dichtung das klassische Formschema aufgibt und idie Anordnung der Teile dem poetischen Grund-
gedanken folgen lafit. Denn im Prinzip der Anordnung bleibt die Form epigonenhaft . . . Wagner
ist von epigonenhaften Ziigen freier; aber dafi auch bei ihm der innere Widerspruch weiterwirkt,
zeigt sich in der Anschauung, die er von seiner eigenen Musik hat : diese sein, den Strom deutscher
Musik, wie er sich besonders in Beethoven verkbrpert in das fur ihn praedestinierte Bett des Dramas
zu leiten — wobei das Drama bei Wagner im Grunde doch wieder Gefuhlslyrik ist.
Der Widerspruch mufite sich in einem Schrei entladen, und dieser Schrei ertiinte in anarchischer
Form aus dem Munde eines Russen. Mussorgsky war derjenige, welcher alle iiberlebten Schemata
iiber Bord warf, der wie ein Antaus, zum Elementaren herabstieg und seine Kunst darauf be-
griindete. Was Debussy ausgesprochen und mit Raffinement verwirkhcht hat, das Streben nach einer
Natiirlichkeit, die von der Mache nichts merken lafit, dies ist von Mussorgsky lang vorher bewufit
und mit zwingender Kraft durchgefuhrt worden.
Nach langeren Ausfuhrungen iiber Mussorgsky fahrt Handschin fort:
• ^ f' au ^ e . ' • ■ "^ Mussorgsky die Tat vollbracht hat, die. manchmal Wagner zugeschrieben
wird, die Uberwindung der Romantik - Romantik hier historisch bestimmt als eine Kunst, die neue,
subjektive Gefiihlsinhalte mit der Anlehnung an das Formgerust der Klassik verbindet.
Dasjenige Bediirfnis, welches Mussorgsky hauptsachlich unberucksichtigt liefi, war dasjenige
nach eigengesetzlicher Entfaltung der musikalischen Substanz, ein Bediirfnis, dessen die Musik nicht
entraten kann, solange sie eine selbstandige Kunst ist. Unsere Zeit hatte nur zu suchen, um dies zu
finden; und sie fand es bei Bach.
Mussorgsky an Bach geschult, was ist das? Ich glaube - ohne damit ein Werturteil abgeben
zu wollen, denn hier kommt es auf Strebungen an - dies ist Strawinsky . . . Strawinsky verwirklicht
den zeitgemafien Wunsch nach einer Kunst, welche aschematisch und dabei organisch ist, welche, ohne
vom ich zu uberstromen, fasziniert, welche herb ist und doch etwas Geistig-Menschliches ausdruckt.
Handschin schliefit, indem er die ursprunglich eng nationale russische Schule als
die Ftihrerin zu einem neuen Universalismus bezeichnet.
190
Soziologie als Praxis und Wissenschaft
Musiksoziologie
Was heilit und zu welchem Ende
studiert man Musiksoziologie?
Arnold Walter
Mit diesem Aufsatz ist die allgemeine Diskussion iiber den Begriff
Musiksoziologie zunachst abgeschloBsen.
Die Situation der Musiksoziologie, richtiger: die Situation dessen, was heute so
heifit, ist grotesk. Das Wort ..Musiksoziologie" ist unendlich viel starker und faszinierender
als der Begriff, der unklar und verwaschen bleibt, vieldeutig und vielversprechend, zunachst
nur kummerliches Resultat billiger Analogie und nicht zu Ende gedachter Antithese zu
bisherigen Anschauungsformen. Gleichviel: trotz oder gerade wegen seiner Unbestimmt-
heit nistet der Begriff sich ein, umnebelt die Gehirne, das geheimnisvolle Wort lauft
durch Zeitungen und Zeitschriften, wird zum Liebling der Druckerschwfirze, zum ver-
antwortungslos gebrauchten Schlagwort (Boettcher hat es hier treffend beschrieben) und
keiner weifi (oder spricht es aus) : ist dieses mysteriose Neue eine Wissenschaft oder nur
eine Methode innerhalb einer anderen, was hat es mit Musik, was mit Soziologie
zu turi, wie ist ihre Abgrenzung gegeneinander und wie ihre gegenseitige Durchdringung ?
Handelt es sich um prinzipiell neue Kategorien, urn eine grundlegende Anderung bis-
herigen Verfahrens, Musik in Gegenwart und Vergangenheit zu begreifen, um eine
Revolutionierung gewohnter Weise geschichtlicher Zusammenschau — oder blofi um Ab-
leuchtung von Grenzgebieten, um Kompensation und Korrektur von Fehlern (die in
Grenzfallen alien Spezialwissenschaften unterlaufen miissen), um ein koordinierendes In-
beziehungsetzen musikwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Ergebnisse ? Hat die
Musiksoziologie von der Musik auszugehen, die von der Musikwissenschaft erarbeiteten
Methoden und Abgrenzungen, Problemstellungen und -losungen beizubehalten, der
Musikwissenschaft also eine neue und vielleicht fruchtbare Hilfswissenschaft su schaffen —
oder von der Soziologie. die ja eine ganz andere (wenn auch hundertfaltig verschiedene)
Problematik und vollig andere Perspektiven aufweist? Das alles sind Probleme der
Wissenschaftslehre und der wissenschaftlichen Praxis, die von der gemeinhin so genannten
Praxis aus keineswegs gelost, nicht einmal richtig gestellt werden konnen. Selbstver-
standlich . sollen die Ergebnisse einer Musiksoziologie — iiber den schwierigen Umweg
moglichst voraussetzungsloser Erkenntnis umfassendster Zusammenhange allerdings —
dem Alltag dienstbar gemacht werden und seiner stundlich wachsenden Not; aus der
Praxis des Alltags, aus Verzweiflung und Nichtmehrweiterkonnen in einer sich immer
unerbittlicher, immer rascher verfindernden Welt, deren Veranderungsprozefi nacli bisher
giiltigen Anschauungsweisen immer weniger verstandlich erscheint, kommt ja auch der
starkste Anstofi fiir den Soziologen, die Zusammenhange aufzudecken, kommt der Trieb
nach Wissen, um helfen, die Sehnsucht nach Erkenntnis, um (in planmafiiger Musik-
politik) sinnvoll handeln zu konnen. So stark das primare praktische Erlebnis aber auch
sein mag, so wichtig die (im Melos angebahnte) Diskussion der Form, so fruchtbar sie
191
Methoden der Soziologie
una dem Inhalt nach erscheinen mufi, so sehr bedarf es andererseits vollkommener Klar-
heit dariiber, dafi Erlebnis und daraus abgeleitete Fragestellung immer nur einen kleinen
Kreis zu umschreiben vermogen, vor allem: dafi eine Summierung von Teilproblemen
keineswegs eine Musiksoziologie ergeben kann, sei sie wie immer geartet: Auch hier wird
das Ganze mehr sein miissen, als eine Suiiime der einzelnen Teile.
„Das Dasein einer neu entstehenden Wissenscbaft ist nicht in allgemein theoretischen
Erwagungen zu erschliefien, es erweist sich in ihren Leistungen, die dem Begriff, der
neuen Wissenschaft vorangehen . . ." und „der Aufgabenkreis einer Wissenschaft eijgibt
sich aus ihrer Arbeit" — diese Satze Geigers (von der Soziologie uberhaupt) gelten a^uch
hier. Zunachst durften wir freilich — im strengsten Sinn — von einer Musiksoziologie
gar nicht sprechen, da solche ,.Leistungen" und „Arbeiten" (gedruckt wenigstens) noch
gar nicht vorliegen. Haben wir bisher dem ominosen Sprachgebrauch folgend, achlankweg
nur von einer ^Musiksoziologie" gesprochen, als stande es fest, es konnte nur eine geben,
dann merken wir, wenn wir uns naher mit den Problemen befassen, dafi es eine ganze
Anzahl Musiksoziologien geben kann d. h. dafi zur Erreichung des Allen vorschwebenden
Ziels (theoretisch wenigstens) eine Fiille von Moglichkeiten besteht, aus denen es die
geeignetsten und umfassendsten auszuwahlen gilt. Auch das Ziel ubrigens ist nur in all-
gemeiner Unbestimmtheit alien gemeinsam. Wenn zum Beispiel von einer Soziologie
der Musik verlangt wird, „die geschichtlichen Tatsachen ins Auge zu fassen, an denen
sie zur Erscheinung gekommen ist, derart etwa, dafi sie auf die Funktionen der
Musik im Allgemeinen hinweist, dann die sozialen Bindungen selbst betrachtet und schliefi-
lich auf das Verhaltnis dieser zum menschlichen Gemeinschaftswesen uberhaupt eingeht",'
(Schering in Vierkandts „Handbuch, der Soziologie"), — sind wieder nur Beziehungen
angedeutet zwischen „Musik" und „Gesellschaft", zwischen ,,Funktion der Musik", ^mensch-
lichem Gemeinschaftswesen", Beziehungen, die niemals in Frage standen. Damit ist aber
auch ganz und gar nichts gewonnen, da ja einige dieser Faktoren selbst wieder sozio-
logischer Vorfragen bediirfen (aus den verschiedenen Antworten auf die Frage : „was ist
Gesellschaft?" resultieren die mannigfachsten soziologischen Richtungen der Vergangen-
heit und Gegenwart), ^- da andererseits alles darauf ankommt, wie diese Faktoren mit-
einander in Beziehung gesetzt werden. Eine Beziehung ist auch vorhanden, wenn ich
bei spezialwissenschaftlichen Arbeiten soziale Fragestellungen (das „Zwischen menschliche",
„Gruppenhafte" etc.) besonders beriicksichtige; dann bediene ich mich der Soziologie als"
Methode (wie man das genannt hat). Diejenigen Forscher, die Soziologie als spekulative
Gesellschaftslehre und materiale Geschichtsphilosophie ablehnen, denen sie auch als „alb-
gemeine soziale Wissenschaft" (Comte, Marx, Oppenheimer) nicht moglich erscheint, denen
sie als ,.formale" Soziologie nur eine spezielle Wissenschaft von den menschlichen Gruppen
ist (Simmel) oder — als Beziehungslehre — lediglich eine Spezialwissenschaft aller mensch-
lichen Beziehungen (Wiese), werden in einer soziologischen Methode der Kunstwissen-
schaft bezw. in einer Soziologie als Hilfswissenschaft die einzige Moglichkeit sehen, den
Problemen beizukommen. — Wenn ich fernerKultursoziologie als synthetische Erganzung der
analytischen Kulturwissenschaften auffasse (Kantorowicz), wenn ich (wie Emil Lederer)
ihre Aufgabe in einer Untersuchung der Abhangigkeit ihrer einzelnen Gebiete vom
Untergrund gesellschaftlicher Verhaltnisse erblicke, betreibe ich Soziologie als Hilfswissen-
wissenschaft (von einer Soziologie als Methode nicht sehr unterschieden). Umfang dieser
192
Zum 50. Geburtstag
von Igor Strawinsky
(geboren 18. Juni 1882)
Beilage zu MELOS, Zeilschrift fur Musik,
XI. Jahrg. 1932 / Heft 5/6 (Mai-Juni).
Bisher unveroffentlichte Aufnahme von
Wolf und Lotle Schede-Foto, Wiesbaden.
wm
Musiksoziologie eine Hilfswissenschaft?
Erganzung, Art und Aussehen dieser Abhangigkeitsuntersuchung werden sich dabei nach
der Wissenschaft richten miissen, der die Soziologie zu Hilfe kommt: die ja auch (nach
ihr immananten Gesetzen) den Grad der Isolierung bestimmt, die durch die Soziologie
kompensiert werden soil.
Die Kultursoziologie als Disziplin endlich ( wie wir bereils wis9en, von der formalen Sozio-
logie, von der Beziehungslehre nichtrecht anerkannt) istmeistsosehr geschichtsphilosophisch
orientiert und unterbaut, beruht so sehr auf Intuition (die es unternimmt, Grund-
phanomene einer Kultur von immananter Transcedenz zu erschauen), dafi ihr durch-
aus mit Vorsicht begegnet werden mufi; meist ist sie nichts anderes als eine ver-
schleierte Geschichtsmorphologie. Sehen wir daher von Kultursoziologie in diesem Sinne
ab, fragen wir uns, ob es eine umfassendere Kunstsoziologie geben kann, als sie durch
soziologische Methode bezw. hilfswissenschaftliche Soziologie reprasentiert wird: dann
bleibt (da die empirische Soziologie von selbst ausscheidet, da wir ferner die specula-
tive und erkenntnistheoretische Soziologie aufier Betracht lassen wollen) nur die gesamt-
wissenschaftliche Auffassung der Soziologie ubrig, wie sie heute etwa von Franz Oppen-
heimer vertreten wird. Schon Comte hatte die Erorterung uber Kunst als dynamische,
das heifit geschichtsphilosophisch orientierte Soziologie betrieben. Auch diese Soziologie
aber kann — wie es Oppenheimer im Gegensatz zu Comte tatsachlich getan hat —
die Kunst als zu den „absoluten Werten" (Hegel) gehorig aus dem sozialen Prozefi aus-
schalten, den sie darzustellen unternimmt. — Diese Darlegungen waren durchaus nichts als
Privatissimum uber die verschiedenen Richtungen der Soziologie gedacht; sie sollten
deutlich machen :
1. Dafi es sinnlos ist, von einer Musiksoziologie zu sprechen, solange viele mog-
lich sind.
2. Dafi es sich keine Musiksoziologie wird leisten konnen, auf Erkenntnisse und
Verfahrensarten der Soziologie zu verzichten; dafi die Auswahl aus der Fulle sich
kreuzender und widersprechender Richtungen und Systeme — die unbedingt vorgenommen
werden mufi, da es ja lacherlich ware, das alles neu erarbeiten zu wollen — ent-
scheidend sein wird fin* das Schicksal jeder weiteren Bemiihung.
3. Dafi es vor allem die Entscheidung gilt, ob man sich mit Musiksoziologie als
Methode oder Hilfswissenschaft zufrieden geben will bezw. kann — oder ob man es
dariiber hinaus unternimmt, Musik in materiale universalistische Soziologie einzugliedern.
Die Fulle der Probleme kann zwar in so engem Rahmen kaum gestreift, ge-
schweige denn gelost werden; bei der geforderten Orientierung scheint uns aber
Folgendes beachtenswert : Kultursoziologie (im Sinne Alfred Webers etwa) kann unter
Umstanden grofiartige Ergebnisse dichterischer, seherischer Natur haben ; soziologisch
aber ist mit einer Morphologie der Geschichte nichts gewonnen. Als Methode und Hilfs-
wissenschaft ist die Soziologie gar nichts prinzipiell Neues ; die Gesichtspunkte, die hier
der Betrachtung unterzogen werden (die Kiinstler als Gruppe fur sich, kollektives Ge-
schehen innerhalb der Kunst, die politischen und sozialen Faktoren, vor allem aber:
die sozialen Funktionen der Kunst) konnten ja nie und nirgends vollkommen mifiachtet
werden; die Historiker waren zwanglaufig immer auch zugleich Soziologen in diesem
Sinn, schlechte vielleicht und „Soziologen wider Willen" — sie waren es aber : hier
kann nur etwas besser und bewufiter gemacht werden, was immer schon gemacht wurde.
193
mm
T^m^
Die Kiinste im soziologischen Denken
Diesen Moglichkeiten — und dies erscheint uns als der springende Punkt der ganzen
Untersuchung — ist eins gemeinsam: es handelt sich bei ihnen gar nicht primar urn
das Um und Auf aller Soziologie, Verstehen der Einzelerscheinung aus der Theorie des
sozialen Prozefies d. h. der Betfitigung menschlicher Massen; die Historik wird idio-
graphisch betrieben, die Kulturen werden morphologlisch begriffen, die Asthetik sonnt
sich weiter im Glanz unangreifbarer und unverbindlicher Immannanz. Von unserem
Standpunkt aus aber ist auch die suprasoziale Personlichkeit der idiographischen Historik
ebenso soziologisch determinierbar wie die axiomatische Grundidee einer Morphologie
der Kulturgeschichte, wie jedes der Axiome der Asthetik. Nur eine Theorie des sozialen
Prozesses, nur eine Soziologie als Sozialenzyklopadik vermag uns Werden und Vergehen
all dieser Axiome (die uns sonst letzte Instanz bleiben miifiten) deutlich zu machen und
zu erklaren; nur sie priift die GrundbegrifFe, die keine Spezialwissenschaft selber pruft
und untersucht ihre Endziele, deren Erreichbarkeit und deren Wert sonst stillschweigend
vorausgesetzt werden.
Natiirlich bedarf auch die Soziologie eines Ausgangspunktes als festen Punkt im
Raum; der wird nicht der objektive Geist sein oder sonst irgend ein nur philosophisch
begriindbares Axiom, sondern Individual- bezw. Massenpsychologie : letzten Endes also
der Mensch als „psychische Konstante", mit deren Hilfe sich erst die „variablen Deter-
minanten" im Prozefi bestimmen lassen. Wie jede Haltung dem Gewordenen, der Ge-
schichte gegenuber, ist auch die Soziologie nicht vollkommen voraussetzungslos; der
Wille, an dem gleichen Substrat, das alien GeschichtsaufFassungen zu Grunde liegt, den
sozialen Prozefi zum Gegenstand der Untersuchung zu machen, ist in unserer Anschau-
ung vom Menschen, in unserer Weltanschauung begriindet (die allerdings ihrerseits
wieder durch den sozialen Prozefi determiniert wird). Wir glauben der Wirklichkeit
naher zu kommen, tiefer in das Wesen der Dinge und ihrer Verwandlung einzudringen,
wenn wir den Prozefi der „Differenzierung und Integrierung" zu entratseln versuchen.
Nur eine Soziologie, die die Kiinste in die Theorie des sozialen Prozesses einbezieht
(ihre Exemtion davon ist ein boses Erbe Hegelscher Philosophic) wird das leisten konnen,
nur sie wird Fragcn wie die nach dem wechselseitigen Verhaltnis von Musik und Welt-
anschauung, Gesellschaft, Gemeinschaft, Politik, nach neuen Musiziermoglichkeiten, neuer
Geschichtsdarstellung usw. — wie sie im Melos aufgeworfen werden — beantworten
konnen: da nur sie xiber Gesellschaft, Gemeinschaft etc. giiltige Auskunft geben kann.
Auch das brennendste Problem: Verhaltnis der Musik zu den einzelnen Gruppen, ins-
besondere den Klassen, kann nur gelost werden, wenn die fur uns alle schicksalhaften
Krafte klar erkannt sind, die die Gruppen erzeugen und verandefh, die ihren Be-
wegungsprozefi bestimmen. Fafit man die Lehre Marx's als enzyklopadisch-universa-
listische Soziologie auf, liegt die Moglichkeit einer marxistischen Musiksoziologie klar auf
der Hand. Freilich : Musiksoziologie, wie sie all denen vorschwebt, die das Wort ge-
brauchen, ist das eigentlich nicht; das ist Soziologie als Generalwissenschaft und Ein-
gliederung der Musik in sie. Nur sie wird die Zusammenhange aufdecken konnen, die
Kunst schaffen, deren Formen verandern und allenfalls zu Grunde gehen lassen.
Um es nach all den (wie wir glauben notwendigen) Abstraktionen konkreter zu
fassen : wenn wir Begriffe wie „Musik" und „unsere Zeit" fortfahren miteinander zu
konfrontieren, werden wir nicht weiter kommen, als es uns bisher moglich war; weil
194
Nicht „die Musik" sondern verschiedene Musiken
wir vergessen, dafi sie komplexe Begriffe sind, die bereits fertige Anschauungswelten
reprasentieren, die Voraussetzungen beinhalten, die wir eben nicht mehr hinnehmen
diirfen, sondern zu untersuchen haben. ,.Die Musik" — dieser Begriff ist bereits ein
Produkt einer ganz bestimmten Art geistiger Zusammenschau, die von dem Entwick-
lungsgedanken beherrscht wird (seine Auswirkung klar zu machen, wird die Aufgabe
einer folgenden Arbeit sein) — der an sich nichts ist als eine ins Uberdimensionale ge-
triebene naturwissenschaftliche Analogie, die das ganze 19. Jahrhundert beherrschte, die
zum Teil auch uns noch beherrscht. „Die Musik", getragen von den „Kraften der Entwicklung"
hat es ja niemals gegeben; es gab immer nur verschiedene Musiken neben- und nach-
einander, hoheund niedere, Kunst- und Volks-, Laien- und Kultmusik in kasten-, standen-,
klassen-, volks- und kulturbedingten Verschiedenheiten. Die „Entwicklung" ist nichts als
eine Perspektive, unter der wir die aus der Fulle der Erscheinungen des geschicht-
lich-gesellschaftlichen Lebens herausgelosten musikaliachen Tatsachen zusammen-
fassend zu begreifen, konstruierend zu deuten versuchen: ein Integrierungs-
prozefi nur im rein Musikalischen, dem sozialen Prozesse gegentiber (im Ein-
klang mit dem gesamten 19. Jahrhundert) ein soldier der Differenzierung. E9
gilt einzusehen, dafi das notwendig war — dafi wir heute aber das Umgekehrte
machen mussen: das „an sich" begriffene rein musikalische Tatsachenfeld
in den Prozefi des gesellschaftlich-geschichdiclien Lebens wieder einzuordnen : zu inte-
grieren statt zu differenzieren. Aus diesem Grunde also studieren wir Musik-
soziologie: um die (mit Engels zu reden) „alte, beliebte, ideologische, sonst auch
aprioristisch genannte Methode" zu vermeiden, „die Eigenschaften eines Gegenstandes
nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegen-
standes beweisend abzuleiten". .Die Musik" und ihre „Entwicklung", die stilbildenden
und stilauflosenden Krafte dieser Entwicklung mit all ihren weiteren, naturwissenschaft-
lichen Analogien entstammenden Eigenschaften (Statik, Dynamik, Kinetik etc.) das ist,
komplex gesehen, der „Begriff", der notabene wertende Begriff des „Gegenstandes", den
wir uns gemacht haben, den wir uns wahrscheinlich machen mufiten, den wir aber,
wollen wir weiterkommen, iiberwinden mussen; eines „Gegenstandes" der taglich, stiind-
lich vor unseren Ohren klingt, der nur vorurteilsfrei erkannt und zu den verschiedenen
Faktoren menschlichen Geschehens schlechthin in aufschlufireiche Beziehungen gebracht
werden mufi. Um noch wenige Worte iiber den Weg solcher Musiksoziologie zu sagen :
es gilt die als herrschend erkannten Voraussetzungen bisheriger geschichtlicher Zu-
sammenschau (insbesondere den Entwicklungsgedanken) aus der soziologischen Betrachtung
auszuschalten ; mit einer neuen Naivitat von konkreten Gegebenheiten auszu-
gehen, zunachst rein deskriptive Arbeit zu leisten, um dann eine rein soziologische
Deutung zu versuchen, die wohl ihre eigene Terminologie nicht wird entbehren konnen-
195
^mmmmmmmimmmii^l^KmmmmimmflK&Kl
^gp^*^^^F^^ ^iM.! P « r |»*'- 1J WfM "wgHf
Versiegt die Produktion wirklich?
1
Musikleben
Furtwangler auftert sich HansH.stuckenschmidt
Wilhelm Furtwangler, unter den Stars des heutigen Deutschland einer der erfolg-
reichsten und von den Erfolgreichen einer der geistigsten (denn die Sphare des Star-
turns reicht ja hierzulande von Albers, Schraeling, Tauber bis zu Albert Einstein) hat
die 50Jahrfeier des Berliner Philharmonischen Orchesters dazu benutzt, eine Art von
kunstlerisch-kulturpolitischem Glaubensbekenntnis abzulegen. das weit iiber den Rahmen
der bei solchen Anlassen iiblichen Ansprache hinausgeht. Prinzipiell ist das sein gutes
Recht, und audi wer im einzelnen bei einem Mann von seinem Niveau weniger Selbst-
herrliclikeit erwartet hatte, mag hingehen lassen, was die Begeisterung des Augenblicks
dem Temperamentvollen entlockte. Doch abgesehen von der Form dieser Rede (man
findet sie, unter Weglassung besonders polemJscher Ausfalle, im Abendblatt der „Vossischen
Zeitung" vom 19. April), deren Zuschnitt manchmal bedenkliche Assoziationen an Furt-
wanglers Vornamen kniipfen liefi, gibt es gegen ihren Inhalt so schwerwiegende Ein-
wendungen, dafi es Frevel ware, hier zu schweigen.
Furtwanglers Ausfiihrungen beschaftigen sich diesmal Vorwiegend mit dem Problem
Neue Musik. Er stellt zunachst, mit einem dialektischen Dreh, auf den die Mehrzahl
seiner Horer nicht ungern hereinfiel, die Behauptung als bewiesen hin, „dafi die Pro-
duktion ... in beangstigendem Mafie schrumpft und versiegt". Um diesen Satz zu be-
greifen, mufi man sich erinnern, was Furtwangler unter „grofier deutscher Musik" ver-
steht. Nach seinem Bekenntnis gelegentlich der Rede in der deutschen Gesellschaft
(Februar 32): die sinfonische Musik, die er als eine rein deutsche Schopfung bezeichnet.
Sehen wir davon ab, dafi ein solches Made in Germany ja nicht durchaus als Empfehlung
gelten kann, dafi es vielmehr nur eine Herkunft bezeichnet, so wie etwa griin eine Farbe.
Sehen wir sogar davon ab, dafi Furtwangler seinen Wxinschen die historische Wahrheit
opfert. Oder sollte er nicht wissen, dafi an der Schopfung der Sonatenform die Italiener
und Franzosen mindestens so stark beteiligt sind wie die Deutschen, sollte ihm unbe-
kannt sein, dafi ein Slawe mit dem ur-tschechischen Namen Stamitz Form und Stil der
Symphonie in soldier Vollkommenheit erfunden hat, dafi den deutschen Klassikern nichts
zu tun blieb, als ihm nachzueifern ?
Nun wild gewifi niemand leugnen, dafi heute wenige Symphonien geschrieben
werden. Wir kennen die historischen Grvinde dieser Erscheinung. Wir wissen, dafi die
Sonatenform einem bestimmten, heute nicht mehr verpflichtenden Standard der Kom-
positionstechnik entsprichl, dafi sie sich aus der klassisch-romantischen Materialbehandlung
ergibt. Furtwangler scheint es nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen. Denn sonst
wiirde er nicht den enormen Auftrieb in der Komposition konzertanter Formen einfach
iibergehen, nicht die vielseitigen und imposanten Versucbe auf dem Gebiet des Solo-
196
*^r«r3t"A i^-^t^OT
Dissonanz-Chaos?
konzerts, des Concerto Grosso, die Belebung alter und die Erfindung neuer polyphoner
Formen, die Produktion von Suiten und kleineren Orchesterstucken, die Wege, die gerade
Deutschlands junge Generation im Bereich der Chormusik gewiesen hat. Der Irrtum, dafi
wir heut eine Schrumpfung der Produktion erleben, ist ebenso verbreitet wie leicht zu
widerlegen. Und wenn die kritiklosen Apologeten des Ewiggestrigen seine Formulierung
als geistiges Ereignis bejubeln, nur weil sie aus Furtwanglers Mund kommt, so kann
dagegen nicht scharf genug Front gemacht werden. Kaum eine friihere Zeit hat so starke
Impulse fur die Belebung des musikalischen Schaffens hergegeben wie das 20. Jahrhundert.
Auch wenn Furtwangler spater von dem geringen geistigen Nahrwert der modernen
Musik spricht, sie nur als Anregungsmittel gelten lafit, spielt ihm seine einseitige
Symphonie-Anbetung einen Streich, Obendrein iibersieht er, dafi die seiner Meinung
nach hochsten Nahrwerte der deutschen Produktion, die neun Symphonien Beethovens,
zu ihrer Entstehungszeit durchaus nicht fiir nahrhaft und wohlschmeckend galten, dafi
wohl jede neue Kunst anfangs nur als Gewiirz betrachtet wird. Sollte er in den vulgarsten
Fehler verfallen, Quantitat mit Qualitat zu verwechseln ? Ist ihm „grofie Musik" am Ende
identisch mit Musik von grofien Ausmafien ? Dann miifite fiir ihn folgerichtig Bruckner
iiber Mozart stehen. Und siehe da, seine Programme sind weit entfernt, diese Vermutung
zu widerlegen!
Allerdings; auf diese Formen der Quantitatsmusik versteht sich die Moderne nicht.
Es geht ihr um Entscheidungen, die nicht in der Breite eines symphonischen Ablaufs
gefallt werden, sondern in der Dichte eines Stils, in der Geschlossenheit einer Diktion,
in klanglichen oder polyphonen, konzertanten oder melodischen Bildungen.
Furtwangler gibt zu, die Neue Musik rtihre „an das eigentiimlich chaotisch-elementare
Lebensgefiihl, das vom modernen Menschen Besitz ergriffen hat". Nun sind andre Leute
auf Grund radikaler Denkarbeit iiber das moderne Lebensgefiihl zu wesentlich andren
Meinungen gekommen; man mochte dem Manne, der mit soviel Autoritat und selbst-
sicherem Aplomb iiber eines der kompliziertesten Kulturgebiete spricht, doch raten, sich
besser zu informieren und z. B. das (zwar triib stilisierte, doch als Materialsammlung
unvergleichliche) Buch des Heidelberger Philosophen Jaspers iiber „Die geistige Situation
der Zeit" zu lesen. Wie ubrigens vertragt sich dies Ghaotisch-Elementare mit der „Krise
des Naturgefiihls", mit dem „eigentumlichen Intellektualisierungsprozefi", den Furtwangler
gelegentlich einer Wagner-Rundfrage beim heutigen Deutschen feststellen zu miissen
glaubte ?
Furtwangler entwirft musikalisch-fachliche Analogien solcher Art: „Die Entwicklung"
(der modernen Musik) „hat es mit sich gebracht, dafi ihr Kunstmittel vielfach nicht
mehr die zur Gestalt und Gestaltung drangende Konsonanz, sondern die ins Chaotische
fuhrende Dissonanz ist" ? Sehen wir ab von der Uberholtheit dieser Antithese Konsonanz-
Dissonanz (es gibt ja in Wahrheit keine objektiven Dissonanzen mehr, seit die Allein-
giiltigkeit des uberlieferten Tonartbegriffs andren Gesetzen weichen mufite) und folgen
wir einmal Furtwanglers altertumlicher musiktheoretischer Betrachtungsweise. Kann die
„Konsonanz" drangen ? Ist sie nicht vielmehr die Ruhe, die Statik, die Leblosigkeit selbst ?
Greift nicht erst die „Dissonanz" als belebender, „zur Gestaltung drangender" Storen-
fried in ihr Reich gestaltloser Abgeschlossenheit ein? Ist nicht gerade die Sonate, die
Symphonie und in ihr wieder das Prinzip der Durchfuhrung eine Apotheose der Dissonanz ?
197
^■PM
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^^^^^^
Die lebenden Komponisien bei Furtwangler,
Diese offensichtlich falsche Definition eines musikalisch-kulturellen Tatbestandes
enthullt uns blitzartig die ganze Schiefe der furtwanglerschen Stellung zu heutiger Musik.
Sie zeigt uns, wie wenig er, dem auf Grund seiner hohen Allgemeinbildung der Weg
zu ihr nicht schwer fallen k6nnte, in ihre Materie eingedrungen ist, wie einseitig er sie
von einer romantisch-ideologischen Anschauung aus beurteilt.
Wenn Furtwangler, halb bedauernd, halb beipflichtend, auf den Entschlufi einiger
Dirigentenkollegen hinweist, die Moderne aus ihren Programmen ganz zu verbannen,
so iibersieht er, bewufit oder unbewufit, die Griinde, aus denen das geschieht. Nicht
„weil erfahrungsgemafi durch die Annahme auch nur eines einzigen zeitgenossischen
Komponisten ein Teil des Publikums vom Konzertbesuch abgeschreckt" wird, sondern
weil den Herren die Richtung nicht pafit, weil die modernen Sachen, sollen sie halb-
wegs richtig aufgefiihrt werden, ein enormes Mafi an technischer und geistiger Arbeit
verlangen und obendrein noch unwillkommene Tantiemen kosten! Dieser letzte Punkt
spielt bekanntlich eine recht entscheidende Rolle bei der Programmaufstellung, und das
legt wieder die Anregung nahe. nicht die zeitgenossischen Werke mit Tantiemepflicht
zu belegen, sondern diejenigen, deren Schutzfrist abgelaufen ist. Die Abneigung ge-
wisser Publikumskreise gegen heutige Musik soil nicht geleugnet werden. Aber sie ist
nicht grofier als sie zu Brahms', Bruckners Zeiten oder in Richard Straufi' Anfangen
war, und bestimmt geringer als die der in starrer Tradition befangenen Fachleute. Ihr
nachgeben hiefie ein kulturelles Verbrechen begehen, das die Existenzberechtigung dieser
offiziellen Konzerte nachdriicklicher in Frage stellt als alle geistigen und materiellen
Krisen der letzten hundert Jahre.
"Wie verhalt sich nun Furtwangler de facto zur modernen Musik? Nach seiner
Behauptung gibt es nicht viele Werke des modernen Konzertsaals, die nicht durch seine
Hande gegangen sind. „Aber ich habe . . . ihnen von Anfang an innerhalb des Gesamt
meiner Programme den Platz angewiesen, der ihnen meiner Meinung nach zukommt."
Priifen wir diese Meinung.
Vor mir liegen die Programme der 99 Abonnementskonzerte, die er seit 1922 in
Berlin dirigiert hat. Da dominiert Richard Straufi mit 18 Auffuhrungen, es folgt Strawinsky
mit 8, Pfitzner hat 6, Debussy und Hindemith 5, Schonberg 4 (zwei davon sind Bach-
Instrumentationen), Ravel, Respighi und Sibelius 3, Braunfels, Busoni, Georg Schumann,
Toch und Trapp 2, Bartok, Bloch, Casella, Graener, Honegger, Jarnach, Kletzki,
Kodaly, Karl Marx, Prokofieff, Rachmaninoff, Raphael, Rathaus, Reznicek, Sekles und
Vogel je eine.
Noch aufschlufireicher ist die Li9te der Werke, die man einer Urauffuhrung fur
wurdig hielt. Es sind fiinf: die Ouverture von Rathaus, die Variationen von
Schonberg, 90wie seine Instrumentation von Bachs Praludium und Fuge, Geprg
Schumanns Variationen iiber „Ge9tern Abend war Vetter Michel da" und Kodalys
„Sommerabend".
Die Namen Conrad Beck, Alban Berg, Butting, Hauer, Janacek, Krenek, Malipiero,
Milhaud, Schreker, Szymanowsky, Kurt Thomas, Tiessen, Weill (um nur einige wichtige
zu nennen) fallen vollatandig aus. Von den grundlegenden Arbeiten der Moderne
fehlen unter andren Schonberg: Kammersinfonie, Pelleas und Melisande; Busoni: Sara-
bande und Cortege, Rondo Arlecchinesco ; Strawinsky: Rossignol, Noces, die Suiten;
198
Viel Beethoven, wenig Bach
Hindemith ist, abgesehen von zwei Nebenwerken, nur mit drei von seinen Konzerten
vertreten (op. 36,4, op. 38, op. 46,2), Bartok nur mit der Tanzsuite.
Vor allem aber ist wenig damit getan, wenn man moderne Werke einmal zur
Diskussion stellt und dann ad acta legt. Will man sich fvir sie einsetzen, so mufi man
sie in gewissen Abstanden wiederholen. In 10 Jahren hat das Furtwangler nur bei
Straufi (Domestica, Heldenleben, Don Juan, Zarathustra; Eulenspiegel sogar dreimal),
Stravinsky (Sacre und Petruschka), Sibelius (Violinkonzert) und Debussy (Nocturnes)
getan. Das ist der Platz, der seiner Meinung nach der Moderne in seinen Programmen
zukommt.
Nicht weniger willkiirlich geht er iibrigens mit der Bewertung von Komponisten
der Vergangenheit um. Der einseitigsten Pflege Beethovens sleht eine fast unbegreifliche
Vernachlassigung Bacbs, Handels, Mozarts und Haydns gegeniiber. In der vergangenen
Spielzeit (dem Haydnjahr) war Beethoven mit 7, Brahms mit 4, Haydn mit 3, Mozart,
Schumann und Strawinsky mit 2, die iibrigen (darunter Bach) mit einer Auffuhrung
vertreten.
„Die Grundlagen unseres ganzen Musiklebens sind die immer noch unerschopf-
lich Leben und Kraft spendenden Werke der grofien Meister,," Wer hat bewiesen, da£
die heutigen Meister nicht ebenso grofi sind, wie die der Vergangenheit? Endlich
holt Furtwangler zu einem letzten Schlage aus, der sich gegen seine Kollegen richtet.
Jawohl, sagt er, ich gebe diese Krise zu. Aber sie wurzelt in der falschen Wiedergabe,
die den klassischen Musiken heute zuteil wird. „Wenn wir sie wirklich gestalten —
heute werden sie meistens bestenfalls ,referiert' — dann werden sie auch wieder
lebendig"; und weiter : „wurden unsere Darstellungen, unsere Pianisten, Sanger, Diri-
genten diesen Werken wirklich immer echten und unverfalschten Ausdruck verleihen,
es gabe keine Musikkrise".
Welohe Wendung durch Gottes Fiigung! Flugs wandelt sich der Taktstock zum
Zauberstab, der den Kulturfluch der Gegenwart zu eitel Harmonie und Wohlgefalligkeit
werden lafit. Der Kapellmeister als Erloser von Krise und Geistesnot, der Histrio als
Sieger iiber den Schaffenden, — welch Buhmtraum eines Dirigenten! Aber nicht etwa
der Kapellmeister an sich, sondern eben nur der Eine, Einmalige, aus der kleinen Schar
der Erwahlten.
Scherz beseite; was meint Furtwangler ? Wenige Tage vor der Rede erscheinen
zwei Artikel im Berliner Tageblatt (10. und 15. April) „Bemerkungen zur Darstellung
alter Musik". Auch sie gehen von der Feststellung einer Krise aus, von dem Problem,
das die Auffuhrung alter Musik uns bedeutet.
Seine Polemik richtet sich hier vor allem gegen zwei moderne Stromungen, in
deren Trennung er leider nicht sehr genau vorgeht: gegen die Praxis der historisch ge-
treuen Auffuhrungen (besonders bei Bach und Handel) und gegen die „nichts als noten-
getreue Darstellung". Nun lafit sich in der Tat iiber diese Dinge nur aufierst schwer
diskutieren. Hier steht oft subjektive Meinung gegen subjektive Meinung, Beweise sind
schwer zu erbringen, und so behalt am Ende jeder recht. Wenn Furtwangler etwa be-
hauptet, der Klang eines Handelschen Orchestertutti (Orginalbesetzung), gespielt in der
Berliner Philharmonie, sei eine Falschung, so kann man ihn bei Bach (den er mit
starkstem Streichquintett spielt) derselben Falschung bezichtigen. Ich personlich finde
199
«M
himh
Furtwanglers historische Einstellung
seine Bachauffuhrungen verkehrt, namentlich im Vergleich mit denen Klemperers. Alles,
was er ferner iiber Akustik der modernen Konzertsale, iiber die Verwendung des Cem-
balo, iiber die aufiere Technik der Auffuhrungen alter Musik schreibt, hat viel fur sich.
Dazwischen aber stehen dann kleine boshafte Satze, die gleichsam vom Weg abgleiten
und die Richtigkeit des vorher Gesagten aufheben. So, wenn er plotzlich behauptet,
die „kammermusikalischen" Wirkungen, von denen wir angesichts gewisser Musikepochen
reden, d. h. das „kunstlich und bewufit auf das Dunne, Zierliche und Trockene
restringierte Musizieren" habe es niemals gegeben, aufier in unseren Kopfen. Wir hatten
das Gliick, es zu erleben : bei Toscaninis Konzerten mit dem New Yorker Orchester,
das Furtwangler freilich wohl zur Kategorie der „dressierten Luxushunde" rechnet.
(Beide Ausdriicke stammen von ihm.)
\ Uber die Gegensatze von Forte und Piano bei Bach und Handel: „Sie erhalten . . .
leicht einen iibertriebenen, harten, kalten, gleichsam mechanistischen Charakter, den sie
in Wirklichkeit niemals hatten, und den als notwendig zur alten Musik gehorig uns
lediglich heutige musikalische Pharisaer einreden wollen." Hier spricht offenbar ein
Augen- und Ohrenzeuge, dem vor allem die Musikwissenschaft fur Erweiterung ihrer
Kenntnisse danken mufi. Wir haben bisher als ausgemacht betrachtet, dafi die moderne
Dynamik ein Produkt der Mannheimer Schule und der klassischen Sinfonik ist, dafi es
also vor 1750 im wesentlichen nur diese harten, kalten Gegensatze gegeben hat. Von
diesem Bewufitsein ausgehend haben wir aucb Furtwanglers Darstellungen bachscher
und handelscher Musik stets fiir subjektive Auseinandersetzungen, die H-moll-Suite fur
Flote und Streichorchester geradezu fiir ein Arrangement aus seiner Feder gehalten.
Nun vernehmen wir aber, dafi diese Crescendi und Decrescendi, diese romantischen
Bubati „einer seelischen Notwendigkeit entsprungen" sind. Dieser Art zu diskutieren
sind wir nicht gewachsen. Denn mit seelischer Notwendigkeit lafit sich (besonders in
Deutschland) alles, auch das Absurdeste entschuldigen.
Der Tenor der furtwanglerischen Ausfiihrungen ist die alte romantische Anschauung:
„Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten" (Mahler). Er kehrt diesen Satz
aber noch urn und sagt: wenn nur die Noten wiedergegeben werden, so ist das eine
Verfalschung, ein Eingestandnis unsrer Schwache. Und gerade da redet er am Eigentlichen
vorbei. Denn seine Art der Darstellung respektiert ja so aufierordentlich oft nicht ein-
mal das, was in den Noten steht. Ich will nicht von den absoluten Tempi reden, die
meinethalben Gefiihlssache sein mogen, auch wenn Metronomziffern vorgezeichnet sind.
Aber selbst die Proportion aufeinanderfolgender Tempi wird bei Furtwangler gelegentlich
in der selbstherrlichsten Weise verandert. Nur in diesen Fallen, wo tatsachlich die nach-
schopferische Phantasie das Werk iiberwuchert, ist ein Veto geboten.
Kein Zweifel, dafi aufier dem nackten Notenbild auch noch etwas sehr Wesentliches
darzustellen bleibt: der Stil. Aber just hierin kann uns Furtwanglers Stabfuhrung, die
so gem aus einem klassischen Werk ein romantisches macht, die eigentlich alles a la
Beethoven oder Bruckner intensiviert haben mochte, nicht befriedigen. Und besonders
scharf mufi man protestieren, wenn er immer wieder versucht, seine hochst subjektive,
genial personliche Auffassnng als sozusagen objektiv giiltig hinzustellen. Mit diesen
Gewaltstreichen ist Furtwangler im Begriff, zu einer hochst verhangnisvollen Macht zu
werden, zu einem Diktator des Geschmacks, dessen Herrschaft alles von ihm Ab-
200
Die hochste Instanz ist der Komponist
weichende als zweitklassig brandmarken mochte. Horen wir ihn : „Wer sich mit den
grofien Werken wirklich beschaftigt, wird bald die Erfahrung machen, dafi die Meinungs-
verschiedenheiten uber sie umso geringer werden, je mehr man sie kennenlernt; dafi
ihre Darstellung also umso weniger eine Sache des personlich-willkiirlicben Geschmackes
wird, je mehr die Kenntnis der Werke zunimmt. Immer vorausgesetzt, dafi der Dar-
stellende zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Werk iiberhaupt fahig ist".
Wie kommt es dann, dafi gerade die bedeutendsten Dirigenten in Bezug auf Tempi,
Dynamik, Agogik, kurz alles was man Darstellung nennt, keineswegs iibereinstimmen ?
Weshalb weicht z. B.KlemperersBachgestaltung von der Furtwanglers so fundamental ab, dafi
man die Werke kaum identifizieren mochte? Weshalb dirigierte Toscanini Debussys
„La Mer" so vollig anders als er? Soil behauptet werden, dafi Klemperer und Toscanini
die betreffenden Werke weniger genau kennen, oder dafi sie zu einer wirklichen Aus-
einandersetzung mit diesen Werken nicht fahig sind ? Sind Furtwangler niemals Zweifel auf-
gestiegen an seinen eigenen Fahigkeiten, sich mit diesem oder jenem Werk auseinander-
zusetzen ? Wer ist die hochste Instanz, die uber diese Fahigkeiten zu entscheiden hat ?
Die hochste Instanz ist der Komponist. Er allein, der das Werk geschaffen hat,
kann auch bestimmen, wie es realisiert werden soil. Von den heutigen Komponisten,
die Auffuhrungen ihrer Werke unter Furtwangler gehort haben, waren leider nicht viele
mit seiner Darstellung einverstanden. Diese Tatsache ist in Fachkreisen durchaus be-
kannt; ich brauche sie daher wohl nicht mit Namensnennungen zu belegen, die den
Tragern Furtwanglers Groll zuziehen wiirden.
Der Kreis schliefit sich; wir stehen wieder vor der Gegenwartskunst, deren Reich-
turn, deren historische Bedeutung, deren schopferische Kraft keine noch so organisierte
Gegnerschaft wegdiskutieren wird.
Auch Furtwangler wird es 'nicht gelingen. Trotz aller Autoritat seines Worts, trotz
der Machtstellung, die er im heutigen Deutschland einnimmt. Um einen Gegner zu be-
siegen, mufi man ihn besser kennen als Furtwangler die moderne Musik kennt. Wer
sich mit dem Geist der Gegenwart auseinandersetzt, mufi ihn zunachst von Grund aus
beherrschen. Er mufi die Entwicklung der heutigen Kunst (der Dichtung, Malerei und
Musik) aus den geistigen Hin tergrtinden des Expressionismus, der abstrakten Malerei,
der Tonart-Zersetzung begriffen haben, er mufi James Joyce so gut kennen wie Bert
Brecht und die Lyrik der Dadaisten, Chirico so gut wie die surrealistischen Bucher Max
Ernsts und die spatkonstruktivistische Farbenmontage des Bauhauskreises, Hauer und
Milhaud so gut wie die neuen Russen und Amerikaner. Wenn er diese Materien be-
arbeitet hat, und dazu noch den Geist des modernen Theaters und des avantgardistischen
Films, wird Erfurcht vor soviel Leistung, Respekt vor soviel schopferischem Hohenflug
ihm die Waffe aus der Hand zwingen. „Denn auch die Erkenntnis neuer Musik" — ich
variiere einen Satz von Furtwangler — „bedeutet nichts anderes als ein Gerichthalten
uber uns selbst!"
201
Der neue Klassikertaumel
Die Krisensaison geht zu Ende Heinnch strobei
Im Oktober befiirchtete man, dafi das Berliner Musikleben vollig zusammenbrechen
wiirde. Inzwischen war der erste schwere Chok uberstanden, und es zeigte sich,
dafi die qualitativ hochstehenden Veranstaltungen doch widerstaridsffihiger waren, als
man vermutet hatte. Die anerkannten Interpreten hatten wieder voile Sale. Gegen
Ende der Saison erschienen auch die Vielzuvielen wieder in bedrohlicher Zahl. Quan-
titativ ist also keine entscheidende VerSnderung im Berliner Musikleben eingetreten.
Wohl aber qualitativ und geistig. Die Saison, die hinter uns liegt, ist fur Berlin gekenn-
zeichnet durch den neu auflebenden Klassikertaumel. Die Dirigenten liefen sich formlich
den Rang ab mit klassischen Abenden. Die Pianisten spielten Beethoven und Chopin
bis zur Bewufitlosigkeit. In diesen schweren Zeiten so hiefi es, ist das Publikum nur
mit seinen Lieblingen anzulocken. Selbst der aufienseiterische Klemperer dirigierte nur
Beethoven, Brahms und Bruckner. Und wer in der Hoffnung ging, er wiirde zum Haydn-
jubilaum einmal unbekannte Werke des Meisters horen, der wurde bald genug ent-
tauscht. Man kam an den sichtbaren Stellen des Musiklebens iiber die Londoner Sin-
fonien nicht hinaus. Unter der Devise: rettet die Kunst, hat man xiber Nacht die
modernen Musiker ausgeschifft. g
Die Musealisierung des Musiklebens schreitet mit Riesenschritten vorwarts. Die
Jubilaen schieCen wie Pilze aus der Erde. Mit den Philharmonikern fing es an, dann folgten
der Kittelsche Chor, das Rosequartett, das Klindworth-Scharwenka-Konservatorium und
schliefilich die Berliner Musikalienhandler. Bei den Philharmonikern war das Jubilieren
anxTPlatz. In den 50 Jahren ihres Bestehens haben sie sich zu einem Klangkorper von
wunderbarer Disziplin und Differenziertheit entwickelt- Das ist vor allem das Verdienst
von WilhelmFurtwangler. Seine suggestive Dirigierkunst hat das Philharmonische Orchester
zum Weltruf gefiihrt. Man wird es einem an sich konservativ eingestellten Musiker
wie Furtwangler hoch anrechnen miissen, dafi er bei seinem Jubilaum auch der jungeh
Musik gedachte. Hindemith schrieb fiir ihn eine bezaubernd leichte, meisterhaft ge-
setzte Variationenreihe, die nacheinander die einzelnen Instrumente in der buntesten
Art herausstellt und in einem vitalen Concertino der drei Konzertmeister des Streich-
korpers gipfelt. gj
Die Konzerte mit neuen Werken sind unter dem Druck der Wirtschaftslage (und
der mit wirtschaftlichen Klagen verbramten Bequemlichkeit der Veranstalter) selten
genug"geworden. Kleiber zog die neuen Variationen von Krenek wieder zuriick, Scherchen,
einst der eifrigste Forderer der jungen Generation, hielt sich ganz im Hintergrund —
ein Konzert mit alter und neuer Blasmusik ausgenommen. Es bleibt also aus der
Reihe der „grofien" Konzerte nur das zweite Klavierkonzert von Ravel, das der Autor
selbst dirigierte und das sich als ein gedampfter Nachhall seiner friiheren Orchester-
werke erwies. Es hat natiirlich grofie koloristische Reize. Aber ist das nicht selbst-
verstandlich bei einem Musiker vom Range Maurice Ravels? Der hochbegabte Nicolas
Slominsky warb in zwei Abenden um Sympathien fiir amerikanische Futuristen. Er warb
vergeblich, denn so klug diese Komponisten auch von der Hintergriindigkeit ihrer kon-
struktivistischen Kakophonien reden — es handelt sich in der Hauptsache um wild-
202
Funkstunde als Zentrale des Berliner Musiklebens
gewordene Programmusik, die selbst dem Freund scharfer Klange auf die Nerven geht.
Eine Ausnahme: die dekorativ wirkungsvolle Ballettmusik „La Rebambaramba" nach
altkubanischen Motiven von Amddeo Roldan.
In der schwierigen Situation von heute hat die Funkstunde eine besondere Auf-
gabe als Wegbereiterin der neuen Kunst. Sie hat immer noch relativ grofie Mittel. Sie
mufi nicht nur fur die erwerbslosen Musiker etwas tun, sie mufi auch jene begabten
Schaffenden fordern, die sonst keinen Weg raehr in die Offentlichkeit finden. Die
Berliner Funkstunde erfiillt diese Aufgabe, so weit das unter der kulturpolitischen
Reaktion iiberhaupt noch moglich ist. Sie stiitzt die Veranstaltungen der 1. G. N. M., die
sich in diesem Winter besonders fur die bereits historisch gewordenen Abstraktionen
des Schonbergkreises einsetzte. (Man horte bei der I. G. N, M. aber auch die klassizistisch
gebandigte Orgelsonate von Milhaud.) Sie gab dem alten Feuerkopf Oskar Fried
Gelegenheit zur Auffiihrung des dritten Klavierkonzertes von Prokofieff, das den alten
russischen Virtuosenstil urn die Klangwerte der neueren Musik bereichert. Sie sendete
unter Klemperer einen Querschnitt durch Hindemiths Oratorium „Das Unaufhorliche",
der die strenge Monumentalitat und die herbe Lyrik des bedeutenden Werks zu ein-
dringlichster Wirkung brachte.
Die Funkstunde ist heute die zentrale Institution des Berliner Musiklebens. Sie
hat jetzt auch Einflufi auf das Philharraonische Orchester gewonnen, das im nachsten
Winter zwanzig Konzerte im Funkhaus spielen wird. Die Philharmoniker sind dadurch
finanziell endgiiltig sichergestellt. Fiir die Funkstunde war mit dieser neuen Verpflichtung
die Frage eines verantwortlichen musikalischen Leiters akut geworden. Sie glaubt ihn
in Eugen Jochum gefunden zu haben. Jochum stellte sich in einem philharmonischen
Konzert den Berlinern vor und hinterliefi einen zwiespaltigen Eindruck. Mit noch nicht
30 Jahren kommt er an die entscheidendste Stelle des Berliner Musiklebens. Fiir ihn
hangt alles davon ab, ob er die (vielleicht mehr aufierliche) Nachahmung von Furt-
wangler abstreifen und seine zweifellos starken klangorganisatorischen und orchester-
padagogischen Fahigkeiten weiter entwickeln wird.
In den Opern ist es seit der „Burgschaft" ganz ruhig geworden. Tietjen errang
mit „Ariadne" einen gewaltigen Erfolg. Da die Auffiihrung von Blech meisterhaft studiert
war, da die Ivogiin als Zerbinetta auftrat und das iibrige Ensemble erstklassig ausge-
wahlt war, muSte dieser Erfolg von vornherein sicher sein. Das hatte der diplomatische
Tietjen sehr klug berechnet. Vom Glanz der Auffiihrung fiel auch auf ihn als Regisseur
etwas zuriick, ja, Publikum und Presse schienen sogar mit dem mystifizierenden Sym-
bolismus des Schlusses besonders einverstanden zu sein. Er pafite freilich eher zu
„Heliane" als zu „Ariadne". Aber illusionistische Bezauberung ist heute wieder dernier
cri. Auch das paCt zum Bild der Zeit.
Ebert putzte die „Entfiihrung" als modernes Singspiel mit sehr viel Geschick
heraus. Der Gegensatz der Typen wurde betont, das Spiel aufgelockert. Reinking schuf
einen reizenden Rahmen. Er bewies, dafi man auch das turkische Milieu ohne kunst-
gewerbliche Vergoldung darstellen kann. Einen Riesenerfolg errang die Stadtische. Oper
noch dieser Tage mit Offenbachs „Banditen", der vor allem der geistvollen, tanzerisch
geloaten Inszenierung und Einrichtung von Gustaf Griindgens zu danken war.
203
Honeggers „Pacific" - der Liebling des Publikums
Ansermet und Genf winy Ta PP oiet
Es ist nicht zu ieugnen : die Zahl der zeitgenossischen Werke in den Konzerten
Ernest Anscrmets und des 0. S. R. — Orchestre de la Suisse Romande — ging seit
dem vorigen Winter zuriick. Konnten wir von 50°/o neuester Musik sprechen — vgl.
Melos 1931, Oktober — so sank sie fur den verflossenen Winter auf ein Viertel.
Zum Ausgleich dieses Ausfalls fiihrte Ansermet nach dem Winterthurer Vorbild Hermann
Scherchens „Studienkonzerte" ein. Statt zeitgenossische Kompositionen in ein klassisches
Programm gleichsam einzuschmuggeln, soil unter der offenen Flagge „Une heure de
musique nouvelle" einem daftir empfanglichen Publikum die Fahrt in musikalisches Neu-
land ermoglicht werden. Wer es ewig vorzog, sich zum soundsovielten Male von klassischer
oder romantischer Musik berieseln zu lassen, konnte wegbleiben. Und es zeigte sich, daft
sehr viele wegblieben. Man begreift die Restiirzung Ansermets, zumal man ihm vor-
rechnete, daft moderne Musik nicht nur sich nicht rentiert, sondern sogar Locher in ein ohne-
hin nicht mehr ausgeglichenes Krisenbudget fraft. Worauf zu erwidern ware, daft die
Subvention der westschweizerischen Radiogesellschaft fiir die Ubertragung des ersten
Studienkonzertes das Defizit annahernd deckte, ganz abgesehen von der Uberlegung, daft
die Werbung fur zeitgenossisches Schaffen nicht nur manchem zu Hause gebliebenen Genfer,
sondern dem auf Neuigkeit erpichten Radiopublikum ganz Europas zugute kam. Es ist
im hoch9ten Mafte bedauerlich, daft es der sonst so wagemutige Ansermet bei diesem
ersten Versuch bewenden und die Idee der Studienauffuhrungen einstweilen fallen liefi.
Denn daft der Abend zu den starksten Eindriicken des langen Konzertwinters gehort,
haben ihm und seinen Musikern alle Zuhorer unzweideutig zu verstehen gegeben.
Will man noch ein untriigliches Zeugnis dafiir, daft ein Teil unseres Konzert-
publikums neue Musik fordert? Aus dem Redurfhis, Ausubende und Zuhorer naher zu
bringen, ist die schone Tradition des Wunschkonzertes entstanden, wobei die Subskribenten
des 0. S. R. aus den wahrend des Winlers gespielten sinfonischen Werken das Programm
selbst aufstellen konnen. Diesmal entfiel die groftte Stimmzahl auf die Sinfonie Honeggers —
1926 war es dessen ,.Pacific 231" — auf Debussys „Printemps" und auf Rachs sechstes
Rrandenburgisches Konzert; gewift ein schmeichelhaftes Wahlergebnis fiir Ansermet und
ein deutliches Zeichen der Dankbarkeit fiir seine vorbildliche Werbetatigkeit.
Mit Hindemiths „Konzertmusik" fiir Klavier, Rlaserchor und Harfen von 1930 (un-
vergleichlich wiederum Walter Gieseking!) begann der erste und mit Strawinskys „Psalmen-
sinfonie" schlofi der letzte Abend. Von der Auffuhrung der Kantate Strawinskys mufi
gesagt werden, daft 9ie selbst die hochstgespannteste Erwartung iibertraf. Auf Schonbergs
Filmmusik und Kreneks Variationen muftten wir bedauerlicherweise verzichten, nicht
aber auf Vladimir Vogels schmissige Orchesteretiiden und die drei Fragmente fiir Sopran
und Orchester, die Alban Rerg aus seiner Oper „Wozzeck" fiir die Konzertauffiihrung
bearbeitet und verbunden hat. Ansermet, Colette Wyss und seine Musiker interpretierten
die ergreifenden Stiicke Rergs derart packend, daft die unerhorte Wahrhaftigkeit
dieser grandiosen Szenen erschiitterte. Von Conrad Recks „Innominata" war hier schon
anlafilich der Urauffiihrung die Rede. (Melos 1932, Februar.) Hervorzuheben ist noch,
daft Reck, bei dem sich das romantische Streben nach Formvollendung mit dem eigen-
willig trotzigen Ausdruckswillen des mannlich-herben Alemannen verbindet, in Genf in
204
sffi**?^*^^
Genfer Musikstudio
ganz besonderer Gunst steht. Denn von welchem jungen Musiker, der ausgetretene Pfade
bewufit meidet, liefie sich behaupten, dafi ein ernstes Bemiihen, ihn zu verstehen and
zu fordern, Publikum und Presse in seltener Ubereinstimmung zusammenschliefit?
Von einem Auslandschweizer, Ernest Bloch, horten wir gleich zwei europaische
Erstauffuhrungen. Seine sinfonische Freske „Helvetia, das Land der Berge und seines
Volkes" entstand in langen Jahren (Miinchen 1900 — San Francisco 1929) aus dem Ge-
fiihl leidenschaftlichen Heimwehs. Alte Volksliedermotive liefern das thematische Material
fiir die einzelnen weitgesponnenen,lyrisch-epischen Episoden, die in kunstreich archaisierender
Polyphonie die Berglandschaft und die Tugenden der kriegerisch zahen Vorfahren der
Schweiz verherrlichen. Unmittelbarer, gedrangter und riicksichtsloser spricht sich Bloch in
den vier „Episoden fiir Kammerorchester" aus mit den suggestiven Bezeichnungen
„Humoresque macabre, Obsession, Calme, Chinese", deren Auffiihrung wir Fred Hay
und dem westschweizerischen Badioorch ester verdanken. (Dafi ausgerechnet der jeder
Intrige abgeneigte Hay, der einzige Dirigent im Genfer Studio mit fortschrittlicher Ge-
sinnung und eigenartigen, selbstandigen Programmen fallen gelassen wurde, gehort zu
den betriibendsten Tatsachen hiesiger Musikpolitik).
Besondere Aufmerksamkeit schenkte Ansermet den jungen Genfern Robert Bernard,
Andre-Francois Marescotti, Boger Vuataz und Jean Binet. Sind die beiden ersten noch
allzusehr ihren franzosischen Lehrmeistern gemafiigter Haltung tributpflichtig, so versucht
der vielseitige Boger Vuataz in seinem sinfonischen Satz „Die Rhone" fur Chore, Tenor-
solo und Orchester, personlichere Wege zu gehen. In der Vertonung der Horaz-Ode an
Sestus hat Jean Binet den Bhythmus des lateinischen Verses in einem sprechahnlichen
Gesang beibehalten und gewisse Eigentiimlichkeiten mittelalterlicher Musik mit neuzeit-
licher polyphoner Schreibweise verbunden. Einen ahnlichen Versuch, jedoch mit starkerer
Betonung polyrhythmischer und klangfarbiger Elemente, hat Manuel de Falla im
Konzert fiir Cembalo — Isabelle Nef — Flote, Oboe, Klarinette, Violine und Cello unter-
nommen. Dafi dies bei dem neuerdings stark unter franzosischem EinfluG stehenden
Spanier mit handwerklicher Meisterschaft geschieht, braucht wohl kaum erwahnt zu
werden. Auf einige glanzend aufgefiihrte Wiederholungen verschiedener Orcliesterstiicke
Debussys und Bavels und auf Albert Roussels harmlose „Kleine Suite" beschrankt sich
die Ernte aus der neueren franzosischen Musik. Dafi Ansermet dafiir keine Schuld trifft,
sondern die magere Auslese aus dem nahen Westen auf inneren Griinden beruht,
unterliegt wohl keinem Zweifel.
Melosberichte
Zwillingsesel - Bei dem Mangel an gu- eine unbestreitbare Begabung fiir das leichte
die neue Oper * en deutschen Spielopern Genre — neben wirklich lustigen und auch
von Drpssel konnte diese siebente musikalisch interessierenden Partien steht
Oper des erst vierund- aber so viel Banales und Angehortes, dafi
zwanzigjahrigen Erivin Dressel eine wirkliche der Eindruck zwiespaltig bleibt. Dabei ist
Bereicherung des Repertoires darstellen, das Libretto von Arthur Zweininger, dem
wenn der Komponist mit dem ihm an- dieselbe Novelle »Der Dreispitz« zugrunde
vertrauten musikalischen Gut nicht gar so liegt, der auch das Textbuch von Hugo
leichtsinnig verfahren ware. Dressel hat Wolfs »Corregidor« sein Dasein verdankt,
205
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Dresdner Kulturpolitik
recht geschickt gemacht. Dressel hatte mit
etwas mehr musikalischem Gewissen auch
seiner Musik das Niveau geben konnen,
das im Buch vorgezeichnet ist. Sie kommt
vom Jazz her, nicht nur in der jazzmafiigen
Instrumentalbehandlung (etwa im Stile
Gruenbergs), sondern auch in Diktion und
Thematik. Der Gedanke, die Spieloper vom
gegenwartig Tanzerischen her zu erneuern,
ist richtig. An einzelnen Stellen gelingt es
Dressel auch, die kurzatmige Jazzthematik
zu iiberwinden und iiber stereotype Motiv-
wiederholung und banaleDominant-Tonika-
Kadenzierung hinaus einen Lustspielton zu
trefFen, der nicht nur diskutabel ist, sondern
in dem sich schopferische Kraft aufiert.
Aber an entscheidenden Stellen gleitet er
rettungslos ins Operettenhafte hinab —
der »Einfall«, der ihm und auch dem
Publikum den grofiten Spafi zu machen
scheint: »Doch die Traube ist famos«, ist
typisch fur die Verwischung der Grenzen
zwischen Operette und Spieloper. Dann
gibt es noch ein Zwischenspiel von odestem
Leerlauf, ein Vorspiel zum dritten Akt, so
langweilig und akademisch, dafi es von
einem Sechzigjahrigen zu stammen scheint,
und so sufilich mit seinen Glockenspiel-
Effekten, dafi man sich mit Wehmut an
die Salonmusik unseligen Angedenkens er-
innert fiihlt. Der dritte Akt schwankt
zwischen banalisiertem Moussorgsky und
schlecht kopiertem Richard Straufi (abge-
sehen von ein paar Dutzend wirklich
tanzerischen Takten, wo plotzlich Leben in
die Musik kommt). Dressel ist eine Be-
gabung, die es mit intensivster Arbeit und
vor allem hartester Selbstkritik schaffen
konnte — darum war es zu begriifien, dafi
Notizen
Neue Werke im Spielplan
Das OpernhauB in Frankfurt a. M. hat die Opern
„Der arme Matrose" von Milhaud und „Die spanische
Stunde" von Ravel zur Erstauffiihrung angenommen
Beide Opern befinden sich audi im Repertoire dee
Opernhauses in Konigsberg.
Das Landeatheater in Schwerin bereitet die Erst-
auffiihrung von Hindemith* Oper „Cardillac" vor.
Alfredo Casellas erste Oper „La Donna Serpente"
wird vorrau8sichtlich im Herbst dieses Jahrea in
Deutschland aufgefuhrt.
206
sich die Dresdner Oper dieses Werkes an-
nahm und ihm in einer guten Auffuhrung,
die ihre starksten Eindriicke vom Szenischen
bekam, zum Erfolg verhalf.
Man konnte der Dresdner Oper sogar
ein besonderes Lob zollen, wenn nicht die
Vernachlassigung des ernsten zeitgenossischen
Schafl'ens hier ein Ausmafi angenommen
hatte, das der Verpflichtung der Sachsischen
Staatsoper als Kulturinstitut ins Gesicht
schlagt. Seit den pseudomodernen
»Schwanda« und »Maschinist Hopkins « ist
hier keine Oper eines der wirklich repra-
sentativen und wirklich schopferischen
Vertreter der Moderne gespielt worden!
Statt Alban Bergs »Wozzeck« — anderswo
ein grofier Kassenerfolg ! — bringt man
hier auf Betreiben von Bayreuth nahe-
stehenden Kreisen Siegfried Wagners »Baren-
hauter« — statt Pfitzners »Herz«, eine
Oper des hiesigen zweiten Kapellmeisters
Kurt Striegler »Dagmar«, dem man es von
Herzen gonnt, dafi er seine Arbeit an dem
Institut aufgefuhrt sieht, an dem er nun
jahrelang wirkt, dem man aber gleichzeitig
nur lokale Bedeutung zusprechen kann,
Kein Strawinsky seit der Konzertauffuhrung
des » Oedipus rex« vor Jahren. Verdi-
Renaissance in vorbildlicher Weise —
dafiir ist hier noch keine Oper von Janacek
erklungen! Die lebenden Komponisten, die
hier in den letzten Jahren gespielt wurden,
sind Richard Straufi, Hans Pfitzner, Othmar
Schoeck, E. Wolf- Ferrari, Mark Lothar, E. von
Reznicek, Kurt Striegler und Erwin Dressel —
der Kurs ist eindeutig! Ein beschamendes
Zeugnis fur ein Institut, das zu Schuchs
Zeiten das fortschrittliche Operntheater der
Welt gewesen ist. Herbert Trantow
Intendant Ebert hat das neueste Werk von
Prof. Franz Schreker „Der Schmied von Gent", Zauber-
oper in drei Akten nach de Costas „Smetse Smee"
fiir die Stadtische Oper in Berlin zur Urauffuhrung
in der kommenden Saison erworben.
Das Opernhaus Konigsberg bringt als erste Novitat
der kommenden Spielzeit „Die Biirgsdiaft" von Kurt
Weill zur Auffuhrung.
Das Schulspiel „Crefi ertrinkt" von Wolfgang
Fortner hat seit der erfolgreichen Urauffuhrung in
Bad Pyrmont auf dem Musikfest der Sektion Deutsch-
Melosnotizen
land der I. G. N. M. zahlreiche Auffuhrungen u. a.
in Koln, Dortmund, Elberfeld, Jena, Hamburg und
durch die Giinther Hefi-Schule im Chemnitzer Schau-
spielhaus erlebt. Die Hohenzollern-Oberrealschule in
Berlin und eine Reihe weiterer Schulen in Frank-
furt a. M., Basel, Hannover, Regensburg bereiten
gleichfalls Auffuhrungen vor.
1m Kurhaus in Wiesbaden fand ein ausschliefi-
lich neuer Musik gewidmetes Konzert statt, bei dem
Karl Rankl folgende Orchesterwerke dirigierte : Hin-
demith, Konzert op. 38; Toch, Bunte Suite op. 48;
Hugo Herrmann, Violin-Konzert. Dr. Ernst Laaff
dirigierte die Chorwerke : Seiber, Sanctus ; Karl Marx,
Lieder nach alten Texten; Hindemith, Lieder fiir
Singkreise ; Slavenski, Serbische Volkslieder ; Orff,
Kantate : Veni creator spiritus.
Am 23. Mai fand in Dresden ein Sonderkonzert
der Sachsischen Staatskapelle unter Leitung von Fritz
Busc/i mit Werken zeitgenossischer Komponisten statt.
Aus Anlafi des 50. Geburtstages von Igor Stravinsky
wurden dessen Scherzo fantastique und die Symphonie
der Psalmen aufgefiihrt. Das weitere Programm ent-
hielt folgende Werke: Hindemith: Konzertmusik fiir
Streicher und Blechblaser ; Bilttner : Praludium, Fuge
und Epilog; Richard Strauss: Lieder mit Orchester;
Ferruccio Busoni : Heiterer Reigen (aus der Suite „Die
Brautwahl").
In einem Konzert Dresdener Komponisten gelangten
u, a. Werke von Trantow, Blumer, Hollstein, Kauff-
mann-Jassoy, Johann Miiller und Leonhard Prinz
unter Leitung des Letztgenannten zur Urauffiihrung
aus dem Manuskript.
Der „Dessauer Kiriderchor" (Leitung E. Rex) hat
anlaftlich seines zehnjahrigen Bestehens zwei neue
Chorwerke uraufgefiihrt. Das eine stammt von
Paul .Dessau-Berlin und heifit „Liigen haben kurze
Beine", Kantate in 2 Abteilungen fiir Kinderchor, Soli
und Instrumente. Das andere fiihrt den Namen „Das
steinerne Lied" und ist fiir Bariton, Kinderchor und
Orchester von Fritz Sdiulze-Dess&u komponiert.
Von Karl Marx, der soeben mit dem Musikpreis
der Stadt Miinchen ausgezeichnet wurde, erscheint
demnachst eine viersatzige Motette „Um diese Welt
ist's also getan" im Verlag B. Schott's Sonne, Mainz.
Die nachsten Auffiihrungen des Volksoratoriums
„Die heilige Elisabeth" von Joseph Haas sind am
5. Juni in Pirmasens, am 3. Juli in der Messehalle
in Koln durch den verstarkten Giirzenichchor und den
Kolner Mannergesangverein unter der Leitung des
Generalmusikdirektors Prof. Abendroth, am 5. Juli
in Stuttgart als Festauffiihrung zum Jubilaum der
Wurttembergischen Hochschule fur Musik unter Prof.
Hugo Holle. Bisher sind in annahernd 100 Stadten
Auffuhrungen erfolgt oder vorgesehen.
„Cruxifixus" (Die SiebenWorte des Erlosers) fiir
gemischten Chor, Sopran- und Baritonsolo, Orgel
und Kammerorchester von Hermann Simon wurde
vom Chor der Dresdener Kreuzkirche und von der
Berliner Funkstunde aufgefiihrt.
Oper in der Krise
Das Konigsberger Opernhaus (Intendant Dr. Hans
Schiiler) schlofi am 30. April die Winterspielzeit
1931/32. Der Besuch war trotz der schlechten Zeiten
ausgezeichnet, sodafi die Spielzeit ohne Uberschrei-
tung des Etats und ohne Uberziehung der Subven-
tion durchgefflhrt werden konnte. Es gelangten
folgende Novitaten zur Auffiihrung : Goethes Sing-
spiel „Claudine von Villa Bella" mit der Musik des
Konigsberger Komponisten Joh. Friedr. Reichardt,
Hindemiths „Neues vom Tage", Weinbergers
„Schwanda, der Dudelsackpfeifer" und Milhauds „Der
arme Matrose". Die musikalische Oberleitung hatte
Operndirektor Bruno Vondenhoff, die szenische Ober-
regisseur Wolfram Humperdinck und Ausstattungs-
chef Karl Jacobs.
Das Mannheimer Nationaltheater fafit am Ende
der Spielzeit seine vorbildliche Arbeit auf dem Gebiet
der modernen Oper in einer Novitatenwoche zu-
sammen. Dabei wird man horen : Wozzeck (Berg),
Aus einem Totenhaus (Janacek), Neues vom Tage
(Hindemith), Leben des Orest (Krenek), Herz
(Pfitzner), Gewaltiger Hahnrei (Goldschmidt), Oedi-
pus Rex (Strawinsky). Die nachste Saison wird mit
Weills „Biirgschaft" eroffnet. Man sieht: es geht auch
heute noch. Es mufi nur der Wille da sein. Dieser
Wille heiCt in Mannheim: Maisch und Rosenstock.
Das Nationaltheater Mannheim veranstaltet ferner
ab Mitte Juni eine Ausstellung : „Zwei Jahre Arbeit
des Nationaltheaters li zur Einleitung der Werbung
fiir die kommende Spielzeit. Es wird in ihr an Hand
von Biihnenmodellen, szenischen Entwurfen, Figu-
rinen, Kostiimen, Szenenaufnahmen, statistischen
Tabellen usw. ein Dberblick iiber die Arbeit des
Theaters im wesentlichen aus den letzten zwei Jahren
gegeben.
Der bisherige Leiter des Mainzer Stadttheaters,
Edgar Klitscli, wurde als Intendant an das Staats-
theater nach Kassel berufen. Der bisherige Leiter
dieser Biihne, Intendant Berg-Ehlert geht als Inten-
dant nach Wiesbaden, mit ihm auch der erste Kapell-
meister der Kasseler Biihne, Abravanel. Intendant
Helmuth Gotze wurde als Nachfolger des nach Koln
berufenen Intendanten Neudegg an die Spitze des
Magdeburger Stadttheaters berufen. Das Dessauer
Friedrichtheater iibernimmt Oberspielleiter Vogt
(Braunschweig) als Intendant.
Generalintendant Hartmann, der seit Jahren das
Kieler Stadttheater leitete, hat sein Riicktrittsgesuch
eingereicht, weil er bei den Sparmaflnahmen aus
kiinstlerischen und sozialen Griinden das Theater
nicht weiterleiten konne. Ebenso hat der Liibeeker
Intendant Dr. Liebscher eeinen Posten zur Verfugung
gestellt. Er hat drei Jahre die Liibeeker Biihne er-
folgreich geleitet.
In der internen Sitzung des Landesbiihnenaus-
sdiusses, die kurz vor Pfuigsten unter dem Vorsita
des Oberprasidenten der Rheinprovinz Dr. Fuchs im
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Melosnotizen
Kolner Hotel Minerva tagte, wurde, wie verlautet,
neben einigen Konzessionsbestimmungen in der
Hauptsache die Frage der Planwirtschaftsreglung der
rheinischen Biihnen besprochen. In der Kolner Sitzung
wurde eine Fachkommission gebildet, die je nach Be-
darf noch durch weitere Sachverstandige verstSrkt wird.
Personalnachrichten
Emil Hertzka, der Griinder und Leiter der
Universal-Edition in Wien ist im Alter von 63 Jahren
unerwartet gestorben. Wer die Entwicklung der Neuen
Musik kennt, weifi, wie stark Hertzka rait ilir ver-
bunden ist. Er hat sich fur Mahler, Schonberg und
Bartok eingesetzt, als diese Musiker noch heftig um-
stritten waren, er hat spiter die Internationale der
Neuen Musik tatkraftig gefiirdert und zahllosen
jungen Talenten den Weg in die O'ffentlichkeit ge-
bahnt. Auf alien Musikfesten war Hertzka eine selbst-
verstfindliche Erscheinung. Die neue Musik war fur
ihn eine Sache des Herzens. Dafi sie spater in Er-
scheinungen wie Janacek, Krenek und Weill greif bare Er-
folge brachte, wird demklugen Mann nurangenehm ge-
wesen sein. Die junge Musik hat Hertzka viel zu danken.
In Frankfurt starb nach langem Leiden Dr. Ludwig
Bottenberg, der friihere erste Kapellmeister der Frank-
furter Oper. Bottenberg stammte aus der Bukowina.
Er ring als Pianist an, ging aber bald zum Dirigenten-
fach iiber und kam nach kurzer Tatigkeit in Briinn
und Wien auf Empfehlung von Brahms und Biilow
an die Frankfurter Oper. Dort hat er jahrzehntelang
eine produktiv aufhauende Arbeit geleistet. Ihm ist
es zu danken, dafi die Frankfurter Oper in den
Jahren vor dem Krieg eines der lebendigsten deutschen
Operninstitute war. Bottenberg war ein sensibler und
kultivierter Dirigent, der das Pultstartum leiden-
schaftlich hafite. Er war ein werktreuer Musiker, und
er war ein Freund des Neuen und Jungen. Er setzte
sich mit Nachdruck fur die zeitgenossische Produktion
von Debussy bis Hindemith ein.
Prof. Dr. Hermann Springer ist Anfang Mai 60 Jahre
alt geworden. Dem Fiihrer der deutschen Musikkritiker,
dem hochgeschatzten Mitarbeiter des „Melos", dem
verstandnisvollen Freund aller jungen Musik, dem
stets hilfsbereiten Kollegen sei auch an dieser Stelle
Dank und Gluckwunsch ausgesprochen.
Am 4. Juni beging Erwin Lendvai seinen 50. Ge-
burtstag. Seine Bedeutung als Chorkomponist ist un-
bestritten. Sie fand in zahlreichen Aufiuhrungen und
sonstigen Ehrungen anlSfilich dieses Tages Ausdruck.
Landesmusikdirektor Johannes Schiller in Olden-
burg wurde unter gleichzeitiger Verpflichtung fiir
Konzerte als Nachfolger des Generalmusikdirektors
Band zum musikalischen Oberleiter des Stadttheaters
Halle (Saale) gewahlt.
Holies Madrigal- Vereinigung, Stuttgart, (Leitung
Hugo Holle) hat in den beiden letzten Jahren auBer
in Deutschland grofie Erfolge auf Konzertreisen in
Amerika, Holland, der Schweiz, Oesterreich und der
Tschechoslowakei gehabt.
208
In der Akademie der KiXnste in Berlin wurde an-
stelle von Prof. Liebermann, Dr. h. c. Max v. Schillings,
der seit 1927 Senator der Musikabteilung der Akademie
ist, mit grofier Mehrheit zum Prasidenten gewahlt.
Professor Dr. Hans Mersmann ist als Leiter der
musikalischen Sendungen an die Deutsche Welle be-
rufen worden. Mersmann baut die musikalische Arbeit
der Deutschen Welle in der Form eines vereinheit-
lichten Wochenprogramms auf. Teile dieses stiindig
wiederkehrenden Programms sind : „Das Musizieren
mit unsichtbaren Partnern" (Dr. Just), Arbeitsge-
meinschaften vor dem Mikrophon, ein ,,Musikalischer
Zeitspiegel" und eine „Wochenschau".
Nachwuchs
Der „Deutschen Musikbuhne" wurde ein Vorberei-
tungs-Studio angegliedert, an dem junge, entwicklungs-
fahige Buhnehbegabungen gegen geringe Vergiitung
eine Gesamtausbildung erhalten sollen.
Das Frankisclie Kammerorchester, Niirnberg, beab-
siclitigt, jungen, unbekannten Komponisten Gelegen-
heit zu geben, ihre Werke zur Diskussion zu stellen.
Auffiihrungsfreies, (? Die Bed.) gutgeschriebenes
Material erbeten an : Kapellmeister Markus Rumme-
lein, Niirnberg, Mittlere Pirkheimerstrafie 47. ]
Vom 1 4.-24. Mai fand in dem von Prof. Dr. Fritz Klatt
geleiteten Volkshochschulheim Prerow an der Ostsee
unter Mitwirkung von Professor Hoffmann-A\tona und
Professor Iversan-Kiel ein musikalischer Dbungskurs
statt. Vormittags waren praktische Gesangs- und
Instrumentaliibungen. Chorwerke des 16. Jahr-
hunderts und Blockflotenmusik des 17. Jahrhunderts
wurden neben moderner Chormusik geflbt. Nach-
mittags wurdenin arbeitsgemeinschaftlicher Form und in
Vortragen die Kunstelemente der Musik veranschaulicht.
Musik und Wirtschaft
Zur Schutzfristfrage hat die ordentliche Hauptver-
sammlung des Verbandes der Deutschen Musikalien-
handler zu Leipzig folgenden einstimmigen Beschlufi
gefafit: „Der Deutsche Musikalienhandel — Verlag
sowohl wie Sortiment — erhebt erneut und im Hin-
blick auf den schweren Existenzkampf, in dem er in
dieser Notzeit steht, mit verstarktem Nachdruck die
Forderungauf alsbaldigeEinfuhrungderfunfzigjahrigen
Schutzfrist. Er weifi sich in dieser Forderung eins
mit der Gesamtheit der deutschen Komponisten und
mit der 6'ffentlichen Meinung nahezu aller Kultur-
lander der Welt, denen die Gewahrung dieses moralisch
und wirtschaftlich gerechten und billigen Ansprucha
als Selbstverstandlichkeit und als Ehrenpflicht gegen-
uber den Schopfern und Verbreitern geistiger Werte
erscheint."
Ein Archiv fiir Musikwirtschaft und Musiktechnik
wird der Breslauer Technisclien Hochschule angegliedert.
Es sind vorlfiufig etwa 10000 Zeitungsausschnitte und
etwa 5000 Abbildungen zur Instrumentenkunde, Auf-
Melosnotizen
fiihrungspraxis, Musiktechnik, musikaliechen Kultur-
geschichte, ferner Musikerbildnisse,Tabellen,graphische
Darstellungen, ferner eine zur Zeit mehrere 100 Stiick
umfassende Sondersammlung von Zeitungs- und Zeit-
schriftenaufsatzen zur Musik- und Theaterkrise der
Gegenwart. Hinzu kommt eine Handbibliothek von
einigen tausend Banden und ein Schallplattenarchiv.
Das Archiv hat sich die Aufgabe gestellt, alles Nach-
richtemnaterial fur Musikwirtschaft, Musiktechnik und
allgemeine Musikkultur systematisch zu sammeln.
Leiter des Archivs ist Dr. H. Matzke.
Rundfunk
Die Schlesisclie Funkstunde Breslau hat in den
Orchesterkonzerten dieses Winters folgende Werke
zur Urauffiihrung gebracht: Hermann Baum : Oster-
sinfonie ; Herbert Brust : Konzert fur drei Saxophone
und Orchester ; Stefan Frenkel : Spielmusik fur
Streicher ; Wilhelm Grosz : Bankel und Balladen ;
Gerhard Strecke: Sinfonietta; Arthur Willner : Fugen-
Suite. Ferner horte man : Jerzy Fitelberg : Violin-
konzert ; Hans Gal : Zauberspiegel-Su'ite ; Paul
Hindemith : Konzertmusik fur Klavier, Blechblaser
und Harfe ; Zoltdn Koddly : Sommerabend ; Darius
Milhaud: Konzert fur Bratsche und Orchester; Hans
Pfitzner : Das dunkle Beich ; Paul A. Pisk : Partita ;
Kurt Thomas: 90. Psalm; Eugen Zador: Variationen
iiber ein ungarisches Volkslied.
Der Frankfurter Sender hat in den letzten Monaten
wieder eine Beihe neuer Werke zur Auffuhrung ge-
bracht. Wir erwahnen : Former: Konzert fur Orgel
und Streichorchester, Mussorgsky : Musik zu Gogols
.,Heirat", Ottmar Gerster : Concertino fur Solobratsche
und Kammerorchester, Schelb : Konzert fur Bafi-
clarinette mit 10 Instrumenten. Ernst Krenek schreibt
fur den Frankfurter Sender eine neue Blasmusik.
Hermann Hans Wetzler wird am 14. Juni im
Berliner Rundfunk die Urauffiihrung seiner Symphonie
Concertante fiir Solovioline und Orchester mit Prof.
Havemann als Solist dirigieren. Das neue Orgel-
konzert mit Streichorchester von Wolfgang Fortner
wird Anfang Juni unter Hermann Scherchen mit
Fritz Heitmann in der Berliner Funkstunde gespielt.
Die zwischen dem Kiinigsberger Opernhaus und
der Ostmarkenrundfunk A.-G. abgeschlossene Arbeits-
gemeinschaft hat in der Spielzeit 1931/32 zu einem
vollen Erfolge gefiihrt. Insbesondere der Opernbe-
trieb liefi sich ganz erheblich viel wirtschaftlicher ge-
stalten, sodafi eine aufierordentliche Entlastung der
Subventionsgeber erzielt werden konnte. Der Vertrag
wurde mit unwesentlichen Anderungen um ein weiteres
Jahr verlangert. Der Versuch, durch Zusammenarbeit
mit dem Rundfunk das einzige grofie Operntheater
des deutschen Nordostens zu erhalten und dadurch
gleichzeitig dem Rundfunk Vorteile zu verschaffen,
ist in Konigsberg gelungen. - Nicolai Lopatnikoff
Bpielte sein erstes Klavierkonzert im Ostmarkenfunk
in Konigsberg,
Der Mitteldeutsdie Rundfunk hat mit General-
musikdirektor Carl Schuricht ein Abkommen ge-
troffen, das ihn noch enger als bisher mit dem
Leipziger Musikleben und dem Bundfunk verbinden
wird. Neben den im Winterhalbjahr 1931/32 bereits
eingefiihrten 4 geschlossenen Vereinskonzerten im
Gewandhaus wird die Zahl der Leipziger Sinfonie-
konzerte in der Alberthalle im kommenden Winter-
halbjahr wieder von vier auf zehn erhoht werden.
Ferner wird Generalmusikdirektor Carl Schuricht
eine Beihe von Sendekonzerten des Mitteldeutschen
Rundfunks dirigieren. Der Rundfunk griindet weiter
aus Mitgliedern des Leipziger Sinfonieorchesters ein
Kammerorchester, dessen kiinstlerische Heranbildung
Carl Schuricht ebenfalls ubernommen hat.
Ausland
Amerika
Rudolph Ganz brachte in Chicago Hindemiths
„Junge Magd" und Tochs „Chinesische Flote" zum
ersten Male in englischer Sprache mit Margaret Gent
und einem Kammerorchester zur erfolgreichen Auf-
fuhrung.
Ernst Toeh hat auf Einladung der Pro Musica-
Gesellschaft als Interpret seiner Klaviermusik und
seiner Werke mit Klavier eine amerikanische Tournee
durch zahlreiche Stadte der Vereinigten Staaten von
New- York bis San Francisco absolviert, die bei Pub-
likum und Presse ungewohnlichen Nachhall hatte.
Samtliclie Kiinstler der New-Yorker Metropolitan
Opera haben eine 25proz. Kiirzung ihrer Gage an-
genommen. Der Fehlbetrag der Oper in der abge-
laufenen Spielzeit belauft sich auf insgesamt 550000
Dollar.
Danemark
Fritz Mahler wurde von der Direktion des
danisclien Rundfunks als Dirigent an den Kopen-
hagener Sender verpflichtet. Er beginnt seine Tatig-
keit, die die Leitung von Konzerten und Opern-
sendungen umfafit, am 1. September.
Das Konigliche Opernhaus in Kopenhagen bringt
in der nachsten Saison Weinbergers ..Schwanda",
Rezniceks ,, Spiel oder Ernst" und Bartoks „Holzge-
schnitzter Prinz" zur Erstauffuhrung.
England
Der Londoner Rundfunk veranstaltete ein Konzert
mit moderner Wiener Musik. Zur Auffuhrung kamen
die ,, Variationen" von Krenek, die .,Drei Bruchstiicke
aus Wozzeck" von Alban Berg und die .,Passacaglia"
von Webern. Am 27. Mai veranstaltete der Londoner
B. B. C. eine Wiederholungs-Aufluhrung des Bequiems
von d'Erlanger.
Frankreich
Hindemiths Spiel fiir Kinder „Wir bauen eine
Stadt" kain zum zweiten Mai in Paris in franzo-
sischer Sprache zur Auffuhrung und wurde begeistert
aufgenommen.
Darius Milhaud hat die Vertonung zweier Elegien
von Goethe beendet.
209
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Melosnotizen
Italien
Die italienische Regierung veranstaltet Mitte
September in Venedig ein Internationales Musikfest
mitzeitgenossischen Kompositionen. Fiir den deutschen
Abend wurde Fritz Busch als Dirigent aufgefordert,
dessen Bemiihungen es gelungen ist, als Orchester
die Dresdner Philharmonie zu verpflichten, die bei
dieser Gelegenheit erstmalig in Italien konzertiert.
Das Programm enthalt Werke von Todi, Hindemith,
Adolf Buscli, Variationen und Fuge fiber ein deutsches
Volkslied von Gottfried Miiller und „Die Flote von
Sanssouci" von Paul Graener.
Sdiwciz
Der neue Ihtendant des Ziiricher Stadttheaters,
Karl Schmitt-Blos, bringt als erste Novitat Kurt
Weills „Burgschaft" (Schweizer Erstauffuhrung).
Die Stadt Basel veranstaltete in der Zeit vom
21. — 29. Mai eine Festspielwoche. Die grofien Musik-
institute der Stadt hatten sich zusammengetan, um
Meisterwerke italienischer Komponisten aufzufiihren.
Im Stadttheater wurden Rossinis „Barbier von Sevilla",
Verdis „Fallstaff '•, Donizettis „Don Pasquale" und die
„Serva Padrona" von Pergolesi gegeben, zum Teil
in der Originalsprache. In die Leitung teilten sich
Dr. Felix Weingartner und Gottfried Becker; die
Spielleitung hatte Direktor Dr. Walterlin inne. Ein
Sinfoniekonzert unter Weingartner, Verdis „Requiem"
unter Hans Munch, zwei Chor-, Orchester- und
Orgelkonzerte unter Adolf Haram und Paul Sacher,
endlich eine Kammermusikmatinee (Lenerquartett)
erganzten die Festspielwoche.
Ungarn
Paul Kadosa verzeichnete in letzter Zeit mit
mehreren Werken eine ganze Serie erfolgreicher
Auffuhrungen. So gelangte die „Partita" fiir Violine
und Klavier, die jetzt auch Joseph Szigeti in sein
Repertoire aufnahm, in Budapest, die „A1 Fresco"-
Suite im Budapester und Bukarester Rundfunk zur
Auffiihrung. Auch die zweite Klaviersonate, die
„Ungarischen Volkslieder" und die „Bauernfiedel"
fanden in mehreren Budapester Konzerten grofien
Anklang.
Alexander Jemnitz dirigierte in Budapest „Baby
in der Bar" von Wilhelm Graz mit solchem Erfolg,
dafi der Abend wiederholt werden mufite. Ferner
gelangte eine Sonate fiir Saxophon und Banjo von
Jemnitz mit starkem Erfolg zur Auffiihrung.
SGHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
AHe Sendungen fur die Schriftleitungu.Besprechungastu eke nach Berlin-Gharlottenburg2, Berliner Strafie 46 (Femruf Fraunhoferl371)erbeten.
Die Schriftleitung bittet vor Zusendung von Manuakripten um Anfrage mit Ruckporto. AHe Rechte fur samtliche Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich fiir den Teil „Musikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN; fiir denVerlag: Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ/
Verlag : MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten 5 ; Fernspr : Gutenberg S29, 530 ; Telegr. : MELOSVERLAG •, Postacheck nur Berlin 19 425 /
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Die Zeitachrift eracheint am 15. jeden Monats. - Zu beziehen durch alle fiuch- und Muaikalienhandlungen oder direkt rom Verlai,
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Anzeigenpreise : '/• Seite 90.- Mk. '/, Seite 54.- Mk. '/< Seite 31.50 Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. Auftrage an den verlag
Diesem Heft liegen bei :
„Der Weihergar ten", Verlagsblatt des Hauses B. Schott's Sohne, Mainz (II. Jahrg. Nr. 5/6)
Katalog „Z ei tgenossisch e Musik" aus dem Verlag B. Schott's Sohne, Mainz (Jahresbericht 1932)
ein Prospekt iiber die im Verlag B. Schott's Sohne, Mainz, erschienenen Werke von Erwin
L e n d v a i.
ein Prospekt fiber die im Verlag B. Schott's Sohne, Mainz, erschienenen Werke von ArminKnab.
eine Kunstdruckbeilage einer bisher unveroffentlichten Aufnahme von Igor Strawinsky anlafilich
seines 50. Geburtstages am 18. Juni.
!i&> . Divertimento a
7 '4
Urauffuhrung
m Otob
= | Dauer: 20 Minuten |
= Verlangen Sie die Partitur
HlllllllllllTllllll zur'Ansicht von
fiir Kammerorchester =
!/f%i von M A X I
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Spieldauer: etwa 25 Minuten
Partita far Klavier und kleines Orchester
Klavier-Auszug
Ed.
Schott Nr. 2160 M. 5.—
Spieldauer: etwa 16 Minuten
Orchester :
Sinfonieiia
Concerto grosto
Partitur (4°) .
Spieldauer : etwa 15 Minuten
Ed. Schott Nr. 3330 M. 40.—
Spieldauer : etwa 16 Minuten
I^S7| Rebus, Ballett-Suite fQr Orchester
Auffiihrungen in Paris, Boston,
Washington (Kousseviizky)
Spieldauer : etwa 50 Minuten
Neue Jugend-Chormusik
ssau-Seitz : Eisenbahnepiel fiir Soli, Chor
und Geigen.
Klavier-Auszug M. 3. — / Chorstimmen je M. — .30
Uber SO Auffiihrungen.
ffer-Seitz: Matrosenspiel fiir Soli, Chor und
Klavier oder Schulorchester.
Klavier-Auazug M. 3, — / Chorstimmen je M. — .30
). Ad. Stemmle und Allan Gray:
Welle ABC. Ein neues musikalisches Spiel
fur Soli. Chor und Schulorchester.
Ilvaufiiihrung : Berlin,VolkBbiihne 29. Mai 1 932.
KammermuiiK : '■■--■■" M *-
Serenade fiir Violine, Klarinette (B) und Fagolt
Siudien-Partitur Ed. Schott Nr, 3503 M. 2.— (NP)
Siimmen . . Ed. Schott Nr. 3159 M. 4.50 (NP)
\Neun Galop fiir Oboe, Klarinette, Fagott, Trom-
pete, Schlagzeug, Violine, Violoncello u. Klavier
Spieldauer : etwa 4 Minuten
Chor :
Cantaie fiir Sopran-Solo, Mannerchor u. Orchester,
Text von Jean Cocteau (franzosisch)
Klavier-Auszug . Ed. Schott Nr. 3247 M. 4.—
Auffuurungamateriale, soweit keine Freise angegeben sind, nach Vcreiiibai-ung.
Spieldauer : etwa 20 Minuten
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fiir Klavier
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VIER LIEDER
fiir eine Singstimme (hoch) m. Klavier
Rondeau (Alfr.de Mutiet) . M. 1.50 (NP)
(fram.-dtsch.-engl.)
Chanson a'nn fou M. 1.50 (NP)
(franzos. - deutsch)
Icibas(ArmandSylvestre) . M.1.50(NP)
(franz.-dtsch.-engl.)
Zephir (Th. de Danville) . M. 1.50 (NP)
(franz.-dtsch.-engl.)
Diese erstmalige VerQffentlichung siellt far Masiker
und Musikfreunde eine Gabe von unschatzbarem
Werle dar; dem Pianiaien und Sanger werden
neue, auSerordentlich dankbare Werke geboten.
B. Scholt's Sohne • Mainz
Leipzig / London / Paris / NewYork
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Ed. Bole & G. Bock
der Ihnen durch Clber-
sendung von Prospekten
u. Ansichtssendungen bei
Zusammenstellung der
Programme fur die
I
SAISON 1932/33
behllfllch sein wird.
Herren |
ED. BOTE & G. BOCK, BERLIN W- 8
Ich bitte um Zusendung derfolgenden Prospekte:
(Nichtgewunschtes istgestrichen !)
Orchesterkatalog / D'AIbort-Verzeichnis /
Werke von Max Reger / Chorwerke (alt u.
neu) / InstrumentaTmusik / Graener-Ver-
zeichnis / Klavierauszug-Prospekt / »Der
Aufstieg« Verlagsnachrichten
Bemerkungen
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Wohnort:
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211
w^nf^ppppinj
Melosnotizen
ft ^
Italien ^^^™ ^^^^^^^^
Die italienische Regierung veranstaltet IV
September in Venedig ein Internationales Musil'% A/ /V l_l LJ I C
rait zeitgenossiachen Kompositionen. Fur den deutsf""'*' "» I L.
Abend wurde Fritz Busch als Dirigent aufgefor<
dessen Bemuhungen es gelungen ist, als Orchil
die Dresdner Philharmonie zu verpflichten, die
dieser Gelegenheit erstmalig in Italien konzerl
Das Programm enthalt Werke von Todi, Hinder,
Adolf Busdi, Variationen und Fuge iiber ein deuts
Volkslied von Gottfried Mutter und „Die Flote
Sanssouci" von Paul Graener. 5 { e
Sdiweiz ,,
Der neue Intendant des Zuricher' Stadtthet
Karl Schmitt-Rlno k-in e 4.. ,.1 Mricn, Leipzig, Liittich
(Int. Musikfest), Basel (dreimal). Ulm, Bern, Brucbsal,
Genf, Lausanne, Neuchatel, Konigsberg und Riga
— Neil! Op. 37 „Li-tai-pe", Acht chinesische Gesange.
(Nachdicbtung von Klabund), fur eine Tenorstimme
und Orchester
Aufgefiihrt in Zurich, Solothurn (Schweizer. Ton-
kiinstlerfest). Wiesbaden
BRUN, Fritz, Sinfonic (Nr. 2) in B-Dnr
— Sinfonie (Nr. 3) in d.JIoll
— Sinfonie (Nr. 4) in E-Dur
FLURY, Rich. Fastnachts-Siiifonie (nach einer
Ballade von C. R. Enzmann)
Auffiihrungen in Solothurn, Bern 1 , Luzern, Wien,
Basel und in Kobe (Japan)
GEISER, Walter. Op. 5 Onvertiire zn einem Lnst-
spiel
Aufgefiihrt in Berlin, Basel, Bern (zweimal und am
Tonkiinsllerfest), Zurich, St, Gallen, Winterthur,
Schaffhausen, Luzern
HEGAR, Friedr. Op. 25 Fest-Ouvertiire
HTJBER, Hans. Op. 1 15 Boeklin-Sinfonie in e-Moll
— Op. 118 Heroische Sinfonie (Nr. 3) in G'-Dur
— Sinfonie (Nr. 7) in fl-Mnll (Schweizerische)
— Zweite Serenade (Winternachte)
— Konzert (Nr. 4) in B- Dnr fiir Klavier nnd Orchester
LAQUAI, Rein!.. Onvertiire zn einer altenKomii die
MANTEGAZZI, G. B. „Ticino", Festhymne
Men! REITER, Josef. Op. 152 Goethe- -iinfonie in
C-Moll fur grofies Orchester, Mannerchor und Orgel
Aufgefiihrt in Wien (3), Milnchen (2), Stuttgart,
Weimar (Goethefeier)
SCHOECK, Othm, Op. 1 Serenade (fiir kleines Orchest.)
— Op. 21 Konzert (Quasi una faniasia) in B-Dnr
fiir Violine und Orcliester
SUTER, Herm. Op. 17 Sinfonie in d-Moll
— Op. 23 Konzert in A-Dur fur Violine und Orcheiter
VOLBACH, Fritz. Op. 33 iinfonie in li-Moll
Nen! WAGNIERE-HORTON, M. Snite helvetiquo
pour Orchestre. I. Au bord du lac (Moderato).
II. Barcarolle.. Ul. Sur les Cimes (Maestuso)
KAMMER-
MUSIK
ANDREAE, Volkm. Op. 9 Streichqnartett in B-Dnr
— Op. 14 Zweites Trio in E s-Dur fiir Klavier, Violine
und Violoncello
— Op. 29 Streichtrio in d-Moll
— Op. 33 Streichqnartett (Nr. 2) in e-Moll
BRUN, Fritz. Streichqnartett in G-Dnr
DAVID, K. H. Op. 17 Trio fiir Klavier, Violine und
Violoncello
FLURY, Rich. Streichqnartett in d-Moll
GEISER, Walter. Op. 6 Streichqnartett
HAESER, Georg. Op. 29 Kanon-Snite fiir Streich-
qnartett
HTJBER, Hans. Op. 110 Quartett in B-Dnr fiir Klavier,
Violine, Viola und Violoncello
— Op. 117 Zweites Quartett in E-Dnr fiir Klavier,
Violine, Viola und Violoncello
— Op. 136 Qnintett fiir Klavier, Flote, Klarinette, Horn
und Fagott
— Sextett in B-Dnr fiir Klavier. Flote, Oboe, Klari-
nette, Fagott und Horn
— Streichquartett in F-Dnr fiir zwei Violinen, Viola
und Violoncello
Nen! JESINGHAUS, W. Op. 32 A Kleines Trio fiir
Violine, Viola und Violoncello
KOTSCHER, Hans. Op. 2 Serenade fiir Streich-
orchester
LAQUAI, Reinhold. Streichtrio in G-Dur fur Violine,
Viola und Violoncello
Nen 1 LAVATER, Hans. Streichquartett in g-MolL
Nen I MARTIN, Frank. Klaviertrio iiber irlandische
Volkslieder
Neu ! MOESCBTNGER, Albert. Op. 10 Divertimento
— (Streichtrio)
SCHOECK, Othm. Op. 23 Streichqnartett in D-Dur
SUTER, Herin. Op. 10 Zweites Quartett in cis-Moll
fiir zwei Violinen, Viola und Violoncello
— Op. 18 Sextett in C-Dur fiir zwei Violinen, A'iola,
zwei Violoncellos und Kontrabali
— Op. 20 Drittes Streichquartett in G-Dnr (Amsel-
rufe) iiir zwei Violinen, Viola und Violoncello)
yOLBACH, Fritz. Op. 36 Qnintett in d-Moll fiir
Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello
WEHRLI, Werner. Op. 8 Streichqnartett in G-Dnr
ZOLLNER, Rich. Op. 4 Eine kleine Kammersinfonio
fiir zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabafi
Auswahlsendung durch jede Musikalienhandlung und vom Verlag
6ebmder HU6 & Co., Zurich und Leipzig
212
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Nach Auffiihrungen in: Pyrmont /Berlin / Hamburg / Stutt-
gart / Warschau (2 mal) / Hilversum / Breslau / Niirnberg
Erfurt / Konigsberg.
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in der nachsten Saison.
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„Eine Schopfung aus einer wirklichen Erleuchtung heraus".
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Erfolgreiche Werke
fur Kammer-Orchester :
Paul Hoffer: Partita fur 2 Streichergruppen
Karol Rathaus : Vorspiel f. Streicher u. Trompete
Wladimir Vogel : Suite f. Streichorch. u. Pauken
(Fassung 1932)
Soeben erschienen:
Edmund v. Borck: Konzert f. Altsaxoph. u. Orch.
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Berlin-Charlottenburg, Mommsenstrafie 43
Neue Kinderspiele
Neue Jugend-Chormusik
Dessau-Seitz : Eisenbahnspiel fiir Soli, Chor
und Geigen.
Klavier-Auszug M. 3. — / Choratimmen je M. — .30
Uber 50 Aufluhrungen.
Iloffer-Seitz: Matrosenspiel fiir Soli, Chor und
Klavier oder Schulorchester.
Klavier-Auszug M. 3, — / Chorstimmen je M. — .30
Rob. Ad. Stemmle und Allan Gray:
Welle ABC. Ein neues musikalisches Spiel
fiir Soli. Chor und Schulorchester.
Uraufl'iihrung : Berlin,Volksbiihne29. Mai 1932.
Klavier-Auazug M. 5. —
Bekenntnis der neuen Jugend: Chor von der
grofien Kameradschaft aus Stemmle-Gray :
^Kampf um Kitsch" und Welle ABC.
Klavier-Auazug M. 2. —
Paul Hoffer: „Ich selbst mufi Sonne sein".
Kantate fiir gemischten Chor und Streicher.
Nach Spruchen von Angelus Silesius. Urauf-
gefiihrt im Zentralinstitut fiir Erziehung und
Unterricht Berlin.
Klav.-Auaz. M. 3.— ,' Chorst. M. —.50 / Stimmen je M. — .40
EDITION BENNO BALAN
Berlin-Charlottenburg, Mommsenstrafie 43
Nikolai
J opatnikoff
1903 in Reval geboren, studierte am Petersburger Kon-
servatorium, in Helsingfors und bei Ernst Toch, Sein
Schaffen ist zum grofien Teile aus slavischer Quelle
gespeist ; Rhythmus und Melodie erhalten dadurch ihr
elementares Geprage. Die auch in der Oeffentlich-
keit steigende Wertung seines Schaffens spiegelt
die wachsende Zahl von Auffiihrungen seiner Werke.
= Klavier:
Fiinf Kontraste, op. 16 . . .
Klavier-Konzert Nr. 2, op. 15
Klavier-Auszug
im Verlage
B-Schotts Sonne
Mainz
Ed. Nr. 2136 M. 3.50 3
Ed. Nr. 2138 M. 8.— I
Nachste Auffuhrung avf dem diesjahiigen Musikfest der
„Internationalen Gesellsditift fur Neue Musik" in Vien.
= Violineu. Klavier: *fc"-' Drei Stucke, op . 17 . . Ed. Nr. 2185 m. 3— (np) jm
= Toccata — Canzonctta — Burlesca =
I. Sinfonie, op. 12 . . Partitur (4°) Ed. Nr. 3334 M. 50.— =
Neu! Kleine Ouvertiire, op. 14 1
^ Orchester:
| Auffuhrungsmaterlale, sowelt kelne Prelse angegeben slnd, nach Verelnbarung
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213
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KADOSA
Bauerhfiedel, op.ief
7 Stticke far Violine und Klavier (I. Lage)
Ed. Nr. 2184 . . . M. 2.— (NP)
Inhalt: Bubenstreich / Sie trotzt / Spotllied / Lied des Bur-
schen / Platzmusik / Kleine Ballade / Tanz aufderWiese
Kadosa reift von Werk za Werk. Diese leiahten Violin-
stiicke, wie alle seine MusUt in nngarischem Volkstum ver-
ankert, qehoren zu den besten Zeiiqnissen mode/ nerMusik
Kiirzlich erschienen fiir Violine und Klavier:
UngarischeVolkslieder, op. 16c, Ed. Nr.2l89M.2- (NP)
B. Schott's Sohne • Mainz
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AUS DEM VERLA.G
B. SCHOTT'S
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Soeben erschienen
Das Hauskonzert Heft 5:
Joseph Haydn
Divertimento
mTTTuiTTTiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiHiiiiiiHiHiiniiiiiiMiiiiiiiliiiiiihiiliiliiiiiillli
fur
2 Klarinetten und 2 Horner
oder andere
Melodieinstrumente
(Streicher oder Blaser)
herausgegeben von
Herman Reichenbach
Stimmensatz . . . RM. 1.—
Ein frisclies, leicht spielbares Werk, daa
ala Tafelmusik oder Serenade gedient
haben mag. In seiner Ursprflnglichkeit
kann es auch heute besonders dem Zu-
sammenspiel von Dilettanten auf die
verschiedenste Weise dienen.
Die Waldhorner sind ersetzbar durch
Fliigelhorner, Saxophone, Posaunen, Bafi-
klarinetten oder Fagotti ; die Klarinetten
sind ersetzbar durch Floten, Oboen oder
Trompeten ; der ganze Quartetteatz ist
schliefilich auch als Streichquartett zu
spielen,wofur eine Violastimme beigegeben
ist ; schliefilich auch mit 4 Violinen oder
2 Floten und 2 Violinen.
Mit diesem Werk erfahrt die Haydn-
literatur eine leicht zugangliche wertvolle
Erganzung.
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erschienenen Hefte dieser Sammlung.
Georg Kallmeyer Verlag
Wolfenbuttel / Berlin
Wilhelm Hansen Verlag
Kopenhagen / Leipzig
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Ein neucr Erfolg!
Wolfgang
Fortner
Konzert
fur
und
Orgel
Streichorchester
Partitur Ed. Schott Nr. 3320 M. 4. - (NP)
(Spieldauer : etwa 22 Minuteu)
Dber die Urauftuhrung
im Frankfurter Rundfunk
unter Hans Rosbaud
mit Herbert Haag:
» , . . Das Weikbeginnt mit einem Praludium,
das in sehr wirkungsvoller Weise einen feier-
lichen Streichersatz mit den spielerischen
Arabesken der Orgel kontrastiert. In die ganz
strenge Feaselung der Passacaglia begibt sich
der zweite Satz, dessen weit geschwungener
Ostinato zunachst vom Streicherchor in heller
Architektur uberbaut wird, um dann von einem
kuhnen Doppelspiel der Orgel umrankt zu
werden. Dritter Satz eine kiihn vorwarta-
sturmende Doppelfuge, voll interessanter "Wen-
dungen . . . Das ganze Werk ist mit grofiem
Temperament, mit erstaunlickem Konnen
gesclirieben . . . «.
K. Laux
(Neue Badische Landeszeitung)
Friiher erschienen :
Wolfgang Fortner
Toccata und Fuge fur Orgel
Ed. Schott Nr. 2101 M. 2.50
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B. Schott's Sohne / Mainz
ERNST PEPPING
1901 in Duisburg geboren. Im Mittelpunkt seines Scbaffens
stehen seine Vokalkorapnsitionen, die ilim bereits eine Keilie
bedeutender Erfolge, darunter unluOlicli verseliiedeiier Musik-
festc, brachten. Hr ist MuisttT dev Polypbonie und verbindet
die Strenge eines selir personlieiien Ausdmcks mit dcm Adel
seiner Gesinnung zu einem stilistiscli fustgeprilgten Kunstwerk.
Chor :
ChoraUuiie fur grofien u. kleinen gemischten Chor.
Teil I : Wir glauben all an einen Gott fiir
4stimmigen kleinen und Sstimmigen grofienChor
Teil II: 1. Den die Hirten lobten sehre fiir
3stimmigen kleinen und 6slimmigen groS.'Chor /
2, Herzliebster Jesu fiir 8st. Chor (Doppelchor) /
3. Christ ist erstanden fur 5stimm. kleinen Chor
Teil 111: 1. Ach wie nichtig, ach wie fliichtig
liir 3- bis Sstimmigen kleinen und 4- bis Sstim-
migen grofjen Chor / 2. Die giildene Sonne fur
5stimmigen kleinen Chor / 3. Nun sich der Tag
geendet hat fiir 12stimmigen gronen Chor
Vollstandige Partitur . Ed. Nr. 3236 M. 10.—
Singpartituren zu jed.Chor einzeln nachVereinb.
Deutsche Choralmesse fiir 6stimmigen gemischten
Chor Paititur Ed. Nr. 3241 M. 2.50
1. Nun bitten wir den heiligen Geist / 2. Allein
Gott in der Hon* sei Ehr' / 3. Wir glauben all'
an einen Gott / 4. Kommt her, ihr Elenden /
5. O Lamm Gottes, unschuldig / 6. Verleih uns
Frieden gnadiglich
Singpartituren zu jed. Chor einzeln nach Vereinb.
Choralbuch. 30 Choralkanons fur gem. Chor a capp.
1. Allein Gott in der Hoh' sei Ehr' / 2. Allein
zu Dir, Herr Jesu Christ / 3. An \V"asserflussen
Babylon / 4. Aus hartem Weh klagt mensch-
lichs Gschlecht / 5. Aus tiefer Not schrei ich
zu Dir / 6. Christ ist erstanden / 7. Christum
wir sollen loben schon / 8. Der du bist drei in
Einigkeit / 9. Der Heiden Heiland komm her /
10. Erhalt uns Herr bei Deinem Wort / li. Freu
dich, du werte Christenheit / 12. Freu dich,
heilige Christenheit / 13. Gelobet seist Du,
Jesu Christ / 14. Gib dich zufrieden und sei
stille / 15. Herr Christe. treuer Heiland wert /
16. In Dich hab ich gehoffet, Herr / 17. Jesu,
deine Passion / 18. Komm heiliger Geist, Herre
Gott / 19. Mit Fried und Freud ich fahr dahin /
20. Mitten wir im Leben sind / 21. O Haupt voll
Blut und Wunden I / 22. O Haupt voll Blut
und Wunden II / 23. O Mensch, bewein dein
Sunde grofi / 24. Schmuckt das Fest mit Maien /
25. Sei Lob und Ehr dem hOchsten Gut / 26. Vater
unser im Himmelreich / 27. Von Gott will ich
nicht lassen / 28. Wenn mein Stiindlein vorhanden
ist / 29. Wer nur den lieben Gott lafit walten /
30. Wie schon leucht' uns der Morgen stern.
Partituren zu Nr. 6, 20, 23 je M. 1.-, zu Nr. 5, 8, 9, 10,
13,24. 25,23jeM.-60; zu all.ubrigenNrn.jeM.-.80
Singpartituren (bei Mehrbezug-j zu Nr. 6, 20, 23
je M. —30; zu alien iibriien je M. —.25.
2£ii Klavier :
Sonatine Ed. Nr. 2180 M. 2.50 (NP)
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215
Kompositionen von
OTHMAR SCHOECK
Op. 1
Op. 2
Op. 3
Op. 4
Op. 5
Op. 6
Op. 7
Op.
8
Op.
9
Op.
10
Op.
11
Op.
12
Op.
13
Op.
14
Op.
15
Op. 16
Serenade fur Id. Orchester, Orchester-Partitur
EM. 7.50, Orchesterstimmen RM. 12.—. „Ein
zierliches, liebenswiirdiges Ding, das seinen
besonderen Wert erthalt durch den Reichtum
an mit Humor behandelter Kontrapunktik.
Prof. Dr. K. Nef, Basler Nachrichten.
Drei Schilflieder von Lenau fur eine tiefe
Stimme. 1. Driiben geht die Sonne scheiden,
2. Triibe wird's, die Wolkeii jagen. 3. Auf ein-
samem Waldespfade. Je RM. —.80 / 1 —
Seclis Gedichte von Uhland. 1. Ruhetal, 2. Die
Kapelle, 3. Abschied, 4. Lebewohl, 5. Scheiden
und Meiden, 6. Aul den Tod eines Kindes. Je
RM. —.60 / 2.—
Drei Liedcr von Heine. 1. Sommerabend, 2.
Warum sind denn die Rosen so blafi? 3. Wo?
(mit obligater Violine.) Je RM. 1.— / 1.20.
Drei Gedichte von Lenau. 1. Himmelstrauer,
2. An die Entfernte,3. Friihlingsblick. Je RM. 1.—
Seclis Lieder fur hohere Stimme. 1. Die
Verlassene (Schwab. Volkslied), 2. Schifferlied-
chen (G. Keller), 3. Vor der Ernte (C. F. Meyer),
4. Alle meine Wiinsche schweigen (Paul Schoeck),
5. Marienlied (Novalis), 6. Mandolinen (Verlaine).
Je RM. —.80 / 1.20.
Drei Liedcr fur tiefere Stimme. 1. Bei der
Kirche (Armin Riieger), 2. Septembermorgen
(MBrike), 3. In die Herberge (aus dem Schi-King).
Je RM. —.60 / —.80.
Vier Gedichte von Herm. Hesse. 1. Elisabeth,
2. Aus zwei Talern, 3. Auskunft, 4. Jahrestag.
Je RM. -.80 / 1 —
Zwei Gesange fur Bariton. 1. Die Verklarende
(Michelangelo). 2. Du, des Erbarmens Feind
grausamer Tod (Dante). Je RM. —.80 / 1.20.
Drei Gedichte von Eichendorff. 1. Erinnerung
2. Die Einsame, 3. Guter Rat. Je RM. —.80 / 1— .
Drei geistliche Gesange fur Bariton u. Orgel-
1. Psalm (Paul Schoeck) „Liebe ist Wahrheit",
2. Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte", 3. Psalm
100 .Jauchzet dem Herrn". Je RM. 1.20 / 2.—
Zwei Wanderlieder von Eichendorff. 1. Reise-
lied,2. Wanderl. d. Prager Studenten. Je RM. 1.80.
Drei Lieder von Heine und Wilh. Busch. 1. Ver-
giftet sind meine Lieder, 2. Ja, du bist elend,
3. Dilemma. Je RM. —.80 / 1.—.
Vier Lieder fur tiefere Stimme. 1. An meine
Mutter, 2. Das Schlummerlied, 3. Sch5ner Ort,
4. Schlafen, nichts als schlafen. Je RM. - .80 / 1—.
Seclis Lieder fur mittlere und hohere Stimme.
1. Der Waldsee, 2. Nun quill aus meiner Seele,
3. Friihlingsfeier, 4. In der Fremde, 5. Erster
Verlust, 6. Peregrina. Je RM. —.80 / 1.20.
Sonate in D-Dur fur Violine mit Klavierbeglei'
tung RM. 5.—. „Ein irisches Werk von drei
Satzen". 1. Satz etwas elegisch, guter Fiufi, gute
Steigerung. 2. Satz pastoralen Charakter ....
3. Satz ein ausgelassenes, lustig grazioses Thema,
das kanonisch weitergefilhrt wird. Jugendfrisch.
Blatter fur Hans- und Kirchenmusik.
Op. 17 Acht Lieder. 1. Im Sommer (hoch), 2. Im
Herbste (mittel), 3. Der Kirchhof im Friihling
(mittel), 4. Peregrina II (mittel), 5. Gekommen
ist der Maie (tief), 6. Auf einer Burg, (tief),
7. Erinnerung (hoch), 8. Der frohe Wanders-
mann (hoch). Je RM. -.80 / 1.50.
Op. 18 Der Postilion, fur kleinen Chor von Manner-
stimmen, Tenorsolo und Orchester Oder Piano-
forte. Klavier-Auszug RM. 3.—, Chorstimmen
a RM. —.30, Orchestermaterial leihweise. ,.Ein
poctisches Notturno von zauberhafter Zartheit der
Empfindung, gepaart mit jener volksliedhaften
Anmut, die der popularen Wirkung die Wege
ebnet. Chor und Orchester stehen dabei in einer
losen Verbindung, die vielleicht den originellsten
Reiz des Stiickes bedeutet."
Hans Jemoli, in der Zuricher Post.
Op. 21 Konzert fur Violine und Orchester, B-Dur,
Klavier-Auszug RM. 5.—, Orchestermaterial leih-
weise. „Ein iiberaus ansprechendes, durchsich-
tiges und auch wirkungsvolles Werk von gliick-
licher Erfindung der Thcmen und vergnuglicher
Ausspinnung dieser gliicklichen Finfalle. Das
Ganze ist mehr eine Fantasie in Konzertform,
eine heitere Folge echt Schoeckscher Lieder,
von Geige und Orchester gesungen, statt von der
menschlichen Stimme' 4 .
E. I., in der Schweiz. Musikzeitung
Op. 22 Dithyramhe fur Doppelchor (gemischten) und
Orchester. Orchester-Part. RM. 12.—. Klavier-
Auszug RM, 4.50, Orchesterstimmen RM. 23. — ,
Chorstimmen RM. — .60. „Ein dankbares Chor-
sttick fiir grofiere Vereine".
Leipziger Nachrichten.
Op. 23 Streichquartett fiir zwei Violinen, Viola und
Cello. Taschenpart. RM. 1.50, Stimmen RM. 9.—.
„Er halt alles in den Bahnen, auf denen Spiel-
freudigkeit und Wohlklang gedeihen*'.
Luzerner Tagblatt.
Op. 24 Wegelied fiir Mannerchor und Orchester.
Orchester-Part. RM. 12.—. Orchesterstimmen
RM. 18.—, Klavier-Auszug RM. 2.—, Stimmen
RM. —.35, auch franzosisch: „Chansonde route",
Partition pour choeur d'hommes RM. — .45.
s' Seeli (Lienert) fiir Mannerchor a capp. Blattpartitur
RM. — .15, Dasselbe fiir gem. Chor iibertragen
von Aug. Oetiker. Blattpartitur RM. - .20.
Schoeck-Album. 26 ausgewahlte Lieder Schoecks in
2 Banden. Preis je R^I. 4.— . „Nach manch lyri-
schem Schwulst kam ich endlich wieder an einen
Wahrhaften und Aufrechten. Die hier in zwei
schonen Heften vereinigten Lieder des Schwei-
zers Othmar Schoeck sind wirklich welche, und
es ist kein geringei Genufi, sie durchzusehen^
die einen, bekannlen, wieder in neuer Gewandung
zu begrufien, die anderen, noch fremden, kennen
zu lernen. Nirgends stdfit man da auf Unnatur,
Ueberheblichkeit Oder Gespreiztheit. In echtem
GefiihlserguD geben sich die Melodien, zu denen
die Pianofortebegleitung als instrumentale Folie
auftritt, und nur hier und da einmal in immer
eigenartiger Weise Licht Oder Schatten mitteilt'i.
All. Musikzeitung, Berlin.
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Zu beziehen durch jede Musikalienhandlung sowie vom Verlag
Gebriider HUG & Co., Zurich und Leipzig
216
BUie beniehen Sie stdi bet alien Anftagen auf MEL OS
Hermann Rcuttcr
l'JOJ in Stuttgart grborcn, is-t hrufe brmts eine der slarkhtpn, fc^tumrisscnen Pcrsunlichkeiten
der jungen Generation. — Unter den zurGckliefrenden
Werken Rentiers ist die auf dcm diesjahrigen Tonkunstlerfest
dps ..Allgempinen Di-utschen Musikvereins" in Zurich z-nr
Auffuhrung geiangpnde „Missa brevis" eines der starksten.
Klavier:
Fantasia apocalyptica, op. 7 Ed. Nr. 1790 M. 4 —
Variationen fiber das BadVscbe Chorallied „Komm,
suiter Tod", op. 15 .... Ed. Nr. 1791 M. 2.50
Kleine Klavierstiicke, op. 28 Ed.Nr. 1415M. 2.50
Variationen uber: „Kuckuck, Kuckuct" und „Sdilaf, Kindlein,
schlaf" / Ernstes Lied t Lusiiges SiDck | Vier Nachtsrucke
Tanz^Suite, op. 29 .... Ed. Nr. 1416 M. 2.50
Landler / Walzer aus der Feme / Tarantella / Spanisdier
Tanz / Valse Boston / Shimmy
Die Passion in 9 Inventioneri, op. 25
Ed.Nr. 2137 M.2.50
Vioiine und Klavier:
Sonate, op. 20 . Ed. Nr. 1932 M. 5.—
Kammer-Ordiester:
Konzert fur Klavier und Kammer«
ordiesfer, op. 19
Partitur <4"> . Ed. Nr. 3369 M. 20.—
Auffuhrungsmaterial nadi Vercinbarung.
Neu Ordiester:
Konzert fiir Ordiester mit obligatem
Klavier (in Vorbereitung)
Neu Violin^Konzert <in Vorbereit.)
Gesang:
Russisdie Lieder, Heft I, op. 21, fur
eine hohe Stimmc und Klavier
Ed. Nr. 2042 M. 4 —
Verklarunf; (Tjontschew) I Strom der Tranen
(Tjontschew) / An die Heimat (Tjontschew) /
Das Bauerlein (Cnlzow) I RUekblick(Jessenin)/
AbendsefOlif Oessenin) / Litanei (Tjontschew) /
Liebeslied (Tolstoj)
Russisdie Lieder, Heft II, op. 23, fur
eine mittlere Stimme und Klavier
Ed. Nr. 2139 U. 3.-
Himmlisdie Vision (Tolsloj) / Gebct (Ler-
montoff) / Der Weg (Calzow) / Der Schmetier-
iing (Fct) / In der kleinen blaucn Stube
(Block) / Volkslied (Tolstoj)
Missa brevis fiir Alt, Vioiine und
Violoncello, op 22
Ed. Nr. 3153 M. 6.-
Aufftihrung auf dem diesjahrigen Musikfrst
des Alia. Deatsdtet Musikvereins in £Qnch
Buhnenwerke:
„Saul". Oper in 1 Akt, op. 33 nach
dem Drama von A. Lernet-Holenia.
Partitur (4°) Ed. Nr. 3396 M. 40.—
„Der verlorene Sohn". Oper in funf
Szenen, op. 34. Text nadi Andre Gide,
iibersetzt von R. M. Rilke.
Partitur (4°) Ed. Nr. 3397 M. 40.—
„Der neue Hiob", op. 37. Lehrstflck
von Robert Seitz fiir gemischte oder
Manner- Stimmen mit Klavier zu 4
Handen, Violinen und Violoncelli,
Bratsdien und Kontrabasse ad lib.
Partitur . . Ed. Nr. 3243 U. 8.—
Chorstimmen je M. —.30
C h or:
Vier Bettellieder, op. 38b fur 4 stimm.
gemistbten Chor a cappella
1. Sprurh wandernder Totengraber / 2. Bettel-
[icd slbirisdier Landstreicher / 3. Wiegenlied /
4. Bettlerfreude
Partitur <volfstandig> . . M. 2.—
Singpartitur M. —.50 (bei Mehrbezug)
B. Schott's Sohne / Mainz
Biiie beziehen Sie sich bei alien Anftagen an/ MELOS
2X7
Wilhelm Maler
im Verlagc
B. Schott's Sonne, Mainz
VVVilhrlm Malrr. I'W in I!
,.. ,.,..,, Ihcrft fci'lmmi, jrcbflil in rlic crslr Ui'ilic ilrr lort
srlinliliHn-ii KomiiimMni. Kinon Iiennnrlcrrn Rnum nHimrn in si-mr-m Sell llli'ii
,!„■ Uupminwk™ fin. unlrr Hie KChalU-ollsloil imrl wirksamslril Sllirkr Hirer
CiilUirur 711 rr*-linrn Mud; sic r-nlsr.iniN-n in <-n K slrr Fiihlimp; mil Her mnsizirrrmlcn
|u«r-nii :ils .Irri-n Lrllror Mnlcr .nil ilrr Klll'inisrhcn .Musiltsrhlllr m h"l
l-Iit
Ordiester:
Konzert fflr Kammerordiester
mil Cembalo (oder Klavier).
rip. HI [Ordirs1rrs|>il'l I)
Intr.ula -- Sulfonic - Giguc unil
Musctlr — Mnrsi-h
Paidtiir U") Ivl. Nr.:tl 2 M.2).
Concerto grosso fQr Kammer-
orchester, np. it
(OnheslcrspirMIl
Otivcriiirc I'anlasio Tnrcata
Gemeirudiaiitrniuik :
Sedis kleine Splelmusiken,
ihi-r odcr Ilolzlila-cr, wlcr boiik:
zu.sammcn)
I'ailiuir
lid. Nr. :125I M". I 2u
Vorialionen dber das Lied „Nnch
grflner Forb mein Herz ver-
langt", up. 1 3 li, I in J'lnlr, Vio-
line, JJr;itMhc, VuiluniTllii mil 2-
1ns 'A siiimni^i-n ( Imr
l':irlitiirlKr. ''■") IM. \r. .L't' M. I.J)
Musik zu dem Volkslied „Es
Ireit ein wilder Wossermonn",
np. 1,'Sr. iiir Strcicijituinti'tl f-'lnlc,
I s) iiTiTli i^i'fj (hor mid 2 lilll.cl-
sEimnicn
I'artili!r(Bi-.(r( Hi!, Nr. 325.1 M. 1.20
op. K'a. liir '.I JnslrLinirnlr (Slrci
AnflulirunR'imaleriali', sowcil kfinc I'rois
Sing- u. Spielnmsik zu dem I.ied
„Der Tag verlreibi die linstre
Nadlt", i ]]. KM, 1 1 S irn lii|li:r
(ell, Ktinh.i .1 . :nl lil>.. 2 Kl.itrri
uinl risl uiitniiv'ii ( hor
I'.irlilurluT.!'."* 1'.iI..m.:i2.i4 .M. 1.20
Chor:
Ich ftthle wie idi fiber letzler
W -Ike i si. r.c.rm-) Ein
breites Lidil ist fibers Land
gegossen (St. ( ,r..rsi'i flu- :isiim-
mi^m ^cmischtrn (liru (cnthaltrn
ill .das TicLic cImi li.rii*. llrft -I)
."sinnpui'titiir M. - .B'l
an^f^clicn sinrl, na< 1> Vcrcinhariirif*.
Die Technik
des Klavierspiels
Von Kurt Schubert
Professor an dcr Stno.ll. Akudemic fiir
Kirchen- und Schulmusik in Merlin.
132 Seiten. 1931. Sammlung Coschen lid. 1045
In Lcinen geb. z. Zt. nur Km. 1.62
„ . . . gehort zuin Beaten, was die
letztcn Jahre auf einera Gcbiote her-
vorgebracht haben . . ," Das Orchester
„ . . . Die cdlc Kultur dcr Sprache des
Verfaescrs macht daa Sludium des
Buchci zu eincm besondcrcn Genufl,"
Dtscft. Tonkunstkr-Ztg.
Walter de Gruyter & Co.
Berlin W. 10
Genthiner Str. 38
218
Sermon ^Reid?enbacr)
$e»f I: £)ie fitMnfre Jorm
Sfcoreiifdje unb friftorifdjc (SriinMagett
64 ©eilen und 7 Tloicnfafeln
Oftdt). 1. ilaufctiD. Harloniert 3H9I. 3.<i0. Stfltfollr. 350
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„lnnert IBcrbcn bU mufifallfthcn <»cf*elien<". :01c f)l(ledr<fte
Unttrlagc (clner Iljcorle fiidjl cr In Dcr miitc1allcrlia)eu icdrc
non ben JTIrfttntonarlen, a\t eincr Sormcnle^rc Oer tjeute toieCct
iebenbif) flftonrbencn altcn (Jliormufir unb Im Holidllcb. Oic
ganjc Sifrbclt etrblnbel In <)ltl<fli<fier OTclfc bie jtocl lenbcujcn,
Jlnmal ben Srogcnfomplei muFiitrnfTcnftfjoflncr/ cln 6lii(f Vw
tptfiid ;u klngtri unb augerbcm bem icrncnOcn ol« £c()v™<?
ju bientn. ... Bel blc|er gcrc(7icf;l[fi^cn .ifunbleruna Idflei b«
BerfufTer licffdjflrftnbc Uftbdt; cr gcfil bcr J)crtDonblf*af
JWlfihen STlrdjenlon unb pentonifdttr Jttlfte nai) unb urftrfua)
blc S(uiac(1alluno *«r ^cpertuffion unb bie OTannlflfaltlafelt
btr mclcbllittn 31onbflo«cln. rfflan mup gclponnl rein auf o e
fibriflcn Icllc btt -XBtihi. iOlc ©eutftlje to^ulc
(Sine gtruOifle, llefgrcifcnbc «u«legnng bet mclobif^en ®runb>
fltfefte out ber Sa\H bcr tflro)entflne . . . Ueberrelc^e ilicrauir»
blnmelfe berfen Den 3ufammenbflng mlt anberen acilgenUffiWcn
teljrbaiftern unb nnberen umfodenben ICerlen auf. Suri.ernenoe
unb lebrenbe faft unfliierlrcffll*; man begrUgl ba<! SJerfpreebcn
finer Sorlletunj.
aerelnigung jur Pflege allcr Slufif in Hamburg
®tOVQ ffoflttlCtjer 33cr(ag aD„tfen6flll«l-»erlin
BUte fresfcAen Jte ,(« bet ttttn Anfragen *uf MEIOS
•HAW-
Heft 7
« — rr~ J u|i 1932
11. Jahr
Le'lChte MuSlk Hanns Gutman
Fur jene weit verzweigte Musikgattung, von der in diesem Heft die Rede sein soil,
besitzen die Franzosen einen zwar nicht offiziell zugelassenen, aber sehr treffenden Aus-
druck, „musiquette", wofiir wir im Deutschen keine ganz aquivalente Ubersetzung haben.
Denn die gemeinhin angewandte Bezeichnung „Leichte Musik" hat mindestens den einen
Fehler, dafi zu ihr als Gegensatz eine „Schwere Musik" zu denken ist, was einen fatalen
Beigeschmack von Miihe und Schweifi erzeugt. Aber schon diese Begriffsverlegenheit
dokumentiert sehr deutlich, dafi bei uns in Deutschland, anders als in Frankreich und
iiberhaupt in den romanischen Landern, lange Zeit die seriose Musik, die „Grande
Musique", als die einzig beachtliche gegolten hat.
Das hat sich heute, aus guten Griinden, von denen zu sprechen sein wird, er-
heblich geandert.
Nun verhalt es sich natiirlich nicht so, dafi etwa bis auf den Beginn unserer Tage
die Leichte Musik ein bescheidenes und verborgenes Dasein gefiihrt hatte. Getanzt hat
man schliefilich immer und niemals zu einer Beethoven-Sinfonie, audi unsere Grofieltern
hatten an einem Drahtseilakt ohne entsprechende Begleitung keinen Spafi gehabt, und
bekanntlich war die Epoche des Musikdramas auch das Zeitalter des Walzers, und das
Jahrhundert zwischen Berlioz und Debussy ware sehr unvollstandig ohne Offenbach.
Beginn t also das Kapitel „Leichte Musik" keineswegs erst nach 1900, so ist doch
ganz klar, in welchem Mafie die technischen Neuerungen unserer Zeit das Genre ver-
vielfaltigt, erweitert und popularisiert haben. Grammophon, Rundfunk und Tonfilm
scheinen zunachst wie geboren fiir jede Art von unverbindlicher, problemloser Musik.
Die schier unbegrenzte Ausdehnbarkeit ihrer Publizitat verlangt offenbar nach einer
Niveausenkung bis zum tiefsten Punkt, da — wenigstens nach einer in der musik-
verbrauchenden Industrie allgemeinen Ansicht — nur das mindeste Komponierprodukt
Aussicht auf breiten Erfolg hat. So ist in der Tat der Schlager heute an einem Punkt
angelangt, wo er an Albernheit der Texte, an Stereotypik der harmonischen und rhyth-
mischen Mittel, an Verwaschenheit der Melodik kaum mehr zu iiberbieten ist.
Dies ist das eine unabweisbare Faktum, das eine Bestandaufnahme der Leichten
Musik zu verzeichnen hat: der ungeheuren Vergrofierung ihres Machtbereiches geht
eine empfindliche Verschlechterung ihrer Qualitaten parallel. Der unersattlichen Nach-
frage nach taglich „frischen" Erzeugnissen kann natiirlich nur ein Angebot gerecht werden,
das auf kiinstlerische Ambitionen ganzlich verziclitet, Man erwartet ja auch von einem
Journalisten nicht, dafi er klassisches Deutsch schreibe.
219
mmm^^m*m
1880: „Kunst" mull ernst sein
Zugleich aber haben sich (und das scheint mir das andere Faktum von grund-
sfitzlicher Bedeutung zu sein) die Grenzen zwischen „leichter" und „schwerer" Musik ver-
schoben, soweit sie nicht ilberhaupt fliefiend geworden sind, sodafi sicb jede scharfe
Trennung verbietet. Indem namlich die Leichte Musik aus ihrer Anonymitat hervortrat,
indem sie ihre zwar lebensvolle aber mifiachtete Sphare verliefi, wurde sie nicht nur
allmahlich ein Gegenstand des Interesses fur Soziologen, Psycbologen und sogar audi fur
Musiker, sondern sie hat einfach ihre Position innerhalb des gesamten Musiklebens ent-
scheidend verandert. Man mag diesen Vorstofi der Leichten Musik (denn um einen
solchen handelt es sich doch) als eine gesunde Reaktion auf die Uberlastung der Musik
mit Philosophic und Metaphysik auffassen, andere mogen ihn der vielberedeten geistigen
Tragheit des Zeitalters zur Last legen — gleichviel, er ist evident.
Die Verwischung der Grenzen zwischen serioser und unterhaltender Musik, deren
Innehaltung noch fiir unsere Eltern ein heiliges Gebot war, ist die notwendige Folge-
erscheinung. Noch unsere Eltern hatten sich ja gescheut, ihrer heimlichen Begeisterung
fur Verdi Sffentlich Ausdruck zu geben, weil sie sich nicht vorzustellen wagten, dafi
hinter einer Musik von so packender Melodik, von so eindringlicher Faktur sich geistige
Werte verbergen konnten. Sie liebten auch die Walzer von Straufi, aber sie waren nie
auf den Gedanken verfallen, sie musikalisch ernst zu nehmen. Sie hatten verlernt, die
„Einheit der Musik" (um Busonis schemes Wort anzuwenden) zu erkennen. Ihr Credo
konnte gelautet haben: „was mir Spa6 macht, das wird wohl keine Kunst sein".
Wenn jetzt Hindemith einen Kabarett-Text als Oper komponiert, wenn der
Kabarettist Spoliansky die Oper versuchsweise auf die Amusierbuhne verpflanzt, wenn
hochvornehme, reprasentative Theater (langst vor der Kassenkrise) der Operette Einlafi
gewahren, so hat es den Anschein, als ob die trennenden Mauern zwischen leichter und
schwerer Musik allmahlich ins Wanken gerieten. Der Einsturz dieser Mauern ware, da
es keineswegs natiirliche sind, nur zu begriifien.
Denn auch die Abgrenzung und Abwertung einer „Leichten Musik" ist, wie so
viele andere musikalische Phanomene in Deutschland, typisches 19. Jahrhundert, ist eine
Folge jener Musikanschauung, deren erster und grofiter Reprasentant Beethoven war.
Die letzten Quartette Beethovens, so konnte man mit einiger Zuspitzung sagen, be-
dingen bereits den Gassenhauer. In dem Moment, da die Kunstmusik sich zu einem
solchen Grad von Vergeistigung, von Kompliziertheit, von Esoterik erhoben hatte, mufite
notwendig ein Gegengewicht gefunden werden, und die tiefe Seriositat von Beethovens
inneren Monologen konnte nur durch den entschlossenen Unernst einer um jeden Preis
lustigen Musik paralysiert werden. Bei Haydn noch war das Menuett Bestandteil der
Sinfonie und Gebrauchsstuck zugleich, das auf dem Tanzboden ertonte. Zum Menuett
aus Mozarts g-moll-Sinfonie wird niemand mehr sich versucht fiihlen, das Tanzbein zu
schwingen, aber auch Mozart hat noch genug Tanzbares, Unterhaltendes, „Leichtes" ge-
schrieben. Mit dem spateren Beethoven schliefit sich die Musik in den Konzertsaal ein.
Wer entweder keine Lust oder kein Geld hatte, an diesen Konventikeln teilzunehmen,
blieb draufien; wenn er trotzdem Musik horen wollte, ging er in den Prater, in die
„ZeIte" oder ins Wirtshaus. Musiziert wurde dort auch. Freilich kein Beethoven.
Es ist naturlich sinnlos, gegen diese Entwicklung zu polemisieren, deren Ablauf
notwendig, deren Resultat in vielfacher Hinsicht grandios war, und die allein schon
220
1918: das ,, Cafe-Concert" als Ideal
(lurch die starken Abwehrkrafte, die sie mobilisiert hat, fruchtbar geworden ist. Aber
man mufi sich diese Entwicklung vor Augen halten, wenn man die Positionen der
„schweren" und der „leichten" Musik ins rechte Verhaltnis zueinander zu rucken sucht,
wenn man den Siegeszug der Leichten Musik, den wir heute erleben, anders als nur
mit dem billigen Schlagwort von der Oberflachlichkeit unserer Zeit erklaren will. Der
musikalische Genius des 19. Jahrhunderts, das uns noch immer — wenn audi manch-
mal nur als warnendes Vorbild — nachhangt, erschopft sich weder im Musikdrama
allein noch im Wiener Walzer. Tristan und Fledermaus gehoren untrennbar zusammen.
Im Rosenkavalier sind sie vereint, wie Richard Straufi iiberhaupt einer der ersten war,
der in die „hohe" Musik Elemente der „leiehten" mischte; nicht blofi, indem er den
Walzer opernfahig machte. Das Ariadne-Orchester ist, worauf Curt Sachs einmal hinge-
wiesen hat, nichts anderes als das vergrofierte Salonorchester der Vorkriegszeit.
Indessen, die „Entdeckung" der Leichten Musik blieb doch einer jungeren Generation
vorbehalten, jener gleichen Generation, die mit der Neuen Musik heraufkam; Entdeckung
in dem Sinne, dafi man einsah, wie untunlich es ist, eine ganze Gattung von der Ein-
heit der Musik ausschliefien zu wollen. Denn es mufite sich herausstellen, dafi diese
Gattung durch blofie Nichtbeachtung sich nicht aus der Welt schaffen liefi. Sie existierte
auch, wenn man sie ignorierte. Es drangt sich hier die Parallele zum Film auf, der ja
audi Jahre lang als quantite negligeable und als kiinstlerisch unerheblich mit einem
Achselzucken abgetan wurde, ohne sich dadurch in seinem nie geahnten Wachstum be-
eintrachtigen zu lassen. Es ist sinn- und aussichtslos, Gattungen, die so sehr die Eignung
zur Faszination des Publikums in sich tragen, aus der Welt schaffen zu wollen. Es kame
vielmehr alles darauf an, sie fiir die Kunst zu gewinnen.
Etwas davon hatte die junge Musikergeneration begriffen. Sie brauchte sich keinen
Zwang anzutun, um diese ihre Erkenntnis in ihren Partituren zu realisieren. Der be-
rechtigte Anspruch der heiteren Musik, ernst genommen zu werden, traf durchaus mit
der Stimmung einer Musikerschaft iiberein, die, wie es zunachst schien, jede Problematik
abzuschworen gedadite.
Man weifi, wie stark in den Anfangen der Neuen Musik das groteske Element
dominierte. Abgesehen von Schonberg, der ja auch der Senior unter den Traditions-
brechern war, haben eigentlich alle Schaffenden der um 1918 jungen Generation der
Groteske ihren Tribut gezollt, voran die Franzosen, zu denen in diesem Zusammenhang
auch Strawinsky gezahlt werden darf. Vorbereitet durch den klugen, wenn auch mehr
theoretischen Satie wurde in Paris die Leichte Musik in ihren unzahligen Nuancen, als
groteske, parodistische, tanzerische Musik, als Chanson, Ballett und exzentrisches Variet6,
zum Programm erhoben. Cocteau hat das „Cafe-Concert" und die „Music-Hall" zum
Grundsatz seiner Asthetik gemacht, und die beriihmten Six haben aus dieser manche
Anregung in ihre Proklamation iibernommen. Die Franzosen erkannten wieder einmal,
was schon Mozart gewufit hatte, dafi Heiterkeit nicht Unernst zu bedeuten braucht Das
Sublime, letztes Ziel und hochste Kategorie bei Debussy, wird von seinen Nachfolgern
negiert. Die Feindschaft geht gegen den Impressionismus so gut wie gegen den wagnerism.
„Genug der Wolken und Wogen, fort mit den Wassernixen und den Diiften der Nacht;
wir brauchen eine Musik auf der Erde, eine Musik fur alle Tage" - so formuliert
Cocteau das Motto. Der Jazz, seiner Herkunft nach nackteste Zweckmusik und niedrigste
221
1 < J ' "tuim^mmmmm^mmf^mi^iBm^mmimmfmfmmtmmmmt^^
„Hedonismus" als Zwischenstufe der neuen Musik
Aufpeitschung der Sinne durch den blanken Rhythmus, wird kultiviert und soil die
Verbindung zwischen dem Gebrauchstanz und einer tanzerisch durchtrainierten Kunst
herstellen. Das gelingt auch, wovon manche Partituren von Auric, Poulenc, Milhaud,
von Ibert oder Delannoy, aber auch von Ravel bestechende Zeugnisse sind. Die Biihne
Diaghilews, bezeichnenderweise eine Ballettbuhne also, wird der Rahmen, in dem viele
von. diesen beschwingten Wunschtraumen Gestalt erhalten. Die Wirkung auch jenseits
der Grenzen bleibt nicht aus.
So konnte es eine Zeit lang scheinen, als ob ein neuer Hedonismus zum charakte-
ristischen Grundzug der Musik im 20. Jahrhundert werden wiirde. Viele Anzeichen,
sprachen dafiir, nicht zuletzt die Vehemenz, mit der die Vergnugungsmusik aller Art
die grofien Stadte Europaa uberschwemmte. Zweifellos war auch der Jazz, so sehr er
auch in seinen originalen Exemplaren zuweile'n von Melancholie angekrankelt war und
so schlimm er auch alsbald in Sentimentalitat entartete, eine hedonistische Musik. Und
fur die Unterstellung, dafi auch die „ernste" europaische Musik nach 1920 mit hedonistischen
Idealen liebaugelte, lafit sich ihre betonte Neigung zum 18. Jahrhundert, ihre Vorliebe
fur dessen Formen und Stimmungen, zum Beweis anfuhren.
Ich will nicht behaupten, dafi diese Wendung zur Heiterkeit, zum Grotesken und
Tanzerischen, oft auch zum schlechthin Oberflachlichen, in eine direkte kausale Ver- '
bindung zu bringen ware mit jener scheinbaren Prosperity dieser Jahre. So einfach
pflegen die Gleichungen im Geistigen nicht aufzugehen. Aber ein gewisser Zusammen-
hang ist doch nicht von der Hand zu weisen, ein unterirdischer Zusammenhang zwischen
wirtschaftlicher Scheinblute, dem Aufflackern einer im Grauen des Krieges und in der '
Not der ersten Nachkriegsjahre unterdriickten Lebenslust und der Haltung einer Musik,
die frohlich bis zur Ausgelassenheit, tanzfreudig bis zum Patoxysmus, unproblematisch
bis zur Albernheit sein wollte.
Das war und konnte nichts anderes sein als ein Zwischenstadium. Hatte Hindemith
in seiner ersten Kammermusik einen frechen Foxtrott geblasen, so waren seine folgendeji
Instrumentalstiicke zwar ebenfalls musikantisch aber doch ernst gemeint, hatte er noch
in der Suite 1922 hohnische Anweisungen fur den Spieler gegeben. so komponierte er
spater sehr seriose Klaviermusiken, in denen der 6. Finger nichts mehr zu such en hatte.
Cocteau fand den Weg von der Bar in die Kirche, von den Brudern Fratellini zum
Bruder Maritain; Milhaud legte die nicht minder weite Strecke von jenem Tango, den
man im Boeuf tanzte, zur katholischen Mystik seines „Kolumbus" zuriick.Daft die Weg-
richtung Pulcinella — Psalmensinfonie auf das gleiche Ziel hindeutet, braucht kaum ge-
sagt zu werden.
Die Musik wurde wieder ernster. Sie behielt aus ihrer Begegnung mit der Leichten
Musik vorzugliche Qualitaten zuriick: die rhythmische Greifbarkeit, die Klarung der
Melodik. Die Musiker selbst hatten die Erkenntnis gewonnen, dafi die „Leichte Musik"
im Musikleben nicht mehr als verachtliches Nebenbei behandelt werden kann. Viele von
ihnen zogen daraus ihre Konsequenz, indem sie um die Gattung bemuht blieben. Wir'
verdanken diesem Umstand eine Vielzahl wertvxdler Gebrauchsnmsiken. Aber die Musiker
von Rang konnten nicht verhindern, dafi das Gros der Leichten Musik doch wieder in
die Hande der Unkunstler, der Musikfabrikanten und Schlager-Routiniers zuruckfiel. Es
ist seltsam aber uniibersehbar, dafi es heute Spezialisten der Leichten Musik, die zu-
222
y«?Sf**i4 < -fr\-: r « , ^ 5 iSH8SS?? *'&-■■'- ~-,
.Schlageroptimismus gegen — Gehaltskurzung
gleich Musiker von Qualitat sind, nur verschwindend wenige gibt. Der Offenbach, der
Johann Straufi unsres Zeitalters ist noch nicht geboren, so sehr dieses ihrer auch bediirfte.
Aber so erklart es sich, dafi auch auf diesem Gebiet genau wie auf dem der „Grofien"
Musik eine iippige Ausgrabungstaligkeit eineesetzt hat. Offenbach und Lecocq, Millocker
und Suppe, Straufi und Zeller — sie werden jetzt „entdeclit" wie Bach, Haydn oder Verdi.
Hat man die Wahl zwischen ihnen und dem, was heute in diesem Genre geliefert
wird, so wird man die alten Meister unbedenklich vorziehen, so wenig auch im Grunde
die an Aktualitat gebundene Operette zum Gegenstand der Wiedererweckung geeignet
ist. Es ist leider nicht zu leugnen, dafi im selben Mafie, wie die Leichte Musik an Aus-
breitung zunimmt, ihre Produkte an Qualitat abnehmen. Und ihre Ausbreitung ist
ungeheuer: sie hat langst die eigentlichen Grenzen der Gattung uberflutet. Schlager und
Marsche, sentimentale Schmarren und fesche Matrosenlieder tonen ja langst nicht mehr
blofi aus Millionen Lautsprechern, sie werden nicht nur von Strafienmusikanten zelebriert
und dem wehrlosen Kaffeehausbesucher eingehammert, nein, das Genre hat. (von ein paar
Ausnahmen abgesehen) den gesamten Tonfilm usurpiert, es hat auch bereits die Sprechbuhne
infiziert. Ob „Charleys Tante", ob Freytags „Journalisten" : es mulS gesungen werden.
Der alte Satz „was zu blod ist, als dafi man es sagen konnte, das wird gesungen"
kommt wieder zu Ehren. Statt dafi man neue gescheitere Texte schafft, verhullt man
ihre Dummheit mit Musik. Diese wird zum Deckmantel fiir geistige Armut. Und damit
wird der grofite Teil der heutigen Leichten Musik zwar kunstleriscb uninteressant, aber
soziologisch und psychologisch desto bedeutsamer. Von dieser verhiillenden Funktion
der Leichten Musik mufi ich zum Schlufi noch ein Wort sagen.
Solange das Trugbild eines neuen Wohlstandes, die Wahnvorstellung einer
wachsenden Prosperity herrschte, konnte der um jeden Preis bejahende, der „sonnige"
Schlager als deren Ausdruck gelten. Der Tonfilm wurde zum Paradies, die Operette zur
Insel, der Seligen. Man glaubte, es ginge aufwarts, und liefi sich diesen Glauben gem
am Abend bestatigen. Die Zeiten anderten sich. Die Krise kam. Die Not wuchs von
Woche zu Woche — nur der Schlager blieb wie er war: optimistisch. War er vorher
Bestatigung eines Lebensgefiihles (typisches Beispiel: die amerikanische keep-smiling-
Musik), wurde er nun ein Mittel zur Verhullung der wahren, der deprimierenden Tat-
bestande. Fiir den Tonfilm, der mit seinem riesigen Publikum, nach der Art seiner
industriellen Herstellung sich am besten dazu eignete, haben Jhering und Kracauer
in ihren Kritiken die bewufitseinsverdunkelnde Macht eines verlogenen Hedonismus auf-
gedeckt. Wer tagsiiber mit immer weiteren Gehaltskiirzungen und neuen Steuern in
den Moglichkeiten der Freude beschnitten wird, soil im Kino wenigstens mit dem Reich-
tum der anderen schadlos gehalten werden. Der Optimismus, den aufrecht zu erhalten
fiir einen denkenden Menschen immer schwerer wird, soil ihm auf dem Umweg einei
das Denken einlullenden „Kunst" eingeimpft werden.
Fyr diese Zwecke, die natiirlich keineswegs immer bewufit verfolgt werden, leistet
die Musik unvergleichliche Dienste. Sie beseitigt den letzten Rest der Denkfahigkeit.
Eine Privatsekretarin, die mit ihrem Bankdirektor bummeln geht und sich sogar von
ihm heiraten lassen darf, wiirde in ntichterner Prosa vielleicht manches Bedenken wach-
rufen. Wenn sie jedoch, vom Sekt und einer banalen Melodie berauscht, mit Musik
versichert, sie sei „ja heut so gliicklich", so glaubt man ihr aufs Wort, man summt den
223
mmmmmmmm
Der alte Operettentypus ist verbraucht
Schlager auf dem Heimweg, man ertraumt sich ein gleiches Schicksal und ist bereit. zu
vergessen, wie anders sich meist die Wirklichkeit ausnimmt.
Hier findet sich audi die Rechtfertigung, warum diese Art Musik auf jede lciinst-
lerische Qualitat verzichten darf. Ihre Funktion erfullt sie, wenn sie rhythmisch sinn-
fallig, melodisch nachsingbar ist. Sie hat es gar nicht notig, originell zu sein. Sie bedarf
weder der harmonischen Bereicherung noch der formalen Einfalle. Sie dient ja nicht der
Verde utlichung des Wortes, nicht der Intensivierung der Situationen: sie dient nur dazu,
einen offenbaren Nonsens zu verhiillen oder gar in einen freudigen Sinn zu verwandeln.
Von Offenbachs Witz und satirischer Scharfe sind diese Fabrikate der Musikindustrie
so weit entfernt wie von Johann Straufi' echter Lebensfreude.
Leichte Musik — : ein Kapitel, aus dem zu erfahren ist, wie schwerwiegend auch
leichte Dinge werden konnen. Einer klug disponierenden Padagogik, einer vernunftigen
Rundfunkpolitik, den Biihnenleitern und Filmproduzenten ist ein nicht geringer Teil der
Verantwortung anheimgegeben, ob sich die Leichte Musik als eine unvermifibare, er-
freuliche und anregende Erganzung in das Gesamt unsrer Kunst eingliedert oder ob sie
zur kulturverheerenden Pestilenz entartet.
Biihnenleiter zur Operettenfrage
Carl Ebert, Stadt. Oper Berlin
Wer einmal die Geschichte der Operette schreibt, wird zwei Aufgaben vorfinden i
die leichtere wird der Nachweis der Existenzberechtigung dieser „kleinen Oper",
als gleichberechtigte Schwester der opera buffa, des Singspiels und der Spieloper, sein;
aber er wird weiter versuchen mxissen, die Griinde aufzuzeigen, aus welchen gerade
diese Spielart der grofien Mutter Oper verflachte, verrohte und so vulgar wurde, daft
sie iedes Ansehen ihrer natiirlichen Herkunft verlor.
Der Einbruch des Genres und des Milieus in die heroisch-historische Darstellung
vollzog sich bei alien Kiinsten unter fast gleichen Erscheinungen. Eine grofiere Beweg-
lichkeit und Wirklichkeitsnahe des Inhalts versohnte mit der gefahrlichen Lockerung
der Form. Unter sicheren Meisterhanden wuchsen zwar in der bildenden Kunst, in
der Literatur und Musik noch kostbare, leichte Gebilde, aber die scheinbare Anspruchs-
losigkeit der neuen Motive — gewissermafien die Verbilligung der Herstellung — ziichtete
eine ganze Gilde von Kunstproduzenten, die bald den Markt beherrschten und den
„Massengeschmack" erfanden.
In der Musik waren die Schicksale der neuen Erscheinungsformen sehr verschieden;
wahrend die opera buffa und die Spieloper dank des Interesses der groften Meister
bltihten, sollte das Singspiel schon bald nach seinem Beginn und Hohepunkt — der
„Entfiihrung" — hoffnungslos versimpeln. Das annektierte Klischee der comedia del arte
und des ewigen Turken- und Schafermilieus war bald erschopft, aber es zeugte noch »
vor seinem Hinscheiden die Anfange jener Form, die wir Operette nennen.
Doch es scheint, dafi auch in den Kiinsten ein Gesetz der Vererbung gilt, denn
nach den richtungweisenden Leistungen der ersten Generation der Johann Straufi
und Offenbach zeigt die niedergehende Kurve wieder die Merkmale der grofivaterlichen
224
pv
Operette: ja, aber sauber gespielt
Schwache: die Vulgarisierung der Mittel, die Haftung am Klischee. Kein Wunder also,
dafi die seriose Oper die Verwatidtschaft mit dem entarteten Sprofiling zu leugnen sucht,
der hemmungslos nach jedem Mittel ordinarer Geltung greift und von der Masse angebetet
wird, weil er ein geschickter Verfalscher ihrer Instinkte ist. Wi« in den kritischen Ent-
wicklungsjahren des Films ist auch bei der Operette die Angst eines gewissen geschaft-
lichen Unternehmer turns vor jedem Risiko der tiefste Grund der kiinstlerischen Stagnation.
Der Zwischenhandler beherrscht hier wie dort die Produktion, d. h. der Theaterbesitzer
(oft identisch oder geschaftlich eng liiert mit dem Star) den Autor, wie der Filmver-
leiher den Hersteller. Das Geheimnis seiner Macht ist der naive Glaube an seine autoritative
Kenntnis der sogenannten Publikumspsyche — ein Aberglaube, den auf dem Gebiet
der Operette begabte Opernregisseure auszurotten im Begriff sind — , solange die
Produktion nicht selbst die neuen Wege findet.
Man sollte meinen, dafi die Oper in diesem Augenblick der hochsten Bedrohung
ihrer Existenz alle Krafte freimachen wiirde, um das vernachlassigte oder den Geschafte-
machern iiberlassene Gebiet fiir sich zuriickzugewinnen und sich durch die Neuartigkeit
und Sauberkeit der Darsiellung als Fuhrerin zu legitimieren — stattdessen erleben wir
es nur zu oft, dafi die Opernhauser keinen anderen Ausweg kennen, als mit Hilfe des in
wahrer Angstpsychose iibernommenen schablonierten Kitsches an dem Wettlauf um den
Kassenerfolg teilzunehmen. Aber selbst dieses an Selbstaufgabe grenzende Bemtihen ist
zum Mifilingen verurteilt, denn ungestraft darf auch das Handwerk ohne handwerkliche
Vorkenntnisse nicht kopiert werden, und der grofite Regisseur unterliegt im Wettlauf,
wenn er nicht mit seinen eigenen, sondern mit den Mitteln seiner Konkurrenz zu siegen
hofft. Wie tragisch aber, wenn sich die Selbstverleugnung nicht einmal lohnt, wenn,
wie es in einer Grofistadt des Westens geschah, 80 oder 90 ausverkaufte Hauser des
),auf neu" klischierten „Weifien Rofil" drei Monate volliger Interesselosigkeit und Er-
schopfung des Opernbesuchers zur Folge hatten!
Es ist ein verhangnisvoller Irrlum, der Oper neue Besucherkontingente durch Kom-
promisse zufiihren zu wollen; die Vergroberung der Mittel in der ublichen Operetten-
darstellung macht dieses Publikum unfahjg fiir die Aufnahme serioser Kunst und unter-
miniert die Geschmackssicherheit des guten Theaterpublikums. Richtunggebend fiir den
Dramaturgen wie fiir den Regisseur mufi daher der kiinstlerisch e Gesamtstandard des
Hauses sein und sowohl die Operette selbst wie die Art ihrer Darstellung einzig und
allein nach diesen Gesichtspunkten bestimmt werden. Die Frage. ob das Operntheater
Operette spielen darf, mufi dahin beantwortet werden: es soil sogar Operette spielen
zur Auflockerung und bunteren Gestaltung des Spielplans, zur Entdeckung eigener neuer
Ausdrucksmittel, zur darstellerischen Erziehung seiner Sanger, wenn es die Bedingung
erfiillen will und kann : die Operette ebenso verantwortungsvoll zur Auffiihrung zu
bringen, wie seine mafigeblichen ernsten Opernwerke. Eine solche grundsatzliche Ein-
stellung wird und mufi zu einer neuen Form der Operettendarstellung fiihren, die die
Sentimentalitat und das neckische Getue liebenswiirdig oder aggressiv parodiert, die
romantischen Unwahrscheinlichkeiten der Handlung iiberlegen-witzig ausbaut und an-
stelle buffonesker Trottelhaftigkeit die Schlagkraft der kabarettistischen Pointe setzt.
Mit jedem Tag aber verengt sich immer mehr das Aktionsfeld: die „guten, alten"
Operetten sind bald erschopft und die Reproduzierenden laufen mangels neuer Aufgaben
225
, . i,,.ww,,„ .m u.uHai i ^am r^ mmmmi!mim^s^^ i >^^^^^!m!mf>'9^mm^
Wo ist der Offenbach unserer Zeit?.
Gefahr, ihre Mittel artistisch zu iiberspitzen. Eine wirklich neue Produktion jedoch
scheint vollig auszusetzen, und doch ist hier ein Gebiet, das seinem Eroberer nicht nur
ideellen Erfolg zu bringen verspricht.
Wo sind die Komponisten unserer Generation, die wieder beweisen, dafi das
Theater aus These und Antithese, aus Drama und Satyrspiel besteht, und dafi es nichts
Geringeres ist, den Menschen lachen als ihn erschauern zu machen — wo ist der Offen-
bach unserer Zeit?
2
Hellmuth Gotze, Magdeburg
Die Operette im Spielplan der deutschen Opernbiihnen wird meines
Erachtens fur den Einnahmeetat der deutschen Operntheater noch lange eine dringende
Notwendigkeit sein. Diese Tatsache, die in den finanzkritischen Zeiten der Gegenwart
und Zukunft von ausschlaggebender Bedeutung ist und mit der gerechnet warden mufi,
entkraftet alle Einwendungen, die — mit Recht oder Unrecht — aus kiinstlerischen
Griinden gegen die Durchsetzung des Opernspielplans mit Operette erhoben werden.
Mit Recht, wenn man den Standpunkt vertritt, die deutschen Opernbuhnen kampfen
um ihre Aufgaben, den Weg von der traditionsgebundenen alten Opernform zu einer
neuen Opernform im Sinne der Versuche Bergs, Weills, Hindemiths oder Strawinskys'
zu exemplifizieren. Mit Unrecht aber, wenn die Bestrebungen einer Opernerneuerung
in der diinnen Atmosphare epigonaler Schwachwerke ersticken, die keine andere Be-
deutung haben, als Vergangenes mit untauglichen Mitteln zu rekonstruieren. Ehe dieser
unheilvolle Weg, der — auch finanziell gesehen — nicht zum Ziele fulirt, weiter ge-
gangen wird, ist gegen die Aufnahme von ausgewahlten Operetten in den Opernspiel-
plan umso weniger etwas einzuwenden, als die moderne Opernregie gerade solchen
Werken einen regielichen und szenischen Neugeist einzuhauchen imstande ist, der ihnen
von den iiblichen Operettenbiihnen nicht mitgegeben werden kann. Eine Grenze frei-'
lich sollte immer gezogen werden; und Werke von der geistigen und musikalischen
„Tiefe" des „Weifien Rofil" zum Beispiel sollten nur ausnahmsweise und nur dann er-'
scheinen, wenn der besondere Zweck — in der Gegenwart also die finanzielle Not der
Operntheater — die Mittel heiligt.
3
Georg Hartmann, Breslau
Das Breslauer Stadttheater, ein reines Opernhaus, hat im vorigen Jahr aus
finanziellen Griinden die Einfuhrung der Operette beschlossen und sich durch ihre Pflege
einen neuen Zuhorerkreis erschlossen. Festzustellen ist, dafi bei der heutigen nicht er-
giebigen Produktion an kiinstlerisch zu wertenden Operetten ein Abgleiten des Niveaus
des Spielplans leicht eintreten kann ; doch haben wir in Breslau die Erfahrung gemacht,
dafi das Publikum eigentlich nur die grofie Ausstattungsoperette mit Chor und Ballett
in erstklassiger Solistenbesetzung besucht. Eine Entlastung des Personals tritt nur durch
die Beschaftigung des Operettentenors und der Operettendiva wie des Buffopaares ein,
da im ubrigen mit Riicksicht auf Etatsersparnisse nur Opernkrafte tatig sind. Chor- und
ballettlose Operetten finden kaum Anklang, und auch die Anziehungskraft der grofien
Operette hat in diesem Jahr im Gegensatz zum vergangenen, wo sie neu eingefiihrt
wurde, wesentlich nachgelassen; sie bewegt sich auf der Linie der grofien Wagner-
226
Operette, aber kein „Weiftes R6BI"
Werke. Eine Ausnahme bildete in dieser Spielzeit nur die „Blume von Hawai". Es sieht
im ubrigen aus, als ob sich der Geschmack des hiesigen Publikums zugunsten des kiinst-
lerischen Niveaus des Spielplans gehoben hat.
Meiner Ansicht nach konnen die klassischen Operettenkomponisten und die Werke
von Lehar und Kalman ohne Schaden fur eine Opernbuhne aufgefiihrt werden, wenn
dafiir gesorgt wird, dafi die Qualitat der Vorstellungen in kiinstlerischer Beziehung
nichts zu wiinschen iibrig lafit. Die Ausbalancierung der Operette im Spielplan eines
Opernhauses hangt naturgemafi eng mit der Notwendigkeit der Ausbalancierung des
Einnahmeetats zusammen. Hier kann m. E. bei den jetzigen wirtschaftlich aufierordent-
lich schwierigen Zeiten nur der Gesichtspunkt der Erhaltung des Instituts angelegt
werden, da die Mission eines Opernhauses eigentlich darin besteht, die Werke der Opern-
kunst zu pflegen. Die Einfuhrung der Operette ist lediglich eine Konzession an die augen-
blicklich harten Zeiten und verlangt, abgesehen vom Finanziellen, auch auf der Biihne
ein Gegengewicht. Wie weit ein Opernleiter in der Durchsetzung des Opernspielplans
mit Operette gehen darf, kann, abgesehen von der finanziellen Notlage seines Instituts
und der Buckwirkung der Operette auf sein Publikum, noch von anderen Umstanden
abhangen, z. B. ob er durch sie die Moglichkeit erhalt, ein kiinstlerisch hervorragendes,
aber finanziell unergiebiges Werk aufzufiihren, das er ohne sie nicht geben konnte. DaG
das „Weifie Bofil" in einem Opernhaus nichts zu suchen hat, ist meine personliche
Uberzeugung, und es mtissen aufierst triftige Griinde sein, die trotz der Schwere unserer
Zeit seine Auffiihrung rechtfertigen. Und doch gibt es Theaterleiter, deren kunstlerische
Qualitaten als Biihnenleiter und Begisseur erst gewiirdigt wurden, als sie ihrem Publi-
kum das „Weifie Bofil" vorgesetzt hatten.
JaCqueS Offenbach Hans H. Stuckenschmidt
Traumspuk hangt sich an die Gedanken, Gespenster der Vergangenheit werden
ubermachtig, alle Tiefenperspektive fallt von den Dingen ab. Es ist, als gabe es keine
Kehrseiten, als ware in einer lichten Flache alles Fragwiirdige seiner Antwort vermahlt.
Der Luxus von heute, wir wissen es, wird das Massenbediirfnis von morgen. Wir sind
in die Sphare versetzt, wo Heute und Morgen zusammenfallen ; die Zeit drangt sich
zu einem unendlich fliichtigen Augenblick komprimierter Ewigkeit. Luxus und Massen-
bediirfnis sind eins geworden, das Komplizierteste nimmt einfachste Gestalt an. Es ent-
flieht dem Begrifflichen, setzt sich in Worte um, verdichtet sich zu Gebarden; aus
Wort und Gebarde werden Formen, artikulierte Perioden; die Form schwingt in Luft-
saulen, wird Klang, singt in Melodien, federt in Bhythmen: eine Offenbachsche Melodie
tritt ins Leben. Was ist ihr Geheimnis? Sie kommt aus der Atmosphare eines hochst
differenzierten Geistes und tragt diese Aura um sich wie einen transparenten Mantel;
dabei ist sie einfach, kunstlos, von der Selbstverstandlichkeit einer Frucht, handlich und
vertraut wie ein Hausrat primitiver aber glucklicher Menschen. Diese Art von Kunst
ist nur denkbar in einem fast abstrakten Raum des Geisteslebens ; in jenem schmalen
Zwischenstock, wo die seltensten Formen des Genius gedeihen. Hier gibt es nur Gliick
und Leid, doch keine ihrer tragischen Vermengungen ; und auch das Leid scheint von
227
i^^m^mmm^
"PfftMPMipHpaNpHiinp
Offenbach als geistige Epidemie
unwirklicher Beschaffenheit, gelost von den sozialen Bedrangnissen der Kreatur, welten-
fern dem grausamen Zugriff wirtschaftlicher Note entriickt.
In der Tat ist solcherart die Welt der Operette, der wahren, die noch nicht mifi-
verstanden, sentimentalisiert, zur Industrie vergewaltigt wurde. Mehr psych ologisch als
soziologisch drfingt »ich der Einflufi des Milieus auf: europaisches Biirgertum, Welt-
burgertum womoglich, unmittelbar vor dem Zustand der offnen Krise, noch nicht fin
de siecle, aber doch auch nicht mehr fahig zur tragischen Ichspiegelung. Schon tritt der
Dekadenzgedanke ins Bewufksein ; aber man nimmt auch ihn nicht allzu wortlich, riihmt
sich des Verfalls, briistet sich harmlos und kokett mit Lastern. Pathos gilt wenig ; wenn
es bei Baudelaire noch einmal zum Stil verpflichtet, so ist es das morbide Staunen vor
seltenen, fieberischen, exaltierten Objekten, — ein Pathos der Selbstnarkose, das in
direkter Genealogie zu Verlaine und Debussy fuhrt.
So gibt es fur die Kunst dieser Epoch e keine „Aufgaben" als die der Travestie,
der Selbstverhohnung, des ironischen Affronts! Man mokiert sich iiber schlechthin Alles:
iiber Gott, Gotter, Gesellschaft und selbst iiber die respektierteste Macht: die Soldateska.
Das Paris der sechziger Jahre, zweites Kaiserreich, Biickkehr zu schliipfrigen Sitten des
Bokoko, Betonung weiblicher Formen in der Mode, viel Champagner, viel Froufrou, viel
Witz im Gesprach, — es mufi eine neue Kunstform entstehen, die solchem Milieu sich
anpafit. So spaltet sich die Opera Gomique; was diesen Titel fuhrt, geht unaufhaltsam
ins sentimentale Genre iiber, die heiteren Biickstande sammeln sich bei Offenbach, in
den Bouffes Parisiens, im Schabernack einer graziosen, ein wenig genialen, ein wenig
ddettantischen Singspielminiatur.
Offenbachs Musik, als nack teste Substanz betrachtet, bietet der Analyse nur ein
aufierst sparliches Material. Sie besteht im wesentlichen aus Einfall, aus der reinen,
rhythmisch allerdings sehr vielwendigen, harmonisch aber denkbar naiven Melodie. Es
ist eine charakteristische Mischung aus der drallen, intervallisch wohlgeformten Melodik
deutscher Volkslieder (Jakob Eberscht ist ja am Rhein zur Welt gekommen), dem frechen,
etwas gequetschten, sozusagen ad libitum Tone verwendenden Parlando der Pariger
Gassenhauer und einem internationalen Volapuk von Tanzrhythmen. Polnisch, Schottisch,
Bohmisch, Fandango, Walzer, Krakowiak, es wird alles verwendet, freilich mit jenem
unbestechlichen Feingefiihl fur nationale und rhythmische Valeurs, das z. B. Paul Ab-
raham fehlt. Die melodische Substanz wird ohne viel Umstand mit den notwendigsten
Harmonien bekleidet, fhichtig, aber mit sicherem Klangsinn orchestriert und die Offen-
bach-Partitur ist fertig. So kunstlos diese Musik ist, so wenig sie technisch von sich
reden macht, so grofi ist die direkte Kraft der Uberredung, des Nerven- und Hirnfangs,
der plakathaften Eindringlichkeit. Kein Ohr kann sich ihr entziehen ; man singt sie nach
als hatte man sie von Kind auf geiibt, selbst wider Willen ist man ihrem sirenenhaften
Reiz untertan. Offenbach wird zu einer geistigen Epidemie, die mit rasender Geschwin-
digkeit um sich greift, von Paris aus ganz Europa infiziert. Die ersten internationalen
Schlager entstehen, die ersten Volkslieder des Asphalts sind auf dem Marsch. Eine neue I
Kunst, auf dem Boden der Zivilisation gewachsen. Offenbach war ihr Klassiker. Und
schaudernd gedenkt man der Epigonen . . .
Kann unsere Nachkriegswelt sich dieser reinsten Form der Operette befreunden?
Seit einem Jahrzehnt haben wir Offenbachrenaissance ; der Zustand ist einigermafien
228
Offenbachs „immaterielle Aktualitaten"
fragwiirdig. Rein Zweifel: die Melodien zunden noch wie einst, sie haben oft nichts
von ihrem pikanten und vergeistigten Reiz eingebiifit. Und es ist ihr besonderer, immer
wieder verblttffender Vorzug, dafi sie die Farbe und rhythmische Brisanz des Schlager-
haften mit der modischen Gebundenheit an ihr Entstehungsjahrzehnt vereinen. Als
bliitterte man in einem Journal von 1866 mit entziickenden Gravuren und kolorierten
Tafeln, von Seite zu Seite gefesselt durch die geistvolle Phantasie eines Malers, der uns
mit vertfauten Gewandern und Gesichtern doch immer wieder zu uberraschen versteht.
(Ganz anders wirkt etwa die Straufi-Operette mit ihrem ungleich schweren Flufi, ihrem
wesentlich solideren Handwerk, das aber eben die letzte Beschwingtheit hindert; hier
ist der Bezug zur gleichaltrigen Kunstmusik innerlich ganz deutlich geworden, wir
empfinden als „klassisch", was zu Lebenzeiten beinahe Schlager gewesen ist.) Der Luxus
ist zum Bildungsbestandteil geworden, ehe er noch Massenbediirfnis sein konnte; und
doch haftet ihm der Flair des Leichtsinns, der sozialen Ungebundenheit und hoch-
burgerlich-liberalen Welt vor den Griinderjahren an. Der Genufi soldier Kunstwerte,
ihre sensualistische Erkenntnis und Einordnung in unsern heutigen Ssthetischen Lebens-
raum ist eine der merkwiirdigsten Nebenerscheinungen des Surrealismus, wie ja auch
die surrealistische Asthetik als erste bundigen Aufschlufi uber das Wesen der Operette
liefern konnte.
Man darf aus diesem Grunde allein die Offenbach-Bouffes umstandslos heutiger
Welt und heutigem Publikum konfrontieren. Denn in dem Genre dominiert ja durch-
aus die Kunstwahrheit iiber die Lebenswahrheit, ja, sie bleibt das Einzige, was Be-
statigung findet, was wahr genommen wird! Hier haben wir den Unterschied von der
Oper (und der neueren Operette). Sie will als idealstes Ziel die vollkommene Paralle-
lisierung von Drama und Thema, ein utopisches Ziel, bei dessen weltfremder Proble-
matik sich Offenbach keinen Moment aufhalt. Seine Han dlung ist schon im ersten Plan
vollig irreal („surreal" wenn man will); sie affektiert nicht einmal eine Realitat, deren
Requisiten sie nur als Bausteine benutzt. Wenn Meilhac und Halevy sich der huma-
nistischen Bildungssphare bemachtigen, wenn sie Olymp, Hades, Mythologie und Helden-
sage des Trojanischen Kriegs agieren lassen, so geschieht es nicht mit der Absicht oder
Wirkung des Erzahlens, sondern mit der des Zertrummerns und Erneuerns von Welt-
bildern, zudem mit der sicheren Aussicht auf chockierende und komische EfFekte. So
hat genau genommen die . „Schone Helena" gar keine Handlung; die Motivierung des
Trojanischen Kriegs ist ein aus mythologischen Bausteinen montierter Witz; das helle-
nische Milieu deckt eine Hahnreis-Posse, mit der Doppelwirkung, dafi jenes entwiirdigt,
diese substanziiert wird.
Auch die Aktualitaten bei Offenbach sind derart immateriell, dafi sie — ein
gewisses Bildungsniveau vorausgesetzt — noch heute wirken konnten. Es hat infolge-
dessen nicht den geringsten Sinn, wenn sich mirtelmafiige Bearbeiter an die Revision
dieser Texte wagen, lediglich um eine Demodierung abzuwenden, an der es gewifi nicht
liegen wiirde, wenn Offenbach heute keinen Erfolg fande. Und so erscheint mir von
allem, was an aktuellen Offenbach-Bearbeitungen geliefert wird, noch immer die Kraus'sche
Interpretation als die einzig sinngemafie. Nicht, weil sie das ware, was billige Vulgar-
asthetik als „kunstlerisch adaquat" bezeichnet — die Kraus-Texte stehen sprachlich oft weit
fiber dem technischen Niveau der entsprechenden Musik — , sondern weil der innere und
229
■ <»»'*i, i - j" Ljm^f^mm^mmmftmmmm^ssm^mmmmm^m^Wffii^K^it
Es gibt keine Offenbachdarsteller
1
aufiere Rhythmus der Offenbachschen Melodie hier mit einem verbliiffenden Takt nach-
gestaltet wurde, so treffend und so schlussig, dafi fur den Musiker der Chock beim Horen
dieser Neufassung nicht geringer ist als bei der Begegnung mit dem Original.
Der Theaterbetrieb von heute ist klug genug, die Offenbach-Renaissance mitzu-
machen ; er wird an ihr nur profitieren. Denn der kiinstlerische Tiefstand der modernen
Operette kann auch dem grofiten Kultur-Optimisten nicht mehr unbedenklich und harm-
los scheinen. Der Film, der noch vor zwanzig Jahren als die geistige Abfallgrube des
Theaters gelten konnte, steht heute schon so weit iiber der Operette, dafi jeder EinfluS
von ihr her ein rapides Fallen des Niveaus gewahrleistet. Nur mit Grauen wird auch
der grundsatzliche Freund leichter Musik ein so abgriindig geistfeindliches Produkt wie
den Tonfilm „Viktoria und ihr Husar" iiber sich ergehen lassen. Aber umso energischer
mufi der Gefahr und dem so verbreiteten Bestreben vorgebeugt werden, dafi die Offen-
bach-Operette durch die Verwasserungkiinste geschaftiger Handlanger auf das Niveau
des Ischler Kitschs gebracht wird.
Leider steht einer Realisierung Offenbachs an deutschen Biihnen der fast totale
Mangel an brauchbaren Darstellern im Wege. Es wird Aufgabe der modernen Regisseure
sein, diesem Mangel durch systematische Schulung des vorhandenen Personals abzuhelfen,
eine Schulung, die sich iibrigens auch wichtiger Kraus'scher Maximen zu bedienen hatte,
aber durch die Mitarbeit eines Musikers im Offenbachschen Sinne zu erganzen ware.
Ausland
Im Westen wenig Neues
Pariser Glossen Robert Gaby
Von den Riickschlagen der Krise wird das Musikleben in Paris ebenso betroffen
wie in anderen Landern auch. Die Konzerte haben an Zahl abgenommen, sind weniger
ergiebig geworden. Novitaten findet man nur noch selten. Die Mazene, dank deren
Grofiziigigkeit so manches interessante Werk das Licht der Welt erblickt hat, sind ver-
schwunden.
Dafiir hat sich jetzt aber eine kleine Gruppe von Leuten gebildet, die bereits
zwei Konzerte mit kammermusikalischen Darbietungen veranstaltet hat. Diese Konzerte
sind ein Zufluchtsort fiir ausgewahlte Neuheiten des Konzertsaals geworden. Sie gehen
unter dem Namen „La Serenade". An ihrem ersten Abend konnte man im ver-
gangenen Winter, neben anderen Erstauffiihrungen, eine merkwiirdige und eindringlichef
Serenade fiir drei Instruments von dem jungen Russen Igor Markevitch horen. 1 ) Von
den Werken Markevitchs sind einige auch in Deutschland bereits bekannt geworden.
J ) In Berlin von der Internationalen Gesellschaft fiir Neue Musik Vorgefiihrt. (Anm. d. UberBetzers.)
230
*~^^?^p^pf : '>' •■ '
Neue franzosische Lieder
Ich gedenke eines nicht allzu fernen Tages, bei Gelegenheit einer wichtigeren Komposition,
den Lesern dieser Zeit9chrift auafiihrlicher von diesem jungen, zwanzigjahrigen Musiker
zu sprechen. Fiir heute will ich nur ganz einfach soviel sagen, da6 es in Paris nicht
wenige Menschen gibt, die das Schaffen Markevitchs — mit Bewunderung oder sogar:
voller Liebe — als ein Dokument eines wahrhaften Musikwunders ansehen.
Im zweiten Konzert der „Serenade" war eine Orgelsonate von Darius Milhaud
vorgesehen. *) Eine Erkrankung des Organisten verhinderte die Auffiihrung. Es handelt
sich urn ein sehr bemerkenswertes, technisch diffiziles Werk, das die Verehrer des grofien
Musikers, der die „Choephores" schrieb, zweifellos umso raehr schatzen werden, als es
einem Instrument gewidmet ist, dessen armseliges modernes Repertoire angefiillt ist mit
formalistischen, scholastischen und verganglichen Werken, wie sie wohlmeinende Orga-
nisten abzufassen pflegen. Die ubrigen Erstauffuhrungen der „Serenade" waren: Lieder
von Henri Sauguet, betitelt „Polymetres", und Lieder von Francis Poulenc.
Sauguets Lieder enthalten zwar, wenn man sie mit den friiheren, vor zwei Jahren
publizierten desselben Autors vergleicht, kaum wesentliche form ale Neuerungen, aber
sie enthullen noch deutlicher die intime, erregende Eigenart dieser im besten Sinn des
Wortes „charmanten" Musik. Seit drei Jahren etwa ist die Musik Henri Sauguets in
steigendem Mafie Zeugnis einer musikalischen Sensibilitat, die noble Haltung mit grofier
Qualitat vereint. Einer von diesen ,.Polymetern", mit dem Titel „La triste journee",
unterscheidet sich von den ubrigen (nicht ohne Grofie) durch seine harmonische Ent-
sagung, seine melodische Klarheit und sein kompositionelles Gleichgewicht.
„Trois Poemes de Guillaume Apollinaire" und „Trois Poemes de Louise Lalanne",
die neuen Lieder von Poulenc, sind mannlicher in der Haltung, straffer in der Gliederung,
ohne an Delikatesse dadurch zu verlieren. Sie sind in mehrfacher Hinsicht erfreulich.
Einmal durch ihre melodische Unbefangenheit: sie springen dem Horer angriffslustig,
wenn auch ohne Brutalitat, ins Ohr, sie sind fiir die Stimme wie furs Klavier gleicher-
mafien durchsichtig, kurz, sie bemachtigen sich des Horers auf eine spirituelle Art. Es
ist die Musik eines reifen, empfindenden und unverdorbenen Mannes. Ganz abgesehen
davon, dafi diese Lieder dem dichterischen Charakter des grofien Apollinaire entsprechen,
den sie ins Musikalische iibertragen wollen, ist ihre Melodik eminent franzosisch, also
im hochsten Sinne prazis. Und schliefilich sind sie, von Poulenc aus betrachtet (der eine
Zeitlang Anlafi zu der Befiirchtung gab, dafi ein pratentioses Akademikertum seine
jugendliche Spontaneitat untergraben wiirde), Beweis einer neuen geistigen Frische.
Das Erbe des franzosischen Liedes wird heute in einer sehr lebendigen Weise durch
die Werke von Poulenc und Sauguet fortgesetzt.
Im gleichen Konzert wufite man die Wiederbegegnung mit zwei Werken (unter der
vortrefflichen Leitung von Roger Desormieres) zu schatzen, die man in Paris seit acht
Jahren nicht mehr gehort hatte: das Oktett Strawinskys, mit seiner bewegten Architektur,
und die unnachahmlichen „Danses du Piege de Meduse" von Erik Satie.
J ) Ebenfalls in einem Konzert der Berliner IGNM bekannt geworden. (Anmerkung des Ubersetzers).
231
■ - i i. i i i i i wm Kmmmmmmmmmmmmmm
Elektra in Paris __
Aus den franzosischen Blattern, in denen albernerweise die Tagesneuigkeiten und
die Klatschgeschichten eine grofiere Rolle spielen als die Berichte iiber Wissenschaft und
Kunst, hat man wohl entnommen, dafi die Pariser Oper beinahe ihren gegenwartigen
Direktor verloren hatte. Herr Rouche, der in seiner „Academie Nationale de Musique"
nicht mehr aus noch ein wufite (in der Ausdrucksweise des Volks zu reden), hatte tat-
sachlich seinen Abschied eingereicht. Auf die erste Genugtuung hin, die er von den
Behorden erhielt, hat er dann seinen Entschlufi widerrufen. Gewifi ist es eine mifiliche
Sache, in einer Krisenzeit Erhohung des staatlichen Zuschusses fiir die Schonen Kiinste
zu verlangen. Aber bei dieser Gelegenheit zeigt sich nur noch deutlicher, wie verkehrt
die Verwaltungsbehorden in Frankreicb in Sachen der Kunst gewirtschaftet haben. Die
Zuschiisse, die man in Zeiten des Wohlstands fiir die Musikpflege gewahrt hat, sind So
lacherlich, dafi im Augenblick, wo eine Krise eintritt, die Academic in Gefahr gerat,
ihre Vorstellungen nicht aufrecht erhalten zu konnen.
Damit erklart sich auch die auJJerste Seltenheit, mit der neue Werke in der Pariser
Oper erscheinen : vor allem anderen kommt es darauf an, Kasse zu machen, und darum
mufi man dem traditionellen Geschmack des Publikums nachgeben, das in seiner Mehr-
zahl in Frankreich ganz erstaunlich weit hinter der Zeit zuriickgeblieben ist. Herr Rouche
hat sich im vergangenen Winter ein grofies Verdienst erworben mit der Auffiihrung von
Milhauds „Maximilian". Ebenso war es verdienstvoll, dafi er die „Elektra" von Straufi
auffiihrte, die in Frankreich noch nie gespielt worden war. Fiir uns Jiingere trifft dieses
Werk mit einer Verspatung von zwanzig Jahren ein. Obschon die Wiedergabe aus-
gezeichnet war, ist fiir uns die Elektra heute verschiittet unter der Masse moderner
Musik, die nach ihr gekommen ist. Wenn die Wirkung der Elektra zur Zeit ihrer
Schopfung, wie es den Anschein hat, sehr stark war, so hatte man erwarten diirfen,
dafi auch die spater geborenen jungen Generationen sich lebhaft fiir das Werk inter-
essieren wiirden. Indessen, Elektra ist fiir uns zwar ein Meisterwerk, aber es entstammt
einer nebulosen Asthetik, die einem anderen Zeitalter angehort: Symbolismus, ein£
langweilige, deklamierende Hysterie, Unmengen von Wagner-Blech, mafilose Lange untl
monotone Breite. Trotz der vollendelen Instrumentation ist die Auffiihrung dieses Werkes
fraglos zu langwierig fiir das franzosische Temperament. Ich beeile mich hinzuzufiigen,
dafi Elektra dennoch einen grofien Erfolg gehabt hat und sich im Spielplan der Oper
vielleicht sogar halten wird.
Zum Schlufi mochte ich noch verzeichnen, dafi die Besuche der grofien auslfindischen
Dirigenten durch die Krise keinerlei EinbuCe erlitten hat. Es scheint sich in Frankreich
jetzt der Sinn fiir die „gute Auffiihrung" zu entwickeln. Es gibt in Paris ein Publikum,
das ein brennendes Interesse fiir grofiartige musikalische Darstellungen zeigt. Die deutschen
Dirigenten haben gute Kassen. Die Konzerte Furtwanglers haben vor uberfiillten Salen
stattgefunden. Bei Mengelberg war es nicht anders.
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman.j
232
Beginn mit Hindemiths neuem Oratorium
Musikfeste
Das Tonkiinstlerfest in Zurich Hans H.stuckenscnmidt
Gratulieren wir dem Allgemeinen Deutschen Musikverein zu einer Erkenntnis, die
sein 62. Fest von den Vorgangern vorteilhaft unterscheiden half: er hat eingesehen,
dafi es heute nicht darum geht, moglichst viele und neue Werke in moglichst langen
Programmen (ur-)aufzufuhren, sondern dafi eine QualHats-Auswahl aus zeitgenossischer
Musik zu treffen ist, auf die Gefahr hin, ein paar schon bekannte Arbeiten. wieder in
Erinnerung zu bringen. Audi auf die Drei-Stunden-Dauer der iiblichen Festkonzerte
haben wir mit Vergntigen verzichtet; mit diesem Massenkonsum von schwingender
Luft (wie ihn jetzt wieder die Kunstwochen in Wien gebracht haben) ist keinem ge-
dient, nicht den Autoren, nicht dem Publikum und am wenigsten denen, die den
Weizen von der Spreu zu sondern haben.
Der auGere Verlauf des Festes war denkbar angenehm. Zurich hatte viele Miihe
und Kosten aufgeboten. die Tage glanzvoll zu gestalten; man war Gast der Tonhalle-
gesellschaft, der Ziiricher Kaufmannschaft, die Presse veranstaltete einen Abend fiir ihre
deutschen und osterreichischen Kollegen, und den vierten Nachmittag durften wir in
der marchenhaften Besitzung des munifizenten Kunstfreundes Dr. Schwarzenbach-Wille
verbringen. Da der Besuch nicbts zu wiinschen iibrig liefi, da Hunderte von Musikern
und Musikliebenden aus Deutschland, Osterreich, der Schweiz, aber audi aus England,
Frankreich, Amerika erschienen waren, kann man das Fest als durchaus gelungen be-
zeichnen. Fiir uns Deutsche zeigte sich iiberdies der Vorteil, den die Verlegung auf aufier-
deutschen Boden hatte; die Belastungen durch politische Stimmung (in jenen Tagen be-
sonders akut) fielen weg; man atmete eine geistig-freiere Luft, war fiir ein paar Tage
vom Alpdruck heimatlicher Note befreit.
Die Konzertreihe begann mit einer AufFuhrung des Hindemith-Oratoriums „Das
Unaufhorliche". Das Werk, in dem Hindemith endgiiltig Distanz zu der oft spielerischen
Sphare seiner friiheren Textvorwurfe gefunden hat, beispielhaft als VorstoJS zu verinner-
lichtem Ernst und ideell fundierter grofier Form, hinterliefi audi hier durch die zwingende
Logik seiner Polyphonie und die maitrise seines Chorsatzes starkste Eindriicke. Schon an
dieser schweren Aufgabe bewies sich gleich die bedeutende Kultur, die souverane Technik
des Festdirigenten Volkmar Andreae und seines Tonhalle-Orchesters. Audi der gemischte
Chor Zurich, verstarkt durch Mitglieder des Lehrergesangvereins und Knabenchore, be-
stach durch Sauberkeit der Tongebung, durch Prazision und musikalisches Nuancierungs-
vermogen. Ganz unzureichend waren leider die hohen Solopartien besetzt; der Tenor
Bapold (Stuttgart) fiel katastrophal ab und auch die Sopranistin Wirz-Wyss, von Kennern
als stilvolle Interpretin neuer Musik geruhmt, enttauschte unsere Erwartungen. Als
Vorteil erwies sich die Teilung der Bariton- und Bafipartien (die bei der Berliner Ur-
auffuhrung von ein em Sanger dargestellt wurden); die Charaktere traten so deutlicher
auseinander. Schey und Felix Loeffel (Bern) wetteiferten in glanzvollem Vortrag.
Uber die Penthesilea-Oper von Othmar Schoeck Erschopfendes auszusagen,
ist in dieser Kiirze unmoglich. Sie fesselt durch die unantastbare Lauterkeit des kiinst-
233
- u l ppip-— w-mmmm^mmm^m^^mmmmmmmmm
Reutter, Toch und Beck
lerischen Wollens, hat Profil, kiihne formale Wendungen, enorm viel Atmosphare. Dem
Kleistschen Original ist sie gleichwohl nicht gewachsen; dazu bediirfte es der drama-
tischen Kraft Verdis und der geistigen Beethovens. Eine sehr respektable, bewufit s'tili-
sierte Auffiihrung, als deren Star Maria Miilkens, als deren geschmackvoller Regisseur
Hans Zimmermann genannt sei.
Die weiteren Veranstaltungen (Kammermusik-Matinee, zwei Orchesterkonzerte, ein
Geistliches Konzert) waren quantitativ von Gesangsmusik und Chorwerken beherrscht.
Noch starker als in Bremen 1931 trat sinfonische Orchestermusik zuriick, die nur durch
anderthalb Werke vertreten war. Aber auch die reinen Formen der Kammermusik und
konzertante Werke waren in der Minderheit,
Unter den Vokalkomponisten registriert man einen neuen Mann, H. E. A p o s t e 1, der in
fiinf Orchesterliedern fiir tiefe Stimme dem Neuwiener chromatischen Stil eigenartig se-
quenzierende Techniken abgewinnt. Die Auffiihrung von neun geistlichen Liedern Walter
Courvoisiers wollenwirals AktderPietatbetrachten ; Courvoisiers Erscheinung war ab-
geschlossen, noch ehe er starb. HermannReutter versucht, mit weniger Gliick als man
von dieser aparten Begabung erwarten durfte, eine „Missa brevis"fiir Altstimme, Violin e und
Cello zu schreiben, bleibt aber in einer nicht einmal sehr streichermaCigen Imitatorik stecken.
Die an sich gute Auffiihrung war xiberdies durch einen akustischen Regiefehler gehandicapt ;
man hatte ein so zartes Kammerstuck nicht im grofien Tonhallesaal spielen diirfen. Auch
Trude Rittmann („Kleine Kammersuite" fiir Koloratursopran und Orchester) weifi ich
nicht mehr als ein gewisses satztechnisches Konnen bei fragmentarischem Formgeftihl nach-
zusagen. T o ch s Musik fiir Orchester und eine Baritonstimme, im Reich schon aufgefuhrt ?
ist in der Faktur das interessanteste und vollkommenste Werk des Festes; es gibt
heute wenige Musiker, die es an technischem Wissen mit Toch aufnehmen konnen.
Ein Stiick von konservativer, aber hochst sympathischer Haltung, Rezitativ und
Arie fiir Altstimme von Gerhart v. Westerman, fand trotz seiner verinnerlichten,
wenig effektvollen Sprache sehr lebhaften Beifall. »
Unter den Chorwerken Yerdient eins an erster Stelle genannt zu werden ; es ge-
hort zu den besten Arbeiten, die wir in Zurich horten. Ich meine das kleine a cappella-
Lied „Es kummt ein Schiff geladen" von Conrad Beck. Hier ist eine Form des strengen
Satzes im Bahmen heutigen Klanggefiihls errungen, eine Phantasie der Vielstimmigkeit
entwickelt, die unsre ganze Zustimmung linden. Zu den positivsten Eindriicken der
Festtage rechne ich ferner die aufierst reizvolle „Frauentanzkantate" fiir Bariton, ge-
mischten Chor und Orchester von Wolfgang v. Bartels. Es ist keine „neue Musik",
eher ein archaisierender Impressionismus; aber die Partitur ist mit prachtvoller Eleganz
und einer seltenen Heiterkeit des Herzens gearbeitet. Einen personlichen, etwas bleichen,
technisch gut fundierten Chorsatz schreibt Karl Gerstberger in seiner formal sehr
sicher gearbeiteten Motette nach Matthias Claudius.
Scharf9te ideologische Ablehnung verdient der auf Worte Zarathustras von Heinz
Schubert komponierte „Hymnus" fiir Sopran, gemischten Chor, Orchester und Orgel.
Ein junges Talent, statt sich den Problemen der Gegenwart zuzuwenden, noch nicht
einmal in der Materialbehandlung auf heutigem Standard, verrennt sich in eine asiatisch-
mystische Ideenwelt der Gottergebenheit. Musikalisch fesselt dabei nur die Souverfinitat,
mit der einige Chore gesetzt sind.
234
*™"""^"
Kreneks neue Variaiionen
Des Schweizers Fritz Br un „Chaconne" fur grofies Orchester, aus dem Zusammen-
hang geloster Sinfoniesatz, darf als stilistisch iiberaltertes Werk der Wagner- und
Brahmsnachfolge ubergangen werden. Es war das einzige reine Orchesterwerk neben
den neuen Variationen von Krenek. Diese bildeten den Beschlufi des Festes; ich
schatze sie als eine der reifsten Arbeiten Kreneks. Sie bedeuten technisch eine leicbte
Anlehnung an die Reihenkomposition der Schonbergnachfolge. Das Thema ist elftonig;
das vermiedene Dis tritt erst in der 13. (letzten) Variation auf. Allerdings kann von
strenger Zwolftonetechnik nicht die Rede sein, doch ist innerhalb des selbstgeschaffenen
handwerklichen Raums ein Mafi der melodisch-klanglichen Phantasie erreicht, das man
bei Krenek nur in einigen seiner besten Friihwerke gekannt hatte. Kein Zweifel, dieses
erstaunlich vielseitige und daher oft gefahrdete Talent hat zu den Quellen seiner
Schaffenskraft zuriickgefunden.
1 Zwei Streich quartette standen zur Diskussion, Hans Gals op. 35, eine reichge-
gegliederte Folge von fiinf sehr subtil gearbeiteten und gehorten Satzen, einige darunter
allzu sehr in Sentimenalitat aufgelost, in der grofiartigen Interpretation der Kolischleute
hochst beifallig akzeptiert. Weit problemalischer ist das andere Werk, Paul Kletzkis
d-moll-Quartett, eine Partitur von romantischem Schwung, Dokument einer reichen
aber haltlosen Begabung, die aus dem Most-Alter heraus sein sollte. Ein witziges, mit
kaustischer Ironie erfundenes, kompositionstechnisch sehr hochstehendes Werk, die
„Heitere Suite" fur Saxophon, Trompete, Posaune, Schlagzeug, Klavier und Geige des
Alban Berg-Schulers Otto Jokl, wirkte auf das konservative Publikum der Matinee,
obendrein in einer nicht restlos gegluckten AufTiihrung, leicht befremdend.
Unter den konzertanten Musiken steht das Capriccio fiir zwei Klaviere und Or-
chester des Dresdners Herbert Trantow obenan. Virtuos gemachte Musik, stilistisch
zwischen Sachlichkeit und Klassizitat mit Spuren von Jazz, ein Konzertstiick von un-
mittelbarer Wirkung (wenn es so gut musiziert wird wie hier von den Briidern Frey).
Die beiden anderen Konzerte, eins fiir Violine von Giinther Raphael und eins fiir
Cello von Chemin-Petit, sind als wenig gelungen zu bezeichnen; jenes stellt die dunne
Begabung Raphaels auf fast beschamende Weise blofi, dieses ist weniger unbegabt als formal
vertan und stilistisch noch ganz unentschieden, wirkte aber in der fulminanten Wieder-
gabe durcli Emanuel Feuermann. Eine Toccata und Fuge f-moll fiir Orgel von Johann Nep.
David ist trotz kontrapunktischer Meisterschaft als purer Abklatsch vorklassischer Orgel-
musik zu verwerfen; man ist noch kein Bruckner, wenn man aus Oberosterreich stammt.
An den Auffiihrungen waren einige Kiinstler von sehr bedeutendem Niveau be-
teiligt. Soweit ich sie nicht nannte, seien sie noch kurz erwahnt: der Hausermannsche
Privatchor unter der temperamentvollen Leitung von Hermann Dubs (Schubert-Hymnus,
Beck-Lied, Gerstberger-Motette), die Chorklasse des Konservatoriums Zurich (Bartels-
Kantate), die Sopranistinnen Merz-Tunner (Schubert, Courvoisier) und Siegrist (Rittmann),
die Altistinnen Durigo (Apostel) und Martha Fuchs (Reutter, Westerman), Hermann
Schey (Bartels, Toch), Rudolf Watzke (Courvoisier), der Geiger Rassermann (Raphael)
und das Zuricher Streichquartett (Kletzki). Eine Sonderveranstaltung, durch einen in-
formativen Vortrag H. J. Mosers eingeleitet, brachte Auffuhrungen von alter und neuer
Chor- und Schulmusik durch Zuricher Schulklassen, darunter eine bezaubernde von
Hindemiths „Wir bauen eine Stadt".
235
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Jubilaumsfest in Wien
Das zehnte Fest der I. G. N. M. wim Reich
Die Einrichtung der Musikfeste der „Internationalen Gesellschaft fiir neue Musik",
sollte, nach einer Formulierung Paul Stefans, den Zweck haben, innerhalb der Gemein-
schaft aller an neuer Musik Interessierten auf den alljahrlichen Zusammenkunften das
festzustellen, was die bedeutendsten der Schaffenden in der Zwischenzeit gewirkt und
erreicht hatten, was weiter von ihnen geplant werde und welche Geisteshaltung ihr
Schaffen fundiere. Nur engster personlicher Kontakt wahrend der Feste konnte das
Bewufitsein einer dauernden Gemeinschaft erwecken und aufrecht erhalten. Vom dieS-
jahrigen Wiener Fest der Gesellschaft mufi ganz offen gesagt werden, dafi es den soeben
geschilderten Zweck keineswegs erfiillte - und auch nicht erfiillen konnte, weil eine
Grofistadt vom Reize Wiens Fremden derart viel Ablenkung bietet, dafi oft der eigent-
liche Zweck des Aufenthaltes zuriicktritt und individualistischeren Freuden weichen mufi.
Dazu kommt noch die besondere Eigenart der Einheimischen, von denen jeder am liebsten
seinen Fremden unter den Arm nehmen mochte, um ihm sein Wien, seinen Umgang und
seine „neue Musik" zu prasentieren. - Wenn es diesmal auch nicht ganz so schlimm war,
so hatte es doch nicht vorkommen diirfen, dafi wahrend aller dieser Festtage, in denen
wir mit Musik und Reden uberschiittet wurden, mit keinem Worte Rudolf Retis
gedacht wurde, dessen Anregung die feiernde Gesellschaft ihre Entstehung verdankt.
Gegen die Wahl einer Weltstadt als Festort spricht auch die notorische Uberlastung,
unter der dort die Orchestermusiker leiden und die den Probenplan oft sehr ge-
fahrdet. In Wien wurde diese Schwierigkeit durch die grenzenlose Aufopferung iiber^
wunden, mit der das „Symphonieorchester" den Anforderungen von fast zehn
Dirigenten nachkam. Es mufi uberhaupt dankbar anerkannt werden, dafi infolge des
verstandnisvollen Entgegenkommens aller Behorden und offiziellen Korperschaften die
organisatorischen Fragen trotz Not der Zeit glanzend gelost worden waren.
In rein musikalischer Beziehung wurde in Wien „das Neueste und Aktuellste atft
alien Landern der Erde" dargeboten, soweit die Jury den Wunschen aller 26 Sektionen
der Gesellschaft hatte entgegenkommen konnen. Nachfolgend sei der Versuch unter-
nommen, die riesige Musik-Exposition wenigstens ihren wichtigsten Punkten nach
moglichst ubersichtlich zu katalogisieren.
Das Fest wurde nach einem offiziellen Empfang im Rathaus durch ein grofies
Orchesterkonzert unter Ansermet eingeleitet, das als wertvollsten Gewinn das rhythmisch
urwiichsige Klavierkonzert von Nikolai Lopatnikoff — von Walter Frey, Zurich,
vorziiglich interpretiert — , den sich keiner der gewohnten Formen fiigenden, inter-
essanten Orchestersatz „Innominata" von Conrad Beck und prachtvolle „Katalanische
Lieder" von Robert Gerhard brachte. Ein Vierteltonwerk von Miroslav Pone
und ein Violinkonzert von Karel Haba vermochten nur wenig zu interessieren, da
sie rein klanglich zu wenig Neues enthielten. Die Tanzsuite „Bal Venitien" von f
Claude Delvincourt ist ein sehr leicht wiegendes Stuck Unterhaltungs-
musik, das in diesem Rahmen keineswegs am richtigen Platze war. Ein Konzert fiir
Kammerorchester brachte als grofien Wurf das zweite Klavierkonzert von Norbert von
Hannenheim, ein brillant aus dem Geiste des Instrumentes musiziertes, auch satz-
technisch hochst geglucktes Virtuosenstiick. Else C. Kraus war dem Werke eine meister-
236
af&QmiiS^&Mi^xm*^*^^ -
.Haydn und Schubert als Rahmen
hafte Interpretin. Der von Hedda Kux ausgezeichnet gesungene Liederzyklus Ernst
Kreneks „Durch die Nacht" bewies auch in der orchestralen Fassung seine schon
wiederholt geruhmten wertvollen Eigenschaften, die sich in tiefempfundener, einfalls-
reicher Deklamation und strukturell einheitlicher Gestaltung aufiern. Eduard Erd-
manns „Standchen" fur kleines Orchester und Jerzy Fitelbergs Violinkonzert —
von Stefan Frenkel, Berlin, gespielt — machten auf mich den Eindruck gediegener, wenn
auch nicht sonderlich inspirierter Musik. Eine „Sinfonie fur Blasinstrumente und Schlag-
werk" von Hans Jelinek erregte durch groteske Instrumentationseffekte Interesse,
vermochte aber auf die Dauer infolge der Eintonigkeit des Klanges und der mangelnden
Gewahltheit des musikalischen Ausdrucks nicht zu fesseln.
In den Kammermusikkonzerten erwies sich vor allem das Streichtrio des jungen
Leopold Spinner als sehr erfreuliche Neuerscheinung. Das Werk ist technisch aufier-
ordentlich gekonnt und geistreich durchgefiihrt. Die Wiedergabe durch Rudolf Kolisch und
seine Quartettgenossen war ganzhervorragend. Ein pianistisches Bekenntniswerk ersten Ranges
ist die Klaviersonate von Julius SchloG, die von Jakob Gimpl ausgezeichnet inter-
pretiert wurde. Witzige musikalische Aphorismen stellen „8 Bagatellen" fur Streichquartett
und Klavier von Jean Francaix dar. Frisch musizierte Werke sind das Blaserquintett
von Josef Mandic und das schon anderwarts gespielte Nonett von Tibor Harsanyi.
Die Werke der Englander Artur Blifi (Quintett fiir Oboe uud Streicher) und Walter
Leigh (Sonatine fiir Viola und Klavier), sowie Malipieros „Cantari alia Madrigalesca"
fiir Streichquartett fielen durch noble Erfindung und handwerkliche Meisterschaft, bei
konservativer Grundhaltung, auf.
Geringere Eindriicke empfing ich von Vittorio Rietis Serenade, Kail Reiners Klavier-
sonate und Fidelio Finkes Sonate fur Flote und Klavier. In liebenswiirdigster Erinnerung
bleiben „Kinderlieder" von Boleslaw Woytowicz, die von den Wiener Sangerknaben
unter Leitung von Mateusz Glinski ausgezeichnet vorgetragen wurden.
Den eigentlichen Festkonzerten war noch ein Konzert moderner Kirchenmusik,
sowie drei Vorstellun gen der Sraatsoper „Die Bacchantinnen" (Egon Wellesz), „Der Musikant"
(Julius Bittner) und „Wozzeck" (Alban Berg) angegliedert. Burgtheater und Staatsoper
boten zusammenwirkend eine sehr gelungene Auffiihrung von Goethes „Triumph der
Empfindsamkeit" mit der prachtigen Musik von Krenek, an die sich eine Ballettsuite
(Haydn-Couperin) schlofi. Haydn wurde auch noch durch Besuch der Erinnerungsstatten
und durch ein Festkonzert in Eisenstadt gefeiert.
Man war in Wien bemiiht gewesen, nicht nur die „Musterschau" der von der
internationalen Jury erwahlten Novitaten auszubreiten, sondern man versuchte auch, den
Gasten einen Begriff von der musikdurchtrankten Atmosphare der Stadt zu geben und
ihnen die Ankniipfung an ehrwurdige Traditionen, welche sich selbst bei den kiihnsten
Neuerern des Schohberg-Kreises findet, deutlich zu machen. In diesem Sinne gewannen
auch die Nebenveranstaltungen des Festes: Haydnfeier, Reiterballett, Schubertiade und
Arbeitersinfoniekonzert wichtige Bedeutung, und besonders das letztere war es, welches
unter der glanzvollen Leitung Anton Weberns mit einer wahrhaft inspirierten Auffiihrung
der II. Sinfonie von Gustav Mahler, der „Lichtspielmusik" und des Chores „Frieden
auf Erden" von Arnold Schonberg und der Wiener Erstauffiihrung von Alban Bergs
„Weinarie", die besondere Eigenart der „Wiener Schule" aufzeigte.
237
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Gegen kiinstlerische Autarkie,
Musikleben
Kunst oder Agitation?
Heinrich Strobel
Es schien, als ob auch im kiinstierischen Meinungskampf ein sachlicher Ton sich*
durchgesetzt hatte, als ob man sich ernstlich um Klarung der Problem e, um deutliche Ab-
grenzung der Fronten bemiihen wollte. Das Verschwinden der agitatorischen Schlag-
worte konnte allgemein festgestellt werden. Da taucht mit einem Mai wieder eine
Wendung wie „Kulturbolschewismus" auf — nicht etwa in einem Winkelbliittchen, sondern
an der sichtbarsten, an der verantwortlichsten Stelle, die sich uberhaupt denken lafit:
in einer programmatischen Erklarung der Reichsregierung. Und zu gleicher Zeit stofit aus
alien Hinterhalten eine Offensive gegen die moderne Kunst vor, deren unsachliche
Kampfesweise alles iiberbietet, was man auf diesem Gebiet je erlebte. Es ist die Rede
von der Rettung der deutschen Kunst, von der Reinigung der offentlichen Kunsrpflege.
War die deutsche Kunst in den letzten zwanzig Jahren gefahrdet? Sehen wir einmal
da von ab, wie schwer es selbst fiir den Fachmann ist, den Begriff: deutsche Kunst zu
umreifien - war nicht gerade im letzten Jahrzehnt eine Aktivitat im deutschen Kurist-
leben zu spiiren, auf die wir mit Recht stolz sein konnten, eine Aktivitat, die auch jenseits
der Grenzen Anerkennung und Bewunderung fand? Und selbst da, wo man sich alien
Ernstes um neue Losungen bemiihte, etwa in der Berliner Krolloper, kam da die deutsche
Musik zu kurz? Man darf daran erinnern, dafi die epochalen Taten Klemperers vor
allem die Auffiihrungen deutscher Meisterwerke waren : Fidelio, Don Giovanni, Cardillac,
Zauberflote, Hollander, Figaro ! *
Freilich : um die grofie deutsche Musik, die sich bis auf den heutigen Tag und
gerade heute wieder als schopferisch erweist, um dieses gewaltige Erbe, das den meisten
kaum ahnungsweise bewufit ist, geht es in Wahrheit nicht in diesem neuen Kultur-
kampf, der von oben her begiinstigt und gefordert wird. In Wahrheit geht es nur um die
Ausschaltung alles dessen, was in logisch notwendiger Entwicklung seit Wagners Musik-
drama produktiv, reproduktiv, padagogisch an Neuem geschaffen wurde, geht es um
die Abschniirung aller geistigen Anregungen von aufien, die der deutschen Kunst von
der karolingischen Renaissance an iiber die Rezeption der Gotik und der Antike bis auf
den heutigen Tag entscheidende stilbildende Elemente zufuhrten. Es war stets die be-
sondere Fahigkeit der deutschen Kunstler, das Fremde aufzunehmen und es durch die
deutschen Wesenskrafte zur hochsten geistigen Entfaltung zu bringen. Es war stet9 eine
der schonsten Eigenschaften der Deutschen, dafi sie Verstandnis auch fiir das ihnen ur-
spriinglich Wesensfremde besafien, dafi sie sich in die kulturellen Werte anderer Nationen
vollig einfiihlen konnten. Unsere eigene Kunst hat dadurch keinen Schaden erlitten.
So selbstverstandlich es ist, dafi man sich gegen eine blinde Auslanderei wendet,
ebenso selbstverstandlich ist es, dafi man heute die Gefahren aufzeigt, die aus einem
238
Die Gegenrevolution der Epigonen
engherzigen Kunstnationalismus erwachsen miissen. Und dies umso mehr, als der Kultur-
kampf. der heute entbrannt ist, iiberhaupt nicht von den ewigen Manifestationen der
deutschen Kunst ausgeht, sondern nur der kiinstlichen Hochziichtung eines farblosen
Epigonentums dient. Man kann von einer Gegenrevolution der Zuriickgebliebenen sprechen.
Der Geltungstrieb der Mittelmafiigkeit steht hinter dieser mit vagen Schlagworten ver-
bramten „Erneuerungsbewegung". Sie scheut sich nicht, mit Mitteln zu arbeiten, die im
tiefsten Sinn als kunstfeindlich und unwiirdig zu bezeichnen sind. Denn es ist heute so
weit, dafi nicht mehr die Leistung, die Qualitat, sondern die „Art i( als Kriterium in
ktinsllerischen Fragen dient. Die neuen Schlagworte sind deshalb so gefahrlich, weil sie
von der Kunst weg in den Bereich vergiftender Schnuffelei fuhren, weil sie einen
niedrigen Machtkampf mit idealistischen Thesen vernebeln.
Mufi man Einzelheiten zitieren ? Jeder weifi, dafi selbst fiir weite Kreise der Gebilde-
ten nicht mehr die sachliche Leistung, sondern der Stammbauin ausschlaggebend ist.
Die Diktatur dieser Meinung ist bereits so stark, dafi Dutzende von deutschen Theater-
leitern sich ihr unterwerfen — aus Angst um ihre eigene Existenz. Der Fall Oppen-
heim in Breslau, der vor einem halben Jahr immerhin noch eine Ausnahme war, hat
sich inzwischen dutzendmal wiederholt. In Berlin wurde kiirzlich eine (statutenmafiig
iiberhaupt nicht zulassige) Bewegung gegen den Hochschuldirektor Schreker hiszeniert.
Sie gait natiirlich nicht der (in ihrer padagogischen Eignung gewifi anfechtbaren) Per-
sonlichkeit Schrekers, sondern dem padagogischen System, das durch Kestenberg und
seine Mitarbeiter reprasentiert wird und das von geschichtlicher Bedeutung ist. (Dabei ent-
behrt es nicht der Komik, dafi gerade die Leute, die durch Kestenberg hochgekommen
sind, heute am lautesten gegen ihn schreien.) Eine andere Konsequenz der gegen-
wartigen Situation: die Verschanzung der Programme gegen alle neuen und und aus-
landischen Werke. Der Entwurf der Berliner Staatsoper fiir die nachste Spielzeit ist,
symptomatisch. Kein Werk eines jiingeren Autors — obwohl man in Hindemith einen
Musiker besitzt, der die beslen Tradiiionen deutscher Musik wieder aufnimmt. Kein
Werk eines auslandischen Meisters - obwohl vorbildliche Auffiihrungen von Milhauds
„Columbus", von Janaceks „Totenhaus", von Strawinskys ,,Oedipus" jederzeit zur Ver-
fugung sriinden. Symptom atiscli ist es schliefilich audi, dafi die Berliner Funkstunde mit
keinem Werk des 50. Geburtstages von Igor Strawinsky gedachte — der immerhin der
grofite Musiker unserer Tage ist — wahrend sie dem Epigonentum mit einem Mai
freundlich aufhilft.
Verengung des geistigen Horizonts — das ist notwendige Folge der aktuellen
kulturpolitischen Doktrinen. Aber fast noch schlimmer ist die Unsicherheit, die durch sie
in alle kunstlerischen Betriebe getragen wird und die jede sachliche Arbeitsgesinnung
abwiirgen mufi. Es geht hier langst nicht mehr um die „Neue Musik", die als Bewegung
sowieso nurmehr ein schattenhaftes Dasein fuhrt und die nurmehr in ihren grofien
Personlichkeiten wirklich lebendig ist. Und es geht auch nicht darum, wie man im
einzelnen zu Hindemith oder Bartok oder Strawinsky steht. Es geht nicht mehr um eine
kunstlerische Richtung, sondern um die kiinstlerische Gesinnung schlechthin. Es geht
darum, ob sich in Zukunft die schopferisclie Perscinlichkeit noch frei entfalten, ob die
naturnotwendige Entwicklung der Kunst ungestort fortschreiten kann, oder ob alles
Geistige von einer skrupellosen Agitation zertrampelt werden soil.
239
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Die Hamburger wollen nichts Neues
Musikstadt Hamburg 1932 Edith weiss-Mann
Gelegentlicfa einer Statistik der im Rundfunk ausgefiihrten Neuen Musik erschien
Hamburg an letzter Stelle. Das konnte eiu Symptom sein, ist aber nur zufalliges, be-
dingtes Ergebnis. Hamburg, wo die vor zehn Jahren erwachte (jetzt bereits verebbte)
Orgelbewegung mit Hans Henny Jahnn, Harms und Giinther Ramin ihren Ausgang
nahm, Hamburg, das unter seinen Junglehrern einen Jode grofizog (und prompt nacli
Berlin opferte), dieses Hamburg ist keineswegs Neuer Musik abhold. Es hat sich im
Gegenteil hier seit Jahren, ausgehend von Liebhabern und der bildenden Kunst (die
Namen Fehling, Temming, Tillmann, Schiefler, Professor von Beckerath, Sauerland) Ver-
langen und Wunsch nach abseitiger Musik zu einer Lebensnotwendigkeit verdichtet,
und die 1929 durcli Ernst Roters gegriindete Ortsgruppe der I. G. N. M. konnte die
starkste und leistungswilligste in Deutschland (Protokoll der Sektion) deshalb werden,
weil hier der Niederschlag soldier Lebensnotwendigkeit sich auswirkte.
Der Rundfunk als leistungsfahigstes Institut fiir musikalische Verbreitung ist hier-
orts unter Eibenschiitz an ein iiberwiegend gemischtes und mit radikalen Werken spar-
sames Programm gebunden infolge des enormen Hinterlandes; er ist nicht nur Grofi-
stadtsender. Ganz anders liegen die Dinge im Stadttheater. Hier bat man sich seit
Jahren trotz eines Dirigenten von der Weltgeltung Egon Pollaks gewohnt, wichtige
Neuauffiihrungen von Berlin, Frankfurt und Dresden erproben zu lassen. Eine inter-
national interessierende Urauffiihrung gab es seit Korngolds „Heliane" (1927) nicht
mehr. Zogernd brachte man den „Jonny", etwas mutiger „Orest", gar nicht „Cardillac",
unter wiitendem Protest „Sancta Susanna". Im letzten Jahr nach allerlei Respighi- und
Pizetti-Nieten kamen hintereinander belangvolle Neuheiten von Reznicek, Weinberger,*
Gurlitt, Pfitzner. Aber weder der „Wozzeck" noch ein Schonberg. Die besonders liebe-
volle Pflege der Busoni-Werke : Arlecchino und Faust ist allein Werner Wolff zu danken,
fand aber bei den Hamburgern keine Gegenliebe.
Und damit ist ein Punkt beriihrt, der sonderbar symptomatisch ist: der Ham-
burger Opernbesucher will nichts Neues. Nicht Egon Pollak und Leopold Sachse sind
Anlafi zu soldier Ruckstandigkeit, nicht der hervorragende Nachfolger des halbjahrig
an Amerika verlorenen Pollak, Dr. Bohm, sondern das Publikum verweigert die Ge-
folgschaft, sobald es um anderes geht als um Wagner, Verdi, Carmen, Tosca oder
Butterfly. Wer hier in Hamburg Sinne und Nerven auf Neues richtet, wandert in die
Musikhalle.
Starker als in alien anderen Grofistadten ist hier in Hamburg das Konzertleben
zentralisiert. Das einzige Orchester bestreitet die Philharmonischen-, die Symphonie-
Konzerte unter hiesigen und auswartigen Dirigenten, es hat seine Volkskonzerte, seine
Kammermusiken, ubernimmt Chor- und Kirchenmusik-Begleitungen und ist an jeder
auch in den entfernten Gemeinden stattfindenden Instrumentalaufgabe beteiligt. Dafi
neuerdings ein Interimsvertrag mit der Norag lauft, der einerseits wirtschaftlich von
hochster Wichtigkeit, andererseits ein erfreuliches Plus fiir die Qualitat im hiesigen
240
Karl Muck und Eugen Papst
I.
L
Bundfunk ist, vermehrt die TJberlastung des Apparats um Wesentliches. Starker als in
anderen Musikzentren stehen aber auch Meinung und Kampf gegeneinander, iibertrumpfen
sich Irriges und Blasphemie. Wenn einerseits Karl Muck als das ideale Hindernis fur
jeden Fortschritt angesehen wird, anderseits seine vorbildliche Einmaligkeit sich zu Er-
folgen auswirkt, wie er sie in Berlin hatte, wo man ihn mit seinen Philharmonikern
bejubelte, wie (ausgleichende Justitia) friiher hier die Berliner unter Nikisch; wenn die
wenigen zahlkraftigen Kreise nur in den Furtwangler - Konzerten der Berliner Philhar-
monie zu finden sind, auswartige Dirigenten (Walter, Buacb) aber die Leistung gerade
unseres Hamburger Orchesters in den Himmel heben; wenn Eugen Papst bekennt:
Aufgaben wie Mozart und Beethoven verstehen sich furs Orchester von selbst,
dann wegen der nicht bewilligten Proben aber wichtige Noviiaten vom Spielplan
lassen mu(S; wenn die Zeitungen stolz die Reichserfolge Sittards mit seinem Michaelis-
Chor riilimen, aber kaum zweihundert Leute zusammenkommen, wenn er mit diesem
Chor hier eine Thomas-Urauffuhrung macht; wenn ein ganz starker Nachwuchs nach
Unterweisungsmoglichkeiten verlangt, Behorden und Ausschiisse aber trotz aller Miihen
(der Name Senator Krause darf hier nicht fehlen) die Begelung nicht finden fur das
staatliche Stadium; wenn fur mittelmafiig burgerliche Liedertafelei erkleckliche Summen
aufgebracht werden, hochwertige Chormusiken aber nur zufolge des Idealismus' aller
Beteiligten zustande kommen: so stehen wir vor einer Beihe von Ratseln, bunten
Widerspriichen, deren Deutung keineswegs mit den ublicben Sentenzen von Zeitlauften
und Krisen unternommen werden kann.
Einem alten Gleichgewichtsgesetz zufolge ist das Ubergewicht von Positivem nicht
so leicht zu erschuttern, und so erleben wir, als Gegensatz, die Befruchtung durch die
ganz grofie ^Tradition, die Karl Muck heifit, eine Befruchtung, die sich am er-
greifendsten offenbarte in der grofiartigen Funften von Mahler unter Papst; so gedeiht
eine vorbildliche Bereitschaft auch fur Kammer-Aufgaben, wie am schlagendsten der
Strawinsky-Hindemith- Abend der I. G. N. M. unter Richter erwies; so sammelt sich zu-
folge Eugen Papsts Energie und Vielseitigkelt eine Reihe von Philharmonie-, Singaka-
demie- und Lehrergesangs-Auffuhrungen mit Neuestem, Badikalem und auch Abseitigem
jeder Gattung; so zeigt zufolge Sittards Unternehmungsgeist das Chorgesicht der Gegen-
wart sich in seinen Polen (Urauffuhrungen von Honegger bis Kaminski, von Winds-
perger bis zu Ermatinger); so hort man bei Gustav Knak ganzlich im Sinne hochster
Sachlichkeit verinnerlichte Schiitz- Auffiihrungen ; und der Nachwuchs der SchafTenden
(Barthe, Berthold Goldschmidt, Gerhard Maass, Ingolf Marcus, Giinther Plappert, Hel-
muth Paulsen, um nur einige Namen aufier den bereits erprobten wie Muller-Hart-
mann, Use Fromm-Michaels, Scheffler, Boters, Dr. Hartmann, Erdlen, Sthamer zu nennen)
entspricht in der Qualitat derjenigen der Nachschaffenden (das fabelhafte junge Schneider-
Quartett).
Keineswegs mit Anspriichen auf endgiiltige Vollstandigkeit, nur ein Querschnitt
mit zwanglaufiger Beriihrung der lebenswichtigen Fragen, ist dieser Streifzug, ob er
mifiverslanden oder bejaht wird, giiltig nur fiir das Eine: fur die Notwendigkeit der
Wechselwirkung Neu-Alt, Fortschritt-Tradition, Badikal-Besinnlich. Die Zukunftsmoglich-
keiten aus solcher Wechselwirkung sind hier in Hamburg durchaus hoffnungs-
voll.
241
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Niirnberger Kammerkonzerte
Melosberichte
Neue Musik Seiner soziologischen Struk-
in Nurnberg tLir nacn i st Niirnberg fiir
neue Musik schwer zugang-
lich. Der Franke liebt das Althergebrachte
und klebt gerne an der Vergangenheit.
Neuerungen tritt er mit eisiger Reserve
entgegen. Trotzdem hat neue Musik im
Laufe der letzten Jahre in der Meister-
singerstadt Eingang gefunden, und beson-
ders im letzten Winter wurde eine grofie
Bresche in das traditionsmafiige Musizieren
geschlagen.
Wenn audi die Oper aus Sparsamkeits-
griinden sich in der Hauptsache mit den
iiblichen Repertoirewerken befassen mufi,
lieft der erste Kapellmeister Bertil Wetzels-
berger keine Gelegenheit voriibergehen,
ohne wenigstens mit den Hauptwerken der
Gegenwartsproduktion bekannt zu machen.
Fast alle Opern Hindemiths, angefangen
mit dem kleinen Sketch „Hin und zuriick"
bis iiber „Cardillac" zu „Neues vom Tage"
waren zu horen, Strawinsky lernte man im
„Feuervogel" und in der „Geschichte vom
Soldaten' kennen. Freilich brachten die
Niirnberger dieser Arbeit nicht immer das
notige Verstandnis und Interesse entgegen.
Besser lagen die Verhaltnisse im Kon-
zeitbelrieb. Fiihrend sind hier die grofien
Veranstaltungen des Philharmonischen Ver-
eins. in welch en Bertil JVetzelsberger und
Issai Dobrowen mit den neuesten Werken
erschienen. Zeitgenossische Kammermusik
bietet der Privatmusikverein in einigen
seiner Abonnementskonzerte. Selbst der
Verein fiir Klassisclien Chorgesang verliefi
unter scinem jugendlichen Dirigenten Karl
Demmer der Gewobnheit trage Gleise und
erprobte sich an der imposanten Psalmen-
symphonie von Strawinsky. Moderne Chore
trifft man in den verschiedensten Ver-
einigungen an. Waldemar Kiinks Kammer-
chor, Willy Esche mit seinem gleichnamigen
Vokalkorper setzen sich gerne und mit Er-
folg fiir neue Werke ein, zumal es unter
den frankischen Tonsetzern auf diesem
Gebiete manche beachtliche Namen gibt.
Armin Knab, Karl Schadewitz, dann vor
allem der Niirnberger Max Gebhard, dessen
kleine Passionsmusik in der vorosterlichen
242
Zeit allenthalben Aufsehen und Interesse
erweckte, werden geflegt. Aber all diese
Veranstaltungen bleiben mehr oderweniger
doch vereinzelt und sind zu sehr von Zu-
falligkeiten und allerlei Umstanden ab-
hangig.
Eine systematische Pflege neuer Musik
kennt Niirnberg erst seit dem Augenblick,
als sich der junge Kapellmeister Adalbert
Kalix mit vorbildlicher Begeisterung des
Gegenwartsscliaffens annahm und eine
eigene Vereinigung zu diesem Zweck griin-
dete. Heute, nach wenigen Monaten kennt
jeder die Buchstaben KZM (= Kammer-
konzerte Zeit genossischer Musik). Eine statt-
liche Horerzahl hat sich um dieses Unter-
nehraen geschart, sodafi es Kalix wagen
konnte, auch grofiere Orchesterwerke zur
AufFiihrung zu bringen. In logischer Folge
soil hier der Horer an die neue Musik
herangefiihrt und fiir sie gewonnen werden.
Einfiihrungsvortrage, die der Niirnberger
Musikkritiker Wilhelm Matthes hielt, er-
teilten Aufschlufi iiber das Werden und
Wesen der neuen Musik. Alois Haba sprach
an dem von August Forster konstruierten
Viertelton-Harmonium iiber sein neues
System und fand dabei viel Anklang.
Die starksten Anregungen gingen aber
von den Konzerten selbst aus. Sie brachteih
Werke von Toch, Holler, Rathaus, Finke,
Jarnach, S. W. Muller und Raphael, selbst-
verstandlich auch von Hindemith. Der Be-
such der einzelnen Veranstaltungen war
gut, sodafi der Unternehmer sich ermutigt
fiihlt, auch weiterhin in diesem Sinne zu
arbeiten. Ein Niirnberger Komponisteta-
Abend und „Moderne Lyrik in Wort und
Ton" sind fiir den Sommer vorgesehen.
Fritz John
Schweizerisches An der 33. Tagung
Tonkunstlerfesi ^ ^ diweiz - T ™-
kunstlervereins in Ve-
vey kamen in zwei
Kammermusikkonzerten die Werke von
elf Lebenden und zwei kiirzlich Verstor-
benen zur Auffiihrung. Sieht man vom un-
personlichen Quintett fiir Klavier und
Musikpadagogische Studienwoche in Stuttgart
Stretcher, 1907, aus der Nachfolge Francks
von Fritz Bach und den tiefempfundenen
„Geistlichen Liedem" von Walter Cour-
voisier — herrlich Ilona Durigo ! — ab,
so ergab sich ein Querschnitt durch das
Musizieren unserer jiingsten Generation.
Vielversprechend zwei neue Namen: Hans
JoacJiim Schduble (Streichquartett) zeigt
einen erfindungsreichen, im noch unausge-
glichenen Finale an Reger erinnernden
Kontrapunkt mit einem Largo, das auf-
horchen lfifit. Rudolf Wittelsbachs Quartett
fiir Klarinette, Trompete, Fagott und Klavier
besitzt einen schmissigen, dynamisch ge-
drangten 1. Satz aus dem Geiste Hindemiths,
fallt im Adagio in romantische Klangselig-
keit zuriick und bricht witzig ab. Hand-
werkliche Meisterschaft bekundet Conrad
Beck in den grofiartig abgerundeten „Klavier-
stiicken", die in der unerbittlichen Logik
der thematischen Durchfuhrung mit Bachs
lnventionen verwandt sind. Walter Frey
war ihr vollendeter Vermittler.
Weit weniger markant und fortschritt-
lich sind die beiden Genfer Jean Binet
(Streichquartett) und Roger Vuataz (Cello-
sonate). Siebenknappe, trefflich kontrastierte
Improvisationen fiir Cello — (Fr. Hinder-
mann !) — und Klavier bindet Walter Lang
zu einer Suite. Ruckwarts weisen Luc
Balmer, dessen „Belcanto t '-Variationen fiir
Streichquartett auf einem Beethoventhema
ruhen, und Werner Wehrli mit einem echt
empfundenen Liederzyklus „Neues Hoffen",
wahrend der Waadtlander Francois De-
mierre mit zwei Melodien in der franzo-
sischen Nachromantik verankert ist.
Neue Moglichkeiten fiir die zahlreich
erschienenen Musiker erschlofi ein Garten-
konzert der „Lyre de Vevey", Leitung:
Novi, mit Blechmusiken von Ansermet,
Piantoni, Suter und Doret. Das malerische
Stadtchen am Genfersee empfing die Gaste
in grofiziigiger Weise. Aufnahme und Durch-
fuhrung des Festes hatten Form.
Willy Tappolet.
Jubilaum mit
Laienmusik
Die wiirttembergische
Hochschule fiir Musik in
Stuttgart feiert ihr 75-
jahriges Bestehen. Vor den offiziellen Feiern
mit vier Festkonzerten stand ein beacht-
samer Auftakt: eine Musikpadagogische
Studienwoche mit chorischer und instru-
mentaler Laienmusik, die das Musiklehrer-
seminar unter der Leitung von Paul Fr.
Scherber veranstaltete. Die praktische Arbeit
mit den Teilnehmern leitete Carl Orff;
damit war der Woche Leben und Gesicht
gegeben. Viel praktische Arbeit, wenige —
aber bedeutsame — Referate und keine
Konzerte, das waren die aufieren Kenn-
zeichen der Studienwoche. Auch die Auf-
fiihrung seiner Werfelkantaten nannte Orff
einen „6ffentlichen Versuchsabend" um
jeden Konzertcharakter zu vermeiden; eben-
so waren die angegliederten Urauffiihrungen
zu werten, die neue Laienmusik zur Dis-
kussion stellten.
Nach einer Triosonate von Porpora, die
anstelle einer leider abgesagten „Spiel-
musik" von Paul Grofi trat, kam am ersten
Abend Hermann Reutters Kantate .,Der
gluckliche Bauer" unter der Leitung yon
H. Holle zur Urauffuhrung ; trotzdem das
Werk in nicht ganz partiturgetreuer Chor 1 -
besetzung erklang, hinterliefi es — zumal
in den letzten Teilen — im „Lied um
Regen" und im bekannten „Abendlied"
starke Eindriicke. Leiclit ausfiihrbare, meist
ostinate Instrumentalbegleitflachen stiitzen
die schhchten Chorsatze nach Claudius-
Texten, in die eine lustige Kirmesmusik
belebende Abwechslungbringt. Hans Brelnne
hatte eine „Kleine Kantate" fiir Kinderchor,
Blockfloten, Violinen, 2 Klaviere und Schlag-
werk geschrieben, die alte Kinderreime mit
Texten von Morgenstern verband. , Unter
Scherbers Leitung kam das Werk durch
die Ubungsschule des Musiklehrerseminars
zur Urauffuhrung: Kinder spielten und
sangen, ohne allerdings immer zuiiberzeugen,
dafi die haufig kurzatmige Melodik mit
langen Pausen ihrem Musiziertrieb ganz
entsprache. Ein Lehrstiick „Der weifie Storch"
fiir Kinder- und gemischten Chor, Sprecher
und Publikum, mit Instrumenten, von
Helmuth Bornefeld blieb bei allem Streben
nach starkem Ausdruck und einfachen Aus-
drucksmitteln zu oft in direkter Abhangig-
keit von Weills Dreigroschenoper stecken;
allerdings erhebt sich hier die Frage, ob
dies bei der Bestimmung des Werkes fur
einen bestimmten musizierenden Kreis und
243
mmmmmm
mmmmm
Carl Orffs Laienschulung
eine bestimmte Gelegenheit — Schaden ver-
ursacht, ob Laienmusiken, wie Brehmes
und Bornefelds Werke, ihren Zweck nicht
auch ohne den Hinweis auf lange Geltung
erfiillen.
„Klingende Ausstellungen" machten mit
neuer Instrumentalmusik bekannt. -Neue
Spielmusik fur Streicher von Hindemith,
Seiber, Kadosa und Bartok wechselte mit
neuer Klaviermusik von Beutter, Toch, Hin-
demiih, Casella, Finke, Bartok, Petyrek und
Strawinsky. Der Musikunterricht kam zu
Wort: die Musizierstunde der hoheren
Schule, der Volksschule und im Privat-
musikunterricht standen kontrastierend —
und gerade darum lehrreich gegeniiber. Die
Jugendmusikbewegung bracbte durch zwei
Stuttgarter Singkreise chorische Laien-
musiken von Marx, Weber, Knorr, Crusius
und Kaminski. Drei Beferate gaben die
Bichtlinien ; Scherber, deutete die Be-
ziehungen zwischen „Hochschule und Laien-
musik". In musiksoziologischer Untersuchung
zeichnete Eberhard Preufiner „Die Stellung
des Laien in der Musik", sein Werden und
8eine Aufgabe in unserer Zeit und unserer
Gesellschaft. Die praktische Laienbildung
behandelte Carl Orff: „Elementare Musik-
iibung, Improvisation und Laienschulung".
Genau wie in seinen Ubungsstunden mit
Schlagzeugorch ester, in seinen Improvisa-
tionen mit Chor, Blockfloten und Schlag-
werk bevvies er die starke vitale Kraft
einer elementaren Musikiibung, die vom
Bhythmischen ausgeht und improvisa-
torisch — schopferiscbe Krafte im Schiiler
wie iin Laien erweckt. Wie belebend und
aktivierend diese elementare Musikiibung
sich auswirkt, zeigte die Schlufiauffuhrung,
in der Orffs Kantate „Fremde sind wir a
fur Chor, Violinen und Kontrabasse, sowie
seine Kantate „Veni creator spiritus" fiir
Chor, drei Klaviere und Schlagzeug, die durch
Teilnehmer der Woche musiziert wurden.
Es mag als Symbol gewertet werden,
dafi der 75. Geburtstag der Hochschule mit
einer Studienwoche fiir neue Laienmusik
eroffnet wird. Nicht nur Symbol ist das
tatsachliche Ergebnis: eine Arbeitswoche,
die trotz bewufiter Abkehr vom Fertigen
und Konzertfahigen die elementaren Wur-
zeln selbstschopferischer Aktivitat im Musi-
zieren klarlegte, sodafi Laien und Lehrer
nicht nur fiir bedeutsame Anregung, sondern
fiir bestimmende Erkenntnis und — was
wichtiger ist — fiir iiberzeugende Erlebnisse
dankten.
Ernst Laaff
Neuerscheinungen
Neue Musik
Igor Strawinsky, Berceuse aus dern Ballett „Der
Feuervogel" fiir Violine und Klavier bearbeitet
von I. Strawinsky und S. Dushkin. Schott, Mainz
Wolfgang Fortner, Konzert fiir Orgel und Streich-
orchester : Praludium — Passacaglia — Fuge.
Sdiott, Mainz
Arthur Willner, Skizzen, op. 60, fiir Klavier.
Universal-Edition, Wien
Ignaz Friedman, Wiener Tanze, nach Motiven von
Eduard Gartner, fiir Klavier gesetzt.
Universal- Edition, Wien
Hnnns Schindler, Sonate fiir Oboe und Orgel, op. 38.
Veroffentlichung des Oboistenbundes 1932.
Merseburger, Leipzig
August Kiilinel, Sonate Nr. 8 A-dur fiir Viola da
Camba und Cembalo (Dobereiner). Schott, Mainz
244
Wir bringen in dieser standig -wiederkehrenden Bubrik ohne An-
spruch auf Vollstandigkeit eine erste Auswahl aus den musikalischen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wir behalten uns vor, auf
einzelne der hier erwahnten Werke noch ausfiihrlicher einzugehen.
Walter Niemann, Tafelmusik fiir Klavier, op. 125:
1. Intrada, 2. Pavane, 3. Inventione fugata,
4. Allemande, 5. Courante, 6. Sarabande,
7. Rigaudon, 8. Menuett, 9. Gigue.
Kahnt, Leipzig
Max Trapp, Divertimento fiir Kammerorchester
(Flote, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete,
Posaune, Tuba, Pauke und Streicher), op. 27.
(Eulenburgs kleine Partitur-Ausgabe.)
Eulenburg, Leipzig
Paul Graener, Sinfonia breve, op. 96.
(Eulenburgs kleine Partitur-Ausgabe.)
Eulenburg, Leipzig
Sigfrid Walther Mtiller, Sechs Kinderstiicke im Um-
fang von fiinf Tonen fur Klavier zu vier Handen,
op. 35 Nr. 3: 1. Am Morgen, 2. Alte Uhr,
3. Haschen, 4. Marchen, 5. Marsch, 6. Wiegenlied.
— Weihnachtsmusik, Kleines Konzert (G-dur) fur
Holzblaser, Streicher und Klavier, op. 38 b.
Breitkopf & Hartel, Leipzig
Neuerscheinungen
Friedrich Welter, Suite in Form von Variationen
(in 3 Satzen) fiir Klavier zweihandig, Werk 10.
AufFtihrungsdauer 28 Minuten.
Selbstverlag des Autors,
Berlin-Zehlendorf-M., Holzweg 39
Hermann Schroeder, Kleine Praludien und Inter-
mezzi, op. 9, fiir Orgel. Schott, Mainz
Ausland
Joaquin Turina, Zirkus, Suite fiir Klavier.
Schott, Mainz
Werner Wehrli, Suite fiir Flote und Klavier, op. 16.
Hug & Co. Leipzig u. Zurich
Laszlo Lajtha, III. Streichquartett op. 11, fiir zwei
Violinen, Viola, Violoncello.
Universal-Edition, Wien
Laszlj Lajtha, Sonatine, fiir Violine und Klavier.
Edition Leduc, Paris
B. Martinu, Partita fiir Streichorch ester.
Schott, Mainz
Karol Szymanowski, Chanson polonaise (Polnische
Volksweise) fiir Violine und Klavier, bearbeitet
von Paul Kochanski,
— Danse paysanne (Bauerntanz) aus „Harnasie" fur
Violine und Klavier bearbeitet von Paul Kochanski.
— Streichquartett op. 56 fiir zwei. Violinen, Bratsche
und Violoncello. Universal-Edition, Wien
Zdenko Fibich, Album II, Auswahl leichter Original-
kompositionen fur Klavier, revidiert und be-
zeichnet von B. Kurzova.
- Sonatina fiir Klavier d-moll.
*. Urbdnek a Synove, Prag
Manuel de Falla, Soneto a Cordoba de Luis de
Gongora fiir eine Singstimme und Klavier.
Oxford University Press, London
Andree Rochat, Sonate fiir Klavier und Violine.
Hug & Co., Zurich u. Leipzig
Constantin C. Nottara, Suite en cinque parties,
Piano solo. Universal-Edition, Wien
Claude Debussy, Deux melodies fur Singstimme
und Klavier (1882) (Texte franzos., deutsch, engl.) :
1. Bondeau, 2. Zephyr.
- Danse bohemienne (1881) fiir Klavier.
Schott, Mainz
A. Glazounow, Serenade espagnole fiir Klavier und
Violine bearbeitet von Fritz Kreisler.
Scliott, Mainz
Aug. de Boeck, Compositions pour Violon ou Alto
et Piano : 1 . Deux Esquisse (Violon et Alto),
2. Fantasie (Alto). Schott, Brussel
P. ]. M. Plum, Piece funebre, fiir grofie Orgel.
- Schott, Brussel
J. Jongen, Jeux de nymphe (1929) fiir Klavier.
Schott, Brussel
Tibor Harsanyi, Concertstuck fiir Klavier und Or-
chester. Senart, Paris
Lazare Saminsky, Litanies des Femmes fiir Sing-
stimme und Kammerorchester. Text von Alice
Hunt. Senart, Paris
Louis Cortese. Heures d'Ete fiir Gesang und Kla-
vier. Text von Albert Samain.
Senart, Paris
Charles Dodane, Conte chevaleresque du moyen
age, Sonate pour piano, op. 4.
Senart, Paris
Ponce-Segovia, Variations sur "Folia de Espana"
et Bugue fiir Gitarre. Schott, Mainz
Torroba-Segovia, Pieces caracteristiquee fur Gitarre,
zwei Hefte. Schott, Mainz
Necil Kazim, Allegro feroce, fiir Saxophon und Klavier.
Universal-Edition, Wien
Giorgio Federico Ghedini, Bizzarria, fur Violine
und Klavier. Universal-Edition, Wien
Vokalmusik
Hanns Jelinek, Drei Chansons ; 1 . Monolog des
Blinden, 2. Fantasie von Dbermorgen, 3. Masken-
ball im Hochgebirge ; fur Gesang und Klavier.
Universal-Edition, Wien
Die Spaziergiinge, Ballade aus dem Tonfilm ,,Kuhle
Wampe oder Wem gehort die Welt?", Buch von
Bert Brecht und Ernst Ottwalt, Musik von Hanns
Eisler, op. 27, No. 2, Gesang und Klavier.
Universal-Edition, Wien
Sigfrid Walther Miiller, Vier lustige Lieder, aus
„Des Knaben Wunderhorn" fiir vierstimmigen
Mannerchor, op. 40; Heft 1:1. Trinklied, 2. Lohn
der Eitelkeit; Heft II: 3. Selbstgefiihl, 4. Fuge.
Breitkopf & Hartel, Leipzig
Edmund Nick, Acht Lieder fiir eine Singstimme und
Klavier: 1. Marchen (Arno Holz), 2. Ich wollt',
ein Lied von mir (Carl Bulcke), 3. Ihr (Hermann
Uelzen), 4. Wiegenlied (Wilh. Raabe), 5. "Weine
nur, weine mein Herz (Otto Henke), 6. Gang bei
Nacht {Herm. Hesse), 7. Ueber Tod und Schick-
sal (Paul Heyse), 8. Trost (Theod. Storm).
Verlagsanstalt Deutscher Tonkilnstler A.-G., Mainz
Hans Petsch, Pfalzische Volkslieder, Chorvariationen
fiir vierstimmigen Mannerchor a cappella :
1. Der lustige Spotter, 2. Mein Madchen,
3. Was der Mensch braucht
Schott, Mainz
Karl Schafer, Sieben Kinderlieder, nach Versen von
Elisabeth Dauthendey, op. 22, Gesang und Klavier.
Verlagsanstalt Deutscher Tonkilnstler A.-G., Mainz
Wilhelm Rettich, Der Schafer (Goethe), fiir dreist.
Mannerchor und Englisch Horn (oder Klarinette),
op. 28. Schott, Mainz
Franz Willms, Christus, Licht der Welt (Romano
Guardini). Vierstimmigen gem. Chor a cappella,
Schott, Mainz
Ludwig Weber, Liebe (Paul Kastner) fiir siebenst.
gemischten Chor mit Orgel ad. lib.
— Herr Christe ! (Gustav Schiiler) fiir vierstimmigen
gemischten Chor a cappella.
Schott, Mainz
245
^^im^mmmmmmrmm-
Neuerscheinungen
Hermann Schroeder, Tantum ergo (Das rheinische
Tantum ergo) fur einstimmigen Clior mit Orgel
oder Blasorchester.
Schott, Mainz
Chorgesangbuch fur vierstimmigen gemischten Chor
von Bemhard Henking. Auswahl von 223 Liedern
des Gesangbuches fur die Provinz Sachsen und
Anhalt. Merseburger,Jjeipzig
Paul Graener, Mannerchore:
— op. 86 Die Gesellenwoche.
— op. 87 Deutsche Kantate : 1. Im Himmelreich ein
Haus steht, 2. Wurzeln des Waldes, 3. Herr, er-
barra Dich unser, 4. Choral: O Herre Gott, 5. Er
ist gewaltig und stark.
— op. 89 „Suite a cappella" fur dreist. Mannerchor
nach Versen aus „Des Knaben Wunderhorn :
1. Herzlich tut mich verlangen, 2. Gute Nacht,
Frau Nachtigall in dein Tal, 3. Wenn du zu
meinem Schatzel kommst.
— Ruhe ! Nun steht die Nacht im Lande (R. J. Lang)
— Zwei Volksliedbearbeitungen : 1 . Wenn alle
Briinnlein fliefien, 2. Ich gmg in einer Nacht.
Eulenburg, Leipzig
J. Gatter, Drei Mannerchore a cappella op. 58 :
1. Gliick: Alle hat es uns genarrt (Sergel-Langer),
2. Unterwegs : Der Wind geht iiber die Felder
(M. E. delle Grazie), 3. Strafienlied : Es liegt etwas
auf den Strafien (v. Munchhausen).
— Zwei dreistimmige Alannerchore, op. 62, rait
Sopran und Horn : 1. Wachterlied : Wach auf,
wach auf (16. Jahrh.), 2. Die niederlandischen
Grasmadchen : Die niederlandischen Grasmagdelein
(Tanzlied a. d. 16. Jahrh.). Eulenburg, Leipzig
Musikerziehung
Paul Dessau, Kinderkantate (1932) fiir Kinderchor
und einzelne Stimmen mit Klavier und Kammer-
orchester. Zeitdauer ca. 30 Minuten.
Bote & Bock, Berlin
Walter Rein, Kleine Spielmusik zu dreien: Marsch,
Lustiges Stuck, Geschrittener Tanz, Stuck mit
Schlagzeug, Feierliches Stuck, Kehraus.
Vieweg, Berlin- Lichterfelde
Aus dem Vorwort: Die Spielmusik ist fur den Laien ge-
dacht: Sie ist in solistischer und chorischer Besetzung
ausfiihrbar. Drei reale Stimmen sind zu besetzen. Durch
welche Instrumente das geschieht und in welcher Weise
die Besetzung durchgeiuhrt wird, bleibt den Ausfiihrenden
uberlassen.
Barcsel-Gebhardt, Die neue Klaviervirtuositat. Jazz-
Klavierschule. Willi. Zimmermann, Leipzig
Paul Kadosa, Bauernfiedel, sieben Stiicke in der ersten
Lage fur Violine und Klavier, op. 16 f.
ScJwtt, Mainz
Musik fur Blockfloten herausgegeben von Waldemar
Woehl, Erganzungsheft zu Heft 3 enthaltend eine
Generalbafibegleitung fiir Tasteninstrumente zu
20 der darin enthaltenen Duette.
Nagel, Hannover
Frieda Loebenstein, Das Klavier im Spiel der
Kleinsten, Heft 5 der Reihe „Praktische Musik in
Kindergarten und Hort 1 ', im Auftrage des Zentral-
instituts fiir Erziehung und Unterricht heraus-
gegeben von Thea Dispeker. Limpert, Dresden
Aus dem Vorwort: In der vorliegenden Schrift wurde nun
der Versuch unternommi-n, das Klavier des kleinenKindes
in seine eigen^te Spielwelt, in seine Beschaftigungsspiele
hineinzunehmen. Das Klavier wird wirklich Spielzeug fiir
die Kinder. Das Kind erfahrt, data alles, was es tut und
hervorbringt, auch auf dem Klavier getan un I hervorge-
bracht werden kann. Nur dafi dort alles Klang wird. So
wird die Tastatur des Klaviers (ur die Kinder ein Tummel-
platz, auf dem alle wirklichen und erdachteti Gestalten
sich bewegen und nuch dazu klingen.
Billy Mayerl, Spezial-Methode fiir das moderne
Klavierspiel, herausgegeben von Paul Schramm :
I. Teil : Lektion 1 — 6, II. Teil : Vorgeschrittene
Ubungen und praktische Beispiele.
Alberti, Berlin (Mitvertrieb: Sclwtt, Mainz)
Gerh. F. Wehle, Die Orgel-Improvisation. Die
technischen Grundlagen zur Improvisation im
Orgelsatz.
/. /. Weber, Leipzig
Aus dem Vorwort; . . . Das vorliegende Werk st bestrebt,
den Organisten Fingerzcige zu geben, wie er seine Orgel-
improvisa ion aus der niederen Basis der sogenannien
„ledernen wnjanistenvorspiele u zu kiinstlerischer Hiihe
emporentwickeln kann. Der hier eingesthlagene Weg
weicht von alien bisherigen Versuchcn, die Improvisation
zu lehren, insofern ab, als er nicht vom Akkord (ueziherten
Bafil). dt?r Kadenz oder der Periode ausgehl und diese
mit Inhalt fiillen liifit, sondern die Melodie als Ausgangs-
punkt nimmt. . . .
Albrecht Thausing, Lage und Aufgabe der Gesangs-
padagogik. Kallmeyer, Wolfenbiittel
J. Stutschewsky, Das Violoncellspiel, Neue systema-
tische Schule vom Anfang bis zur Vollendung,
Band II in 2 Heften, Sclwtt, Mainz
Ernst August Friese, Neuzeitliche Studien fiir Trompete
zur Vorbereitung fiir moderne und atonale Musik.
Merseburger, Leipzig
Frieda Loebenstein, Klavierpadagogik.
In der Musikpadagogischen Bibliothek, herausge-
geben von Leo Kestenberg.
Quelle & Meyer, Leipzig
Wir werdcn auf dieses Werk in kurzer Zeit ausfiihrlicher
zuruckkommeu.
Hugo Kauder, Entwurf einer neuen Melodie- und
Harmonielehre. Universal-Edition, Wien
Richard Stohr, Fragen und Aufgaben aus der
Harmonielehre. Universal- Edition, Wien
Herbert Eimert, Musikalische Formstrukturen im
17. und 18. Jahrhundert. Versuch einer Formbe-
schreibung. Filser, Augsburg
Heinrich Martens, Musikalische Formen in historischen
Reihen. Spiel- und Singmusik fiir den Musik-
unterricht und das haushche Musizieren:
XI. Band : Das Melodram.
Vieweg, Berlin-Lichterfelde
Neuausgaben alter Musik
Liber organi, Altfranzosische Orgelmeister. Aus den
„Archives des maitres de l'orgue" von Guilmant-
Pirro ausgewahlt und fiir den praktischen Ge-
brauch bezeichnet von Ernst Kaller, Band I und II.
Scliott, Mainz
Aus dem Vorwort; Richtlinien fiir die vorliegende Samm- ,
lung waren: eine Auswahl aus den liturgisch orientierten
Orgelwerken zu treften und aufierdem Studienmaterial
fur den anfangenden und fortgeschrittenen Orgelspieler
zu schaffen. Der Formenreichtum dieser Musik soil auch
zur Vorlage fiir Improvisationen dienen.
246
Neuerscheinungen
Johannes Lupi, Zehn weltliche Lieder zu 4 Stiramen,
herausgegeben von Hans Albrecht ; in : „Das
Chorwerk" von F. Blume.
Kallmeyer, Wolfenbiittel
Aus dem Vorwort : In den zehn Chansons dieses Heftes
erweist sich Lupi als ein Meister, der diet ganze Liebens-
wiirdigkeit der franzosischen Kleinkunst, wie sie uns
etwa in den Jahren 1530—1540 in schonster Blute ent-
gegen tritt, mitbringt. Die Liedchen sind amiisant und gut-
klingend. Sie sind keineswegs mit den Werten erftillt, die
nur die Substanz einer grOBen Personlichkeit hergibt
(Josquin), aber sie finden doch auch feinsinnige und aus-
■ drucksvolle Tone. Im iibrigen sind sie ihrer Liedmafiig-
keit wegen gat singbar.
Henry P^rcell, Pavane und „Chaconne fiir drei
Violinen und Bafi (Herbert Just). Schott, Mainz
Henry Purcell, Fiinf geiBtliche Chore zu 4-6 Stimmen :
1. Te Deum laudamus, 2. Magnificat, 3. Nunc
diraittis, 4. Save me, o God, 5. Lord, how long
wilt Thou be angry ; herausgegeben von Friedrich
Blume. Kallmeyer, Wolfenbiittel
Zweiundzwanzig altdeutsche Tanzsatze von Valentin
Hausmann, Melchior Franck, Johann Staden und
Georg Vintz, fiir vier Instrumentalstimmen, her-
ausgegeben von Rudolf Steglich.
Nagel, Hannover
Aus dem Vorwort: . . . Zu solcher innerlichen Freude am
geselligenMusizieren guterLeute mochteauch dieseSamm-
lung alter deutscher Tanzstucke „alliieren". Sie enthalt
Gebrauchsn*usik des deutschenBurgertumsvon derWende
zum 17. Jahrhundert bis in die schwere und dennoch, wie
jene Vorre'de bezeugt, musikfreudige Zeit des Dreifiig-
jahrigen Krieges. . . . Man kommt diesen Tanzsatzen weder
mit romantisch gefuhlvoller iSuancierung bei noch mit sach-
lich ausgepragter Akzentuierung. Sie sind nur lebendig zu
macf>enausde n Grundgefiih' eines machtigun Bewegunus-
stromes, der den ganzen Menschen und sein Musizieren
trdgt und stetig erfiillt, auch in dem unscheinbarsten Tone
in jedem Augenblick ohne Nachlassen stets ged;cnwcirtig.
Deutsche Trutz- und Trostlieder. Eine Chorlieder "
sammlung zur Aufriittelung und zum Aufbau
des deutschen Volkes, herausgegeben von Herm.
Grabner.
1. Goethe: Gewohnt, getan, fiir Mannerchor,
Tonsatz von Herm. Grabner.
2. C. v. Hutten : Ich hab's gewagt, fiir Manner-
chor, Tonsatz von Joh. Fritzsche.
3. Erich Kiihn : Saemann Deutschland. Eine
Hymne fiir gemischten Chor. Tonsatz von
H. F. Schaub.
4. Ludwig Finckh : Deutschland. Madrigal fiir
Mannerchor, op. 41 2 . Tonsatz von Karl Hasse.
Merseburger, Leipzig
Johann Theile - Christoph Bernhard, Zwei Kurz-
messen. Kallmeyer, Wolfenbiittel
Aus dem Vorwort: . . . Ein Hauplvertreter dieser archai-
sierenden Richtung, die ohne Zweif-'l durch den kontra-
punktischen Altersstil H. Schiitzens beeinflutit, unter Um-
standen mitbedingt war, ist der zu dem engeren Schiitz-
Kreis gehorige „Vater der Kontrapunktisten" Joh. Theile
(1 46 — 1724) . , . Die vorliegende Missa brevis scheint . . .
aus dem Jahre 1690 zu stammen, was um so glaubwtirdK'er
ist, als sie auch stilistisch die Mitte halt zwischen den
beiden gro6en Messenwerken Theiles . . .
In Verbindung mit Theiles umfangreichem "Werk, das den
Typus der freien kontrapunktischen Missa des spaten
17. Jahrhunderts vortrefflich auspragt, wird hier noch eine
wesentlich kiirzere B Liedmesse" des nicht minder be-
riihmten Schutzsctiiilers Christoph Bernhard (1627 — 1692)
veroffentlicht. Die Melodie des Taufliedes „Christ unser
Herr zum Jordan kam" liegt der Komposition in motettischer
' Verarbeitung zugrunde und bestimmt durch ihre immanente
Gliederung den Aufbau der beiden Meisatze. . . .
J. S. Bach, Die sechs Partiten fiir Klavier, heraus-
gegeben von August Schmid-Lindner, Heft 1 u. 2.
Universal-Edition, Wien
Wilhelm Friedemann Bach, Samtliche Klaviersonaten,
Heft 2 : Nr. 4 — 6, herausgegeben von Friedrich
Blume.
Nagel, Hannover
Bernardo Pasquini, Sonate d-moll fiir zwei Klaviere
(Cembali), in Originalgestalt und Bearbeitung
herausgegeben von Werner Danckert.
Barenreiterverlag, Kassel
C. Phil. Em. Bach, Sinfonie No. 3 fiir vierstim-
miges Streichorchester und Cembalo, herausge-
geben von Ernst Fritz Schmid.
Nagel, Hannover
C. F. Zelter, Lafit fahren bin das Allzufluchtige,
Dichtung von Goethe, fur gemischten Chor und
Soloquartett (oder kleinen Chor) ; gesungen bei
Goethes Bestattung in der Fiirstengruft. Heraus-
gegeben von Heinrich Martens.
Vieweg, Berlin-Licliterfelde
Carl Friedrich Zelter, Fiinfzig Lieder: 32 Lieder
nach Gedichten von Goethe und 18 Lieder nach
Worten verschiedener Dichter, fiir eine Singstimme
und Klavier, ausgewahlt und mit Unterstiitzung
der Goethe-Gesellschaft herausgegeben von Ludwig
Landshoff. Sdiott, Mainz
Aus dem Vorwort: „Deine Kompositionen fuhle ich so-
gleich mit meinen Liedern identisch, die Musik nimmt
nur, wie ein einstromendes Gas, den Luftballon mit in die
Hohe. Bei anderen Komponisten mufi ich erst auimerken,
wie sie das Lied genommen, was sie daraus gemacht haben."
(Goethe an Zelter).
Hoh. Rud. Zumsteeg, Kleine Balladen und Lieder
in Auswahl herausgegeben von Fritz Jbde.
Nagel, Hannover
Aus dem Vorwort : Auf meine Reichardt- uul Zelteraus-
wahl lasse ich hier nun eine Zumsteegauswahl folgen, und
zwar eigentlich nicht deswegen, um die Schuld einer Nach-
kommenschaft an diesem ersten wirkhchen Balladen-
komponisten wieder gutmachen zu helfen, sondern ganz
einfach, um alien denen, die am Klavier, am Cembalo und
am Clavichord singen, ein kostliches Gut, das der Ver-
gessenheit anheimiiel, wiederzureichen. . . . Wer die Sinne
liebt und wer Dichtung und Malerei gern hat, findet bei
Zumsteeg eine Welt, die er sich zu seiner Freude er-
schliefien wird.
Joseph Haydn, Konzert in G-dur fur Cembalo oder
Pianoforte mit Begleitung von Streichern und
Bla8e.rn ad lib., herausgegeben von Kurt Schubert.
Nagel, Hannover
W. A. Mozart, Sonaten und Variationen fur Violine
undKlavier,Neurevision vonBernhardPaumgartner,
Bezeichnung der Violinstimme von Theodor Miiller.
Universal- Edition, Wien
Aus dem Vorwort: Die vorliegende Neuausgabe ist fur den
praktischen Gebrauch bestimmt. ErfahrungsmafeigeErkennt-
nis, dafi jeder subjektive Redaktionsehrgeiz nichis anderes
als eine bedauerliche Triibung des wunderbar lebendigen
Originales zu erreichen imstande ist, bewog zu dem Ver-
suche, den Schutt wohlmei ender Bearbeitungen von mehr
als einem Jahrhundert energisch hinwegzuraumen. Die
unmittelbare Frische der Hardschrift Mozarls m6ge wieder
zu den Musikern sprechen.
247
mmmmm
MPWP
Neuerscheinungen
W. A. Mozart, Die Wiener Sonatinen, fur 2 Violinen
(Max Kaempfert).
- Rondo (Haffner-Serenade), fur Violoncello und
Piano (Stutschewsky).
- Die Mailander Quartette fiir 2 Violinen, Viola und
Violoncello : Nr. 1 A-dur, Nr. 2 B-dur, Nr. 3 C-dur,
Nr. 4 Es-dur (Heinrich Wollheim). Scliott, Mainz
Bucher und Schr ifte n
Erich Roeder, Felix Draeseke, der Lebens- und
Leidensweg eines deuschen Meisters. Umfassende
Darsteilung seines Entwicklungsganges unter Be-
riicksichtigung der Familiengeschichte, des Schaffens
und des zeitgenossischen Musiklebens.
Limpert, Dresden
Werner Danckert, Ursymbole melodischer Ge-
staltung, Beitrage zur Typologie der Personalstile
aus sechs Jahrhunderten der abendlandischen
Musikgescbichte, Barenreiterverlag, Kassel
Der Verfasser geht auf dem Wege weiter, den fur die
Musikwissenschaft nach dem Vorbilrl der allgemeinen
Typenlehre von Rutz und Sievers G. Becking beschritten
hat. Die von Becking fiir den Rhythmus geleistete Ar-
beit wird von Danckert nach der Richtung des Melo-
dischen hin ausgebaut. Dies geschieht in einer Grund-
legung. die von der Person des Kiinstlers anf den Typus
tibergreift, wahrend die dann folgende Anwendung nicht
nur die Personlichkeiten der neueren Musikgeschichie,
sondern auch Musiker wie Machautt oder Dufay unter-
sucht, die uberhaupt nur von dieser Perspektive aus
wichtige Arbeit noch in grofierem Zusammenhang zuriick-
kommen.
Siegfried Gunther, Die musikalische Form in der
Erziehung II, in : Beitrage zur Schulmusik, heraus-
gegeben von H. Martens und R. Miinnich.
Schauenburg, Lahr (Baden)
Der zweile Teil der ausgezeichneten, vor allem fiir den
Schulgebrauch bestimmten Arbeit beginnt mit den ho-
mophonen Formen, gibt dann psychologische Grund-
Iagen fiir das VerhMtnis des Jugendlichen zur musika-
lischen Form und begrenzt in einem Ausblick die metho-
dischen Moglichkeiten der Musikpadagogik vom Aus-
gangspunkt der Aktivierung des Lernenden.
Ernst Ulrich, Studien zur deutschen General-
bafipraxis in der ersten Halite des 18. Jahrhun-
derts. Veroffentlichungen des Musikwissenschaft-
lichen Seminars der Westfalischen Wilhelms-Uni-
versilat Minister, herausgegeben von K. G.Fellerer.
Barenreiterverlag, Kassel
Hans Kayser, Der horende Mensch, Elemente eines
akustischen Weltbildes (Text und Tafeln).
Lambert Sclineider, Berlin
Wir kommen auf dieses Werk noch zuriick.
Siegfried F. Nadel, Ferruccio Busoni.
Breitkopf & Hdrtel, Leipzig
Carl Friedrich Zelters Darstellungen seines Lebens.
Zum ersten Male vollstandig nach den Hand-
schriften herausgegeb. von Joh. Wolfg. Schottlander.
in: Schriften der Goethe- Gesellschaft, herausge-
geben von Julius Petersen und Julius Wahle.
Goethe-Gesellschaft, Weimar
Ernst Mohr, Die Allemande, eine Untersuchung ihrer
Entwicklung von den Anfangen bis zu Bach und
Handel. Herausgegeben von der Stiftung von
Schnyder V. Wartensee, Zurich, mit ErgSnzungs-
band: 82 vollstandig mitgeteilte Allemanden.
Hug & Co., Ziiricli und Leipzig
248
Aus dem Vorwort: Die Geschichte der Allemande als
Thema einer grofieren Abhandlung zu wahlen, erscheint
yielleicht merkwiirdig. Doch zeigt sich bald, dafi sich.
innerhalb der Entwicklung dieses Tanzes das ganze musi-
kalische Geschehen zweier Jahrhunderte widerspiegelt
Grund genug also^ dieser kleinen Form nacllzuspuren, die
in den werken eines Bach und Hflndel zu einem aufier-
ordentlichen Kunstwerk herangereift ist. . . .
Hellmuth Laue, Die Operndiclitung Lortzings, Quellen
und Umwelt,VerhiiltniszurRomantik undzu Wagner.
Heft 8 MNEMOSYNE. Arbeiten zur Erforschune
von Sprache und Dichtung, geleitet von OskarWalzeL
Rohrsclieid, Bonn
Alfred Cortot, La Musique frangaise de piano, Band 2.
Rieder, Paris
Der bekannte Pianist setzt hier seine Studien liber die
franzosische Klaviermusik fort, deren erster Band schon
seit langerer Zeit vorliegt. Der neue, zweite Band ent-
hSlt die musikalischen Portraits von Maurice Ravel ,Saint-
Saens, Vincent d'Indy, Florent Schmitt, Decodat de
Severac. Lebendig und geistvoll geschrieben, aus der
Unmittelbarkeit personlicher Anschauung geschopft, sind
Cortots Studien zur franztisischen Klaviermusik ein gliick-
liches Symbol franzosischen Schriftums.
Dirk J. Bnlfort, Eigenartige Musikinstrumente.
Krusemanverlag, Haag (Holland)
Die „eigenartigen Instrumente", um die es sich hier
handelt, sind Psalter und Hackbrett, Glasharmonika,
Dudelsack, Drehleier, Nonnengeige und Choufor.
Jahrbuch der Musikbibliothek Peters fiir 1931
herausgegeben von Kurt Taut. Peters, Leipzig
Das vorliegende Jahrbuch ist dem Jubilaumsgedanken
des Jahres t9J2 gewidmet: Haydn — Goethe — Zelter_
Aufsatze: Arnold ScherinT: Kiinstler, Kenner und Lieb-'
haber der Musik im /eitalter Haydns und Goethes;
Friedrich Blume : Joseph Haydns kiinstlerische Personlich-
keit in seinen Streichquartetten; Joseph M. Miiller-Blattau;
Goethe und die Kar.tate; Paul Ollendorff: Max Abraham.
Jahrbuch der Staatlichen Akademie fiir Kirdien-
und Schulmusik Berlin, Vierter Jahrgang, heraus-
gegeben von Hermann Halbig. Berichtzeit vom
1. Oktober bis 30. September 1931.
Barenreiterverlag, Kassel;
The B. B. C. Year-Book 1932, The British Broad-
casting Corporation, London.
Otto Ortmann, The Physiological Mechanics of Piano
Technique. An experimental study of the nature
of muscular action as used in piano playing, and
of the effects thereof upon the piano key an the
piano tone.
Kegan Paul, Trench, Trubner & Co. Ltd., London
Dutton & Co., Inc., New York
Laurence A. Petran, An Experimental Study of
Pitch Recognition.
Offprinted from Psychological Monographs
Otto Ortmann, On the Melodic Relativity of Tones.
Psy etiological Review Company, Princeton, N. J.
and Albany, N. Y.
Georg Schiinemann, Carl Friedrich Zelter, der Be-
griinder der Preufjisclien Musikpflege.
Hesse, Berlin
Aus dem Vorwort: tjber Zelters Leben und Werke ist
viel geschrieben worden. Fast hat man iiber dem Kompo-
nisten und Freund Goethes den Organisator vergessen
. . . Auf den folgenden Blattern will ich versuchen, an
Hand der Akten Zelters Grundlegung der Preufiischen
Musikpflege kurz darzustellen. . . .
Herbert Schiifer, Bernard Romberg, sein Leben
und Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte des
Violoncells. Asdiendorff, Miinster
Hans Mersmann
WJSsS^P
Melosnotizen
Notizen
Neue Werke in den Programmen
Nikolai Lopatnikoffs I. Symphonie op. 12 erlebte
zuletzt Auffiihrungen in : Baltimore, Berlin, Detroit,
Dresden, Dortmund, Erfurt, Karlsruhe i. B., Konigs-
berg i. P., Mainz, Miinchen, Philadelphia und
Washington. — Das Klavierkonzert op. 15 wurde
audi auf dem diesjahrigen Musikfest der I. G.N. M.
in AVien mit grofiem Erfolg aufgeftihrt.
Eugen d'Alberts nachgelassene Oper „Mr. Wu"
wurde von Leo Blech vollendet. Die Urauffuhrung
findet in der nachsten Saison an der Dresdener Staats-
oper statt.
JaromirWeinberger, der Komponist des„Schwanda'S
hat eine neue abendfiillende Oper vollendet, die den
Titel „Poker-Flat" fuhrt. Das Textbuch wurde nach
Motiven von Bret Hart von Milos Kares geschrieben
und spielt im Goldgrabermilieu. Die Urauffiihrung
findet am Landestheater in Brilnn statt.
Haas' ,,Die heilige Elisabeth" ist fur den kommenden
Winter in folgenden Stadten angenommen : Berlin,
Bottrop, Braunschweig, Eisleben, Essen, Friedrichs-
hafen, Graz, Greiz 7 Heilbronn, Jena, Kattowitz, Kiel,
Koblenz, Leverkusen, Opladen, Oppeln, Pirmasens,
Regensburg, Saarbriicken, Sachs. Kegen (RumSnien),
Trier, Weinheim, Wien, Zeitz, Zeulenroda u. Zwickau.
Das neue Orgelkonzert von Wolfgang Former
wird demnachst in Dortmund, Hamburg, Freiburg i. B.>
Mannheim, KSnigsberg, Berlin, Zurich usw. zur Auf-
fiihrung kommen.
Kurt v. Wolfurt beendete soeben ein abendfiillendes
Weihnachtsoratorium fur gemischten Chor, Sopran-
und Tenorsolo, Kammerorchester und Orgel (ad. lib.).
Von Paul Hindemith ist ein neuer Mannerchor
a cappella ,,Der Tod" auf einen Text von Holderlin
bei Schott's Sohne, Mainz, erschienen.
Ak einziger unter den deutschen Sendern hat
der Sudwestfunk in Frankfurt den 50, Geburtstag
Strawinskys in wiirdiger Weise begangen. Rosbaud
dirigierte ein Kammerkonzert und die Buffooper
„Mavra". Einige Wochen spater bot Rosbaud eine
vortreffliche Auffuhrung von Debussys „PelleaB und
Melisande".
Personalnachrichlen
Prof. Georg Schunemann ist als JNachfolger von
Schreker zum Direktor der Staatl. Akademischen
HocliscJwle fiir Musik in Berlin ernannt worden. Der
Direktionswechsel ist auf Quertreibereien zuruck-
zufiihren, die einige Lehrkrafte der Anstalt
seit Monaten gegen Schreker inszenierten.
Praktisch wird sich an der Hochschule kaum viel
andern. Jeder Eingeweihte weifi, daft Schunemann
aeit Jahren bereits der eigentliche Leiter des
Instituts ist. lhm vor allem ist daa hohe Niveau
zu verdanken, das die Hochschule besitzt. Hoffentlich
gelingt es Schunemann, den unkimstlerischen Schnuffel-
geist wieder auszutreiben.
Dr. Peter Epstein, Privatdozent an der Universitat
Breslau, ist nach langem schweren Leiden verstorben.
Er war einer der fahigsten jungen deutschen Musik-
wissenschaftler. Aber er war auch alien modernen
aktiven Bestrebungen gegenuber aufgeschlossen.
MELOS verliert mit ihm einen seiner besten Mitarbeiter.
Arturo Toscanini dirigiert bei den Bayreuther
Festspielen des nachsten Jahres Meistersinger und
Tristan.
Paul Smolny; der bisherige Leiter des Stadt-
theaters in Hagen, wurde vom Aufsichtsrat der Ver-
einigten Biihnen Wuppertal einstimmig als Intendant
zumNachfolger des Intendanten Maurenbrecher gewahlt.
Oberspielleiter Friedricli Sebrecht vom AVeimarer
Nationaltheater wurde an das Landestheater in Wies-
baden berufen.
Der Aufsichtsrat der Stadtischen Oper in Charlotten-
burg hat den bisher beim mecklenburgischen Staats-
theater in Schwerin tatigen Generalmusikdirektor
Werner Ladwig zum standigen Dirigenten der Oper
verpflichtet. Gleichzeitig erhielt Ladwig eine weit-
gehende Urlaubszusidierung, die es ihm ermoglicht,
auch die Leitung der Dresdener Philharmonischen
Gesellschaft im nachsten Jahr mit zu iibernehmen.
Verschiedenes
Wir erhalten folgende Resolution : „Die Vereinigung
kiinstlerischer Buhnenvorstfinde verurteilt das in den
letzten Wochen immer starker sich fiihlbar machende
Eindringen unkunstlerischer Gesichtspunkte bei den
Engagements der Biihnenmitglieder und bei der Ge-
staltung des Spielplanes. Sie sieht in diesen Mafi-
nahmen einen verhangnisvollen Eingriff kunst- und
kulturfeindlicher Machte in das deutsche Theater-
leben. Sie protestiert nachdrucklich, dafi konfessionelles
oder weltanschauliches Bekenntnis mafigeblich sein
soil. In der Kunst gilt allein der schopferische Menscli".
(Der Biihnenverein, der Spitzenverband der Intendanten,
hat sich um eine Stellungnahme zu diesem fundamental-
wichtigen Thema auf seiner Jahrestagung herumge-
druckt.)
Die fiihrenden Berufsorganisationen, der Deutsche
Konzertgeberbund und derVerband der konzertierenden
Kiinstler Deutschlands, haben sich zu dem Einheits-
verband „Bund deutsdier Konzert- und Vortrags-
kunstler E. V." zusammengeschlossen. Zweck und Ziel
ist die Wahrung der Berufsinteressen auf tariffahiger
Grundlage. Der Vorstand besteht aus Prof. Karl
Klingler, Prof. Dr. Gustav Havemann, Dr. Heinrich
Hermanns, Prof. Mayer-Mahr und Georg Bertram.
Unter dem Titel ,,Musik und Bewegung" findet
vom 22. — 25. August ein Lehrgang fur rhythmisch-
249
, aww BHWW
■PSPPPP
Melosnotizen
melodische Musikerziehung unter Leitung von Carl
Orff (Gfintherschule, Miinchen) im Charlottenburger
SchloJS, Luisenplatz statt, den das Seminar fur Volks-
und Jugendmusikpilege veran9taltet. Seit Dalcroze sind
die Fragen der rhythraischen Erziehung von den
verschiedensten Seiten, einmal mehr vom Gym-
nastischen, dann mehr vom Musikalischen her auf-
gegrifFen worden. Der jetzige Versuch zeichnet sich
durch die Verbindung eines komplizierten Schlag-
zeugmusizierens mit Chorgesang und Blockflotenspiel
aua. Auch die heute viel beriihrte Frage der Impro-
visation soil auf diesem Wege neue Anregungen er-
halten.
Der Reiclisverband der gemischten Chore Deutsch-
lands E. V., in dem sich die gemischten Chore (einschl.
Frauen- und Kirchenchore zusammenschliefien und
der die grofite Vereinigung dieser Art in Deutschland
ist, hielt in diesen Tagen in Berlin seine diesjahrige
Jahresversammlung ab. Anstelle des auf seinen Wunsch
zuruckgetretenen PrSsidenten, des StaatssekretSr
Dr. W. Abegg, wurde Ministerialdirigent Bachmann
einstimmig zum Prasidenten gewahlt. Besonders be-
grtiftt wurde allgemein der erneute Abschlufi eines
Vertrages mit dem Musikschutzverband, wonach den
ChOren das Becht zusteht, alle neuen Kompositionen
und geschiitzten Bearbeitungen von Musikwerken ohne
die sonst hierfiir an den Musikschutzverband zu
leistenden besonderen Abgaben aufzufiihren.
Ausland
England :
Das Konzert fiir Streichquartett und Orchester von
B. Martinu wird im Oktober durch das Pro-Arte-
Quarte.tt dreimal in London aufgefiihrt werden.
Italien :
Alfreda Casellas Oper „La Donna Serpente" wird
soeben fiir die deutsche Buhne vorbereitet.
Rufiland:
Hanns Eisler, der gegenwartig in Rufiland weilt,
sammelt dort Stoff fiir eine Oper „Der Aufbau des
neuen Menschen", die er mit Brecht fur die Lenin-
grader Oper schreibt.
Schweiz :
In Zurich wird am 3. und 4. Oktober eine Wieder-
holung des Oratoriums „Das Unaufhorliche" von
Paul Hindemith stattfinden, das bei der Auffuhrung
auf dem Musikfest in Zurich einen aufierordentlichen
Erfolg errang. Ebenso wird das Werk in der nachsten
Saison u. a. in Rotterdam, Mannheim, Konigsberg,
Wien, London, Magdeburg und Wiesbaden zur Auf-
fiihrune kommen.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungenfiirdie Schnf tleitung u.Beaprechiingsstiicke nach Berlin-Charlottenburg2, Berliner Strafie 46 (Femruf Fraunhofer 1371) erbeten.
Die Schriftleitung bittet vor Zusendung von Manuskripten um Anfrage mit Ruckporto. Alle Rechte fiir aSmtliche Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich fur den Teil „Musikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN; fiir den Verlag: Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ/
Verlag: MELOSVERLAC MAINZ, Weihergarten 5 ; Feraapr: Gutenberg 529,530; Telegr.: MELOSVERLAG; Poatscheck nux Berlin 19425 /
Aualieferung in Leipzig: Karlstrafie 10
Die Zeitschrift eracheint am 15. jeden Monata. - Zu beziehen durch alle Buch- und Muaikalienhandlungen oder direkt vom Verlag.
Dae Einzelheft koatet 1 .25 Mk., das Abonnement jahrl. 1 0. - Mk., halbj. 5.50 Mk, viertelj. 3. - Mk. (zuzugl. 15 Pf. Porto p.H., Aualand 20 Pf. p. HT)
Anzeigenpreise : Vi Seite 90.- Mk. '/ B Seite 54.- Mk. '/* Seite 31.50 Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. Auftrage an den Verlag
Diesem Heft liegt bei :
Katalog „Z ei tgenossi sche Musik" aus dem
Verlag B. Schott's Sohne, Mainz (Jahresbericht
1 932); soweiternichtbereits Heft 5/6 beigefiigtwar.
Die nachste Nummer des ,.Weihergarten" wird
dem August/September-Heft der Zeitschrift Melos
beigegeben.
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Josip
Slavenski
Geboren 1896 in Jugoslawien, Professor am Belgrader
Konservatorium. Der in seinem Geburtslande schon
langsi populare Komponist beweist mil der standig
wachsenden Auffuhrungszahl seiner Werke in Konzerf-
und Rundfunkprogrammen die steigende Wertung seines
Schaffens audi in wesfeuropaischen Landern. Siimmen
seiner Heimat nennen ihn wegen seines gltihenden
Temperaments, seines uberlegenen Kdnnens und einer
fast religios anmuienden Liebe zur Scholle heute schon
den „Smetana des Balkans".
Klavier: m.
Aus dem Balkan, Gesange und Tanze
Ed. Nr. 1817 2.50
Aug Sudslawien, Gesange und Tanze
Ed. Nr. 1818 2.—
Jugoslawische Suiie, op. 2 Ed. Nr. 1819 4.—
Sonate, op. 4 Ed. Nr. 1820 3 —
Tanze und Lieder aus dem Balkan
Heft I/1I . . Ed. Nr. 1413 und 1417 je 2.50
Violine und Klavier:
Siidslawischer Gesang und Tanz
(Improvisation) .... Ed. Nr. 1951 2.—
Slawische Sonate, op. 5 . Ed. Nr. 1952 4. —
Violine und Orgel:
Sonata religioia, op. 7 . Ed. Nr. 1966 4. —
Kammermusik:
Streidiquarteti (2 Violinen, Viola und
Violoncello), op. 3
Partitur (gr. 8°) .... Ed. Nr. 3461 2 —
Sfimmen Ed. Nr. 3127 8.—
Lyrisches Streichquarteit (2 Violinen,
Viola und Violoncello), op. 11
Partitur (gr. 8°) .... Ed. Nr. 3490 3 —
Sfimmen Ed. Nr. 3149 8.—
Aus dem Dorfe. Quintet) fur Flote,
Kiarinette, Violine, Bratsche und Kontra-
baf», op- 6
Partitur (4°) Ed. Nr. 3139 3.—
Stimmen Ed. Nr. 3140 8.—
Orchesier: m.
Balkanophonia (Balkan-Suite), op. 10
Parlitur (4°) Ed. Nr. 3377 40.—
Spleldauer: 18 Minuten
Auffflhrungsmaterlal nach Vereinbarung
Bisher (zum Teilmehrmalige)Auffiihrungen in:
Agram, Athen, Belgrad, Berlin, Hamburg,
Konigsberg, Laibadi,London, Mahristh- Ostrau,
Mainz,Munchen,Mundien-Gladbadi,Niirnberg,
Tokio, Warsdiau, Wien, Wiesbaden, Zagreb
und ca. Uo weiieren Siadten.
Chor:
Gebet zu den guten Augen
(gemischter Chor a cappella)
Partitur 1.—
Zwei Liebeslieder
(gemischter Chor a cappella)
Nr. 1 Roslein rot
Partitur — .80
Nr. 2 Sag, wo warst du ?
Partitur 1.50
Voglein spricht
(Frauenchor mit Klavier)
Partitur 2 —
Kolo (Serbischer Reigen)
(Frauenchor mit Slreichorchester)
Klavier-Auszug 1.50
Wallfahrislied
(Frauenchor a cappella)
Partitur —.80
Tschapljaner Tataren
(Mannerchor mit Klavier ad lib.)
Partitur —.80
Serbische Volkslieder
(Verschiedene Fassungen : gemischter,
Frauen- Oder Mannerchor a cappella)
Naheres slehe: Chorkatalog (koslenlos)
B. Scho tt's Sohne • Mainz
BUte bezichen Sie sidi bei alien Anftagen auf MELOS
251
smmm
mm
iVet intetpxetiext
Diese Ubersicht ist zumeist aus eingegangenen
Mitteilungen nach Mafigabe des zur Verfiigung
stehenden Raumes zusammengestellt. Der
MELOSVERLAG bittet stets urn neue oder
ereanzende Einsendiingen.
Ueue WluM?
Violoncello
(Fortsetzung I
; dera Miirz-iiet't)
JoacMm Stulschewsky : Alfano; Castelnuovo-Tedesco-
Casella ; Debussy; E. Frey ; Hindemith; op. 11
Nr. 3 ; Jemnitz : op. 17 ; Kodaly : op. 4 ; Sigfrid
W. Milller: op. 14; Raphael: op. 14; Tscherepnin :
5 Preludes aus op. 38; Windsperger : Rhapsodie-
Sonate; Wellesz: Suite fur Violoncello-Solo op. 38;
Prohofieff: Ballade op. 15; Mossolow : Legende
op. 5; Stutschewsky : Eli, eli . . , Dwejkuth, Mchol
Kedem; Achron- Hebraische Melodie ; Ernest Bloch:
Jiddisches Lied
Paul Tortelier: Casella: Senate
Joseph Weissgerber: Konzerte: Hindemilh; Toch;
Sonaten: Casella; Cassado; Hindemith; Honegger;
Pizetti; Prokofiejf
Henk van Wezel : Badings: Sonate; Casella: Sonate;
Debussy: Sonate; S. Dresden: Sonate; Hindemith:
Solo-Sonaten und Sonaten mit Klavier; Honegger:
Sonate; Janacik: Marchen; Kodaly: Sonate op. 4;
Malipiero : Sonate a tre; It . Pijper: 2. Sonate;
P. A. Pisk: Sonate; Dirk Schafer: Sonate op. 13;
Straesser: Sonate; Miniatutsonatine; Toch: Sonate
op. 50; Tscherepnin: Wohltemperiertes Violoncello;
Webern: 3 Stucke
Jean Witkowsky: Hindemilh: Konzert
Kammermusik
Basler Streichquartett: Debussy: op. 10; Goossens:
Sketches, op. 5; Grainger: Molly on the Shore;
Hindemith: op. 16, op. 32; Kaminski: Quartett
F-Dur; Rispighi: Quartetto dorico
Basler Trio : Tsclierepnin
Berliner Streichquartett : Butting, •Fitelberg; Fort'ier;
Hindemith (op. 32); Marx; Pepping; SchuXhoff;
Toch; Weil; Wiener - Duos von Eysler, Honegger
Bliiser-Kammernmsikvereinignng Barmen -Elber-
feld: i?._ Bossi: Kammer-Sinfonie; Gieseking:
Oktett; Hindemith: Kleine Kammermusik; Ingen*
hoven: Quintett; Juon: Divertimento; Rorich:
Quintett
Blaser-Kammermusikvereinigung Kbln: Benlzon:
op 7 (Trio); Bullerian : Sextett; Haas, op. 23
Bagatellen; Herrig: Quintett mit Alt-Stimme;
Hindemith: op 34 Nr. 2, op. 36 Nr 2, op. 36 Nr. 4,
op. 46 Nr. 1; Janacek: Concertino; Slavenski: Aus
dem Dorfe; Straesser: Quintett; Tansman: Dance
de la Sorciere ; . Weill : Frauentanz
Budapester Streichquartett : Ravel
Danziger Streichquartett: Haba: Streichquartette
Dessaner Streichquartett: Kodaly; Ravel
Dresdner Streichquartett: Bartok op. 7, Casella:
Hindemith: op. 10; Korngold, Respighi, op. 7
Durrell-Streichquartett (Boston): Bloch
Passbander-Eohr-Trio (Munchen) : Scott: Trio Cdur;
Tscherepnin: op. 34; Peter Fassbander: op. 65,
op. 102 p
Genzel-Quartett: Bartok; Bloch; Hindemilh
KacUdruck nur mit besouderer Erlaubnis.
Haber-Klengel-Qnartett (Leipzig) : Hindemith: Stucke
fur Streichquartett
Hamburger Bliiser-Quintett: Lendvai; Moritz
Hart House String Quartet (U. S. A.l : Bartok: op. 7;
Debussy: g-moll; Bloch: Stucke; Goossens: Fan-
tasie-Quartett; Malipieio; Kodaly; Respighi:
' Quartetto dorico ; Schulhoff: 5 Stucke ; Szymanowski
Havemann-Quartett: Jarnach: op. 10 (Variationen);
Tiessen: op. 32
Kleemann-Quartett (Aachen): Hindemith: op. 16;
Schonberg : II. Streichquartett lis moll; Bleyle:
op. 37; Kreisler Streichquartett a moll
Koene-Trio (Viol., Via., Violonc): Ostrcil: Sonatine
op. 22; /. Jongen: Trio op. 30
Kopenhagener Blaserqnintett : Benlzon: op. 7, Inter-
mezzi espressivi; Hindemith: Kleine Kammermusik;
Ibert: Deux mouvements; Knudsen: Quartett;
Milhaud: Quartett; Nielsen: Quintett; Raasted:
Serenade; Risager : Kammermusik; Roussel:
Divertissement; Strawinsky : Oktett
Kr ettly-Qiiartett : Hindemith
Iiambinon-Quartett : Jarnach: Serenade op. 24
Lenzewski-Quartett: Fortnei ; Jacob!: Quartett uber
indianis-che Themen; Jarnach: op. 16; Porter:
Quartett; Schonberg op. 10 (fismoll, mit Gesang),
. v eibei : Klarinettenquintett; Duo fur Violine und
Cello
Mitteldeutsches Trio (Leipzig): Klavier-Trios von
Bullerian, Cassado, Klelzki, Novak, Raphael,
Rolers, Scott, Windspei ger
Nenes DreBdner Trio: Casella; Pizzelti; Pyper;
Ravel; Scott
Peter-Quartett (Krefeld) : Bartok: op. 7; Berg: op. 3;
Butting : op. 20 ; Casella : Concerto ; Debussy : g moll ;
Ehrenberg: op. 20; Geierhaas; Griinberg: Four In-
discretions; Jos. Haas: op. 50; Hindemith: op. 16;
Jarnach; Siegfr. Krug; H. K. Schmid: op. 26;
Sekles: op. 31; Strawinsky: 3 Stucke; Toch: op. 28
Prager Bliiserqnintett : /. Fitelberg; P. Hindemith:
op. 24 Nr. 2; L. Janacek: Die Jugend; K. B.
Jirdk: op. 34; J. Mandic; D. Melkich: Trio;
P. A. Pisk: Trio, op. 18; S. Prokofieff : op. 39;
K. Ratliaus: Serenade op. 23; A. Roussel: Diver-
tissement op. 6; A. Schonberg : op. 26; E. Schul-
hoff: Divertissement
Prager Streich-Quartett : Slavenski: Lyrisches
Streich-Quartett
Pro Arte-Quartett (Brtissel): Alfano, Bartok, Berg,
Bliss, Bloch, Bridge, Casella, Debussy, Dresden,
Faure, Fitelberg, Goossens, Gruenberg, Haba,
Hindemith, Honegger, Huybrechts,Jacoby, Jarnach,
Kaikhosru-Sorabji, Kodaly, Koechlin, Krasa,
Lazzari, Levy, Malipiero, Martina, Milhaud,
Pizetti, Ravel, Reichel, Rieti, Schoeck, Schoenberg,
Sowerby, Vaclav Stepan,Sirawinsky,Szymanowsky,
Tansman, Toch, webern, Wellesz
Quintette instrnmentale de Paris : Debussy; Jongen;
Roussel
Riele Queling-Quartett : Ravel
Beitz-Qnartett: Bartok: Quartett d-moll; Busoni: op. 26;
Hindemith: op. 10; Kaminski: Quartett F-dur;
Ravel: Quartett F-dur
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Mannerchor und Klavier. Partltur . . . . M. 2.50
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Musikdikiai. Obungsstoff In 30 Abschnltten
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===^ fried Benn. Klavier-Auazug Ed. Scliott Nr. 3258 M. 12.— (NP). Textbuch mit einem Vorwort von G. B e nn M. —.40 (NP).
===== „ . . . es gab einen stiirmischen Erfolg . . . ein gldnzender, innerlich starker, wahrhaft reprdsentativer Auftakl dieser Musiktage . . .
== das inhaltschwere Oratorium wurde . . . wiederum als eine der bedeutendsten Schopfungen deutscher Kunst erkanht ..."
r — • ■ (Springer — Deutsche Tageszeitung)
^~ „ . . . das Werk gehort zu den gam wenigen, die duSerlich reprdsentativ und zugleich innerlich bedeutend sind, neuartig und dabei
== doch allgemeingi'dtig . . ," (Thuringer Allgem. Zeitung)
^=^ „ . . . den geistigen Mittelpunkt bildete Hindenuths Oratorium . . . die starke und geschlossene Personlichkeit Hindemiths hatle auch
== diesmal einen leichten Sieg . . ." (Holde — Schleaische Zeitung)
==■ „ . . . ein mit einhelliger Begeistenmg aufgenommener Erfolg fur den unzdhlige Mai liervorgerufenen Komponisten . . ."
i "' (P. Becker — Kieler Zeitung)
— -— „ . . . eine kiinstlerische Tat, die sich als Bleibendes in der Erinnerung oerankert . . . Wort und Musik werden zu einer Einheit hoheren
^= Grades und das ganze Werk zu einem Ausdruck der Gegenwart, wie er fesselnder nooh kaum gefunden wurde . . .*
; : (Hamburger Correspondent)
===== g . . . iiberfliissig zu sagen, da£ Hindemith und die S 'ache der Neuen Musik mit diesem Werk einen reprasentativen Sieg davonirugen. ..*
i - ■■ - (Scliweiz, Musikzeitung und Sangerblatt)
==■ , . . . die 62. deutsche Tonkiinstlerversammlung hat durch diese in seltenem MaSe denkwurdige Auffiihrung den markantesten und
=== wurdigsten Aiiftakt erhalten. Dariiber hinaus bleibt der Eindruck einer gro8gedachtenSchopfung haften . . .* (Neue Zurcher Zeitung)
M PAUL HINDEMITH, Wir bauen eine Stadt
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Partitur reicli illutriert Ed. Scliott Nr. 3242 M. 4.—
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J CONRAD BECK, »Es kummt ein Schiff geladen'«
— ■- Altes Weihnachtslied fur vierstimmigen gemischten Chor a cappella. Partitur M. 1.50. Singpartitur (nur bei Mehrbezug) M. — .40
(Einstein — Berliner Tageblatt)
der Gradlinigkeit seines Einfalls zu den besten
(Stuck ensch mid t — B. Z. am Mit tag)
„ . . . ein kleines Juwel der heutigen a cappella-Literatur ..."
„ . . . Becks B Es kummt ein Schiff* gehort in 'der Kunst seines a cappella-Satzes s
Werken der sechs Programme ..."
„ , . . Becks Weihnachtsmoteite, deren lebendige Inspiration in wunderbar lockerer Klanglichkeit ihren begliickenden^Ausdruck findet.
Dissonanter Linearstil und expressive Harmonik qehen in diesem meisterlichen Chbrlein eine restlos iiberzeagende Verbindung ein . . '
(W. Schuh - Musik)
„ . , . der dreistimmige Satz ist von einer kbsHich bewegten Schlankheit, durcJisichiig und singbar . . ." (H. Roth — Frankiacher Kurier)
„ . . . mit stdrkster Intensitat hat der Schweizer Conrad Beck, alte und modernste Mittel glucklich zusammenfassend, ein altes Weifo
nachtslied filr Chor gesetzt . . ." (P. Stefan - Deutsche Allgem. Zeitung)
B . . . eine Komposition von lebendiger ziel- und ausdrucksbeivuSter Erfindung . . ." (P. Becker — Kieter Zeitung)
^ WIEN / M usi kf est der Internationale n
m CONRAD BECK, Innominata
fur Orchester.
Fur die niichste Konzertaaison bereits 14 Auffiihrungen im In- und Aualand vorgesehen.
Spieldouer: ca. 10 Minuten s
„ . . . Sehr charaktervoll und echtes Musikantenblut zeigend . . , Derartige Werke stelien und fallen mit dem Personlichkeitswert ihres \
Schopfers, der im Falle dieses jungen Schweizers sehr hoch einzuschatzen ist. . . ." (Aber — Leipziger Neueste Nachrichten) v
„ . . . Becks vfnnominaia* ist ausgesprochene Personlichkeitskunst. Wohl ist die Musik herb — man konnte sagen schweizerisch — K \
aber der dahintersteckende Ausdruckswille ist uberzeugend und IdSt die gewahlten Mittel als durchaus notwendig empfinden. . ■ • \
(Arbeiter zeitung, Wien) ■;
, . . . man freut sich eines auSerordentlich begabten, famos klingenden Werkes . . ." (B. Z. am Mittag) ;
, . . . die Leidenschaft des Werkes und ihre gebdndigte Form nahm alles fiir sich ein . . . a (P. Stefan — Easier Nachrichten) ■
B. SCHOTT'SSOHNE - MAINZ /
254
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usikfesten des Jahres 1932
uischen Musikvereins (10.-14. J u n i) m
LNS GAL, Zweites Quartett
a moll, op. 35, fur 2 Violinen, Viola und Violoncello Partitur Ed. Schott Nr. 3496 M. 2.—, Stimmen Ed. Schott Nr. 3151 M. 8.—
i. eine oon der ersten bis lelzten Note entzilckende, einfallreiche, prachtvoll melodiose und rhylhmisch lebendige Musik . . .'
\' (P. Becker — Kieler Zeitung)
meisterhafl gelockert und voll musikalisch immanentem Geisl und Wilz im Satz: einfach ein Stuck guter, gliickhafler, weder
inoch umeilgemaBer unci deshalb fast zeittoser Musik . . ." (Einstein — Berliner Tageblali)
. das Quartett strotzt von herrlicher Melodik, ist sehr fein gearbeilet und klingt vorlref/lich ..." (W. Altmann - Dresdener Anzeigcr)
. ein kraflig ansprechendes, musikalische Gedanken in rein kammermusikalischer Fassung und vielseilig reizvoller klanglicher
ttaltung enlhaltendes Werk mit feiner Durchbildung der Einzelstimmen und einheillich gesclUossenem Ausdruck . ■ ■'
" ' (Stuttgarter Neuea Tugblatt)
. Die Starke Gals ist sein oorbildlich .klingender" Satz fur die vier Instmmente . . ." (H. Both — FrSnkischcr Kuiier)
I. Wenn man einmal den Ausdruck B begluckend" anwenden darf, so davf man ihn dem Werke Gals beilegen: die Ausfuhrung . . .
miltelte eine Komposition, die abseits von gewolltem Tiefsinn und Ausschauen nach anderer als rein musikalischer Wirkuiig eine
$enhaft erquickende Welt erschlieBt . . ." (Signale, Berlin)
CRMANN REUTTER, Missa brevis
fur eine Altatimme, Violine und Violoncello, op. 22 Ed. Schott Nr. 3153 M. 6.—
I', ein lief eindrucksvolles Stuck ..." (Einstein _ Berliner Tageblatt)
I'. Tiefer Ernst und erstaunliclie innere Kraft der in slrenqer Form ununterbrochen schwingenden Komposition, die zudem durch
hloolle innere Bezielumgen thematischer Nalur zwischen den verschiedenen Teilen packend zu fesseln weiS . . ," (Signale, Berlin)
I . Eine der interessanlesten Kompositionen . . . war die eigenwillige, neue Wege einschlagende „Missa brevis" von H. Rentier. Der
moll wenige, in der Erfindung duBerst prdgnanier lliemen plastisclie Pragung gewinnenden persbnlichkeitsslarken Arbeit waren
men Namen der Interpreted) nicht nur technisch oorziigliche, sondern aucli uberzeugte Miltler . . ." (Zofinger Tagblatt)
INST TOCH, Musik fur eine Raritonstimme und Orchester
op. 60 (nach Worten von B. M. R i 1 k e )
Spieldauer: ca. 18 Minuten '
. . die funkelnde, farbenfrohe Partitur, makellos gemacht wie alles von Toch, hieb- und slichfesl injeder Sechzehntelnote, iiber-
JUtigend in der Blechorgie zwischen 3. und 4. Toil, hat auch hier starken Eindruck gemacht . . ." (Stuckenschmidt — Vossische Ztg.)
E. . Wenn ts eine neue groSe weltkirchliche Musik gibl, dann sieht sie aus wie diese, die Rilkes Verse nicht vertont, fiir die Rilkes
\rtund Bild mir sinngebend sind. Diese B bescheidene" und sparsameundo\ochimhautenundLeisengeprb\gte,gespannte t lapidare
tsik war fiir mich der groSte Gewinn des Festes . . .' (Einstein - Berliner Tageblatt)
j. -. Das erste der beiden Rilkeschen Gedichte wird oon einem ruhig-ernsten Vorspiel und einem Quartett fiir Oboen und Fagotte ein-
Wahmf,wdhrenddasleidenschafUichaufrufendezweitevvnherben,aufBlecktindStreicherverteilten ,Martellato°-Sdtzenspannungs-
w, unlerbrocken und formal ausgezeichnel gegliedert wird. Von starker Eindringlichkeit ersclieint die Fuhrung der pragnanl
Uamierten und dock streng melodisch gebundenen Singstimme. Das eigenwillig gestallete Werk zeigl Toch aufneuen, verhei&ungs-
urn Wegen ..." . . ^ Schuh _ Musik)
1, . Das schwerstwiegende des Abends bot Ernst .Toch . . . Dem griiblerischen Tiefsinn des instrumental bedeutungsvoll umrahmten
men Teils folgl mit dem zweiten eine extalische Ubersteigerung des bildhaften Golteserlebnisses, diein fastzermiirbenddissonanten
t in Hirer Ganzheil sich doch zu gewalliger GroBe erhebenden Blaserakkorden ihren unerhorl eindringlichen AbschluB findet '
(Signale. "-
esellschaft fiir Neue Musik (16.-22. Juni
LOPATMKOFF, Klavierkonzert
(Nr.
Spieldauer: ca. 25 Minuten =
2), op. 15 Klavier-Auazug Ed. Schott Nr. 2138 M. 8.—
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. Da ist endlich wleder einmal ein solistisches Werk, dem man den gleichen stiirmischen Erfolg, den es hier auf dem Wiener Fest
i, t auch, in alien Konzertsalen propliezeien kann, wo immer es erklingen wird. Ein prachtvoll klares, lliematisch bedeutsames und
ffSichersler Kenntnis des Klaoiers und seiner Wirkungen gearbeiteies SUick, oon echiem m konzertierendem a Geist erfiillt. Die drei
tee des Werkes filhren von einem kvaftvollen, durch schdne lyrische Episoden unterbrochenen Allegro iiber ein kanzonenartiges
dantmo zu einem in echtestemMusikanteniibermut einherstiirtnenden, witzigen Finale. DasGdnze von einer slilistischen GescJUossen-
t und einer persdnlichen Eigenari, die dem Werk nur Freunde gewinnen kann . ..' (Aber — Leipziger Neueste Nachrichten)
. . Als stdrkste Musikerindwidualitat lied ein Klavierkonzert den Russen Lopatnikoff erkennen. Gleich das erste Allegro mit seinem
Uanien Klaviersatz, dem mit dramatischen Spannungen geladenen Orchester verrat neben alien Experimenten mit klanglicher
Wbigkeit und wechselnden Taktarten feste Hand und gesialtenden WUlen. . . .' (Neue Freie Prease)
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der Staatl. Akademie fiir Kirchen- und Schulmusik
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Op. 20 Four Conceits
Op. 25 Nature Poems
John Ireland
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(2 Hefte a RM. 2.50) samt zugehorigen
23 Lagen-Ubungen
(2 Hefte a RM. 2.—) von
CARL HESSEL
Es sind praclit voile Werke*, ich lasse aie bereits von meinen
Schiilern apielen. Armin Liebermann,
AmscJutJS d. Kollegiumsf. d. Staatl. Examen, Berlin
Die in der .,Kurzgefafiten Cello-Schule" eingeschlagene Me-
thode halte ich fur originell \ die Anloge und Darbietung dee
Unterrichtsstoffes verdienen wegen ihrer muaterhaften Folge-
richtigkeit und Klarheit jedes Lob. Das gleiche ist auch von
den 23 „Lngenubungen" zu sagen.
Roman von Palikowski, Hannover
Solocellist des Opernhaus-Orc/iesters
Fiir jugendliche Anf anger ist Hessels Gelloschule ein un-
iibertroffenes Lehrmittel. Die famose Schule sei alien Lehrern,
die mit Anfftngern zu tun haben, warm empfohlen.
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Man spurt die Liebe zu seinem Instrument und zu seinen
Schiilern Qua jeder Seite heraus. Wie sorgfaltig und klug er
zu Werke geht. Wie er von An fang an bedacht ist, den An-
fSnger zu interessieren . . . Dem Lehrer ist fiir eigenes
Vorgehen viel Raum gegeben, Auch ist viel anderes Lehr-
materinl empfohlen. Fritz Reitz
Solocellist des Tonhalleorchester§, Ziiridi
Zu beziehen durch jede Musikalienhandlung sowie durch
den Verlag
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La
Rassegna Musicale
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Die gtofien Evfolge a uf den diesjShrigen Musikfesten
Innominata fflr Orchesler
Es kummt ein Sdiiff j^eiaden fur gemischfen Chor
Partiiur . . . . M. 1.50 Singparlliur M. -.40 (bel Mehrbezug)
Noherei siehe Anzeiqe Sei/e 254
Klavier :
Sonatine Ed. Nr. 2072 M. 3.50
Zwei Tanzstiicke (Boston- Foxtrott) . Ed, Nr. 2073 M 2.-
Klavierstiitfce I Ed. Nr. 2109 M. 3,-
Klavierstiicke II Ed. Nr. 2145 M 3.-
Orgel :
Sonatina Ed. Nr. 2132 M. 2.50
Zwei Orgelpraefudien .... Ed. Nr. 2244 M. 2.50 (NP)
Strefchinslrumente :
Sonatine fur VIollne und Klavier . . . Ed. Nr. 20S7 M. 5.-
Quartett No. 3 far 2 Violinen, Viola und Violoncello
Sl.-Parl.Ed Nr.3«9M.2.-,5tlmmenEd.Nr.3113 M. 8.-
Orchesler :
SinfonieNr.3 fOr Strelchorchesier Part.(4'')Ed.Nr.3351 M.20.-
KoozertfiirOrdiester(Slnf.Nr.4)Part.(4")Ed.Nr.3347M.30.-
Sinfonie Nr. 5 fur Orchesler Pariltur (4°) Ed. Nr. 3332 M.40.-
Orchester (fcrner):
Konzert far Streidiquorl. u. Orth. Part. (4 1 ) Ed.Nr 3348 M. 30 -
Kleine Suite fdr Strcichordicster Pari. (4") Ed.Nr. 3331 M. 8.-
Concertino fOr Klavier und Orchesler
Parf.(4°)Ed.Nr.3393M.20.-,Klav.-Ausz. Ed Nr.2068 H. 5.-
Concerto fur Oboe und Orchesler
Gesang und Klavier :
Drei Herbstgesiinge nadi Texlcn von R. M. Rllke
Ed. Nr. 2131 M. 2 50
Chor:
DerTod des Oedipus. Kantete fQr gemischlen Chor, Soli,
2 Trompelen. 2 Posaunen, Pauken und Orgcl.Texlvon
Rent Morox. Deuischv. H. Weber. Parl.(4°) Ed.Nr. 3398 M. 12. -
Requiem fOr gemlschten Chor
Pariltur M. -.80. Slngparlltur (bel Mehrbeiug) . . M. - 30
Lyrische Kantate far Frauenchor und Orchesler
Klavier- 'kunug Ed. Nr. 3255 M, 5.-
Anfni]]rniii;Rni[iU'riuU', boxvcH kL'iiic I'rcls^ anjri'jrt'Tii'n Kind, mirh Vi-n-inlmrinif;
hr bester Ratgeber
bei der Programmzusammenstellung fur die kom-
mendeSaison ist das soeben erschienene Verzeichnis
ZEITGENOSSISCHE MUSIK
aus dem Verlag
B.ScholfsSohneMainzfLeipziglLondon/Paris/NewYork
Das Varzeichnla wird koslenlos abgegeben
ZEIT-
GENOSSISCHE MUSIK
AUS DEM VERLAG
B. SCHOTT'S
SOHNE
19 3 2
JAHBESBERICHT
Bitte bextehen Sie sldt bei alien Anfragen auf MELOS
259
Werke fur die Winterprogramme
Orchester
Conrad Beck, Innominate
NSheres s'ehe Anzeige 5clie 254
Hans Gal, Balletlsuite lOr kleines Orditster
Paul Hindemith, Philharmonisdies Konzeri,
Varialionen fQr Orchesier
— Konzertmusik fur Streiehorchester u. BlechblSser
Paul Kadosa, I. Sinfonie fOr Kammerorchester
Nik. Lopamikoff, I. Sinfonie
Btsher Auffuhrungen in Berlin, Dresden, Dort-
mund, Erfurt, Karlsruhe, Koln, KSnigsberg,
Mainz, Munthen. USA (i Auffuhrungen)
— Kleine OuvertOre
Igor Markeviich, Concert t > grosso
— Rebus, Ballett-Suite
B. Marfinu, Partita fQr Streiehorchester
— Serenade ffir Kammerorchester
Josip Slavenski, Balkanophonia
Siehe Anidge Selte 251
Igor Strawinsky, Scherzo fantastique
Uber 40 Auffuhrungen in einer SpielzcU!
Ernst Toch, Kleine Theater-5uite
— Bunte Suite
Solo-Irotrumente mit Orchesier
Kl
avier:
W. Fr. Bach, Concerto c moll fflr Cembalo (oder
Klavier) und Streiehorchester (Eickemeyer)
Paul Hindemilh, Konzertmusik fOr Klovter,
Blechblaser und Harfen
John Ireland, Klavierkonzert Es-dur
Paul Kadosa, Klavierkonzert Nr. 1
Nik. Lopalnikoff, Klavierkonzert Nr. 2
Niherej siehe Amelge Selfe 25S
Igor Markeviidi, Konzert far Klavier und
kleines Orchester
— Partita
Hermann Reuiier, Konzert fflr Orchester mit
obligatern Klavier
Alex. Tscherepnin, III. Klavierkonzert in B
Ernst Toch, Klavierkonzert
Orgel:
Wolfgang Foriner, Konzert fQr Orgel und
Streiehorchester
Paul Hindemith, Konzert fur Orgel und
Kammerorchester
Violine:
Jon. Benda (1713-1752), Violinkonzert, heraus-
gegeben von 5, Dushkin
ParMuren auf Wunich zur Anildii
Soloinsirumente m. Orchesier (Violine) ferner:
Paul Hindemith, Konzert fQr Solo-Violine und
grdfeeres Kammerorchester
Hermann Reuiier, Violinkonzert
Igor Strawinsky, Violinkonzert
Violoncello:
Paul Hindemith, Cellokonzert
B. Mariinu, Cellokonzert
W. A. Mozart, Konzert D-dur. Nach dem Horn-
konzert frei faearbeitel von G. Cassado
Franz Schubert, Konzert a-moll. Nach der
Arpeggione-5onate frei bearb. v. G. Cassado
S. Tartini, Concerto (R. Hindemith)
Ernst Toch, Cellokonzert
Oboe:
Conrad Beck, Concerto fur Oboe u. Orchester
Sir eichquarlett:
Conrad Beck, Konzert fflr Streichquartett und
Orchester
B.Marfinu, Konzert fQr Streichquartett u. Orchester
Chorwerke
Joseph Haas, Die heilige Elisabeth. Volksoratorium
fQr Sopran-Solo, Sprecher, gemischten Chor,
Kinder- und Marmerchor mit Orchester. Text
von W. Dauffenbach
Bisher ca. 120 Auffuhrungen !
Verlangcn Sic den Sondcrprospektl
Paul Hindemith, Das Unaufhdrliche. Oratorium
fQr 3 Soli, gemischten und Knaben-Chor,
Orchester und Orgel (ad lib.). Text v. G. Benn
Per Erfolg von Zurich !
Nihercs alehe Anzeige Seite 254
Bisher IS Auffuhrungen und Annahmen
darunier in Berlin, Botirop, Dortmund,
Hannover, KSnigsberg, Mainz, Mannheim,
Wiesbaden, Zurich, Basel, Wien, New York
Niheres
Hermann Reuiier, Der gro6e Kalender
Oratorium fflr Sopran- und Barifon-Solo, ge-
mischten Chor, Kinderchor, Orchesier und
Orgel (ad lib.). Text von L. Andersen
Gesang mit Orchester
Ernst Toch, Musik fQr eine Bariionsiimme und
Orchester nach R. M, Rilkc
Njheres »lehe Anzeige Seiie 255
slehe Jahresbericht ..ZeltgenSsslsche Mmlk 1932'
B. Schotts Sonne / Mainz - Leipzig - London - Paris - New York
260
BUie betlehen Sic jfah bet alien Anfr^gcn auf MEIOS
Heft 8/9 August/September 1932
H.Jahr
Das Schrifttum uber Musik
seit der Jahrhundertwende Eberhard preuiin©r
Jede neue Musiklage erfordert eine neue Art der Berichterstattung iiber Musik.
Jeder neue Stand der Musikerkenntnis bedingt eine andere Formulierung, eine andere
Form der Gedankenentwicklung.
Schreiben iiber Musik, das heifit SichbewuGtwerden und Bewufitmachen iiber den
Standort im Musikgeschehen. Nur einen fliichtigen Augenblick vermag das Schrifttum
in Worte zu bannen; die Werke gar, die mehr als diesen einen Augenblick zu bannen
wissen, sind so selten wie Meisterleistungen im Schaffen iiberhaupt. Gewohnlich wird
diese Sphare des reinen zwecklosen Schaffens kaum gestreift; in Zeiten der Garung
fehlt vollends die Mufie und die Kraft zu einer Absonderung von Tagesfragen, von
Gegenwartsproblemen, die ja schliefilich auch erst einmal ihre Auflosung und Hinweg-
raumung verlangen, damit der Blick auf grundsatzliche Werte frei werde.
Das Schrifttum iiber Musik seit 1900 versucht dem umwalzenden Wandel im Musik-
geschehen und in der Musikeinstellung seit 1900 zu folgen. Dieser schnelle Wechsel in
Problemstellung und Themenaufreifiung ist gewifi verwirrend, und man hatte es leicht,
an Hand von Zitaten die Sprunghaftigkeit und die Launenhaftigkeit unserer iiber Musik
schreibenden Zeitgenossen zu glossieren. Aber eine solche Kritik trafe die Musikschreiber
gar nicht im Kern ihrer Arbeiten; denn iiber die Belativitat aller Betrachtungsweisen,
selbst daruber, dafi jeder schon in der Wahl des Themas anfangt, parteiisch, personlich,
ungerecht zu werden, ist sich heute jeder — mit Ausnahme der ganz Ungerechten —
klar. In Beethoven einmal den Klassiker, das andere Mai den Bomantiker sehen, das
hangt schliefilich nur von der notigen Zusammenstellung der Fakten ab.
Die Fakten namlich sind dieselben : nur die Folgerungen, die wir aus ihnen ziehen,
sind verschiedene. Aber nur darauf : die richtigen Folgerungen aus den Fakten zu ziehen,
kann es ankommen. Bei jeder wissenschaftlichen Arbeit pflegt ein Best von Fakten ubrig
zu bleiben, den der Verfasser in seiner Folgerungsreihe nicht ausnutzen konnte, sonst
ware seine Erkenntnisreihe umgestofien worden; aus diesen Spanen liefie sich ein neues,
unter Umstanden entgegengesetztes Werk mit anderen Folgerungen aufbauen. Eine
nicht sehr angenehme, aber notwendige Erkenntnis der Aufrichtigkeit ! Ein Beispiel:
unsere heutige Krise des Konzertlebens ist ein Faktum. Sind schon die Ableitungen,
aus denen angeblich folgerichtig das Zustandekommen der Krise hergeleitet wird, je
261
smssBatBKBmmmmamm
»>Was weiBt Du von Bach?«
1
nach Person und Stand recht verschieden, so bleiben die Folgerungen, und wenn sie
noch so prophetenhaft ausgerufen werden, bis auf einen geringen Rest Spekulation, die
zu nichts verpflichtet und fur alles und nichts gtiltig ist. Ja, man konnte sagen, fast ist
| es nur die charakterologische Eigenschaft, die den einen zur Folgerung: Reorganisation,
den anderen zum Programm: Volliger Umsturz aller Werte verfiihrt. Der eine beliebt
vom Werden aus, der andere vom Sein aus die Dinge zu betrachten. Jeder Mensch
bringt von sich aus nur eine Moglichkeit mit, die ihm gemafien Folgerungen aus den
Fakten zu ziehen.
Es gibt eine ganze Reihe von Musikachriften — und es brauchen nicht einmal die
schlechtesten zu sein — , die begnugen sich mit der schlichten Aufzahlung der Fakten.
Theorie, wie sie ist, meist allerdings, wie sie war, ist noch nicht die schlech teste Basis
fur das Musikbuch. Aber oft wird das Klangmaterial selbst gar nicht als Faktum gewfihlt,
sondern das tatsachliche Drum und Dran. Man geht einfach von der Uberlegung aus,
dafi der „gebildete Mitteleuropaer" auch heute noch iiber ein bestimmtes Mafi von
Tatsachenkenntnissen in der Musik verftigen miisse. Zu wissen, wieviel Sinfonien Beet-
hoven gcschrieben hat, gilt als ebenso wichtig, was die fiildung anbetrifft, wie zu wissen,
wann der siebenjahrige Krieg war. Vom Repetitorium des Bildungsramsches, wo Musik-
geschichte eingetrichtert wird, gibt es die mannigfachsten Spielarten dieser Literatur, die
gleichsam unseren Umgang mit Musik in den gebuhrenden Formen regeln soil;
diese Reihe endet etwa bei dem erst kiirzlich erschienenen Laienbrevier, das schon in der
Uberschrift fragt: „Was weifit Du von Bach; Was weifit Du von Beethoven ? usw." Die selbst
gesetzte Voraussetzung fiir das Zustandekommen von Titel und Schrift lautet: Nichts
weifit Du naturlich. Du Ungebildeter, und Du solltest doch alles wissen. Weifi aber
einer schon etwas von Bach, so wird weiter gefragt: aber was weifit Du denn von
Bruckner, Brahms, Reger ? Nichts, nichts, nichts, lauten die Antworten ; und der Kontakt
mit der Bildungsehre ist hergestellt.
In dieser Literatur des stummen Frage- und Antwortspiels unterscheidet sich die
Literatur des 20. Jahrhunderts in nichts von jener primitiven Aufklarungsliteratur des
17., 18. schliefilich auch des 19. Jahrhunderts, die Musikkenntnisseverbreiten will, weil sie zum
biirgerlichen Kulturgut gehoren. Nur in einer Hinsicht, die allerdings bedeutungsvoll genug
ist, ist heute ein besonderes Merkmal hinzugekommen, in der Differenzierung des Leser-
kreises. Man stellt den Leser mehr in Rechnung, und zwar die vielen Typen des Lesers,
die man aus der „Psychologie des Lesers" erfahren hat, eine Erkenntnis, die wir der
volkstiimlichen Bildungspflege verdanken und die schon so weit Allgemeingut geworden
ist, dafi jeder Verleger heute bei der Abnahme eines Werkes vor jeder Wertbeurteilung
nach dem Absatzgebiet fragt.
Wenn wir also zunachst nach den moglichen Motiven, die beim Leser mafigebende
Triebkrafte bilden, fragen, so irren wir scheinbar vom Autor zum Leser ab; in Wahrheit
sieht hinter jedem Lesertyp sein Autortyp hervor, und wir haben nachher nur noch
notig, in kurzen Schlagworten die Schriftstellertypen namhaft zu machen, urn einen
Uberblick iiber unser heutiges Schrifttum in der Musik zu erhalten.
1. Den wichtigsten Anreiz zu Veranderungen bildet beim Menschen der Hunger.
Das gilt auch fiir die Kultur. Der Bildungshunger hat seit der Aufklarungszeit un-
aufhaltsam immer weitere Kreise und Schichten erfafit. Wissen ist Macht, dieser Grund-
262
Bildungshunger und Interesse an Musik
satz bedeutet auch fiir deti Leser von Musikwerken eine starke motorische Kraft. Man
will nicht ausgeschlossen sein von den Werten, die das Wissen vermitteln kann. Dieser
Drang, etwas zu erfahren, richtet sich naturgemafi zuerst auf das Leben selbst. Von der
Biographie pflegt der Laie den Eingang in die Musikliteratur zu nehmen. Ihm bieten
sicb die verschiedensten Arten biographischer Darstellung je nach seiner Einstellung an :
die erobiographische Literatur („ Wagner und die Frauen", ein unerschopfliches Thema
fiir diese Lebens„geniefier", denen nun auch noch eine psychoanalytische Methode den
Deckmantel der Wissenschaft verleihen wird); die analytische Werkbiographie, die oft
in den Verdacht des „nur fiir Musikkenner" gerat, und die kulturhistorische Biographie
(fiir Konner und Stumper gleichermafien das schonste Betatigungsfeld). Der Bildungs-
hunger erstreckt sich nicht nur auf das Biographische, wiewohl er hier zuerst Nahrung
sucht, sondern geht iiber auf Einzelgebiete des Musikwissens. Wer der analytischen Werk-
biographie folgen will, braucht Kenntnisse in Harmonie-, Formen-, Melodielehre. 1st der
Bildungshunger noch nicht gestillt, was gerade durch die Beschaftigung mit diesen Ele-
menten meist und dann fiir immer der Fall zu sein pflegt, so kommen schliefilich jedem
Bildungswunsch Musikgeschichten und bibliographische Nachschlagewerke iiber Musik
und Musiker entgegen. Heute gibt es wenig Fragen, auf die der Leser nicht wenigstens
eine Antwort erhalten wiirde; meist stehen mehrere, sich widersprechende Antworten
zur Verfiigung. Dem Bildungshunger pflegt dann die Bildungslahmung zu folgen.
2. Unsere zivilisierte Welt hat neben dem Hunger noch sogenannte hohere Bediirf-
nisse, geistige Bediirfnisse; obwohl sie in manchen Zeiten den vitalen Interessen ziemlich
restlos geopfert werden, sind wir wohl berechtigt, von dem Vorhandensein allgemeiner
geistiger Interessen zu sprechen, speziellcr gesagt auch von literarischen Interessen. Es
existiert auch ein musikliterar isches Interesse. Man will ein in Worten neu oder
noch einmal gestaltetes Kunstwerk geben bezw. lesen, das uns in der Wortkunst den
Abglanz der Musik oder den gedanklichen Hintergrund iibermittelt. Der Musikroman,
die musikalische Novelle, das Gedicht iiber Musik verdanken diesem Interesse ihr Ent-
stehen. Wie die „Lieder ohne Worte", bei denen niemand die Worte vermifit, sind sie
voile Stellvertreter fur etwas; auch bei dieser „Musik in Worten" wird Musik nicht ver-
mifit, ja stark musikgetrankte Lyrik widerstrebt der nachtraglichen Vertonung. Bollands
jjohann Christoph" und W erf els „Verdi" dxirften neben dem allzu stark Geschichte
vorgebenden und sie verzeichnenden „Friedemann Bach" Brachvogels am meisten
das musikliterarische Interesse befriedigen. Aber nicht nur der Dichter rechnet mit diesem
Leser, auch der Schriftsteller, der Journalist versucht, mit seinem Stil bis in diese Sphare
vorzudringen. Die Werke Adolf Weifimanns bedeuteten in der Nachkriegszeit Glanz-
stiicke dieses Genres. Der Leser kann von Werken dieser Gattung, den Bomanen, den
romanahnlichen Schriften Spannung, Erbauung, kiinstlerischen Genufi erwarten, aber
weniger Belehrung und am wenigsten Tatsacheniibermittlung. Die Tatsache gilt nichts,
die Gestaltung alles.
3. Auf dem Boden dieser beiden Motive Bildungshunger und verfeinertes literarisches
Interesse erheben sich verschiedene Spielarten, die das Urmotiv in eine bestimmte
Bichtung abwandeln, die hier soweit verfolgt wird, wie sie fiir unsere heutige Lage be-
deutungsvoll erscheint. Eine Folge des Humanitatsideals und der Anschauung von der
harmonischen Entwicklung der Personlichkeit ist der Wunsch nach Totalitat des
263
. i\\ i \ )\ w~*mmmmmmmmmmmmmmmmmm
1
Was verlangt der Leser?
Kulturbildes. Man erkennt das einzelne besser, wenn man die Zusainmenhange
sieht. Musik ist kein isoliertes Geschehen, sondern steht mitten im Leben, ist ein Teil
unserer Kultur. Von diesen Gedankengangen wird die padagogische Literatur stark be-
eindruckt, ja man kann sogar sagen, man beurteilt sie nach ihrem Eingeordrietsein in
diese Zusammenhange. Auch die praktische Literatur ist zu einer solchen Zusammen-
fassung gezwungen; Tonfilm, Rundfunk, Schallplatte beanspruchen eine Literatur, die
totalgerichtet ist. Von dem gleichen Ganzheit-Streben wird die Musikgeschichte als
Kulturgeschichte erfafit.
Die Motivreihen 4, 5 und 6 seien der Kiirze halber und ihrer inneren Verwandt-
schaft wegen im Zusammenhang genannt; sie umfassen das asthetische, das
psych ologische Interesse und die soziologisch e Bedingtheit. Im selben Mafie
wie das asthetische Motiv heute nachlaGt, gewinnt das psych ologische. Wir interessieren
uns eben mehr fiir die feststellbaren Spannungen der Seele als fur die unkontrollier-
baren Schwingungen der schonen Seele. Psychologische Fragestellung bringen wir nicht
nur an alle padagogischen Scliriften heran, sondern auch an die kiinstlerischen. Der
Leser setzt ganz allgemein, und nun gar erst im Gebiet der Musik, sich selbst, sein
eigenes Erleben als Mafi aller Dinge, vergleicht, mifit, erinnert sich.
In der letzten Gruppe der „soziologischen Bedingtheit" sind, wie schon die
Formulierung andeutet, alle anderen mit eingeschlossen. Der Ausgangspunkt erscheint
zwar ein eingeengter, das Thema ist begrenzt, es laute Jugendmusik, Arbeitermusik,
Konzertwesen, Musik und Wirtschaft u. a.; aber die Ergebnisse sind konzentrierter und
deshalb umfassender, schlagender. Es ist ein Irrtum, zu glauben, ein Buch, in dem das
Wort soziologisch nicht vorkommt, sei unmoglich soziologisch angelegt. Auf das Wort
kommt es nicht an, auf die Tendenz aber, die uns durch Einflufi und Zustand aufge-
zwungen wird. Das Interesse des Lesers an dieser Literatur efwachst aus dem Interesse
seiner Gruppe, seiner Klasse, seiner Umwelt und seiner Beschaftigung.
Diese Motivreihe soil andeuten, welche Anspriiche der Leser an den Autor stellt;
sie erklart zugleich die grundsatzliche Einstellung des Autors, der in den meisten Fallen
vom Gebrauch (d. h. Verleger, Auftraggeber, Absatz, das ist also wieder vom Leser). ab-
hangig ist. Mit dieser Feststellung soil gar nicht allein die Modeproduktion getroffen
sein; damit ist auch die Jubilaumsliteratur gemeint, wenn z. B. im Haydnjahr vier neue
Haydnbiographien erscheinen; damit ist endlich die im besten Sinne aktuelle Literatur
gemeint, die im rechten Augenblick, wenn es an der Zeit ist, ein Thema behandelt.
Werden nicht iiberhaupt die besten Buchergeradedanngeschrieben, wenn sie gebrauchtwerden?
Parallel zur Motivreihe des lesenden Publikums lauft die konstruierbare Typen-
reihe der Musikschriftsteller. Die Frage, wer schreibt Biicher liber Musik, findet
im Folgenden ihre schematische Beantwortung, die gleichzeitig die Grenzpunkte der er-
reichbaren Hochstleistungen und der Fehlleistuugen geben mochte.
Es schreibt der Musik wissenschaftler. Er gibt Arbeitsergebnisse, Studienwerke,
die im gunstigen Fall die orientierenden Leitwerke, die Bausteine fiir das grofie Gebaude
der Musikgeschichte in der Menschheitsgeschichte abgeben, im ungiinstigen Fall sinnlose
Holzspalterei darstellen.
Es schreibt der Padagoge. Er vermittelt Lehrberichte. Ahnlich dem Wissenschaftler,
dessen weltliche Form (oder wenn man will menschlichere Form) er ist, kann er giinstigen r
264
Die Typen des Musikschriftstellers
falls die Bausteine zum Gesamtbild der menschlichen Musikerziehung, des moglichen Ein-
flusses der Musik auf den Menschen liefern. Im ungiinstigen Fall ist er nur cholerischer
Methodenreiter.
Es schreibt der Journalist und Kritiker. Er bringt Zeitfragen und Stil-
erfahrungen zu Papier. Giinstigenfalls schafft er echte, lebensnahe Zeitbilder, die in
Stil und Ergebnis eng ihrer Zeit verhaftet bleiben. Verzerrt er das Zeitbild, so ent-
stehen wertlose, meist unsachlich-polemische Schriften.
Es schreibt der S chaff ende, der Kiinstler. Er ringt sich Recheii9chaftsberichte
iiber sein eigenes Schaffen von der Seele. Oder er entwickelt sein Programm.
Es schreibt der Dichter. Er gestaltet rait dichterischer Schau aus der Materie
Musik. Es entstehen Musikroman, Novelle, es entsteht aber auch schlechthin Lyrik.
(Verlaine !).
Von diesen Typen sind heute besonders die ersten beiden im Schwange. Der
Musikwissenschaftler hat viele Stilmittel der anderen Typen in sich aufgenommen
(man konnte auch boshafter sagen: viele eigentlich den anderen Typen zugehorige
Schriftsteller nennen sich Wissenschaftler) : er schreibt fliefiend wie ein Journalist, er
gibt lehrhafte Anwendungen und manch einer liebt gar die Anekdote mehr als das ein-
fache Faktum. Noch verbreiteter als das wissenschaftliche Schrifttum ist das p a d a g o g i s ch e.
Viele glauben, auf diesem Gebiet eine Uberproduktion feststellen zu miissen, der bald
die Reaktion folgen miisse. Aber solange wir im Umwandlungsprozefi stehen, solange
noch neue Laienschichten alte abzulosen trachten oder sich mit ihnen vermischen, wird
die padagogische Literatur notwendig und wichtig sein. Die rein unterhaltende
Literatur wird heute nicht mehr so ernst wie fruher genommen. Ein Musikroman Masses
oder ein Haydnroman scheint uns heute unlebendiger und uninteressanter als das
wirkliche Blid. Ihre Bedeutung haben dagegen gestaltete Musikdichtungen und im-
pulsive Musikbekenntnisse der Schaffenden behalten. Der Streit Pfitzner — Busoni
hat mehr musikaathetische Wirklichkeit eroffnet als manche kluge wissenschaftliche Er-
orterung. Schonbergs Harmonielehre iiberragt alle theoretisch-padagogischen Fach-
schriften. Krenek ist vielleicht der beste Musikschriftsteller der Zeit; jedenfalls wird
eine spatere Zeit dort die wirklichen Quellen des schopferischen Ringens unserer Zeit
suchen und nicht beim Tagesschriftsteller.
Obwohl wir auf anderen Gebieten vom Fortschrittswahn geheilt sind, glauben viele,
in der Schriftaufierung, besonders auf kunstlerischem Gebiet, einen tmerhorten Fort-
schritt feststellen zu miissen. Gewifi, an der Produktion gemessen, steht Deutschland
heute an der ersten Stelle in der Musikliteratur der Welt. Aber dort, worauf es an-
komrat, in der Darstellung, in der Substanz, ist kein Fortschritt sichtbar. Abgesehen von
der Entdeckung einiger neuer Fakten, die neue Arbeitsgebiete (Tonfilm, Rundfunk, Schall-
platte) erschlossen, ist die Darstellungsform die gleiche geblieben. Die Methodik der
Untersuchung, analytisch-synthetisch, psychologisch-asthetisch, historisch-aktuell, ist die
gleiche. Es gibt heute keinen Musikwissenschaftler, der im Kern und in der Anlage
tiefer schiirfen konnte als etwa Forkel, keinen Theoretiker, der mehr gabe als Cal-
visius geben konnte, keinen Padagogen, der mehr sagen konnte, als im Goethe-
Pestalozzikreis zu lesen steht. In manchen Punkten ist sogar ein Riickgang feststellbar ;
ich meine den Niedergang innerhalb der Musikkritik. Die Fiille der Erscheinungen, die
265
M"i«piiP!"»MviHiiBHiNB*aaBHiq!lllll^pqv^
Tiefstand durchschnittlicher Musikkritik
Schnelligkeit der Verbreitung lahmen das Verantwortungsbewufitsein iiber den Augen-
blick hinaus. Man beeilt sich, zu registrieren, eine kritische Haltung aber verlangt, dafi
man das Werk erst einmal in alien seinen Teilen auf sich wir ken lasse. Das gerade
erfordert Besonnenheit und Mufie, eine innere Bereitschaft den Eindriicken gegeniiber.
Welcher Musikkritiker bringt diese fundamentale Eigenschaft heute noch mit? Den
tiefsten Punkt im musikalischen Schrifttum der Cegenwart erreicht die Kritik. Wer an
diesen Abstieg nicht glauben will, vergleiche die kritische Haltung der Allgemeinen
Musikalischen Zeitung, etwa die Jahrgange 1798 — 1810 mit der Haltung heutiger
kritischer Musikzeitschriften.
Oberflachlichkeit und dieses Sich als Richter fiihlen, durch das sich der Autor eine
Sicherheit des Urteils anmafit, haben auch auf die anderen Gebiete des Musikschrift-
tums iibergegriffen. Diese Spreu wird verwehen und iibrig bleiben werden ein, zwei
fundamentale Werke und ein paar ehrliche Zeitberichte. Das ist alles. Aber mehr wird
man von der Produktion innerhalb von 30 Jahren auch nicht erwarten diirfen.
Zur Lage der Musiklehre
Historisierung und Gegenwariigkeit Erich Doflein
1.
Wenn ein Musiker altester Zeiten bei der Vorstellung oder Benutzung eines Inter-
valles zahlensymbolische oder lebenssymbolische Bedeutungen im Bewufitsein mitschwingen
liefi, so lagen hier Geisteswelten vereint nebeneinander, die fur uns heute weit von-
einander getrennt sind. Wir konnen uns vorstellen, dafi Empfinden, Horen und Schauen
eine Einheit waren, aber wir werden zweifeln, dafi wir in einer wirklich ehrlichen
schopferischen Handlung eine solche Einheit in uns konnten lebendig werden lassen.
Man bedenke, dafi dieses Schauen iiber die Musik selbst hinausempfand, dafi Musik
hier in ihrer Einbettung in das Ganze fuhlbar war. Freuen wir uns, wenn es uns ge-
lingt, das Schauen wenigstens auf die Musik als Ganzes oder iiber ein Musikwerk als
einem Ganzen auszudehnen.
Wenn ein Musiker der Barockzeit an seinen Instrumenten mitarbeitete, iiber deren
Bau Bescheid wufite und ihn beeinflufite, so wirkten auch hier Wissensgebiete eng ver-
flochten miteinander, die fiir uns heute in Arbeitsteilung voneinander getrennt sind.
Oder wenn Joh. Seb. Bach die Moglichkeiten der temperierten Stimmung ausniitzte und
bei der Wahl einer entlegenen Tonart fiir ein Praludium des „Wohltemperierten Klaviers"
den Eigencharakter dieser Tonart entdeckte, nutzte oder bestimmte (— wie man das
nun nennen will!), so wirkten auch hier Gebiete der Tonlehre schopferisch ineinander,
die fur uns heute als objektive Wissenschaft einerseits und als individuellste Klang-
empfindung andererseits weit voneinander getrennt den schopferischen Menschen anregen
und jeweils zu ganz verschieden gearteter gestaltender Tatigkeit verlocken.
Und weiter beim Naherliegenden : wenn Bach eine Fuge oder Invention schrieb,
so gab er damit ein Stuck „Musiklehre", so gab und vermittelte er musikalische „An-
schauung". Wie vielerlei Tiltigkeiten waren hier vereint, die fiir uns zerspalten sind in
266
Die »Einheit der Musik« verloren
grundverschiedene A r t e n von Tatigkeit, ja in verschiedene Berufe ? Und schliefilich :
wenn im Zeitalter des Generalbasses „Musiktheorie" gelehrt wurde, so war dies zunachst
Generalbafi-Spiel. Die Theorie war also lebendigate Praxis. Sie war ein Teil der Praxis.
Selbst eine Klavierschule bestand stets zu ihrem groGten Teil aus einer GeneralbaGlehre.
Fiir uns lebt dies alles nebeneinander, auseinandert ohne einander. Musikphilosophie
(die „Schau"), Klangwissenschaft, Musiklehre, Kompositionslehre, Theorie (als Satzlehre)
sind Gebiete fiir sich und in sich. Und nebenan geht ebenialls fur sich selbstandig die
Praxis des Musiklebens ihren eigenen Weg.
Es ist iiberraschend, wie wenig immer noch diese Tatsache gesehen wird, wie
wenig diese Zerkblftung als Problem, ja als tragische Ursache empfunden wird. Alle
Fragen tieferer Art, die der Musiklage unserer Zeit entspringen, liefien sich von hier
aus aufrollen. Die Form der Verbindung von Lehre und Praxis ist ein Symptom, das
als Einzel tatsache geniigt, um die ganze Struktur einer Zeitlage daraus abzulesen.
Am deutlichsten mufi der Padagoge die Situation empfinden. Er ist wohl auch
am besten in der Lage, die Folgen dieses Auseinandergedrangtseins von Lehre und
Praxis an den verschiedensten allgemeinen und individuellen Schicksalen zu verfolgen.
Und zwar sowohl der Padagoge der im Fache des „Theoretischen" selbst tatig ist, wie
auch der Musiklehrer, der genotigt und gewillt ist, in seinem Instrumentalunterricht
zugleich in irgendeiner Form eine „Musiklehre" aufzubauen.
Deshalb sind auch im Bereich der „Musiklehre :< selbst am deutlichsten solche Be-
strebungen zu erkennen, die ihre neue Richtung an der eben skizzierten Lage orientieren
und ihre Methodik auf die Uberbriickung dieser Kluft zwischen Praxis und Lehre ein-
stellen. Dafi sich hierbei eine rein padagogische Musiklehre ergeben mufi, die sich
zunachst noch in weiter Distanz von der Klangwissenschaft und den an diese an-
grenzenden Fragen halt, ist selbstverstandlich.
2.
Diese padagogische Musiklehre hat in den letzten Jahrzehnten eine grofie Ent-
wicklung durchgemacht, zumal sie auch immer wichtiger wurde als Moment der musi-
kalisch-padagogischen Gesamtbildung, die man vom werdenden Musiker und besonders
vom durchgebildeten Musiklehrer forderte. Ich nenne einige Etappen, ohne Anspruch
auf Vollstandigkeit :
Arnold Schonberg hat in seiner Harmonielehre (1911) wohl zum ersten Male ganz
deutlich sogenannte „Erfindungsiibungen" als Aufgaben gestellt, indem er vom Schiller
die freie Verbindung von Akkorden — unter gewisser Einschrankung des jeweils zur
Verfiigung stehenden akkordischen Materials — vornehmen liefi. Er erreichte dadurch
eine Schulung des Gefuhls fiir Funktionsgewichte und Funktionsstrebungen, wie es die
landlaufige Schulungsform mit ihren gegebenen Bassen und Sopranen niemals erreichen
konnte. Ganz deutlich ist hiermit der erste Ansatz zu einer Befreiung des musiktheore-
tischen Unterrichts vom Vorbild des abstrakten Ideals eines schulmafiigen Satzes, eine
Hinwendung zum schopferischen Aufspiiren und zu dessen padagogischer Forderung ge-
geben. Dieses Gewicht der erfinderischen Selbsttatigkeit ist nun in unserer padagogischen
Einstellung standig gewachsen. Doch konnte im Rahmen der padagogischen Musiklehre
— soweit diese nur ein allgemein musikalisches Bildungsglied sein wollte und nicht
267
^^—mma*—mmmm
Hugo Riemann als Bahnbrecher moderner Musiktheorie
Kompositionslehre sein sollte — das Prinzip der erfinderischen Selbsttatigkeit erst zur
vollen Fruchtbarkeit kommen, wenn eine gewisse Auflockerung unserer Stilbefangenheit
erreicht war, wenn also eine durchgreifende Befreiung von dem abstrakten Ideal eines
schulmafiig-riohtigen Satzes gelungen war. Diese Befreiung wurde durch die historische
Musikwissenschaft entscbeidend gefordert und indirekt unterstiitzt.
Zunachst ist der Funktionslehre Hugo Riemanns zu gedenken. Sie bedeutete schon
— ahnlich wie die (zeitlich viel spatere) padagogische Haltung Schonbergs — als Lehre
und Erklarungsform einen entscheidenden Vorstofi in die Klangwirklichkeit. Sie forderte
ferner besonders deutlich die Beschaftigung mit dem gegebenen Werke und fuhrte somit
notwendig zur Analyse. Trotz der starken Befangenheit der Riemannschen Lehre im
Selbstzweck des eigenen Systems ist von seiner Lehre so viel zur Selbstverstandlichkeit
geworden, dafi es kaum einen Musiktheoretiker geben wird, der nicht einige der ent-
scheidenden Riemannschen Funktionsbegriffe in seiner LehrtStigkeit auch heute in irgend-
einer Weise weiter benxitzen wird. Sehr wesentlich fur alle Musiklehre war nun das
Weitergehen auf dem Weg der Analyse, die sich zu einem wichtigen Glied der pada-
gogischen Musiklehre entwickelte. Hier aber mufite ein grofier Schritt der Befreiung ge-
tan werden : es war notwendig, sich von der noch fur Biemann selbst vollig bindenden
Befangenheit in die Horgesetze eines bestimmten Stils, namlich die der Klassik zu be-
freien. Die Analyse mufite das Jeweilige der einzelnen Stilhaltung entscheidend achten
lernen und sich in die Stilgeschichte einfugen. Ein erster wichtiger Beitrag zu dieser
Befreiung war Ernst Kurths Werk von dem „Linearen Kontrapunkt" Bachs (1916), also
der, wenn auch wohl zunachst zu einseitige Hinweis auf die vom Harmonischen relativ
unabhangigen Eigenwerke der Bachschen Linearitat. Ahnliche Bedeutung — jedoch im
Bahmen der Harmonik selbst als gelauterte logische Fortsetzung der Biemannschen
Funktionslehre — hat Hermann Erpfs Buch ^Studien zur Harmonie- und Klangtechnik
der neueren Musik" 1 ) (1927). Hier ist gleichsam eine Historisierung samtlicher Klangerschei-
nungen und folglich aller Funktionsbegriffe der neueren Harmonik seit der Klassik
durchgefuhrt, mit grofiter Bedachtheit auf Sinn, Situation, Einordnung, also die „Jewei-
ligkeit" der einzelnen Klangerscheinung. Dafi dieselbe Historisierung fiir alle weiteren
Gebiete, von Fragen der Stimmfuhrung bis zu Fragen der Formbindung, Gultigkeit be-
kommen miisse, wurde weiterhin jedem klar, der etwa auf dem einen Gebiet der
Klanglichkeit einmal begonnen hatte, sich von einer lehrbuchmafiigen, unorganischen,
d. h. nicht am Leben der Musik selbst orientierten Musiklehre freizumachen. So wurde
die Notwendigkeit einer grundlichen Erneuerung des musiktheoretischen Lehrens in der
ganzen Vielfaltigkeit dieser Aufgabe immer klarer.
Zugleich wird nun im Bahmen des Unterrichts, sofern er nicht Kompositions-
unterricht ist, die Ubungsform der erfinderischen Selbsttatigkeit, von der oben schon
die Bede war, erst eigentlich moglich und sinnvoll. Denn nun kann die jeweilige Auf-
gabe stilistisch relativ eindeutig prazisiert werden. Nicht nur die Frage des Klang-
oder Tonmaterials (bestimmte Akkorde, bestimmter Melodienumfang)^ auch die Frage
der Klangbesetzung (Chor-, Streicher-, Klaviersatz) und daraus erwachsend die Frage
der stilistischen Haltung (stilistisch-gattungsmafiig und stilistisch-historisch) wird nun-
mehr in der Stellung der Aufgabe selbst schon irgendwie geklart sein mussen. Ein
') Besprechung in Melos, VIII. Jahrg., Seite 372
268
Musiklehre stait Theorie
weiterer wichtiger Schritt zur Befreiung von dem wie ein Verhangnis iiber allem Musik-
bildungsbelrieb lastenden Druck eines scheinbar allgemeingiiltigen Schulstils ist dadurch
getan. Gewisse, zunachst kleine Feinheiten des Satzes gewinnen mit einem Male erne
unmittelbare Wichtigkeit; die Kla ngr e alita t, das Leben der echten Musik, erhalt so-
mit grofite Bedeutung innerhalb der Ereignisse einer Musiktheoriestunde.
An dieser Stelle steht das Werk Mersmanns'). Zunachst gibt das breit angelegte
Werk „Angewandte Musikasthetik" gleichsam einen Spiegel des Entdeckungsweges zu
den entscheidenden Abgrenzungen der einzelnen stilistischen .Jeweiligkeiten"; dann
bringt das Buch „Musiklehre''' die padagogische Erfassung und Prazisierung dieser Er-
kenntnisse; zuletzt wird die Einordnung alles Theoretischen in die Gesamtheit des
musikalischen Bildungsbegriffes mit knappen, programmatischen Stichworten in der
kleinen Schrift „Das Musikseminar" dargestellt. Fur diesen Zusammenhang kommt vor-
nehmlich die „Musiklehre" in Betracht. Sie ist — grob gesprochen — eine Folge von
Aufgaben (Erfindungsaufgaben, jeweils nur mit Angabe des zur Verfugung stehenden
jjMaterials''') ; eine Folge aber, die durch die Art der Aufgabestellung einen Lehrgang
durch die Mannigfaltigkeit der Musik hindurch vermittelt, und somit zujdeich den Sinn fur
stilistische Grundtypen weckt. Diese Klarung der Mannigfaltigkeit ermoglicht die
gegenuber aller bisherigen padagogischen Musiktheorie befreiende Haltung.
Urn dies verstandlicher zu machen, seien einige wichtige Momente der Gliederung
dieser Mannigfaltigkeit genannt: der harmonische Stil wird gegen die Polyphonie ab-
gegrenzt (und wird naturlich in bestimmten Fallen wieder mit ihr verbunden!); im
Rahmen der Polyphonie werden ferner „lineare Polyphonie" (d. h. vokale Polyphonie
aus „reiner" Melodik erwachsend) und „konstruktive Polyphonie" (d. h. instrumentale
Polyphonie aus harmonischer Funktionalitat erwachsend) sorgfaltig voneinander ge-
schieden; im Rahmen des harmonischen Satzes zudem werden die Etappen der Ubung
streng nach Stufen des akkordischen Materials hintereinander aufgebaut, wobei zugleich
die Verwendung bestimmter Formen und Satzarten (vokal, instrumental, klavieristisch)
dem jeweils verwendeten Akkordmaterial stilistisch-sinnvoll entspricht.
Diese Aufteilung des Lehrgebietes in stilistisch getrennte Gruppen ist an der Ge-
schichte orientiert, will jedoch als „Musiklehre" nicht in der Geschichte stehen bleiben,
sondern gleichsam zu einer uberzeitlichen Gesamtschau der Musik und ihres Wesens
(— und das heifit: ihre Moglichkeiten) hinfiihren. Stilistische Begriffe bedeuten hier
weniger eine historiache Abgrenzung als eine — ini allgemeinen Sinne — phanomeno-
logische Sichtung, Sauberung und Schichtung, sowie eine gattungsmaBige Trennung. Bei
der Umsetzung in Unterricht jedoch bleibt folglich noch die Gefahr bestehen, dafi die
Losung von Erfindungsaufgaben eine Musik entstehen lafit, wie sie niemals da war und
niemals da sein wird. Eine ideale Schulungsbasis ist wohl gegeben, die jedoch nur in
der Hand eines wirklich produktiven Lehrers zu dem erwarteten Ziel hinfiihren wird.
Die Gefahr eines Entstehens von abstrakten Typen, eben nicht historischen, sondern
uberzeitlichen, also irgendwie unrealen Schulbeispielen liegt nahe. Sie kann in der Praxis
J ) H. Mersmann : Angewandte Musikasthetik, Max Hesse, Berlin 1926
H. Mersmann: Musiklehre, Max Hesse, Berlin 1929
H. Mersmann: Das Musikseminar, Quelle & Meyer, Leipzig 1931
269
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Verbindung von Lehre und lebendiger Musik
des Unterricht8 nur iiberwunden werden durch die — auch von Mersmann geforderte —
standige Verbindung mit der Analyse von lebendig gewachsener Musik. '
Es ist jedoch denkbar, dafi audi diese Verbindung zur gewachsenen Musik noch
enger und unmittelbarer in der Lehre selbst gelingen kann. Ich habe die Erfahrung
gemacht, dafi es ungemein schwer ist, jene padagogisch so wichtige Selbsttatigkeit des
Schiilers aufzuwecken, solange dieser nur mit einigen wenigen Akkorden, die ihm als
Material „gegeben" sind, umgehen darf. Denn der Anfanger hat niemals einfache Dinge
im Sinn, sondern stets ein dunkles, drangendes Gefiihl von Grofiem, Reichem, Stromendem.
Der Sinn fur das Einfache, fur das bewufite Walten mit Gekanntem und Erkanntem
wachst erst spater. Deshalb habe ich mir in meinem eigenen Unterricht zur Aufgabe
gemacht — im Ganzen weitgehend auf der Basis der Mersmannschen Musiklehre —
stets auf eine bestimmte Weise die Warme des Gewachsenen, also den Atem der Echt-
heit in die Aufgabenstellung hereinzubringen. Zu diesem Zwecke habe ich begonnen,
mir eine Sammlung von Beispielen echter Musik anzulegen, in welchen die jeweils in
den Stationen des musiktheoretischen Unterrichts vorkommenden Akkordzusammen-
stellungen, Satzformen, Satztechniken, Modulationen usw. auf naturlichste Art vorkommen.
Der Lehrgang der „Harmonielehre" wird so zugleich bis zu einem gewissen Grade zu
einer Geschichte der Harmonik und der Satzart, da mit einigen Satzen aus dem 17. Jahr-
hundert begonnen werden kann, die zugleich nur die Hauptakkorde der Kadenz ver-
wenden, und die dann folgenden Bereicherungen des Materials zugleich auch historisch
vorwartsfiihren. Da die jeweilige Harmonisierung dann dem jeweiligen Sinn von Eorm und
Melodik entspricht, tragt sie den Stempel der „Echtheit", enthalt sie einen Zauber gleich-
sam, auf den der Lernende mit schnellem Bejahen und Verstehen reagiert. Die Beispiele
aus der Geschichte werden hierbei einmal als Vorbild, einmal mit ihrem Sopran, ein-
mal mit ihrem Bafi, sehr haufig auch als Variationsthema zur Aufgabe.
Eine genaue Erklarung wiirde hier zu weit fiihren, da es nur auf die Charakte-
risierung einer methodischen Idee ankam. Erwahnt werden mufi jedoch, dafi solche Ver-
suche einer Nutzung der historischen Gegebenheit, also des „Echten", fiir padagogische
Zwecke auch sonst auf anderen Gebieten unternommen werden. Zunachst sei die „Schule
des Generalbafispiels" von Herm. Keller 1 ) erwahnt, deren Thema ja den Aufbau aus
historischem, echtem Stoffe schon ganz nahe legt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist
ferner die Blockflfttenschule von Wald. Woehl 2 ). Sie jedoch nutzt nicht nur das echte
historische Material in seinem Wert und in seiner stilistischen Entsprechung zum Instrument,
sondern auch in seiner Struktur, indem sie die Melodiebeispiele langsam vom Quinten-
umfang aus sich erweitern lafit, um auf diese Weise — sowie durch Transpositionen —
mit der Musik selbst die Applikatur des Instruments zu erobern. Diese Schule erreicht
somit hinsichtlich der Lehrweise einen Weg, der, wie Woehl selbst sclireibt, „in dieser
Reinheit bisher der Dffentlichkeit noch nirgends vorher vorgelegt worden ist." Teilweise
angeregt durch Woehl gewann die Forderung einer fast ausschliefilichen Verwendung
echten Materials auch im musiktheoretischen Anfangsunterricht fiir mich immer mehr
1 ) H. Keller, Schule des Generalbafispieles, Barenreiterverlag Kassel 1931
2 ) Waldemar Woehl, Musik fiir Blockfloten Heft I (Blockflotenscliule), Verlag A. Nagel und Baren-
reiterverlag 1930
270
Hisforisierung als Obergang
an Dringlichkeit. Was dort der Quintumfang methodisch bedeutet, bedeutet hier etwa
der Satz mit den Hauptakkorden der Kadenz, der langsam am echten Beispiel harmonisch
bereichert wird und formal wachst. Als letzte Folgerung aus dieser Haltung ergab sich
schliefilich meine Arbeit an dem zur Zeit erscheinenden Geigen-Schulwerk 1 ), das als ein
Lehrgang des Violinspiels nahezu ganz aus „echtem" Material vom ersten Anfang an
aufgebaut ist, unter Nutzung der uns durch die Musikgeschichte gegebenen violin-
technischen und stilistischen Situationen, wobei zugleicb versucht wird, eine Musiklehre,
wie sie der Laiengeiger braucht, mit dem technischen Lehrgang zu verbinden.
Bei der beschriebenen TJbertragung dieses Prinzips auf den musiktheoretischen
Unterricht wird eine Linie aufgenommen, die in dem oben genannten Buch Erpfs vor-
gezeichnet ist. Die „Historisierung" jedoch wird hier auf das Gebiet der elementaren
Harmonik erweitert und padagogisch ausgenutzt. Bei dieser Form des Ubens am
historischen Beispiel selbst wird dann die Analyse gleichsam wieder frei und selb-
standig. Sie braucht nicht mehr der Theorie zu dienen, sondern kann direkt in den
Dienst einer lnterpretationslehre treten, den Ubergang zur Praxis der Musikausiibung
und des Unterrichtens bildend.
Hiermit ist ein wichtiger Gedanke angedeutet, der bei dieser Charakterisierung
der Lage der Musiktheorie nicht fehlen darf. Alle die genannten Bestrebungen haben
ein gemeinsames Ziel: sie stellen die Theorie ganz in den Dienst der Musik, wollen
die Theorie als Lehre von der ,.Anschauung" zu einem Teil der Musikbildung, und die
Musikbildung als Ganzes wiederum zu einem selbstverstandlichen Moment des Musik-
begriffes, der Musikpflege gestalten.
Sinn dieser Darstellung sollte nun sein, die „Historisierung" der Musiklehre als
notwendiges erstes Ergebnis dieses Versuchs der engeren Verschmelzung von Lehre und
Praxis aufzuzeigen. Die Ursache dieser Wendung zur Historisierung liegt natiirlich in
der Struktur unserer Musikpflege, also unserer „Praxis" selbst. Diese ist ja historisch
orientiert; das Gewicht des Gegenwartigen in ihr ist zu gering, um die „Lehre" von
sich aus schon entscheidend beeinflussen zu konnen.
Doch ist deutlich zu spiiren, dafi es sich bei dieser Losung in der Form der
„Historisierung" nur um eine Etappe handelt. Eine unmittelbare, aus der Produktion
der Gegenwart entspringende Lehrform ist in ihren Anfangen bei den verschiedensten
Personlichkeiten zu beobachten. Doch kann hiervon erst bei einer anderen Gelegenheit
die Rede sein.
Es ist denkbar, dafi die oben skizzierte, historisierende Form des musiktheore-
tischen Bildungs-Unterrichts fur uns dann einmal die Art wird, in der wir auf
lebendigste Weise musikgeschichtliche Bildung dem werdenden Musiker und Musik-
lehrer vermitteln, wahrend an der padagogischen Stelle, an der fur uns heute noch die
Musiktheorie steht, eine viel lebendigere direkte Musiklehre stehen wird.
l ) Erich und Elma Doflein : „DaB Geigen-Schulwerk". B. Schott's Sohne, Mainz 1932.
271
tmmmmmmm
Wer kummert sich noch um die Kunst?
Musikkn'tik UberflUSSig ? Franz Plattner
Wenn man produktive oder reproduktive Kiinstler um ihre Meinung iiber die
Kritik befragt, so wird man in den meisten Fallen die Antwort erhalten, dafi die Kritik
das TJberfliissigste von der Welt sei. Zugegeben: der Kiinstler, auch der arrivierteste
und gerade der, der sagt: ich lese nie eine Kritik, er behalt stets einen Rest von
Ressentiment zuriick, das sein abfalliges Urteil erklaren kann. Aber dieses abfallige
Urteil wird auch von einer grofien Anzahl geistig interessierter Menschen wiederholt,
die keinen beruflichen Konnex mit dem Kritiker haben. Erst kiirzlich hat ein hervor-
ragender deutscher Publizist geaufiert: in Tageszeitungen sollte iiber alle kiinstlerischen
Veranstaltungen nur im Sinn der Reportage referiert werden.
Ich will hier nicht auf die Frage nach der grundsatzlichen Notwendigkeit der
Kritik eingehen. Sie ist oft genug gestellt und beantwortet worden. Ich will auch nicht
die notwendigen Fehlerquellen jeder Kritik untersuchen. (Sie liegen ebenso in der In-
stitution selbst wie in der menschlichen Natur, die eben keine Maschine ist.) Ich will
mich auf die aktuellen Einwande beschranken. Ist die Musikkritik iiberfliissig geworden ?
Man konnte ihre Uberfliissigkeit aus der allgemeinen Situation heraus begrunden, aus
der augenblicklichen Abdrangung der Kunst, aus dem Uberhandnehmen wirtschaftlicher
und sozialer Probleme. In der Tat wird die Uberflussigkeit der Kritik nicht selten mit
diesen allgemeinen Argumenten begrundet. Wer kann sich denn heute noch um die
Kunst kiimmern — so klagt man halb aus Snobismus, halb aus Bequemlichkeit. Es
kummern sich mehr Menschen um die Kunst, als man gemeinhin glauben will. Warum
sind die Volkskonzerte in grofien Stadten iiberfiillt, warum singen Tausende in den
Choren der biirgerlichen und der Arbeiterverbande, warum sind die Museen an den
freien Tagen uberfiillt ? Gar nicht zu reden vom ungeheuren Kunstverschleifi des Rund-
funks, der jedem Horer immerhin die Moglichkeit bietet, Bach, Beethoven und Bruckner
kennen zu lernen.
Es heifit weiter: die Musik bietet heute keine Objekte mehr, mit denen sich die
Auseinandersetzung lohnen wiirde. Auch das ist ein Einwand, der nur auf einer sehr
oberflachlichen Kenntnis der Sachlage beruht. Wenn man allerdings den Durschschnitt
der Tageszeitungen betrachtet, so scheint er durch sie bestatigt zu werden. Was liest
man da? Furtwangler hat die Eroica wieder mit einzigartiger Kunst nachgestaltet, das
Bachquartett hat seine unubertreffliche Kunst wieder einmal schlagend bewiesen, Frl. X.
hat recht entwicklungsfahige Anlagen gezeigt, und Herr Y hat mit schwungvollem Strich
das bekannte Bravourstiick von Paganini gegeigt. Dann die andere Sorte von Kntiken:
die brillanten Schmonzetten. Man nennt das den feuilletonistisch-spritzigen Stil, wie
ihn der ,.Mensch von heute" verlangt. In Wahrheit dient er nur dazu, um Unfahigkeit
zur sachlichen Auseinandersetzung zu kaschieren.
Die Kritik macht es sich bequem: das ist einer der Griinde, weswegen man sie
als iiberfliissig bezeichnet. Ein anderer Grund ist die fachliche Engherzigkeit. Wieviele
Kritiker finden es imraer noch unter ihrer Wiirde, einmal in eine Schulauffuhrung oder in
einen Tonfilm zu gehen, wieviele Kritiker kennen die moderne Musik genug, um sie wirklich
zu iibersehen? Es ist nicht wahr, dafi die Gegenwart keine musikalischen Probleme
stellt, es ist falsch, dafi es heute keine Objekte und keine Themen gibt — der Durch-
272
Musikkritik notwendiger denn je
schnittskritiker kennt sie nur nicht, und wenn er sie kennt, dann fehlt ihm (oder seiner
Redaktion) die Initiative, sie zu behandeln. Der Musikkritiker spielt immer noch zu sehr
den Besserwisser, den Ankreider, den Oberlehrer. Er kritisiert zu viel, anstatt zu in-
formieren, anstatt Bewegungen, Zusammenhange aufzuzeigen, er sieht nur Werke und
Interpreten, wo er Stile und Erscheinungen sehen sollte.
Die Welt ist in der Umwandlung und mit ihr auch die Kunst. Der Musiker
wurde in den letzten zwanzig Jahren vor eine Menge neuer Aufgaben gestellt. Hat ihm
die Kritik geholfen, diese Aufgaben zu losen, hat die Kritik zur Erkenntnis der Situa-
tion beigetragen ? Erkenntnis : dies ist das entscheidende Wort. Je mehr sich der Kritiker
urn Erkenntnis der Dinge, urn Klarung der Stilfragen, urn Abgrenzung der Phanomene,
urn Herausstellung des Wesentlichen, Symptomatischen bemiiht — unter diesem Gesichts-
punkt ist Straufi ebenso wichtig wie Strawinsky, Pfitzner ebenso wichtig wie Eisler —
je mehr er seine „personliche Meinung" zuriickdrangt, umso fruchtbarer wird seine
Arbeit sein. Ob der Kritiker etwas „schon" oder „nicht schon" findet, ist in der Tat
vollig gleichgiiltig. Ob ihm ein Werk etwas „sagt" oder nicht, ist absolut uninteressant.
Es geht urn die Erkenntnis der Sache. Der grofite Teil der Musikkritik aber erzahlt
von seinen Empfindungen. Und weil er das tut, darum verfallt er auch immer wieder
in den Fehler, mit hunderterlei verschiedenen Mafistaben zu messen, darum streichelt
er immer wieder die Mittelmafiigkeit mit freundlichen Pfotchen, um sich dann an
Strawinsky oder Hindemith vielleicht gegen seinen Willen zu reiben.
Die Stimmungskritik, die nach „schon" und „scheufilich" abwertet, mit dem Rot-
stift in der Faust und fachlichen Scheuklappen am Kopf, ist in der Tat uberfliissig.
Die Kritik aber, die sich um die Erkenntnis der Musik in unserer Zeit bemiiht und
wirklich den gesamten Bereich der musikalischen LebensauGerungen begreift, diese
Kritik, die tatig an der Sache mitarbeitet, hat heute mindestens eine so wichtige
Funktion wie in der angeblich besseren Zeit vor 50 Jahren. Heute gibt es viel mehr
zu klaren — und zu verteidigen.
Diskussion
Jugend und Neue Musik
Walter Steinhauer
Wn bringen hier den ersten Diskussionsbeitrag zu demThema :
Neue Musik und die junge Generation, welcher der Verfaeeer dieaes
Aufsatzes ebenfalls angehort.
Im Aprilheft des „Melos" bewilligt Karl Worner sich Exaltationen bei der Schilderung
gegenwartiger Ubergangszeit. Zugegeben: wir haben eine denkbar unruhige Gegenwart,
und niemand kann schon definitiv sagen, ob es sich um eine grundsatzliche, wirtschaft-
liche und geistige Neugeburt (Rote Fahne) oder um eine „Krise" der industriellen
Konjunktur (Voss. Ztg.) handelt. Aber ist die unleugbare Zerrissenheit der Gegenwart
schon Grund genug, emphatisch den „Sinn des Lebens" in Frage zu ziehen und einer
guten alten Zeit nachzuweinen, die meist nur wegen fehlender Detailkenntnisse und
aus der Entfernung so viel gefestigter und konturenklarer anmutet als die eigene Epoch e?
273
mmmm*tmmmmmm*tm
Wer ist »junge Generation«?
Das Renaissancejahrhundert jedenfalls, von dem noch Richard Wagner zehren konnte
bietet doch sicherlich gleichfalls das Rild eines hochst chaotischen Umschwungs; bei de/
damaligen Konzeption unseres letzten grofien Kulturstils (mit jedem kleinen Ich als
sakraler Geste) herrschte genau wie heute ein wildes Durcheinander von Meinungen,
sodafi eine urwiichsige Kraft des Schimpfens notwendig wurde. Eben darum aber rief
Hutten: die Geister regen sich — o seculum, es ist eine Lust zu leben! Und wer im
Ernst wollte denn, trotz aller Miseren, die aufgewiihlte, pamphletgesegnete Gegenwart*
eintauschen gegen das satte OberflachengekrauseJ des fin de siecle, gegen Glyzerinmusik
unter Liistern, zwischen Plusch?
Das Jammern nach einer neuen, einheitlichen Welt- und Kunstanschauung wird
kaum helfen. Das historische Bewufitsein konnte nachgerade einsehen, dafi Weltan-
schauung eine Krise in Permanenz ist, und jedenfalls ist die Naivitat als glucklich zu
beneiden, mit welcher Worner vom „Sinn der Kunst", vom „Wesen des Kunstwerks"
beilaufig und ohne methodische Verbindlichkeit redet, unter Verabsolutierung des eigenen
Standpunktes, und gleich als ob es bei dieser Frage nur eine seit Jahrhunderten sich
gleichbleibende, altgelaufige und unbestritten einzige Antwort gabe. Das „Wesen" der
Kunst im strengen Sinne dagegen ist eine Angelegenheit von Weltflucht, uber die hier
nicht diskutiert zu werden braucht. In praxi namlich kommt es nicht darauf an, was
Kunst an sich sein mag, sondern wie sie von der Gegenwart gewollt wird. Und hier
kann man sich nun prachtig entscheiden: ob man fur die kulinarische Oper eintreten
will, die Seiner Majestat dem Abonnenten gefallt — wobei immerhin anmerkenswert
ist, dafi Richard Straufi kiirzlich in einem Interview hochstselbst den „Museumscharakter"
der reprasentativen Operninstitute als erwiinscht bezeichnet hat 1 ), — oder ob man die t
sprode Gradheit sparsamstimmiger Spielmusiken bevorzugt, — oder auch ob jedes
Mittel einschliefilich laxer Song-Sentimentalitat recht ist, wenn nur eine nachhaltige
didaktische Wirkung Gutes stiftet. Die Qualitat der Musik als eines Mittels namlich
hangt billig nur von ihrer Zweckmafiigkeit ab. „Daher ob wol solche Compositiones
nach den Regulen de Contrapuncto gut sein, seind sie doch rtit gut nach den Regulen
der guten und wahren Music", so urteilte Michael Praetorius liber die alte Polyphonic
im Sinne des effektbedachten Stilwandels seiner Zeit, und wer will heute schon —
voreilig wie Worner — „nur gute Musik" auswahlen und verwenden konnen, obwohl
doch wahrscheinlich sein durfte, da6 eine Musik, die gut ist nach den Regeln des
asthetischen Manchestertums, des l'art pour l'art, nicht gut ist nach den Regeln einer
beziehungsreicheren und politischen Kunst.
Schliefilich liegt noch ein Widersinn darin, dafi der Aufsatz Worners anfangs die
gegenwartige Diskrepanz der Weltanschauungen beschreibt, hernach aber mit grofiartigem
Ethos in der Wir-Form loslegt, gleich als ob die junge Generation eine Einheit ware.
Dann ist es naturlich leicht, zu behaupten, Hindemith marschiert „fur uns Junge" an
der Spitze der modernen Komponisten, ohne dafi klar wird, in welchem Sinne er denn
eigentlich da „marschiert". Findet er blofi die weitestgeschichtete Resonanz und zahlen-
mafiig grofite Zustimmung, oder macht er die „beste" Musik — und in welcher Hinsicht
die „beste", in autonom-handwerklicher oder in funktional-weltverandernder Hinsicht,
l ) B. Z. am Mittag, 3. 5. 1932.
274
Keine Kunst ohne Weltanschauung
vom geistesgeschichtlichen Standpunkt aus, vom marxistischen oder von welchem sonst ?
Denn vom sozialen Standpunkt aus ist sicherlich die Musik Weills und Eislers und —
artanders korrespondierend — sogar auch der katholische Klassizismus des spaten
Strawinsky „wertvoller" als die Kammerkunst Hindemiths oder gar als die vornehmen
und vornehmlich materialinteressanten Gipfelbesteigungen des Schonbergkreises. Falls
also Jugend auf Moskau schwort oder auch (ohne fanatische Heilsgewifiheit) z. B. blofi
den demokratisch belangreichen Rundfunk wichtig nimmt 1 ) oder die Freizeitgestaltung
der Millionen, so wird sie auch eine leichter zugangliche und andringende Musik fflr
wesentlicher halten als den Fachbetrieb der Internationalen Gesellschaft fur Neue Musik,
den sie dann nicht einmal als Sauerteig gelten lassen kann. Und es ist die Frage,
ob die Einseitigkeit einer solchen dogmatischen Bewertung heute nicht tragfahigeres
Format hat als ein achselzuckendes laissez faire oder toleranter Totalitatsanspruch — so-
fern es wirklich so ist (wie Unzahlige aus ihrer konkreten Situation heraus hoffen
miissen), dafi gegenwartig die drei letzten Jahrhunderte durch eine neue, uberpersonliche
Diesseitsordnung liquidiert werden.
Jedenfalls wird auch, wer diese spezifische Wertung nicht mitmachen will, zugeben
miissen, dafi die Stellungnahme der jungen Generation zur Neuen Musik nicht geklart
werden kann ohne Hereinnahme des jeweiligen Denkstils in die Beschreibung. Und
zwar lafit sich auf folgende Weise eine skizzenhafte Zuordnung erreichen: auch heute
noch darf man die Deutschen mit Recht ein Volk der Dichter und Denker nennen,
denn wahrend z. B. im realpolitischen England die Stimmabgabe fur eine Partei durch-
weg eine Stellungnahme zu einer akuten Spezialfrage bedeutet, ist bei uns der Stimm-
zettel Glaubensbekenntnis und Weltanschauungssache — am reinsten gerade bei den
(„ach so unvernunftigen !") Jugendlichen aller Richtungen. Personliche Erfahrung wird
nun bestatigen, da6 fiir die jungen Musikiibenden und Horer bis weit hinein in die
Reihen der werdenden Fachleute die abgewandelte Banalitat gilt: sage mir deine poli-
tische Uberzeugung, und ich will dir sagen, welchen zeitgenossischen Musikstil du be-
vorzugst. Da gibt es eine biindische und sich als revolutionar bezeichnende Haltung,
die trotzdem den Egozentriker Wagner hochst verehrt und modern untermenschliche
Musik grundsatzlich ablehnt; wie dieses Paradoxon moglich ist und was es bedeutet,
das ist eine aufschluftreiche Frage, deren Erorterung aber hier von der Musik zu weit
ab und in allgemein-kulturhistorische Horizonte fuhren mufite. Das gegenteilige Extrem
marxistischer Observanz und sein musikalisches Profil wurden schon angedeutet. Echte
Schonbergverehrer diirften sich der „niederen Tagespolitik" gegeniiber vollig uninteressiert
verhalten; sie haben mit ihrer phantastischen Eigenwelt genug zu tun, — vorgestern
war „esoterisch" die gelaufige Vokabel, mit der eine soldi e Haltung und die ihr ent-
sprechende, romantische Inselhaftigkeit des Kunstwerks charakterisiert wurden. Und die
burgerliche Mitte wird zwar nicht alles gleichmafiig „schon" finden, aber sie wird
moglichst alles gelten lassen, sowohl die soziale Funktionalitat des Lapidarstils als auch
die Distinguiertheit gehauchter Zweiunddreifiigstel, denn es ware absurd — nicht wahr? — ,
die euklidische Geometrie fiir zulanglicher zu halten als den Gedankenkreis Albert Ein-
steins, nur weil sie tiefer ins offentliche Bewufitsein gedrungen ist. Ein solches vielsei-
tiges Verstehensvermogen wiederum diirften die extremen Doktrinen als Riickgratlosig-
^ Der Eingang des Manuskripts liegt einige Wochen zuruck. Schriftltg.
275
mmmtm
mmmmmmmmsmmmmmmmm
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Die Jungen sagen: Juvat vivere!
keit bezeichnen, und dementsprechend wiirde auch Hindemiths Fahigkeit, derartig
heterogene Texte wie solche von Gottfried Benn und von Brecht komponieren zu
konnen, nicht als Tugend einer besonders umfassenden Personlichkeit angesprochen
werden, sondern als bedenklicher Mangel an geistigem Charakter.
Ich bin mir naturlich bewufit, dafi diese knappen Zuordnungen nur sehr grob
und schematisch ausfallen konnten, aber sie scheinen mir doch ein deutlicherer Finger-
zeig auf die sinnvolle Vielgliedrigkeit der Beziehungen zwischen heutiger Jugend und
Neuer Musik zu sein, als ihn die ansprucbsvoll verallgemeinerten Urteile Worners geben
konnten. Die Zeit ist in Aufruhr auf alien Gebieten, neue Aufgaben und Ziele drangen,
die Geister regen sich, und an lebendigem Larm geben wir dem grundlegenden 16. Jahr-
hundert niclita nach. Juvat vivere!
Fragen an Kurt Weill,
seine „Burgschaft" betreffend
Herbert Trantow
Wufite Kurt Weill, mit welcher Spannung seine neue Oper von alien, die dem
Neuen, soweit es positiv und schopferisch ist, offen zugewandt sind, erwartet wurde ?
Wenn ja, varum schrieb er, der im Jasager gelehrt hatte, dafi das Leben nichts
gilt vor der Verantwortung der Allgemeinheit gegeniiber, die Biirgschaft wieder negativ
und destruktiv ? _
■
Warum: „Es andert sich nicht der Mensch, es sind die Verhaltnisse, die seine
Haltung andern"?
Warum nicht: „Der Mensch andert sich entscheidend nur in langsamer Entwicklung
durch geistige Erkenntnisse und innerliche Erlebnisse — wer durch aufierliche Verhaltnisse
seine Haltung andert, ist in seiner Gummigesinnung nicht wert, Mensch zu heifien"?
B
Gibt es iiberhaupt „Verhaltnisse" im Weill-Neherschen Sinne? Wiirden sich Weill-
Neher im entscheidenden Moment durch solche „Verhaltnisse" andern lassen? Wiirden
sie sich nicht den „Verhaltnissen" zum Trotz durchsetzen?
m
Wenn ja, warum dann die Proklamierung dieses Lehrsatzes durch alle drei Akte
der Biirgschaft? Will man damit dem Publikum eine bequeme Ausrede fur seine an-
genommene inn ere Verderbtheit geben (,.Ihr konnt ja nichts dafur — die „Verhaltnisse"
haben euch ja schlecht gemacht") oder will man sie durch lehrhaftes Beispiel dazu
bringen, den „grofien Miichten" nicht zu widerstreben, da der Mensch ja doch Opfer
der „Verhaltnisse" (vor 50 Jahren: Produkt des „Milieus") ist?
Warum wird nicht am Opernlehrstiick, als welches sich die Biirgschaft letzten
Endes darstellt, gezeigt, dafi es Menschen gibt, die gegen die Lockungen des Kapitalismus
ihr Menschentum rein erhalten ? Wieso ist es tragisch oder lehrreich, wenn Matthes am
Schlufi als Strafe fur sein unsoziales Verhalten erschlagen wird, da der andere, Orth,
276
Um die Idee in Weills Oper
m-
der unter dem EinfluS der „grofien Machte" genau so ein Schieber geworden ist, leben
bleibt, obgleich er in widerlicher Weise seinen Freund, fiir den er einst btirgte, dem
Mob uberantwortet?
Wieso sind Krieg, Teuerung, Hunger und Krankheit ausschliefilich Folgen des
Kapitalismus ? Angenommen, ja: warum wird dann nicht die Uberwindung diesea
schlechten kapitalistischen Systems gezeigt? Weill-Neher lehren im Gegenteil, dafi der
Kapitalismus Sieger bleibt und dafi es einem unter Umstanden ausgezeichnet aufierlich
gehen kann, wenn man unter diesem System „schiebt" (Fall Orth) — dafi es einem
blofi iibel ergeht, wenn man widerstrebt (Fall des weisen Richters) — warum nicht
der Sieg des Idealismus und der ewigen Menschenrechte und Menschenwiirde iiber die
„grofien Machte"?
Wird Weill sein nachstes Lehrstiick auf einem Thema aufbauen, das zeigt, wie
unter einem besseren System die Menschen gliicklicher sind, sodafi die Horer mit dem
Wunsch nach Hause gehen, an dieser neuen, besseren lehrhaft gezeigten Welt mitzu-
bauen ? Sollte ihm nicht audi bewufit sein, dafi es mehr Menschen gibt, als er vielleicht
glaubt, die auf Geld und fiufierliches Wohlergehen nicht im entferntesten den Wert
legen, den als ausschlaggebend fiir menschliche Werte er uns seit der „Dreigroschenoper"
(mit Ausnahme des Jasager) lehrt?
Konnte er nicht ein Lehrstiick schreiben, in dem er zeigt, dafi Geld gegeniiber
geistiger Macht klaglich versagt und dafi Besinnung auf reines Menschentum unserer
Zeit mehr nottut, als der Kampf gegen eine aufierlich iiberlegene Macht ? Beweist nicht
die Geschichte aller geistiger Bewegung, dafi SuGere Macht auf die Dauer doch den
Kiirzeren zieht?
Soziologie
Wege zu einer Soziologie der Musik Hans weii
Wenn wir auch die Diskussion iiber Sinn, Wesen, Aufgabe
und Zielsetzuns der Musiksoziologie nicht allzu weit ausdehnen
mochten, so sollen doch unter den zahlreichen an una gelangten
Stellungnahmen die Stimmen nicht unberiicksichtigt bleiben, die
sich von fachsoziologischer Seite aus zu unseren Erorterungen er-
hoben. Wir geben nachstehend noch dem durch die Max Schelersche
Schriftenreihe zur Philosophie und Soziologie bekanuten Soziologen
und Frankfurter UniversitStsassistenten Hans Weil das Wort zu
einer kurzen Studie, die er una zu diesem Thema ubersendet.
Eine explicite umfassende Soziologie der Musik gibt es noch nicht, fast mochte man
sagen, kann es bei dem gegenwartigen Stand unserer Forschung noch nicht geben. Denn
wenn es uberhaupt ein Gebiet menschlicher Aufierungsweisen gibt, von dem man sagen
kann, dafi es sich der soziologischen Forschung erst zuletzt erschliefit, so ist es das der
Musik. Dennoch halten wir die Aufgabe einer Soziologie der Musik fiir moglich und
versuchen im folgenden einige Wegstationen zu kennzeichnen, in der man sich den ge-
wiinschten Zielen am ehesten zu nahern vermag.
277
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Fragestellungen der Musiksoziologie _.
Die Gesellschaftswissenschaft, insofern sie sich bemiiht, empirisch sichtend und
ordnend sich ihrem Erkenntnisgegenstand zu nahern, hat sozusagen zwei extreme Er-
kenntnisquellen, die sie in eine mitteilbare und einsichtige Verbindung zu bringen hat:
die Sozialstatistik auf der einen Seite und das menschliche Bewufitsein auf der anderen.
Das heifit die quantitative Grofie und die soziale Wirkungsmacht einzelner Gruppen und
Schichten, die der Soziologe auf Grund der typischen Merkmale ihres alien Tragern ge-
meinsamen Denkens, Wissens und Handelns theoretisch heraushebt und abgrenzt. Zu
dem Ende, dafi man die Reaktionen und Funktionen dieser Schichten und Gruppen be-
greift und versteht.
Eine spezifische Art von Gruppen oder Schichten wird innerhalb der Soziologie
dadurch charakterisiert, definiert und von anderen abgehoben, dafi man alle diejenigen
zusammenfafit, die an einem objektiven von Menschen geschafFenen Kollektivgebilde
Anted haben, Anted haben wollen oder sollen. Dieses Gebiet der Soziologie heifit erst
dann mit Recht Kultursoziologie, wenn man sich nicht mit dem Gebilde selbst — sei
es das Verkehrswesen, die Wissenschaft, der Rundfunk oder die Kammermusik — sondern
nur mit der Auswirkung dieser Objektivation auf die an ihr Teil habenden Schichten
zu beschaftigen gewillt ist. Die Untersuchung der Objektivationen nach Bedeutung und
Wandlung selber ist Sache einer moglichen aber noch nicht durchgefuhrten Kultur-
wissenschaft.
Ein Teil der Kultursoziologie also im engeren Sinne hatte die Soziologie der
Musik zu sein. In ihr konnen Schichten erfafit werden, die in einer spezifischen Be-
ziehung zur Musik stehen, sei es als Darbieter, Horer oder „Unternehmer". Dabei waren
folgende grundsatzlichen Fragen zu stellen: 1. Welche Arten von Schichten, die an der
Musik als Produzenten oder Konsumenten Teil haben, gibt es grundsatzlich oder hat es
historisch gegeben? 2. Durch welche objektiv fafibaren Merkmale — z. B. Instrumente
und Institutionen — weisen sich diese Schichten als solche aus? 3. Welche „bildende",
das Bewufitsein und das Handeln des Menschen bestimmende und verandernde Gewalt
hat die Musik tatsachlich ? 4. Welches Bewufitsein haben die Gruppen selber von der
Musik, ihrem Wesen und ihrer Bedeutung fur sie und endlich 5. Wie steht die Musik
jeweils in Verbindung mit anderen gesellschaftlichen Machten und anders konstituierten
Gruppen ?
Der Weg nun, den die Musiksoziologie zu nehmen hatte, wiirde vermutlich den
umgekehrten Weg des Fragens zu nehmen haben, als denjenigen, den wir soeben ge-
gangen sind. Denn um einen Erkenntnisgegenstand „rein" herauszustellen, miissen zu-
nachst alle diejenigen Wirkkomplexe ausgeschieden werden, die ihn verschleiern. Es
miissen die nicht rein musikalischen Motivationen oder Wirkfaktoren zu eliminieren ver-
sucht werden. Allein schon dieser erste Schritt zur Klarung ist aufierordentlich gefahrlich
und fordert grofite Behutsamkeit; denn wir wissen noch nichts uber die spezifische Wirkungs-
macht der Musik uber die Menschen, wir ahnen sie nur und miissen alles ausscheiden,
was gewifi nicht rein musikalisch ist, diirfen aber nichts wegnehmen, was vielleicht
dennoch eine Wirkweise der Musik selber sein konnte.
Das Potpourri ist soziologisch vor allem darum charakteristisch, weil es in einer
Epoche der Musikgeschichte zugleich die gesamte musikalisch e und die breiteste soziale
278
Das Potpourri in soziologischer Analyse
&
13
Geltung hatte. Es ist entstanden in einer Zeit, wo die alte bei Aristokratie und Honoratioren
gepflegte Kammermusik durch ein neues Musikpublikum, das anderes haben wollte, ia
ihrer sozialen Geltung zuriickgedrangt wurde. In einer Zeit, in der gleichzeitig Gesang-
und Musikvereine den Markt fiir die „grofien" musikalischen Veranstaltungen schufen,
entstand gleichzeitig audi als private Musikart die „Salonrausik" und als folgendes drittes
Mu9ikinstitut das Musikkaffeehaus. Alle diese Grundungen und Institution en forderten
ein ihnen adaquates Musikprogramm. Gleichzeitig erfahrt das Klavier, als beherrschendes
Musikinstrument, eine aufierordentlich starke Rangerh5hung. Man beginnt vor allem am
und fiir das Klavier zu komponieren, die Beherrschung der pianistischen Technik wird
immer wichtiger.
Fiir diese Musiksituation wird das Potpourri eine adaquate musikalische Form.
Die Motive, die im Potpourri jeweils zusammengezwungen wurden, Waren meist lyrisch-
individualistische Motive romantischer Pragung. Es ist soziologisch aufschlufireich, dafi
wir uns beim Anhoren eines Potpourris an eine „vornehme" Villenstrafie aus der Zeit
vor fiinfundzwanzig Jahren erinnerten. Die Fassade namlich jener „gemiitlichen Land-
hauser" mit den idyllischen Eckchen im Verein mit jenen trutzigen Burgen waren ge-
nau so pseudoindividuell wie die marktgangigen Motive der gleichfalls nur durch eine
Brandmauer zusammengehaltenen musikalischen Edelsteine. Es sind Kennzeichen der
gleichen Zeit mit ihren standartisierten Eigenwilligkeiten, welch letztere nur verstanden
werden konnen als Fluchtversuch vor einer erdriickenden Egalisierung.
Das Publikum, das sich freute, wenn es in einem Potpourri „Vom deutschen Rhein"
Stiickchen von Richard Wagner wiederfand, hat gewifi auch ganze Opern von Wagner
geduldig mitangehort und aus ihnen das nach Hause genommen, was es rezipieren
konnte: einige wenige schlagkraftige Melodien und — vielleicht vor allem — das Be-
wuGtsein, gebildet zu sein. Von hier aus wird die einfache musiksoziologische Frage
verstandlich, inwiefern der Besuch von Musikdarbietungen — den man statistisch er-
fassen kann — etwas auszusagen vermag iiber die echte Rezeptionsbereitschaft der Be-
sucher. Weifi man namlich, wie stark oder wie schwach jeweils in den einzelnen gesell-
schaftlichen Schichten der Zwang zur Beprasentation oder zur Legitimation durch
Konzertbesuch gewesen ist, so wird man jeweils das „musikalische Niveau" erst fest-
stellen konnen, wenn man diese vorausgehenden Einschrankungen vollzogen hat.
Zu dieser Schranke der Rezeption kommt als zweites Moment hinzu, dafi die
Musik im vorigen Jahrhundert in die Reihe jener geistigen Machte trat, durch die sich
gewisse Schichten unserer Gesamtbevolkerung als die „Besseren", die „Kultivierten" all-
gemein als die „Gebildeten" von den „ungebildeten" Schichten der Bevolkerung abheben
wollten. Diesem Bestreben konnte die musikalische Produktion gerade im Potpourri da-
durch entgegenkommen, dafi sie immer wieder an einige wenige, dem Publikum be-
kannte Motive anknupfte und diese ihm in immer neuen Fiigungen so darreichte, dafi
die Horer im Erkennen von Bekanntem sich ihrer „musikalischen Bildung" vor sich und
anderen bewufit wurden. Das Potpourri hatte hierin eine verwandte Aufgabe wie das
aus ahnlichen Griinden so beliebte Silben- oder Kreuzwortratsel.
Mit diesen Andeutungen sollte hingewiesen werden auf allererste Ansatze einer
musiksoziologischen Analyse der Rezeptionsformen. Der [heimliche Kampf jedes kiinst-
279
hi mmmr -*mmmm*Bmmmm&Qmmmmm*!mmmmmmmmBSt
Kontrolle des Intellekts
lerisch Produziereiiden mit seinem Publikum, die Uberwaltigung oder Bezwingung dps
ungeschult Aufnehmenden durch den geschulten Darbietenden — zum Vergleich denke
man vielleicht an Shakespeare und sein Publikum — sind gesellschaftliche Beztige,
die wir immer wieder feststellen konnen, die sich aber wandeln je nach der gesellschaft-
lichen Potenz und Intention dea musikalischen „Unternehmers" — Kirche, Gesang-
verein, Staat.
Aber bei jeder Aussage, bei jedem Vergleich kommen wir bereits an die Grenzen
des Unbekannten, an die Grenze des Metaphysischen, des Glaubens. Wir wissen z. B.,
dafi es immer Schichten verschiedener musikalischer DifFerenziertheit innerhalb der
gleichen Gesellschaft gegeben hat. Einige von uns werden der Meinung sein, dafi diese
musikalische DifFerenziertheit durch „Erziehung" beliebig zu steigern sei. Andere gehen
von anderen anthropologischen Voraussetzungen aus und neigen zu der Meinung, dafi es
„ewig" Begabte und Unbegabte, feine und grobe Menschen geben wird. Empirisch konnen
wir aber fur die Gegenwart und die Vergangenheit bereits aus der Differenziation der
Begabungen zu Fragestellungen kommen, deren wissenschaftliche Beantwortung vieles
im musikalischen Geschehen, einen Teil der Wirkung der Musik auf den Menschen
deutete oder erklaren wiirde.
Bis dahin wird die Literarsoziologie, die Soziologie der bildenden Kunste, die
Soziologie der Pfidagogik weitere evidente Ergebnisse gebracht haben, sodafi von hier,
wie von der Musikpsychologie und Musikphilosophie aus, dann der schwere Versuch
wird unternommen werden konnen, dem Geheimnis der musikalischen Produktion etwas
naherzukommen. Die Soziologie selber wird an dieser schweren Aufgabe zu erweisen
haben, wie weit sie iiberhaupt imstande ist, mit ihren Hilfsmitteln etwas von dem
menschlichen Bewufithaben von sich aus zu erkennen und zu deuten, selbst da, wo
dies Bewufite das Gegenteil von einem diskursiven ist.
Wir haben hier absichtlich keinerlei Hinweise auf die soziologische Interpretation
der „grofien" musikalischen Formen — Chor, Fuge, Sonate — und der bedeutenden
historischen Musikinstitutionen gegeben. Zur Klarung der ersteren waren, wie schon
gesagt, noch viele Vorarbeiten zu leisten, die Beschreibung der letzteren wird zunachst
mehr Aufgabe einer Kulturwissenschaft im neuen Sinne als einer Kultursoziologie zu
sein haben.
Endlich sei noch ein Stofiseufzer erlaubt: es gibt nichts Schlimmeres fur eine
Wissenschaft, als wenn sie, Mode werdend, aus ihrem eigentlichen vorsichtigen Arbeits-
plan durch eine wohlmeinende, aber schlecht belehrte Offentlichkeit herausgerissen und
in den Zwang zu dauernder Aufklarung und Rich tigs tellung gebracht wird. Nachdem
die Soziologie vor ein paar Jahren noch als „Wortmaskenverleihinstitut" verspottet wurde,
droht ihr jetzt die Gefahr falscher Popularitat.
280
Frankreich kennf keine Atonalitat
Ausland
■i
Franzosische Sinfonik der Gegenwart a. Machabey
Es ist nicht einfach, in einer auslandischen Zeitschrift uber seine Landsleute zu
sprechen, und die paar franzosischen Leser, denen dieser Artikel vielleicht zu Gesicht
kommen wird, werden mir ohne Zweifel Trockenheit und Knauaerei zum Vorwurf
machen, die ich in der Aufzahlung von Autoren und Werken walten lasse. Ich glaube
indessen, dafi dies die einzige Moglichkeit ist: eine Aufgabe vie diese macht die rigo-
roseste Objektivitat zur Bedingung, da nur sie die Unabhangigkeit des Urteils wie die
Freiheit des Ausdrucks gewahrleistet. Im iibrigen scheint es mir zunachst notwendig,
die Grundidee dieser Studie kurz zu skizzieren.
Mindestens zwei Methoden, uber Musik zu schreiben, sind moglich: die psycho-
logische und die soziologische. Denn wenn es richtig ist, dafi das durchsclinittliche
Publikum sich mit jener fliichtigen Emotion zufrieden gibt, die ihm seine Lieblings-
werke vermitteln, so darf der Historiker und Soziologe Anspruch darauf erheben, dafi
er so eng gezogene Grenzen iiberschreitet; indem er die gleichgeordneten Phanomene
einer Zeit verbindet, indem er ihre getrennten Flugbahnen beobachtet und die Krafte
zu erkennen sucht, die das Phanomen hervorbringen und erhalten, ist es ihm gegeben,
unzahlige, verwickelte „Scheinbarkeiten" zu enthiillen, die unser Bewufitsein triiben, uns
blind und unser Urteil fehlerhaft machen.
Unter diesem Gesichtswinkel mochte ich hier die zeitgenossische franzosische Musik be-
trachten. Dabei schwebt mir nicht die Form einer umfangreichen Studie vor, die jedes Detail be-
rucksichtigt, sondern vielmehr eine gedrfingte Ubersicht, in der alle vorbereitenden Analysen
fehlen, die bei einer derartigen Arbeit als Voraussetzung schon gegeben sein mussen. Diese
Arbeit beschrankt sich auf die Instrumentalmusik, aus spater genannten Griinden sogar
noch mehr auf die sinfonische Instrumentalmusik.
1.
Die franzosische Musik der Gegenwart umfafit viele lehrreiche Kapitel. Aber der
priifende Blick fallt zunachst auf zwei dominierende Sachverhalte : die Erweiterung der
Tonalitat und die Bereicherung der Orchestration.
Schaut man heute zuriick, so hat das Tonalitatsproblem eine heftige Kurve be-
schrieben, deren von der Normallinie am weitesten entfernter Scheitelpunkt in den un-
mittelbaren Nachkriegsjahren, etwa zwischen 1919 und 1925, anzusetzen ist. Gegen-
wartig haben auch die wildesten Revolutionare wieder Vernunft angenommen. Ganz
zu schweigen von der strikten Atonalitat, die eigentlich in Frankreich niemals Fufi ge-
fafit hat, ist zu bemerken, dafi die Polytonalitat mildere Formen angenommen hat,
die unaufgeloste Dissonanz immer seltener wird und dafi man in verschiedenen Ab-
stufungen zu einem dissonanten Chromatismus zuruckkehrt, der jedoch an die Grund-
lage der Tonalitat gebunden bleibt.
Aber diese Tonalitat wird jetzt hinter den noch so tauschenden chromatischen
Verkleidungen wieder deutlich sichtbar. Die Musiker halten darauf, den Gang der
281
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Noch immer das „grofie Orchester" „
tonalen Entwicklung klarzulegen, ihr Fundament genau zu markieren, ungeachtet aller
der Hindernisse, die sich aus unvorhergesehenen Seitenspriingen, aus ungewohnlichen
Ausweichungen und Zwi3chenschaltungen ergeben konnen. Die tonale Kadenz, erweitert,
verdunnt, tiberschwemmt mit harmonischen Kunststiicken und Mehrdeutigkeiten all
Art, bleibt stets das grundlegende, ordnende Gesetz; nur versteht es der franzosische
Komponist, mit Geschick und technischen Kenntnissen ihre friihere Armut, ihre Mono-
tonie zu verbergen. Diese Losung, soweit sie auch an Kiihnheit hinter den vor zehn
Jahren angestellten Versuchen zuriicksteht, die bei unseren Nachbarn noch anzutreffen
sind, hat dennoch, wie man sehen wird, in unserem Lande ihre voile Berechtigung.
Eine solche harmonische Losung mufi natiirlich Einflufi auf die Instrumentation
nehmen. Diese hat sich den Erfordernissen einer an Uberraschungen reichen Schreib-
weise anzupassen. Sie verlangt an alien Pulten ohne Unterschied echte Virtuositat und
zugleich klangliche Kultur und eine fortgeschrittene Musikalitat. Andrerseits kann man
eine unentrinnbare Entsprechung voraussagen und audi bereits konstatieren zwischen
der aus der Erweiterung der Tonalitat sich ergebenden Komplizierung der harmonischen
Verhaltnisse und der Vermehrung der Klangfarbwerte. Denn deren Aufgabe ist es ja,
die polyphone Rechnung zu verdeutlichen, zu vereinfachen und ihre Losung als eine
logische erscheinen zu lassen. Daher das unbeirrbare, nahezu bei samtlichen heutigen
franzosischen Komponisten anzutreffende Geschick, sowohl jedes einzelne Instrument als'
Hilfsmittel hierfiir zu verwenden als auch die verschiedenartigsten und unerwartetsten
Kombinationen der Instrumente untereinander. Hier ware auch anzumerken, dafi im
Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland das franzosische Orchester weder an Um-
fang noch an Gewichtigkeit verloren hat, mit Ausnahme einiger noch anzufiihrender
Falle. Man schreibt noch immer fiir komplette Streicher, fiir Holz mit Englisch Horn
und Bafiklarinette, das Blech zu vier Hornern, drei oder vier Trompeten, drei
Posaunen und Tuba ; im Schlagzeug, das stets eine bedeutende Rolle spielt, finden sich haufig
auch neue, friiher selten verwandte Elemente : Celesta, Triangel, Xylophon und so fort.
Mehr und mehr strebt die orchestrale Schreibweise nach Homogenitat. Das doku-
mentiert sich einmal in einer Verselbstandigung der tiefen Instrumente, die — befreit
von dem ewigen Schrummen der Basse — jetzt an der Polyphonie teilhaben; zum
anderen in einer neuen Auffassung des Klanges, die weniger zu einer Alternation als
zu einer Durchdringung der einzelnen Gruppen neigt. Zur Realisierung dieser Tendenz
bedarf es natiirlich ausgezeichneter Instrumentalisten.
Man hat oft von dem EinfluG des Jazz auf den Rhythmus und auf das moderne
Orchester gesprochen. Abstrahiert man einmal vom „Geist des Jazz", der niemals der
unsere sein kann, so ist zu sagen, dafi all seine instrumentalen Methoden lange zuvor
in Europa entdeckt waren, wohin sie dann spater von Amerika zuriickexportiert
wurden, nachdem man sie dort bis zum Exzess systematisiert und auf ein enges An-
wendungsgebiet begrenzt hatte. Ganz offenbar ist dieser an sich schon nur oberflachliche
Einflufi in Frankreich fast gleich null, soweit die ernste Musik von Rang in Frage steht.
Der rhythmische Apparat, der fur die Belebung jedes musikalischen Knnstwerks
eine so bedeutsame Rolle spielt, ist aufs engste mit dem Wesen der Melodie verkniipft.
Und diese schopft der Musiker entweder aus seinem eigenen Fonds oder aus dem
Vorrat der Volksmelodik, sei es der franzosischen, der auslandischen oder der exotischen.
282
Im Mittelpunkt steht die Programmusik
W:
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Diese zweite Kategorie ist vielfach ausgebeutet worden : die nationaiamerikanischen Tanze, die
judischen Melodien, die orientalische Musik, die Folklore Spaniens, die liturgischen Gesange, die
jeweiligen nationalen Bestande veraorgen viele Komponisten mitThemen wie mitRhythmen.
Naturlich erfinden andrerseits auch viele die Motive und die rhythmischen Schemata
ihrer Kompositionen selber. In jedem Fall ist es bemerkenswert, dafi die Sorge um den
Rhythmus heute in der vordersten Reihe steht, dafi die Musiker geradezu ihre ganze
Ingeniositat darauf verwenden, ihm eine immer elementarere Bedeutung zuzulegen, das
Interesse an ihm standig zu steigern.
Was die rein asthetischen Elemente anlangt, so steht wohl ohne Frage die Har-
monik — im weitesten Sinne des Begriffes — an erster Stelle. Im Gesamt der musi-
kalischen Komposition ist die Harmonik ein Koeffizient von erheblicher Wichtigkeit, der
die ganze Struktur eines Werkes entscheidend bestimmt und der sich in genauer Ent-
sprechung einerseits mit der Orchestration, andrerseits mit dem Grade der tonalen
Selbstandigkeit befinden mil, den der Komponist erlangt hat.
Nun kann man fragen, welch en instrumentalen Formen diese verschiedenen Ele-
mente dienstbar gemacht werden, deren Lagerung wir soeben in Kiirze beschrieben haben.
Gewifi, die alten klassischen Titel fehlen keineswegs : alljahrlich taucht eine Anzahl
von Klaviersonaten oder von Sonaten fur Klavier und Instrumente auf; Quartette er-
scheinen, die den Autoren offenbar zur Ubung in den schwierigsten Problemen der
Tonalitat, der Harmonik, des Rhythmus, des Klanges und der Konstruktion dienen ;
auch ein paar Suiten wird man stets entdecken, manchmal eine Sinfonie mit drei oder
vier Satzen, deren Anordnung das klassische Prinzip in Erinnerung ruft; das Concerto
hat ebenfalls manche Zeitgenossen verlockt, die seinen Geist, indem sie frei mit den
Gegebenheiten des 18. Jahrhunderts schalteten, zu erneuern suchten. Nur von der
Variation ist man fast ganz abgekommen.
Hingegen ist die ernsthafteste Bemuhung nahezu samtlicher franzosischen Sinfoniker
auf die deskriptive und die pittoreske Musik gerichtet; mag diese fur das Orchester
allein bestimmt und nach Art der sinfonischen Dichtung behandelt sein, mag sie den
Zwecken der Choreographic nutzbar gemacht werden (und unter diesem Gesichtspunkt
ist die moderne Ballettmusik zuweilen von starkem Interesse) oder mag sie als Begleitung
zum Film auftreten. In diesen ihren verschiedenen Funktionen beherzigt die Instrumental-
musik durchaus die grofien klassischen Regeln, die man, mindestens in ihren Grundziigen,
bis in die fortgeschrittensten Werke hinein verfolgen kann; alle Einzelziige indesseu
zeigen sich abhangig von den Forderungen des Gedichts, des Librettos, des Films oder
des psychologischen Sachverhaltes, den der Komponist in Musik zu ubersetzen gewillt
ist. Und so mufi er aus der Wesensart des jeweiligen Werkes die Maximen herleiten,
die diesem allein Gleichgewicht und Logik zu verleihen vermogen.
So lebt (um nur auf zwei Autoren und zwei Werke zu exemplifizieren, die all-
gemein bekannt sind) zwischen dem Streichquartett Debussys und den drei Salambo-
Sui(en von Florent Schmitt ') eine Vielheit der Formen, eine Mannigfaltigkeit der
Nuancen, die man verzeichnen mufi, wenn es auch ein vergebliches Beginnen ware, sie
im einzelnen zu analysieren. Und diese Vielfaltigkeit findet sich in der Produktion
der ganzen letzten Jahre wieder, mit nachdriicklicher Betonung der deskriptiven Musik.
*) Dieses Werk Florent Schmitts ist in Deutschland vollig unbekannt, wie iibrigens die meisten Werke dieses Autors
283
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Diktatur der Konzertsale gegen Neue Musik
Wenn es interessant ist, die Grundansichten und die Schriftzuge der heutigen
franzosischen Musik-Asthetik kennen zu lernen, so diirfte es nicht weniger aufschlufireich
sein, zu erfahren, wie das Publikum zu den neuen Werken steht. Das ist, falls man sich
nicht von der Objektivitat enlfernen will, eine heikle Fragestellung.
Zur Beantwortung dieser Frage scheint sich eine schier unerschopfliche Quelle ganz
naturlich darzubieten: die Musikkritik. Jedoch kann diese, alles in allem, nicht als untriig-
liches Auskunftsmittel in Anspruch genommen werden — : die Unabhangigkeit mangelt ihr
ebenso wie auch haufig die Kompetenz. Gar zu oft begniigt der franzosische Musikschriftsteller
sich damit, cin paar harmlose Gemeinplatze hinzusetzen, die nichls als seine ganz per-
sonliche Reaktionverraten. Gewifi, es gibt ausgezeichnete Kritiker, Musiker von Rang, Manner
von Bildung und Kultur, unabhangige Kopfe — aber diese wenigen, deren Vorstellung
umfassend und deren Wissensfonds reich genug ist, um die Wahrheit aufzudecken und sie
auch zu sagen, reichen nicht aus, um die dffentliche Meinung mafigebend zu beeinllussen.
In Wahrheit ist nichts so bedeutungsvoll wie das Verhalten der Auditorien gegen-
iiber der lebendigen Kunstiibung, wie die kollektive Reaktion des Publikums der letzten
zwolf Jahre; dariiber jedoch schweigt man sich aus. Das Resultat ist, dafi alle Neuerungen,
als subversiv verschrien, zum Verstummen verurteilt werden. Wenn die jungen Kompo-
nisten Frankreichs zu jenem tonalen Kompromifi zuriickgekehrt sind, das wir oben ge-
schildert haben, so ist das schliefilich unter der Diktatur der Konzertsale geschehen, die
mit ihrer Reserve und ihren Protesten Autoren wie Verleger vor jedem moglichen Fehlschlag
gewarnt und dadurch verangstigt haben. Die Zukunft wird lehren, ob das von Vorteil war.
Keineswegs verhalt es sich so, daft etwa der franzosische Horer ein prinzipieller
Gegner jeder Kiihnheit ware. Aber was er verlangt, ist eine Musik, die genau das
rechte Mafi zu halten weifi, die gliickliche Harmonien mit gewahlten Farben ver-
bindet, die rhythmisch greifbar, doch frei von Vulgaritat ist, kurz eine lebendige Musik,
deren Sinn und Gehalt sich auch literarisch ausdeuten lafit, insofern nicht schon der
Titel dazu einladt. Es besteht kein Zweifel, dafi die jiingste franzosische Musik fast aus-
nahmslos angenehm zu horen ist: weder die Kunslfertigkeit, die man an sie wendet,
noch die gewahlte Schreibweise, in der sie abgefafit ist, konnen sie hindern, klar zu
sein. Sie ist eher reich als kompliziert, schon im Klang, abwechslungsreich im Kolorit
und in der Bewegung. Mag sie elegant bis zur Subtilitat, mag sie friedfertig, streng,
machtvoll oder stiirmisch sein — in keinem Falle wird sie auf jene typischen Quali-
taten verzichten, die das franzosische Ohr von ihr verlangt.
Im tiefsten Grunde gehorcht die Musik den sakularen Strebungen des franzosischen
Geistes, der in der Psychologie, in der Literatur, ja im Leben selbst die Aquivalente
fiir die klingenden Probleme sucht, die ihm gestellt sind. Es ist nur naturlich, dafi
auch der Musiker in Frankreich von den gleichen Triebfedern bewegt wird, dafi so
zwischen ihm und dem Horer eine stillschweigende Ubereinstimmung, eine Gemeinsam-
keit entsteht, auf Grund deren sich der Komponist, unter Vermeidung einer konstruk-
tiyistischen Musik, die seit langem von ihrem Ursprung abgeschnitten und in ihrer
Abstraktion philosophisch geworden ist,vornehmlich dersinnlichen Greifbarkeitund derBild-
haftigkeit befleifiigt. Mit anderenWorten : er bevorzugt die sinfonische Dichtung und das Ballett.
' Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman (wird fortgeaetzt)
284
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Werner Danckert uber das Volkslied
Zeitschriftenschau
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Ein Jahrgang deutscher
Musikzeitschriften
Heinrich Strobel
Zweierlei Dinge fallen schon beim fliichtigen Durchsehen des letzten Jahrganges
deutscher Musikzeitschriften auf: einmal die allgemein sich durchsetzende Tendenz zur
Behandlung geschlossener Themenkreise und dann die aufierordentlich geringe Rolle, die
alle wirtschaftlichen Fragen spielen. Selbst eine representative Zeitschrift wie die „Musik".
die bewufit jede kfimpferisch-aktive Haltung vermeidet, ist von der beziehungslosen An-
einanderreihung der Aufsatze abgekommen Sie fiigt jetzt ihren tradition ellen Sonder-
heften iiber die grofien Meister der Vergangenheit verschiedene Hefte mit aktuellen
Themen an. Sie widmet Mozart und natiirlich Haydn stattliche Nummern, und sie
sucht zugleich die Lage der mechanischen Musik (Januar) oder der Hausmusik (Mai)
zusammenfassend darzustellen. „Musik und Bewegung" bekommt bereits das zweite
Sonderheft, und sogar dem Weihnachtsfest in der Musik werden ein Dutzend Druck-
seiten und ein Tannenbaumchen auf der Umschlagseite gewidmet. Geht man auf den
Inhale, so mufi man Einsteins kluge Studie iiber „Mozarts Handschrift und Niederschrift",
Anheifiers Auseinandersetzung mit dem Problem der Figaro-Ubersetzung oder den Ein-
leitungsaufsatz zum Hausmusikheft hervorheben, in dem Georg Schiinemann das Fort-
bestehen einer musikalischen Kultur mit einem Fortbestehen des musikalischen Lieb-
habertums gleichsetzt. Erwahnenswert ist es auch, dafi ein offizieller Vertreter der Ufa
die Einschaltung der „ernsthaften Komponisten" in die Tonfilmproduktion als Voraus-
setzung fiir die Schaffung des Musikfilms bezeichnet. Ein tieferes Eingehen auf die durch
die Krise noch verscharfte Problematik der musikalischen Situation findet man in Paul
Bekkers Studie iiber „Die Not des Theaters", in der energisch gegen die These Stellung
genommen wird, dafi das gemeinniitzige Theater zum Geld verdienen da sei (Juliheft).
Ausdriicklich mufi auch Werner Danckerts Aufsatz iiber „Wesen und Ursprung des
Volksliedes" hervorgehoben werden. Formulierungen wie die folgenden haben gerade
heute programmatische Bedeutung:
„Das echte Volkslied speist sich aus zweifacher Quelle : die sakrale Kunstmusik iiber-
eignet die Substanz der Kunstsprache und mit ihr das irrationale religiose Ethos, das unge-
brochene Bauerntum hingegen die vitalen Kraftzufliisse. Weil nun zwischen den beiden
Poleh stets eine fiihlbare Spannung besteht, darum ermoelicht sich ein befruchtendes Uber-
stromen. Wo diese Spannung nachlaflt, da stirbt das Volkslied aus und wird durch „volks-
tiimliche" Ableger einer (weltlich-rationalistischen) Kunstmusik abgelost - so in Italien, Frank-
reich und England schon seit dem spateren Mittelalter, in Deutschland seit dem 16. Jahrhundert - ,
oder es bilden sich eigentiimlich provinzielle stagnierende Mischformen heraus, wie etwa die
Landler, die Schnadahiipfl- und Jodlergesange der deutschsprachigen Alpenlander, die wahr-
scheinlich grofienteils im vorklassischen Divertimento und im niirgerlichen Gesellschaftstanz des
18. Jahrhunderts ihren Ursprung haben.
. . . Damit ist uber die heute umlaufenden Bemiihungen, dem ,Volk' sein verloren ge-
gangenes Liedgut wiederzuschenken, schon das Urteil gesprochen : sie gleichen dem aussichts-
losen Versuche, ausgetrocknete Herbariumspflanzen wieder zum Bliihen zu bringen. Wie sollte
auch das Lied alter Zeiten gedeihen, da ihm doch der Wurzelboden seines ursprunglichen
Daseins entzogen ist."
285
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Zelters Gedachtnisrede auf Haydn
Eine haufigere Behandlung musikwirtschaftlicher Fragen findet man in der
„Deutschen Tonkiinstlerzeitung". Sie wird schon in ihrer Eigenschaft als offizielles
Blatt des „Reichsverbandes" dazu gedrangt. Gerade wenn man ihre berufsslandige
Bindung kennt, wird man die Vielseitigkeit ihres Inhalts besonders riihmen. Sie bringt
in jeder Nummer mindestens einen Aufsatz von prinzipieller Haltung (Orff : Musik aus
der Bewegung, Fellerer: Gesellschaftsform und musikalischer Stil), und sie kann Furt-
wangler und Strawinsky zu ihren Mitarbeitern zahlen. Ahnlich auf einen be9timmten
Interessentenkreis ist die im Aufstieg begriffene „Zeitschrift fiir Schulmusik" ein-
gestellt. Sie hat mit Beginn dieses Jahres eine Verbreiterung ihrer Basis vorgenommen.
Ihr Herausgeber ist jetzt Hans Joachim Moser, ihr Schriftleiter Fritz Piersig. Viel Raum
nehmen die Auseinandersetzungen mit der Notverordnung gegen den Abbau der Schul-
musik ein. Die Gegenuberstellung von theoretischen Abhandlungen iiber die einzelnen
Themen (Musik in der Volksschule, moderne Musik in der Schule, Gregorianik) und
Berichten iiber die praktische Arbeit ist sehr glucklich.
Die von Eberhard Preufiner vorziiglich geleitete Monatsschrift „Die Musikpflege"
hat im April ihren 3. Jahrgang begonnen. Man findet gleich im ersten Heft einen sehr
instruktiven Aufsatz von Ewald Jammers „Was entleiht das Publikum aus einer Musik -
bibliothek?". Der statistischen Aufstellung liegen Zahlen der sachsischen Landesbibliothek
in Dresden aus dem Gejchaftsjahr 1929/30 zugrunde. Unter den zwanzig meistbegehrten
Komponisten stent Bach an erster Stelle, Vivaldi an 4., Verdi an 7., Wagner an 10.,
Hindemith an 16. — um zwei Nummern hinter Niemann und um eine vor Haydn!
Sehr interessant auch, dafi die Benutzer von Hindemithschen Noten zu 58°/o Nicht-Be-
rufsmusiker sind. Im nachsten Heft steht eine Gedachtnisrede Zelters auf Joseph Haydn,
aus der ich folgende Satze mitteilen mochte:
„Man hat Haydn den Vorwurf machen wollen, dafi seine Musik der Leidenschaft er-
mangle. Hierauf ware folgendes zu erwiedern.
Das Leidenschaftliche in der Musik, wie in anderen Kunsten, ist Ieichter als man denkt,
schon, weil es Ieichter nachempfunden wird. Es ist nicht urspriinglich ; die Gelegenheit bringt
es hervor und, nach dem Begriffe der Alten verdekkt es die reine Natur und entstellt das Scheme.
Siidlich gesinnte Theoristen habendieLeidenschaften als Bedingung allerKunst manifestieren
wollen und mogen dariiber nicht angelassen werden am wenigsten von uns, die wir nicht ihres
Sinnes sind.
Unser Haydn ist ein Sohn unserer Zone und wirkt ohne Hizze was er wirkt : Wer will
denn auch erhizzt seyn ?
Temperament, Sinn, Geist, Humor, Flufi, Siifie, Kraft und endlich die echten Zeichen
des Genies : Naivitaet und Ironie — miifien ihm durchaus zugestanden werden.
Sind nun die hiergenannten Elementarspecies, welche ohne Warmestoff nicht denkbar
sind Haydnsche Eigenheiten, so begriissen wir seine Kunst als antik, im besten Sinne ; und
dafi sie modern sey ist unseres Wissens nicht bestritten worden, was audi schwer gelingen
mochte, da alle moderne Musik auf Ihm ruht."
Aus dem Inhalt der folgenden Hefte: August Ullner iiber das Arbeitsprinzip im
Musikunterricht der hoheren Schulen und Hans Mersmanns programmatische Schrift iiber
musikalische Laienbildung dutch Rundfunk und endlich zwei Arbeiten iiber die Krise
der Musikkritik (Ropohl und F. Deutsch).
Eine verdienstvolle Studie iiber Musikkritik von Walter Berten steht in der
Schweizerisch en Musikzeitung, in der K. H. David mit grofiem Geschick ein
wirklich umfassendes Bild von der musikalischen Zeitlage gibt, ohne dafi er darum die
speziell schweizerischen Fragen vernachlassigen wiirde. Hervorzuheben z\s r ei Unter-
suchungen von Kurt Westphal iiber Hindemith und iiber das Problem des Stilverfalls.
286
Das Ausland kennt keine Musikkrise
Im Typus ahnlich, nur mehr gelockert, auch mehr feuilletonistisch in der Haltung ist
der „Auftakt", der unter Prof. Steinharda Fuhrung nun schon im zwfilften Jahr den
Interessen der deutschen Musiker und der Neuen Musik in der Tschechoslowakai in der
vielseitigsten Weise dient. Der letzte Jahrgang der „Z eitschrift fur Musikwiasen-
schaft" enthalt eine Reihe von Beitriigen, die auch uber die Wissenschaft hinaus
interesaieren. Ich nenne den Artikel von Hans Engel-Greifswald, der die brennenden
Organisationsfragen der Musikwiaaenschaft aufreifit, und Latzkos Arbeit uber den musi-
kaliachen Rundfunk, in dem man folgenden beherzigenawerten Satz findet:
„Denn der Rundfunk brauchte nur jene die ublichen Opern- und Konzertliteratur betreffenden
Wunsche seiner Horer durch Ubertragung zu befriedigen, um wertvolle Krafte fur seine be-
sonderen Aufgaben frei zu machen, um sich also freiwillig auf solche Werke beschranken zu
konnen, die entweder in der Dffentlichkeit nicht gepflegt werden oder die stilistisch und
technisch auf den Rundfunk geradeiu angewiesen sind."
Die beiden Aufsatze von E. F. Schmid uber Haydn und die Flotenuhr und iiber
Haydn und Ph. E. Bach zahlen zu dem wenigen Wesentlichen, was im Jubilaumsjahr
uber den viel gelobten und immer noch nicht genug bekannten Meiater geschrieben
worden ist.
Stichproben
auslandischer Zeitschriften
Hanns Gutman
Die Kriae der Musik und aller geistigen Dinge iiberhaupt findet in den musikalischen
Fachblattern der anderen Lander nicht den gleichen Niederschlag wie bei uns. Man nimmt
sie dort noch immer nicht so ernst. Es ist fast mehr von der Krise der Kasaen als von
der Bedrohung ideeller Werte die Rede. Musica d'Oggi (XIV, 3) untersucht den „Riick-
gang des Notenverkaufs und seine Ursachen". Aber was wir achon oft verzeichneten, wird
auch in dieaem Zusammenhangbestatigt: wederin England noch in Italien, weder in Amerika
noch in Paris erscheint die Musik als solche, erscheint ihre Erscheinungs- und Ver-
mittlungsform in Frage gestellt.
Frankreich belegt diese Behauptung am deutlichsten. In Nummer 4 des Guide
Musical (1932) schreibt Albert Laurent „Autour de la Crise" eine philosophische Plauderei.
Aber auch er ist voraiclitig genug in der Formulierung des Themaa: „Die Krise! Daa
Wort ateht in alien Zeitungen, es ist auf aller Lippen; Krise dea Handela, Krise der
Indualrie, Krise des Geistes, Krise der Autoritat. Darf man hinzufiigen : Krise der Musik?".
Man sieht, wie fur den franzosischen Beobachter erst langsam die ersten Zweifel zu
keimen beginnen.
Dieser Guide Musical, der auch die Uberreste der noch nicht ersetzten Zeitschrift
„Musique" aufgenommen hat, ist ein Supplement zum Guide du Concert. Dieser ent-
spricht in der Aufmachung unserem Berliner Konzertftihrer, bringt aber neben den
Programmen auch jede Woche einen Kurzartikel, darunter die standige Rubrik „Un
entretien avec . . ." Dabei kommt meist nicht viel mehr heraus als ein schongeistiges
Interview, jedoch entnimmt man der Unterhaltung mit Ravel, dafi dieser eine Jeanne
d'Arc und eine Operette (avec une pointe de pirandellisme) zu komponieren beabsichtigt.
287
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Goethe und Chopin in der „Revue musicale"
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Auch eine Aufierung Ravels iiber Straufi, dessen Elektra-Urauffiihrung (!) in Paris Auf-
sehen erregt hat, ist von Interesse.
Ravel spielt naturgemafi audi eine grofie Rolle in dem Aufsatz „L'Espagne dans
la Musique francaise", den Rene Chalupt in der Revue Musicale (13, 123) veroffentlicht.
Im selben Heft: eine Monographie iiber den in Deutschland wenig bekannten Komponisten
Migot, von dem auch in der im Melos erscheinenden Studie Machabeys die Rede ist.
Einem anderen, Jung verstorbenen Musiker, dessen Kunst nicht zu uns gedrungen ist,
Jean Cartan, widmet (13, 126) Roussel einen hochst ehrenvollen Nachruf. Man entnimmt
ihm, dafi Cartan vor Milhaud sich mit dem Gedanken trug, Claudels Kolumbus zu
komponieren.
Im iibrigen behalt die Revue Musicale ihr gewohntes Bild — : sie vereint Historisches
und Aktuelles, Spezialfragen und allgemeine Gegenstande, sie reicht von einem unbe-
kannten Brief Frescobaldis bis zur jungen Musik Jugoslawiens, von Lully bis Malipiero;
sie bleibt bei ihrer vorwiegend asthetischen Haltung, sie ist, so wenig sie auch die
Gegenwart unbeachtet und unbetrachtet lafit, im letzten Grunde ein konservatives Blatt.
Konservativ, aber nicht ruckstandig — das diirfte heute wohl nur noch in Frankreich
moglich sein. Und so wird die Revue Musicale zum treuen Abbild der musikalischen
Situation in Frankreich. Man braucht nur nachzulesen, welchen Aufruhr die Auffuhrung
von Milhauds „Maximilian" in der Pariser Oper erregt hat, um zu ermessen, wie sehr
das franzosische Publikum noch in der Tradition verhaftet ist. Gar von den soziologischen
Fragezeichen, die sich in so auffalliger Weise durch die deutsche Musikgeschichte unsrer
Tage ziehen, wird man da wenig oder nichts finden. Das soil keinen Vorwurf bedeuten r-
es kdnnte sogar ein Vorzug sein.
Selbstverstandlich fehlt auch die obligate Goethe-Nummer nicht. Darin ein Artikel
von Raymond Petit iiber den „Zweiten Teil der Zauberflote". Ein anderes Sonderheft
ist dem Andenken von Vincent d'Indy gewidmet, fur das sich Honegger und Cortot
einsetzen. Beinah ein Buch ist die Spezialnummer „Chopin" geworden. Sie enthalt eine
Menge fesselnder Einzelheiten, und hier bewahrt sich wieder die echt franzosische Ver-
bindung der Literatur mit der Musik: das Chopinheft zahlt Andre Gide und die Comtesse
de Noailles zu seinen Mitarbeitern.
Ein anderes Zeugnis fur die nahen Beziehungen der beiden Schwesterkiinste finde
ich im Chesterian (XIII, 97), einen kleinen Essai von Andre Maurois, „Parallelisme de
la Musique et de la Litterature", der in mancher Hinsicht aufschlufireich ist. „Die
wesentliche Obliegenheit aller Kunst", so sagt Maurois echt franzosisch, „ist es, eine
menschliche und intelligible Ordnung einzufiihren in die Unordnung der realen Welt",
und nicht minder bezeichnend: „Ein Chaos, beherrscht von einem Gedanken — das is-t
eine grofie Sinfonie so gut wie ein grofier Roman".
Manche beachtensweite Seite trifft man auch im Menestrel. Ich nenne da vor-
allem den Aufsatz „L'Oratorio moderne en Allemagne" von Machabey, der ja einer der
besten Kenner und eifrigsten Forderer deutscher Musik in Frankreich ist. Der Titel
dieser Arbeit ist eigentlich irrefiihrend, denn sie befafit sich fast ausnahmslos mit Hinde-
miths „Unaufh6rlichem". (94, 15) Ich zitiere den Schlufipassus: „Das Werk Hindemiths
und Benns ist ein Zeichen; vielleicht hat es nur im germanischen Milieu seine Giiltig-
keit, aber - man mag es zugeben oder nicht - es hat Anted an den grofien Dingen
288
Italienische und englische Zeitschriften
unsrer Epoche, es gibt Kunde von einer Stromung, in der auch wir stehen, die auch
una, ohne dafi wir es wissen, beeinfluSt."
Ebenfalls im Menestrel (94, 9) setzt sich Paul Landormy mit Gides bereits genannter
Chopin-Glosse auseinander. Er meint, Gides Interpretation von Chopins Musik enthalte
„viel Literatur" und lelint den Vergleich mit Beaudelaire ab. In 94, 10 stimmt Alex. Cellier
ein Klagelied uber den Niedergang der franzosischen Kammermusik an. An der gleichen
Stelle: eine Elektra-Besprechung; siehe auch Revue Musicale 13, 124. Dafi auch im
Menestrel Goethe an die Reihe kommt (Goethe und die Musik — naturlich), versteht
sich. (Wie auch die Unzahl von Aufsatzen anlafilich der Haydn-Zentenarfeier nicht einzeln
erwahnt zu werden brauchen, umso weniger, als nirgends ein neuer Aspekt, ein origineller
Beitrag zu diesem Komplex zu entdecken ist.) Ich erwahne noch einen Artikel von Arthur
Hoeree (93, 37) iiber „Diaghilew und die Musik", offenbar ein unerschopflicher Gegen-
stand. Hoeree hat, fiir mein Gefiihl sehr treffend, den snobistischen Zug in Diaghilew
und seiner Umgebung, nicht zuletzt in Satie und Cocteau, erkannt. Die Renaissance
Gounods schreibt er durchaus diesem Snobismus zu und sagt: „Hatte Cocteau oder
Satie es sich einfallen lassen, stattdessen Ambroise Thomas als den Erloser der Gegen-
wart zu proklamieren, so wiirde vermutlich ,Mignon' den ,Medecin malgre lui' ersetzt
haben." Und von Diaghilew: „Er liebte gewifi die Musik Gounods, aber nie hatte er
gewagt, sie zu geben, wenn nicht Cocteau und seine Freunde die Zeitgemafiheit dieses
veralteten Meisters dekretiert hatten".
Rassegna Musicale setzt in sehr serioser Weise ihre Bemtihungen um die Musik
aller Zeiten fort. Geschichtliches, wie die Bekanntmachung einer verschollenen Oper von
Pasquini, wechselt mit Heutigem, etwa mit einer Untersuchung der amerikanischen Musik
(Pannain). Die Rassegna hat sich offenbar die geistige Fundierung der gegenwartigen
Musik zur Hauptaufgabe gesetzt. Arbeiten wie Gattis „Aspetti della situazione musicale
italiana" (V, 1) oder Pannains „L'idea di classicismo nelle musica contemporanea" (IV, 5)
bezeugen das. Die letztgenannte Studie wendet sich, in einer nicht gerechtfertigten Ver-
schiebung der Fronten, gegen Mechanisierung, Kommerzialisierung, Verhandwerklichung
der Musik, welche Qualitaten doch wohl kaum aus der Idee des Klassizismus herzu-
leiten sind.
Sackbut in England zeichnet sich wie stets durch die Weitherzigkeit der Themen
aus. Man kann dieses Blatt eigentlich kaum mehr eine musikalische Fachzeitschrift
nennen. In XII, 3 ergeht sich Eric Blom in einem Artikel „The Alliance of screen an
music" in furchterlichen Phantasien, wie man sinfonische Dichtungen mit Filmen ver-
binden konnte. Im selben Heft werden die englischen Filmkritiker (von G. W. Stonier)
einer heftigen Kritik unterzogen und Prinzipien fiir die Filmkritik aufgestellt. Erstaun-
lich, mit welcher Freimiitigkeit in diesem Blatt ein Kritiker den anderen kritisiert; er-
staunlich auch, wie grofi und weit verbreitet offenbar das Interesse an der Kritik ist
(sehr im Gegensatz zu den deutschen Verhaltnissen !) ; am meisten erstaunlich aber,
wie wenig anscheinend verlangt wird von denen, die sich kritisch-publizistisch betatigen.
In Nummer XH, 1 schreibt Hermon Ould einen rein musiktheoretischen Aufsatz, spricht
von Strawinsky wie von de Falla und scheut sich gar nicht, einzugestehen, dafi er von
Schonberg nichts aufier einigen Liedern und dem Pierrot Lunaire kennt. Schonbergs
englische Kritiker werden (Xn, 2) von Henry Warren griindlich abgekanzelt und durch
289
— iwwsw—bpp^BPPBIBP"
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Neuerscheinungen
Zitate in ihrer ganzen Oberflachlichkeit entlarvt. Sehr amusant ist die Zukunftsvision
einer Anti-Musik-Liga, die John Goss (XII, 1) entwirft, in der richtigen Erkenntnis des
furchtbaren Tatbestandes, da6 „seit Einfiihrung des Radios die Musik allmahlich eine
Begleitung zu nahezu samtlichen menschlichen Tatigkeiten geworden ist".
Schliefilich soli noch auf eine wichtige Nummer der Musical Times hingewiesen
werden (Dez. 31). Sie bringt unter dem Titel „Musicians and the Crisis" einen scharfen
Aufruf gegen die Auslander in der englischen Musik. Der autarkische Wahnsinn hat
also bereits um sich gegriffen. Wie ubrigens gerade England, das es trotz manchen Ver-
suchen noch nie audi nur zu einer eigenen Oper gebracht hat, ohne Italiener und
Deutsche auskommen will, das bleibt eine offene Frage.
Artikel von der prinzipiellen und iiber die Landesgrenzen hinausreichenden Be-
deutung dieses zuletzt zitierten sollen in Zukunft — in kiirzeren Abstanden als bisher —
hier besprochen und den Lesern des Melos im Ausschnitt zuganglich gemacht werden.
Neuerscheinungen
Wir bringen in dieser standig wiederkehrenden Bubrik ohne An-
spruch auf Vollstandigkeit eine erste Auswahl aus den musikalischen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wir behalten uns vor, auf
einzelne der hier erwahnten Werke noch ausfiihrlicher einzugehen.
Neue Musik
Conrad Beck, Zwei Praludien fiir Orgel.
Sdiott, Mainz
Julius Chajes, Konzert a-moll, op. 13, fiir Violoncell
mit Orchesterbegleitung. Bezeichnung der Solo-
stirame von Prof. Friedrich Buxbaum.
Haslinger, Wiett
Paul Kadosa, Drei ganz leichte Sonatinen fur Klavier,
op. 18 a. Sdiott, Mainz
Carl Orff, Werkbuch I: Kantaten nach Texten von
Franz Werfel, Heft HI: Fremde sind wir.
— Werkbuch II: Chorsatze nach Texten von Bert
Brecht; Heft II: Vom Friihjahr, Oltank und vom
Fliegen Sdiott, Mainz
Carl Orff, Catulli Carmina I. Sieben Chorsatze
a cappella (Text : lateinisch).
— Catulli Carmina II. Drei Chorsatze a cappella
(Text: lateinisch). Sdiott, Mainz
Mit diesen Werken zeichnet sich das Chorschaffen Orfls
nach der Seite der Gemeinschaftsmusik (Werfel) und
gleichzeitig nach der Richtung personlich-kiinsflerischen
Ausdrucks scharf und ausladend ab. Wir werden auf das
Werk Orffs im Zusammenhang zuriickkommen.
Paul Hindemith, Der Tod (Friedr. Holderlin), vier-
stimmiger Mannerchor a cappella. Sdiott, Mainz
Joseph Haas, Um ein Magdelein . . . Serenade op. 83,
nach Gedichten von Arthur Maximilian Miller,
fiir vierstimmigen Mannerchor a cappella :
1. Anmarsch, 2. Elegie, 3. Bomanze, 4. Abmarsch.
Sdiott, Mainz
Erwin Lendvai, Monumenta Gradualis op. 37, Geist-
liche Lieder f ur 3 — 1 6 gleiche und ungleiche Stimmen.
Heft III: 4 Geeange fiir 4 gleiche Stimmen.
Sdiott, Mainz
290
W. Burkhard, Aus tiefer Not, Variationen fiber den
Hafilerschen Choralsatz fur Orgel, op. 28 No. 1
- In dulci jubilo, Variationen fiber den Hafilerschen
Choralsatz fur Orgel, op. 28 No. 2
- Fantasie, op. 32, fur Orgel. Sdiott, Mainz
Armin Knab, Litauische Lieder, deutsch von Bich.
Dehmel, fiir eine Singstimme und Klavier.
- Alte Kinderreime, ein- und zweistimmig mit
Instrumenten. Sdiott, Mainz
Josip Slavenski, Kolo, Serbischer Beigen. Improvi-
sationen fiir zweist. Frauenchor mit Streichorch.
oder Streichquintett. Sdiott, Mainz
Heinrich Kaspar Schmid, Von deutscher Art, Suite
fiir Mannerchor und Klavier (oder a cappella)
nach volkstumlichen Gedichten von Franz Kfirten,
op. 85: 1. Tanzruf, 2. Das Kartenspiel, 3. Ver-
spruch, 4. Aus Herzensgrund, 5. Junggesellen,
6. Lustige Hochzeit. Sdiott, Mainz
Hermann Erpf, Der Dengler (H. Burte), vierstimm.
Mannerchor a cappella. Sdiott, Mainz
Karl Gofferje, Die Blockflote; eine Anweisung, die
Blockflote zu spielen.
Erster Teil : Die Grundlegung.
Kallmeyer, Wolfenbuttel
Barenreiter- Verlag, Kassel
Aus dem Vorwort: . . . Mit einem Kinderinstrument wird
sich der im hauslichen Kreise musizierende Laie, ge-
schweige denn der geschulte Musiker nicht abgeben
wollen. Die Blockflote ist leider schon zum Kinderins rument
gestempelt. Geschaftstiichtigkeit hat sie bisher ausschliefi-
lich wegen leichter Spielbarkeit angepriesen. Ich gebe
gem zu, dafi ziemlicb leichte Erlernbarkeit wenigstens
der Anfangsgriinde eine der Eigenschaften ist, weswegen
ich die Blockflote fiir Musik in der Schule empfehle. Es
mu£ aber dazu gesagt werden, dafi unsere Flote — ich
bin versucht zu sagen : trotzdem — ein ernsizunehmendes
Tonwerkzeug ist, das wie jedes andere Musikinstrument
Hingabe und Arbeit erfordert, wenn anders man es gut
zu spielen bemiiht ist, Hier ist also eine Ehrenrettung
n6ti s- , Hans Mersmann
Das „Programm" der neuen Bachgesellschaft
Musikleben
Was ist ein Bachfest?
Karl Laux
„Die neue Bachgesellschaft (Eingetragener Verein, Sitz Leipzig) wurde vor 32 Jahren
gegriindet, in dem Augenblick, als die (alte) Bachgesellschaft nach funfzigjahriger Tatig-
keit ihre grofie Aufgabe, die Herausgabe der kritischen Gesamtausgabe der Werke
Johann Sebastian Bachs, vollendet hatte, und es nun gait, diese Werke in die weitesten
Kreise des deutschen Volkes und den ernster deutscher Musik zugangigen Lfindern iiber-
haupt einzufiihren, nach Moglichkeit auch die fur den Cottesdienst geschaffenen Werke
diesem wieder nutzbar zu machen. Sie erstrebt dieses Ziel durch Veranstaltung wandernder
Bachfeste . . .", so heifit es offiziell im Programmbuch der Bachgesellschaft.
Abgesehen davon, dafi dies schlechtes Deutsch ist, heifit es also, man wolle Bachs
Werke verbreiten, man wolle weite Kreise dafiir gewinnen. Man rechnet gewifi nicht
nur mit den Einwohnern der Feststadte, man rechnet vor alien mit den vielen Musikern,
die das Fest besuchen, um sich hier Anregung zu holen, um von hier aus das Evan-
gelium Bach in die Weite ihrer Schaffensbezirke zu tragen.
Das setzt voraus, dafi die Wiedergabe der Bachschen Werke auf einem Bachfest
iiber alien Zweifel erhaben ist, dafi nur erstklassige Auffuhrungen geboten werden, die
die Werke Bachs unverfalscht, in besonderem Mafie vorbildlich erscheinen lassen. Dem-
gegeniiber scheint mir die Darbietung seltener Werke in den Hintergrund zu treten.
Denn bei Bach ist stofflich nicht mehr viel zu entdecken, Geistig aber fast noch alles.
Nachdem unsere Zeit, wohlgemerkt aus dem durch die Neue Musik gestahlten Gewissen
heraus, auch die friiher fiir unauffuhrbar gehaltenen Werke, die „Kunst der Fuge", er-
obert hat, gibt es im Schaffen Bachs keine unbekannten Territorien mehr; gibt es wohl
noch dunkle Walder, abgelegene Taler, die es (an der Hand erfahrener Fiihrer) zu be-
gehen gilt.
Wie wurde das Neunzehnte Deutsche Bachfest in Heidelberg dieser
Doppelaufgabe gerecht?
Wie sich die Neue Bachgesellschaft eine Fflhrung zu Bach durch Bach vorstellt,
davon bekam man einen Begriff, als man im Festbuch die Erlauterungen las, die
Dr. Alfred Heuss, der hochgemute Kampe wider die neue Musik, beigesteuert hatte.
Verschimmelte, geschmacklose Hermeneutik Was er alles in Bach hineingeheimnisst, aus
Bach heraushort! Niemand wurde sich dagegen wehren, wenn es wenigstens geistreich,
wenn es nicht in einem geradezu lacherlichen Stil geschrieben ware. Die Bachgesellschaft
hat sich mit Heuss identifiziert, als sie ihn in der Generalversammlung zum Ausschufi-
Mitglied wahlte.
Welch ein Gegensatz zu der kiihnen, das Problem Bach von ganz neuer Seite her
anpackenden Festrede Dr. H. Besselers, der den Sinn eines Bachfestes in Heidelberg
darin sah, dafi man den romantischen, den siidlichen Bach, dafi man Bachs Auseinander-
291
^?^*
«l9«P^^iHp!19PMIi!PHppi|P!!^^
Der „sudliche" Bach
setzung mit der Musik Italiens in den Mittelpunkt stellte. So erhielt das Fest eine Idee.
So erhielt das Programm einen speziellen Zuschnitt und brauchte sich nicht in Verall-
gemeinerungen zu ergehen. Man entschied sich also fur Werke aus der Weimarer und
Cothener Zeit, ausgepragte Jugendwerke, die noch nichts von dem Mannlichen, von der
grandiosen Harte des Leipziger Bachs an sich haben. Dort fiihlte sich Bach als Mittler,
der die alte Musik-Welt durch Verschmelzung mit der neuen zu modernisieren suchte.
Die Sohne Bachs, die sich scheinbar so weit vom Vater entfernten, kniipfen vielmehr
an diese Zeit an, vor all em Johann Christian, darin der echteste Sohn seines Vaters.
So ergaben sich die Zielpunkte des Programms: italienische Musik, die Einflufi
auf Bach hatte, Niederschlag in den Werken Baehs, Weiterleitung auf die Sohne. So
wurde manches an Material ans Licht getragen. Selten gehorte Kantaten Johann
Sebastians, sein Osteroratorium, Werke der Sohne, eine Orgel-Partita von Georg Bohm,
eine „Sonata a 22 Voci per 5 cori" von Gabrieli, das „Concerto con Viola d'amore e
Leuto e con tutti gli Istromenti sordini" von Vivaldi, bei dem zum erstenmal das
Lautenklavier ausprobiert wurde, ohne dafi es sich bewahrt hatte.
Dafi man sich des Cembalos und der alten Streichinstrumente bediente, war selbst-
verstandliche Voraussetzung. Dabei kam ein so vortrefflicher Konner und Kenner des
Bachstils wie Paul Hindemith als Solist zur Geltung. Nimmt man noch G tin the r
Ramin aus, der eine eindrucksvolle Orgelstunde abhielt, so mufi man sagen, dafi die
Solisten nicht gut gewahlt waren. ' Vor allem die Gesangssolisten liefien vieles, wenn
nicht alles zu wunschen ubrig.
Das ware nicht so sehr von Bedeutung, wenn es nicht symptomatisch fur
das ganze Fest gewesen ware. Die Weite des Problems verleitete die Programm-
Redaktion zur Veranstaltung von Monstrekonzerten, die dem Horer die Verarbeitung
unmoglich machten und die die Werke in der Vorbereitung nicht ausreifen liefien. So
fehlte es den Orchester- wie den Chordarbietungen im ganzen an der notwendigen
Sauberkeit; sie machten allzu oft den Eindruck des Fluchtigen, des Obenhinmusizierten.
Wie aber soil dann gar noch ein „Stil" zustandekommen ? Ein Gltick, dafi Prof.
Dr. H. M. Poppen im letzten Konzert, bei der Aufftihrung des ,.Magnificat" und des
Oster-Oratoriums, noch einmal alle Krafte der Mitwirkenden zusammenreifien konnte
und die Werke nicht nur aufierlich glanzvoll, sondern auch innerlich geschlossen heraus-
brachte.
Besonders tiefen Eindruck machte der Gottesdienst am Sonntag Vormittag, in dem
Bachs Werke als organischer Bestandteil der Liturgie, als edelste Gebrauchsmusik in
dem gotischen Raum der St. Peterskirche aufbluhten. Diese Aktivierung Bachs erscheint
viel wichtiger als jene „festliche", nach Museum schmeckende Aneinanderreihung in
uberlangen Konzerten, in denen das Publikum vor dem Virtuosengeplankel eines Geigers
(beim sehr anzweifelbaren Vortrag der „beruhmten Chaconne von Bach") aufier Rand
und Band gerat, im ubrigen aber kiihl und unbeteiligt bleibt.
292
»*Haupt«-Konzerte mit 6000 Sangern
Musik wider die Zeit
Das deutsche Sangerbundesfest in Frankfurt
Julius Friedrich
Die geistige Situation im Mannergesang ist mit dem Frankfurter Fest unerfreulicher
und dunkler denn je geworden. Es gab Reden, oratorische Bekenntnisse am laufenden
Band und nicht einen Gedanken uber das musikalische Ziel. Man wird sie als Geste
verstehen, aber sie durften nicht Hauptsache sein: „Grofideutsch, Volksdeutsch und
deutsches Lied", Schlagworte, die seit unzahligen Jahren im Mannergesang geistern, die
im Augenblick wohl „aktuell", jedoch keineswegs inhaltsvoller geworden sind. Wir
mtiasen es sagen: die Leitung des D. S. B. ist zu alt, lebt noch in jener Epoche von
Sangerherrlichkeit und Prachtentfaltung, die Sinn und Bedeutung mannergesanglichen
Kulturideals zunachst in aufiermusikalischen Dingen sieht. Nach dem, was der
aufmerksame Kritiker seit geraumer Zeit an neuen, gesunden Stromungen im Manner-
chorwesen abhorchte, konnte man immerhin hoffen, dafi Frankfurt diese frischen Krafte
und Ideen auffangen, die fortschrittliche Linie wesentlich hervorkehren wiirde. Denn
der Wille zu zeitnaher musikalischer Betatigung ist in breiten Kreisen vorhanden. Jede
Entwicklung braucht Zeit, braucht aber audi geniigend Lebensraum. Was niitzt es, wenn
Teilorgane des Mannergesangs in der Provinz sich um ernsthafte Befreiung aus der sub-
alternen Position, um moderne musikalische Aktivierung bemiihen und wenn ihnen
dann der Weg zum Erfolg bei einer solchen Massenkundgebung verbaut wird.
Das Musikalische war in Frankfurt Zwischenakt. Es kam schon aufier-
lich nicht zum Durchbruch. Bezeichnend im Programmplan die bevorzugte Stellung und
Titulierung der „Haupt-Konzerte", deren kiinstlerischer Wert im umgekehrten Ver-
haltnis zum entwickelten Aufwand stand. Etwas mehr Stilgefiihl und Geschmack hatten
wir dem hochgraduierten Herrn Bundeschormeister des 1. Konzerts nun doch zugetraut:
mit einem Chorkolofi von ca. 6000 Mann wagte man sich sogar an Mozart, daneben
verschwendete man seine Krafte an musikalische Nichtigkeiten von Butz und Knochel.
Relativ gutes Niveau hatte das 2. Hauptkonzert unter Rudolf Hoffmann, in dem
wenigstens einige zeitgenossische Kompositionen kleineren Formats von Otto Jochum,
Walter Rein und Josef Marx zu finden waren, die zwar nicht gleichmafiig von
starkem modernen Auftrieb aber von gutem Konnen zeugten. Armin Knabs
„Befreiungslied" (Goethe) hatte sich zaghaft in dem mit Reden gespickten ersten Teil
der Volksdeutsch en Weihestunde neben eklektischem Pomp der Gofiler und Herold versteckt.
Objektiv und zusammenfassend lafit sich eigentlich das Frankfurter Fest nicht
werten. Es fehlte iiberhaupt die Moglichkeit zur eingehenden Information : in 4 Tagen
25 Konzerte, die sich in unverstandlichster Weise schnitten. Eines jedoch liefi sich ein-
deutig feststellen: es herrschte das grofite Kunterbunt. Kaum ein Programm hatte eine
Linie, kaum in einem Konzert konnte man so etwas wie planmaf&iges Erfassen neu-
wegiger musikalischer Krafte erkennen.
An der Spitze der „Zeit"genossen waren die Staatspreis-,,Stars" Georg Nellius
und Otto Jochum gestellt worden. Ihren Auszeichnungen zufolge hatten sie iiber-
ragende Vertreter der neuen Musik sein miissen. Wir wissen nicht, welche Grunde dis
professoralen Komponisten und komponierenden Professoren des Staatspreiskomitees zu
293
^mmmmmmmmm"*
Jochum und Nellius als Preistrager
ihrcr, Nellius und Jochum hoch favorisierenden, Entscheidung gefiihrt haben ; dafi es
daa moderne Element nicht gewesen sein kann, ist uns heute klar. Man soil gerecht
sein: Jochum und Nellius haben neuen kunstlerischen Moglicjikeiten fiir den Manner-
gesang nachgespiirt. Jochums Hauptwcrk „Der jiingste Tag", ein „Oratorium", gibt zwar
dem gemischten Chor keine zentrale Stellung, tragt jedoch immerhin dazu bei, auch
den Mannerchor aus seiner einseitigen Stilverstrickung zu losen, ihm andere Aufgaben
zu bieten als „Chorballaden" und ausgefranste Lied-Lyrik. Trotzdem ist es kein zeitge-
bundenea Werk. Schon der literarisch unbedeutende Text A. M. Millers strebt mehr
aufierlich malende Fulle als innere religiose Dichte an. Leider erkannte auch der
Musiker nicht diese Klippe, sondern steuerte mit vollen Segeln auf sie zu. Jochum schwelgt
im Musikdrama, Jochum der Haasschiiler, der in einigen Instrumentalstiicken einst kontra-
punktisch zugig schreiben konnte, dreht sich zwanzig Jahre vor den Stil seines Meisters
zuruck. Das Werk ist in seiner Gesamthaltung nicht nur unmodern, sondern auch unor-
ganisch. Es atmet ganze Strecken melodisch und tonmalerisch wie Wagner. Ab und zu
lafit die rhythmische Vitalitat aufhorchen, man findet sogar eine kunstvolle, energiege-
ladene Doppelfuge, zeitweise ruhigfliefiende, rein musikalisch gezogene Linien. Aber das
alles wirkt irgendwie unecht. Beispielhaft, wie Jochum sich pseudopolyphonen Tiifteleien
hingibt, wie er farbengliihend in die „Kontrapunktik" einbricht, sie mit Guirlanden und
Surrogaten iiberfrachtet. Jochum ist nicht talentlos, das zeigten die in kleineren Formen
sich bewegenden „alten Weisen". Der „Jungste Tag" sollte (und wollte vielleicht zu sehr) ein
grofier Wurf werden, aber er wurde nur ein Blendwerk effektvoller Kapellmeistermusik.
Ebenso problematisch ist die Stellung Georg Nellius'. Seine Kantate „Von deutscher
Not" war der Leitartikel der Frankfurter Tage. Ohne diese konjunkturmafiige Gebunden-
heit kann auch die „kiinstlerische" Gewandung nicht betrachtet und gewertet werden
Maria Kahles Text, in politisch-feuilletonistischer Atmosphare verhaftet, zeichnet von
der Novemberzeit 1918 an in dramatisch gegeniibergestellten Gedanken- und Gefiihls-
gruppen die Hauptstromungen, die um die „deutsche Frage" kreisen, und mahnt auf
volksdeutscher Grundlage in hymnischer Steigerung zur Einigkeit. Man sieht, es . ist
Tendenzkunst, und das meiste blieb auch musikalisch am aufieren Rahme.n hangen.
Fraglos ist Nellius ein kontrapunktischer Konner, wenn es bei ihm auch noch so
„wagnerisch und schrekerisch" wetterleuchtet. Seiner Kantate jedoch fehlt der einheitliche
Gufi, sie wirkt aneinandergeklebt und nicht gewachsen. Nellius spannt mitunter
den spatromantischen Ausdrucksapparat in kontrapunktische Schraubstocke, oft mit
frischer, triebhafter Kraft, oft aus falschem Ehrgeiz. Die Breite der Ensembles
bringt ihn nicht selten um die „Wirkung", die auch eine gewisse, sufilich volkstiimelnde
Lyrik keineswegs vorteilhafter macht. Es ist ein epigonales Werk, das dem Mannerchor
zwar wirkliche gesangliche Aufgaben gibt, dessen monumental gegliederter, auf Riesen-
massen eingestellter Chorstil allerdings kaum schulbildenden Einflufi gewinnen wird.
Die plattdeutsche ,,Duitske Messe" desselben Komponisten gehort ebenfalls einer ver-
gangenen Epoche an, ist aber von zwingenderer Formgebung. Das relativ modernste
Werk, zugleich das beste von Georg Nellius ist der „Ruhr-Zyklus", dem ein literarisch
sauberer Text zugrunde liegt. Namentlich die beiden Ecksatze („Ruhr", „Das Bergwerk
brennt") zeigen strenge musikalische Arbeit. Nellius stofit hier uber den Expressionismus
hinweg zu einem modernen Chorstil vor und weifi sich verflachenden Bindungen zu entziehen.
294
Wo bleiben die fuhrenden Komponisten?
Wir miissen annehmen, dafi die auf dem Sangerfest zur Diskussion gestellten
Kompositionen von Nellius zeitlich weit auseinanderliegen. Der Ruhrzyklus (hoffent-
lich das „jungste" Opus!) gibt Hoffnung. Aber haben die Staatspreise ihre Sendung
erfullt? Wird Nellius, dessen Kantate besonders exponiert und symbolisiert wurde,
nicht lobgekront in dieses Niveau zunickfallen ? Man redet sogar von einem
kommenden Musikdramatiker! Auch bei Jochum ist der Fall ahnlich gelagert. Den
kleineren Kompositionen kann man sympathisch (mehr allerdings auch nicht) gegen-
iiberstehen, das Oratorium hat den Staatspreis nicht verdient. Soviel steht zumindest
fest, daft es Dutzende Chorwerke unserer Zeit gibt, die ihnen ebenburtig, wenn nicht
an Geschlossenheit, formaler Reife uberlegen sind, . . . und wir glauben, dafi sich etliche
ihrer Komponisten auch beworben haben. Die Anhaufung der Staatspreise auf zwei
Personen leuchtet in keiner Weise ein. Leute wie Knab, Lendvai (dessen Kantate
„Von der Befreiung", wie man allgemein hort, einen gewissen Hohepunkt unter den
Neuheiten darstellen soil), Stii r me r, Pepping — um nur einige zu nennen — batten
bei dem Mafistab, den man in der Staatspreis verteilung an moderne Haltung und kom-
positorisches Konnen legte, beriicksichtigt werden miissen. Leider haben sich unsere
fuhrenden musikalischen Kopfe der „Moderne" nie ernsthaft mit dem Problem Manner -
gesang auseinandergesetzt. Breite, musikwillige Gemeinschaften sind vorhanden. Wenn
man Schulopern, Sing- und Spielmusiken fur die Jugend schreibt oder iiber sie referiert,
wird man sich auch nicht als Mannerchorkomponist bzw. Kritiker degradiert fiihlen
dtirfen. Denn beides ist oder soil sein „Laienkunst". Das Beispiel Jugend„bewegung"
hat umgekehrt bewiesen, wie aus aktiver Keimzelle eine unfruchtbare Eremitage werden
kann. Man mufi mit Gegebenheiten rechnen: der Mannerchor ist einer der grofiten
musikalischen Laienverbande. Ist es uberhaupt verantwortlich von seiten unserer
jiingeren Musiker gedacht, ihn weiterhin einer Halb-Kunst abzutreten, die wirklich
aufbaufahigen musikalischen Krafte fehlleiten zu lassen ? Der Weg zum aussichts-
reichen Einbruch in die Mannerchorbewegung ist weit, aber er ist zu finden.
Keine Wandlung, jedoch ein Aufstieg ist ohne weiteres schon da. Diesen Eindruck
gewann man von den Auffiihrungen. Es war leider nicht Gelegenheit gegeben (auch
einer der vielen Organisationsmangel des Frankfurter Festes), die wichtigsten Leistungen
zu vergleichen. Auffallend, dafi die Provinz sich eminent entwickelt hat.
Das Frankfurter Fest ist wahrlich kein Hohepunkt, aber vielleicht erforderlich
gewesen. Es mag ein Alarmruf sein: „Mannergesang in Gefahr".
Was die Funkausstellung
dem Musikfreund brachte
Frank Warschauer
Manche Einwande gegen technisch vermittelte Musik sind dadurch zu erklaren,
dafi die betreffenden Personen unzulangliche Apparate benutzen. Wer sich nicht viel
mit Technik beschaftigt, ist immer geneigt anzunehmen, dafi die Qualitat des Apparates,
den er zur Verfugung hat, typisch ist fur den Stand der Technik uberhaupt. Dabei gibt
295
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Teuerste Apparate nicht immer die besten
es, wenn man den Grad naturgetreuer Wiedergabe von Musik und Sprache als Mafi-
stab nimmt, sehr grofie Qualitatsunterschiede, die aber keineswegs mit den Preisunter-
schieden zusammenfallen. Die teueren Apparate und die neuesten Modelle sind
oft die klanglich schlechteren. Was man ihnen bezahlt, ist dann nicht die Klang-
qualitat, sondern besserer Fernempfang oder aufiere Ausstattung oder die vereinfachte
Handhabung. Das ist teils durch technische Eigenarten zu erklaren, auf die vielleicht
spater einmal eingegangen werden kann, teils dadurch, daG fur die Industrie gar nicht
das Ohr des musikalisch Gebildeten mafigeblich ist, sondern, wie beim Film, ein fiktiver
Massengeschmack. Der verlangt, so wird behauptet, zum Beispiel vom Lautsprecher in
erster Linie, daG er auch laut sei; um dies zu erzielen, wird nicht selten das Bereich
der tiefen Tone, von denen der Eindruck der Fftlle abhangt, kiinstlich in unnatiirlicher
Weise verstarkt; das geschieht iibrigens auch bei vielen Grammophonen, die dann ein en
an Jahrmarktorchestrions erinnernden Klang bekommen.
Wer so einen Apparat einmal gehort hat, wendet sich dann vielleicht schaudernd
von der technischen Musikwiedergabe uberhaupt ab, ohne zu wissen, daG es, im Sinne
des Musikfreundes, viel bessere Apparate gibt. Man mufi mit diesen Dingen etwas Be-
scheid wissen, um die richtige Auswahl zu treffen.
Die letzte Berliner Funkausstellung gab einen guten Uberblick des Standes der
gegenwartigen Technik.
Bei den Lautsprechern liegen die Mangel darin, dafi es Schwierigkeiten macht, die
Tonlagen der hochsten bis tiefsten Tiefe im gleichen Lautstarkeverhaltnis wiederzugeben
wie bei dem klanglichen Urbild; infolgedessen werden dessen Proportionen verschoben
und die durch Zahl und Starke der hohen Obertone charakterisierten Klangfarben ver-
andert, was sich besonders bei Instrumenten mit vielen hohen Obertonen bemerkbar
macht, zum Beispiel bei den Geigen, deren Wiedergabe daher immer ein wichtiger
Mafistab ist. Ein weiterer betrachtlicher Mangel liegt in der Wiedergabe der Klang-
starkeunterschiede, sowohl in Bezug auf ihr Mafi — also auf den Grad der Verschieden-
heit der lautesten von den leisesten Tonen — als in Bezug auf ihre dem Original ent-
sprechende Gleichmafiigkeit bei verschiedenen Tonhohen. Belativ giinstig sind in dieser
Hinsicht die sogenannten elektrodynamischen Lautsprecher, die jetzt vollig dominieren.
Fruher nicht ohne Zusatzinstrumente verwendbar, sind sie nun so vereinfacht, dafi sie
zu jedem Apparat benutzbar sind. Meist werden sie praktischerweise, ebenso wie die
Lautsprecher anderer Typen, in den eigentlichen Apparat eingebaut. Aber auch bei diesen
elektrodynamischen Lautsprechern zeigt die Frequenzkurve haufig noch betrachtliche
Mangel; aus ihr kann man dann ablesen, dafi tiefe Tone und Tone einer bestimmten
hohen Lage — um 3000 Schwingungen pro Sekunde — lauter, Tone der hochsten Lage
leiser erscheinen als richtig. Ein Versuch, diesen Fehlern abzuhelfen, wird bei dem
elektrostatiscben Lautsprecher unternommen, der von Voigt konstruiert wurde, und
unter dem Namen Oszillophon in den Handel gebracht wird. Dieser Lautsprecher ist in-
des recht teuer und ziemlich kompliziert. Zusammenfassend ist zu sagen : das Lautsprecher-
problem ist noch nicht gelost. Im allgemeinen wird es sich empfehlen, einen guten
elektrodynamischen Lautsprecher zu wahlen und in daraufhin zu priifen, ob er Geigen
gut wiedergibt und ob die tiefen und tiefsten Lagen nicht iiberbetont sind.
296
Elektrische Musikinstrumente serienweise
Andere Verbesserungen beziehen sich auf den Fernempfang. Der war bisher meist
eine funksportliche Angelegenheit. Man kam nicht zum Genufi der empfangenen Sen-
dungen, weil es, wenn man den Apparat nicht auf dem Lande fern von einem Sender
aufgestellt hat, schwierig war, die betreffende Station von anderen zu trennen, sie da-
bei klangrein und mit gleichmafiiger Lautstarke zu empfangen. Die sogenannten Super-
hetgerate, welche diesmal von fast alien Firmen in sehr verbesserter und vereinfachter
Form herausgebracht werden, bedeuten in dieser Hinsicht einen grofien Fortschritt; mit
ihnen ist es nun sehr leicht geworden, feme Stationen heranzuholen, sie von anderen
zu trennen — was jetzt besonders wichtig ist, weil die meisten europaischen Stationen
ihre Sendeenergien erhoht haben — und dem sogenannten Fading, dem Lautstarke-
schwund, entgegenzuwirken ; automatische Anordnungen sind einem dabei behilflich.
Dafi ein soldier Apparat, mag er noch so vollkommen sein, in klanglicher Hinsicht ganz
erstklassig ist, kann man nie erwarten. Eine Firma, die sich besonders um klangreine
Wiedergabe bemiiht (Loewe), bezeichnet daher ein anderes, weniger trennscharfes und
nicht ganz so gut fur Fernempfang geeignetes, ubrigens nicht teueres Gerat als Quali-
tatsgerat fiir den Musikfreund.
Die Ausstellung brachte ferner Interessantes auf dem Gebiet der elektrischen Ton-
erzeugung; zum ersten Mai wird das an der Berliner Musikhochschule von Professor
Trautwein entwickelte Trautonium serienweise herausgebracht (von Telefunken) und
zwar als billiges zu jedem Radioapparat ansetzbares Zusatzgerat. Wer das Hindemith-
Konzert fiir Trautonium und Orchester gehort hat, weifi, dafi der musikalische Wert
des Instruments noch recht gering ist; sein grofiter Vorzug ist die rasche Modulierbar-
keit der Klangfarbe. Aber der Ton ist starr und kann mit denen der vorhandenen
Instrumente noch nicht konkurrieren. Anders ist es natiirlich, wenn es sich gar nicht
um solche Konkurrenz, sondern um selbstandige Verwendung des Trautoniums handelt;
als Zusatz zu Radioapparaten hat es den grofien Vorzug, den Horer zu musikalischem
Herumexperimentieren zu veranlassen und ihn so aus seiner Passivitat herauszufiihren.
Auch das ebenfalls auf der Ausstellung gezeigte im Heinrich-Hertz-Institut konstruierte
Theremininstrument, dessen Ton ubrigens viel biegsamer ist, soil jetzt serienweise her-
gestellt werden. Wahrend diese Instrumente einstimmig sind, ist das „Hellertion" von
Dr. Hellberger durch Kombination von vier Manualen vierstimmig spielbar.
Einer anderen Gruppe gehoren die Instrumente an, bei denen der eigentliche Ton
nicht elektrisch erzeugt, sondern nur auf radioelektrischem Wege verandert wird. Aufier
dem Bechstein-Siemens-Nernst-Flugel, dessen Eigenschaften bekannt sind, wurde der
Vierling-Fhigel gezeigt, bei dem der Ton einen hoheren Grad von Nuancierbarkeit
besitzt, sowie Streichinstrumente ohne Resonanzboden mit radioelektrischer Verstarkung.
Interessant sind ferner noch die Apparate, die zur Selbstherstellung von Schall-
platten dienen, wie sie unter anderm von der A. E. G. herausgebracht werden.
Welchen Nutzen sie als „akustischer Spiegel" haben konnen, Hegt auf der Hand.
Leider sind sie technisch noch recht unvollkommen und leisten nicht im entferntesten
das gleiche wie etwa der Stillesche Schreiber, wie er an den Funkversuchsstellen ver-
wendet wird. Als Material fiir die selbstherzustellenden Schallplatten wird teilweise
Metall, teilweise Gelatine und andere weiche Materialien verwendet, mit welch letzteren
297
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Urrhythmus als Quelle der Musikerziehung
1
die besseren Erfolge zu erzielen sein sollen. Uebrigens waren schon die ersten Phono-
graphen mit Vorrichlungen ausgestattet, mittels deren man Selbstaufnahmen auf Wachs-
walzen verfertigen konnte.
Als unerfreulicb.es Kuriosum mag noch erwahnt sein, dafi die billigen und teil-
weise klanglich guten Radioapparate fur Ortsempfang auf der Ausstellung so gut wie
verschwunden waren. Die billigsten Gerate sind teurer als frxiher, liefern dafiir aller-
dings meistens audi Fernempfang.
Melosberichte
Orff-Kursus Das Berliner Seminar fur
in Berlin Volks- und Jugendmusik-
pflege, das Fritz Jode leitet,
veranstaltete vom 22. — 25. August einen
Kursus „Musik und Bewegung - ' unter der
Leitung von Carl Orff. Was bereits anlafi-
lich der Stuttgarter Laienmusikwoche im
Juni d. J. klar geworden war, zeigte sich in
aller Deutlichkeit bei der Berliner Veran-
staltung : Orffs Arbeit, wichtig fur die Laien-
musikpflege jeder Art, ist unentbehrlich fiir
die elementare Musikerziehung. Wie viel
von Orffs eigener Arbeitsweise vom ein-
zelnen Padagogen ubernommen werden
kann und in welche Form der einzelne
Padagoge die empfangenen methodischen
Anregungen kleiden will, das hangt ganz
von der Individualitat der einzelnen Er-
zieherpersonlichkeit ab. Aber dafi an diesen
elementaren oder, um mit Orff zu reden,
primitiven Musikurformen nicht vorbeige-
gangen werden kann, scheint sicher. Vielerlei
Spielarten sind in Orffs Musiklehre gegeben :
Anfange jeder Musikerziehung, Auffinden
der dem Menschen innewohnenden Urmusik,
improvisatorisches Gestalten dieser primi-
tiven Musik etwa im Orchester von selbst-
gebauten Schlag- und Melodieinstrumenten
in der Volksschule; Unterbauen und Aus-
bilden der Laienmusikpflege, was oft einem
Erinnern an verloren gegangene Urmusik
gleichkommen wird, durch die rhythmischen,
chorischen und stets mit der Improvisation
verbundenen Ubungen des „Schulwerks";
und schliefilich Steigerung der virtuosen
Spieltecbnik und der hochsten, d. h. freien
Kunstaufierung beim Berufsmusiker. Die
Proben, die Orff aus seinem demnachst er-
298
scheinenden „Schulwerk" bot, beweisen,
dafi dieser weite, hier nur angedeutete
Spannungsbogen von der primitiven bis zur
virtuosen Musik vorhanden ist. (Welcher
Virtuositat auch der „primitive" Spieler
fahig ist, weifi ja jeder, der sich, wenn auch
nur oberflachlich, mit der Musik primitiver
Volker beschfiftigt hat.)
Ahnlich weit gespannt ist die Musik,
die Orff selbst schreibt. Seine Kantaten
sind elementar, beinahe formelhaft in der
Beschrankung auf das gerade Notwendige,
um damit hochste Spannung und Konzen-
tration im Ausdruck zu erreichen. Orffs
Kantaten bedeuten fiir alle Formen der
Laienmusik die geeignetsten Werke, um un-
mittelbare Wirkung beim Sanger und Horer
zu erzielen. Daneben stehen andere Chor-
werke, Orffs Catullchore, die hochste Vir-
tuositat bei den Ausfuhrenden beauspruchen.
Es liegt nur an der geringen Schulung oder
der einseitigen Schulung unserer Chore,
dafi Orffs Werke noch nicht langst bevor-
zugtes Musiziergut unserer Chore geworden
sind.
Was Orff in den vier Berliner Tagen
zeigen konnte, bedeutete einen Ausschnitt
aus der Spielart des Schlagorchesters, aus
Chorimprovisation, Dirigieren, chorischer
Auffuhrungspraxis. Aber obwohl Orff bei
diesen Kursen gezwungen ist, schnell ein-
mal alle Gebiete anzuschlagen, iiberall
, Kostproben zu geben, verliert man doch
nie das Gefiihl, unter dem starken Eindruck
eines total gerichteten Musikers zu stehen.
Die unversiegbare Quelle, aus der Orff
schopft, ist der Urrhythmus.
Eberhard Preuflner
Melosnotizen
Notizen
Oper und Konzert
Das Breslauer Opernhaus eroffnet die Spielzeit
1932/33 am 1. September mit Webers „Freischutz"
in der Inszenierung des Intendanten Dr. Georg
Hartmann und unter musikalischer Leitung des neuver-
pflichteten Generalmusikdirektors Franz von Hoesslin.
Die westdeutsche Erstauffiihrung von „Mister Wu",
der nachgelassenen Oper Eugen d' Alberts, findet am
30. September ds. Js, am Stadttheater Aachen (einen
Tag nadi der Dresdener Urauffiihrung) statt.
Rudi Stephans einzige Oper „Die ersten Mensehen"
ist von den Stadttheatern in Aachen und Halle zur
Erstauffiihrung angenommen.
Das Landestheater in Oldenburg bereitet die Erst-
auffiihrung der Oper „Die Sclineider von Schonau"
vein Jan Brandts-Buys vor.
Die nachstwinterlichenKonzerte derGesellschaft der
Musikfreunde in Berlin bringen unter Dr. Heinz Unger
mit den Solisten Alexander Kipnisj Josef Schuster,
Georg Bertram. Leonid Kreutzer und Poldi Mildner
u. a. Orchesterlieder von Mahler, Beethovens Grofie
Fuge, Schonbergs Pelleas und Melisande, sowie Werke
von Strawinsky und Hermann Wunsch.
Im Rahmen des diesjahrigen Reger-Festes in Baden-
Baden kommt u. a. das nachgelassene Klavierquintett
zur Auffiihrung.
Auf dem diesjahrigen Musikfest in Vtnedig gelangt
. Strawinskys Pastorale zur Wiedergabe. Ferner werden
an deutschen Kompositionen u. a. Hindemiths Spiel-
musik und Tochs Vorspiel zu „Die Prinzessin auf der
Erbse" von der „Dresdner Philharmonie" unter Fritz
Busch aufgefiihrt.
Das Basler Kammerorcliester hat im Juni unter
Leitung von Paul Sadler und Ina Lohr fur die Mit-
glieder des Kammerchors und weitere Interessenten
einen offentlichen Einfiihrungskurs in den Gregoriani-
sdien Choral veranstaltet. Ferner bringen Kammer-
chor und Kammerorchester unter Leitung von Paul
Sacher in der nachsten Saison zwei der bedeutendsten
Werke von Igor Strawinsky zur Auffiihrung, im
Januar die Psalmensinfonie und im Marz die Russische
Bauernhochzeit (Les Noces).
Der „Dorlemann-Chor" Bochum brachte in seinem
letzten Konzert zwei Chorwerke zur Auffiihrung, die
in ihrer vokalen Struktur ganz aus der speziellen
Chorschulpraxis dieses Chores abgeleitet wurden :
„Chor-Inventionen" fur Chore, Solostimmen, Orchester
und grofien Lautenchor von Emil Peeters, sowie die
Kantate „Trostung" fur drei Chore, Solostimmen und
Orchester von Kaspar Roeseling. Zwischen diesen
Chorwerken wurde von dem Orchester des West-
deutschen Rundfunks unter Leitung Dr. Buschkotters
Hindemiths Konzertmusik fur Klavier, Blechblaser
und Harfen mit Egbert Grape am Fliigel zum Vor-
: trag gebracht.
Alexander Tsclierepnin hat ein neues Klavierkonzert
vollendet, das im Schott-Verlag erscheint.
Joseph Haas hat soeben ein abendfiillendes Weih-
nachtsliederspiel „Christnacht"nach altdeutschenWeisen
mit verbindenden Worten von Wilhelm Dauffenbach
fiir Solostimmen, Sprecher, gemiscliten Chor, oder
Frauen- bzw. Kinderchor mit kleinem Orchester
vollendet.
„Der grofie Kalender" ist der Titel eines abend-
fiillenden Oratoriums fiir gemischten Chor, Sopran-
und Baritonsolo und Kinderchor mit Orchester, das
Hermann Reutter, der kiirzlich als Lehrer fiir Kom-
position (fiir Prof. Strasser) an die Wiirtt. Hochschule
fiir Musik in Stuttgart berufen wurde, soeben vol-
lendet hat.
Prof. H. Boell-Koln spielte in seinen Konzerten
Philipp Jarnaclis Konzertstiick fiir Orgel (Romanzero)
op. 21 in Leningrad mit ungemein starkem Erfolg.
Von Josef Schelb fanden folgende Urauffiihrungen
statt : beim Siidfunk die zweite Symphonie unter
Hermann Scherchen, eine Violin-Klaviersonate durch
Fritz Panzer und den Komponisten, beim Siidwest-
funk Konzert fiir Bafiklurinette mit Begleitung von
10 Instrumenten (unter Bosbaud).
In Augsburg veranstaltete der dortige Tonkunst-
lerverein eine Matinee mit Werken des Munchner
Komponisten Fritz Valentin, die bei Publikum und
Presse auflerordentliche Eindruclce hinterlieS. Es
kamen zu Gehor Violin- und Violoncell-Sonate,
Silesius-Madrigale fiir Frauenstimmen und die Spiel-
musik im alten Stil. An der Durchfiihrung des Pro-
gramms waren neben einheimischen Kiinstlern her-
vorragende Munchner beteiligt.
Von Eric/i ifAorfe-Nurnberg wurde kiirzlich in
Wien vom Brandmann-Trio sein op. 17 Klavier-
Trio in f-moll, und in Salzburg (Dom) durch Jos.
Mefiner und Karl Stumvoll zwei langsame Satze fiir
Orgel und Violine aufgefiihrt. Der bayrisdie Rund-
funk brachte die Urauffiihrung von drei Klavier-
Humoresken durch Hilarius Hautz.
Adolf Busch hat soeben ein neues Werk : „Ca-
priccio" fiir kleines Orchester vollendet, dessen Ur-
auffiihrung am 14. September auf dem Internatio-
nalen Kammermusikfest in Venedig unter Leitung
von Fritz Busch stattfindet.
Wilhelm Kempjfs Violin-Konzert op. 38 (Jean
Sibelius gewidmet) wird von Georg Kulenkampff in
den Sinfonie- Konzerten des Hessisclien Landes-
theaters, Darmstadt in der kommenden Spielzeit
unter Leitung von Dr. Hans Schmidt-Isserstedt ur-
aufgefiihrt werden.
Die Funkstunde Berlin bringt demnachst in einem
Sinfoniekonzert, das Wilhelm Sieben (Dortmund) als
Gaat dirigiert, die „Musik fiir Klavier und Orchester"
von Karl Hermann Pillney. Solist ist K. H. Pillney.
299
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Melosnotizen
Fritz Mahler brachte am 19. Juli in einem Sym-
phoniekonzert des Wiener Rundfunks die X. Sym-
phonie von Gastav Mahler zur Auffiihrung.
Anton Nowakoweski, Essen, hatte auch im letzten
Konzertwinter mit Orgelkonzerten in Essen und
anderen Stadten des Ruhrgebietes wieder grofie
Erfolge.
Professor Julius Ehrlich hatte als Gastdirigent an
der Odessaer Staatsoper mit zwei Auffiihrungen von
Beethovens IX. Sinfonie, welche die diesjahrige Spiel-
zeit beschlossen, einen grofien kiinstlerischen Erfolg
zu verzeichnen.
Musikfeste
Pyrmont :
Seiner Tradition folgend hat Bad Pyrmont auch
in diesem Jahr lebende Komponisten ur- und erst-
aufgefuhrt. Unter der Leitung von Generalmusik-
direktor Walter Stover mit dem Dresdner Philhar-
monischen Orchester kamen zu Worte : Paul Graener
mit der „Flote von Sanssouci", Hermann Unger mit
,,Vier Landschaften aus Faust 2. Teil, Akos von
Buttykay, Budapest, mit der Urauffflhrung eines
Violinkonzertes (Solist Ladislaus von Szerdahelyi),
Pierre Maurice mit der Lustspiel-Ouverttire zu der
heiteren Oper „Nachts sind alle Katzen grau", Paul
Hoffer mit „Tanzmusik fiir Rundfunk" (Erste Auf-
fiihrung im Konzertsaal), Johan Wagenaar, Altmeister
der lebenden hollandischen Komponisten mit „Wiener
Dreivierteltakt" (Erste Auffuhrung in Deutschland).
■
Venedig :
Das in Verbindung mit der „BiennaIe" in Venedig
angektindigte zweite Internationale Musikfest, dessen
Programm nunmehr vorliegt, umfafit elf Veranstal-
tungen. D. Defauw dirigiert ein franzosisch-belgisches,
F. Reiner ein nordamerikanisches, E. Baldi ein sfid-
amerikanisches Konzert. Das deutsche Konzert wird
von Fritz Buidi mit seinem Dresdner Orchester be-
stritten.
D
Florenz :
In der zweiten HSIfte des Monats April 1933
wird ein Interna tionaler Musikkongrefi in Florenz
8tattfinden. Dieser Kongrefi, an dem die bedeutendsten
zeitgenossischen Musiker vind Gelehrten teilnehmen
werden, unterscheidet sich von denjenigen, welche
bisher stattgefunden haben, da wahrend desselben
nicht musikgeschichtliche und -wissenschaftliche
Themen oder solche streng praktischer und beruf-
licher Natur besprochen werden, sondern es werden
dort die wichtigsten und aktuellsten Probleme der
Tonkunst erortert und dargestellt.
Die Themen des Programmes sind in drei Sek-
tionen geordnet :
Theoretische Probleme : Die Musik-Kritik (Me-
thoden, Funktion, Zwecke). Ktinstlerisches Schaffen
und Ausffihrung (Rechte und Pflichten des ausffihren-
den Interpreten).
300
Aktuelle Probleme : Die Tendenzen des neuen
Musik-Theaters. Die reproduzierte oder mechanische
Musik (Beziehungen zwischen Musik und Radio,
Grammophon und Film).
Praktische Probleme : Die Situation der Musik
und Musiker im Geist von heute. Verbreitung der
musikalischen Bildung und internationaler Austausch.
Personliches
Im September vollendet der frflhere langjahrige
Herausgeber unserer Zeitschrift, Herbert Graf, sein
50. Lebensjahr. Seine Verdienste um die Zeitschrift,
die er in der schweren Zeit der Inflation aus eigenen
Mitteln und mit groCem Idealismus finanzierte, bleiben
unvergessen.
Generalmusikdirektor Ernst Wendel ist zum aus-
wartigen Mitgliede der „Koniglichen Schwedischen
Akademie der Musik" erwahlt worden.
Der langjahrige Leiter der Altenburger Oper,
Generalmusikdirektor Dr. Georg Gohler, ist ganz
plotzlich von seinem Posten zuruckgetreten, da ihm
der weiterhin gekurzte Etat des Theaters eine kunst-
lerische Arbeit nicht mehr moglich mache. Daraufhin
hat die thiiringische Regierung, wenige Wochen vor
Beginn der neuen Spielzeit, Dr. Gohlers Wunsch ent-
sprochen und die Stelle eines 1. Kapellmeisters der
Altenburger Oper ausgeschrieben.
Kapellmeister Albert Bittner, friiheres Mitglied
des Reufiischen Theaters Gera, zuletzt an der Staats-
oper am Platz der Republik Berlin, wurde als
1. Kapellmeister an die Grazer Oper verpflichtet.
Der musikalische Mitarbeiter und Leiter des
Unterhaltungsburos der Funk-Stunde Berlin, Walter
Gronostay, ist seines Postens enthoben. Seine Auf-
gaben ubernahm Heinrich Burkard. Gronostay soil
jedoch auch weiterhin beschaftigt werden.
Aus Anlafi der bekannten Umstellung im Rund-
funk hat der Intendant der Berliner Funk-Stunde,
Dr. Hans Flesch, um seine Abberufung ersucht. Mit
der Wahrnehmung der Geschafte eines Intendanten
hat die Reichsrundfunk-Gesellschaft bis auf weiteres
Dr. Duske, den bisherigen Leiter des Programm-
ausscliusses der Deutschen Rundfunk-Gesellschaften
beauftragt.
Verschiedenes
Akademie fiir Kirchen- und Schulmusik. Die Staat-
liche Akademie fur Kirchen- und Schulmusik eroffnete
ihr Sommersemester mit einer Haydn-Feier in Form
eines Kammermusikabends, der ausschliefilich von
Studierenden bestritten wurde. An zwei Abenden
leigten die Akademielehrer Karl Graef und Prof.
Julius Dahlke nach einfiihrenden Worten des Direktors
D. Dr. Moser die Entwicklung des Melodrams. Unter
Mitwirkung des Jugendchors der Akademie (Leitung :
Prof. H. Martens) gelangten u. a. auch Melodramen
zur Urauffflhrung, deren Musik die Akademielehrer
Melosnotizen
Prof. L. HeJS und Dr. J. H. Wetzel geschaffen haben.
Eine „Kleine Gartenmusik zur Erinnerung an Karl
Friedrich Zelter" leitete Prof. F. Jode unter Mit-
wirkung des Collegium musicum instrumentale, an
dessen Spitze Hermann Diener stand. Die Klavier-
klasse Prof. E. Bodky bot Werke von Kuhnau und
Skrjabin, die Gesangsklasse Frau Prof. Martienfien
einen Lieder- und Arienabend. Zu einem Trio, das
Werke von Mozart, Beethoven und Schubert auffuhrte,
schlossen sich die Akademielehrer H. Beltz, H. Diener
und Eva Heinitz zusammen. In der Nikolaikirche
wurde durch Studierende mittelalterliche Musik ge-
boten, darunter die „Trauerode auf den Tod Kaiser
Maximilians I." von Ludwig Senfl. Das Semester
schlofi anlafilich des 70. Geburtstages des fruheren
Akademiedirektors mit einer Carl Thiel-Feier.
■
Das Seminar des Beidisverbandes Deutsclier Ton-
kunstler und Musiklehrer E. V. (RDTM) setzt seine
Arbeit Oktober wieder unabhangig von anderen
Bindungen mit dem bewahrten Lehrerstand in
Berlin W 57, Pallasstrafie 12 fort, wo es 1911 bei
der Griindung erofmet wurde und durch Verfiigung
vom 17. 2. 26 staatl. anerkannt worden ist. — Im
neuen Semester beginnen Kurse : 1. zur Vorbereitung
auf die staatl. Privatmusiklehrerprufung, 2. zur Vor-
bereitung auf die Aufnahm.eprii.fung in die staatl.
Akademie fur Kirchen- und Schulmusik,3. Laienkursezur
Erreichung allgemeiner musikalischer Bildung (Gehor-
bildung,Musiklehre,Musikgeschichte,Analyse,Vomblatt-
spiel). Eine Ubungssdiule fiir Kinder ist angeschlossen.
Vom September des Jahres angefangen werden in
Reichenbergi.B. Veranstaltungsfolgen „Neue Kunst"
abgehalten, die alle Kunstgebiete umfassen und ohne
irgendwie einseitig eingestellt zu sein, ein Bild von
wertvollem, jungstem Gegenwartschaffen geben sollen.
Die erste dieser Veranstaltungen bringt Besprechungen
von Kunstfragen der Gegenwart, musikalische Dar-
bietungen von Werken Strawinskys, Kreneks,
Hindemiths u. a. durch erstklassige Vortragskrafte,
Rezitationen von Dichtungen Bert Brechts usw. Audi
die moderne bildende Kunst soil in Ausstellungen
neben Vortragen und Besprechungen eingehender
gezeigt werden. An die Spitze der Bestrebungen
traten der Kunsthistoriker Dr. Walter Konig-Beyer
und der durch seine Kammermusikabende weit uber
die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannte Primarius
des Reichenberger Streichquartettes, Rudolf Holdgriin.
Bei der 11. Jahresversammlung des Verbandes
der deutschen Konzertdirektionen e. V., die in
Berlin stattfand, wurde einstimmig eine Resolution
angenommen, dafi der Verband der deutschen
Konzert-Direktionen, dem fast alle namhaften
deutschen Firmen angehoren, mit alien Mitteln auf
die Kiinstler einzuwirken versucht, urn einen Abbau
der Stargagen in Anbetracht der schweren wirtschaft-
lichen Lage zu erreichen, was sich wiederum in
billigeren Preisen fiir die Konzerte bereils in der
kominenden Saison auswirken soil. Es ist anzunehmen,
dafi auch die prominenten auslandischen Kiinstler, die ja
fast alle dem deutschen Musikleben die Forderung ihrer
Karriere verdanken, sich bereitfinden werden, in der
Zeit der schweren Wirtschaftslage, die sich insbeson-
dere bei den deutschen konzertgebenden Vereinen
und Konzertgesellschaften auswirkt, einem ent-
sprechenden Abbau ihrer Gagen zuzustimmen.
Der Direktor der Staatlichen Schlosser und Garten
veranstaltet in der Eosanderkapelle des Schlosses
Charlottenburg allsonntaglich Orgelkonzerte auf der
Sclinitger-Orgel von 1706, die im vorigen Jahre durch
den Orgelbaumeister Kemper in Liibeck wiederher-
gestellt worden ist.
In dem Preisausschreiben des Musikverlages Ed.
Bote & G. Bock, Berlin W. 8, fur eine neue ^Deutsche
Volksoper" hat das Preisrichterkollegium einstimmig
festgestellt, dafi leider keine der in grofier Zahl
eingereichten Opern den Anforderungen des Preis-
ausschreibens entsprochen hat, so dafi der ausge-
schriebene Preis keinem der Werke zuerkannt werden
konnte.
Vor Jahresfrist wurden alle Komponisten, ins-
besondere die Kirchenmusiker, in einem durch die
Presse verbreiteten Aufruf zur Mitarbeit bei einem
neu zu schaffenden Vorspielbuch zum Deutsclien
Evangelischen Gesangbuch aufgefordert. Gewunsclit
war die anonyme Einsendung von einfach verstand-
lichen und leicht auch auf der kleinsten Orgel spiel-
baren Orgelchoralen, also schlichte Gebrauchsmusik.
In unabhangiger Priifung durch die Herren Professor
Dr. H. Keller. Landeskirdienrat Dr. Christhard Mahren-
holz und Professor Wolfgang Reimann solllen dann
etwa 250 der besten ausgewahlt und zu einem
Vorspielbuch zum DEG vereinigt werden. Trotzdem
die Beteiligung sehr lebhaft war - gegen 1000
Manuskripte — und trotzdem zahlreiche namhafte
Komponisten und Kirchenmusiker der Gegenwart
Manuskripte einsandten, mufi auf eine Durchfuhrung
des Planes verzichtet werden, da nur etwa ein Dutzend
Orgelclwrale restlos den Anforderungen entsprachen.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen Fur die Schnftleitungu.BesprechiuigaatuckenachBerliii-Charlottenburg 2, Berliner Strafie 46 (FernrufFraunhoferl371Jerbeten.
Die Schriftleitung bittet vor Zusendung yon Manuskripten um Anfrage mit Riickporto. Alle Rechte fiir aamtliche Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich fur den Teil „Musikleben": Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag: Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag: MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten5; Femaprecher: 41441 : Telegramme: MELOSVERLAG; Postscheck nur Berlin 19425 •
Auslieferung in Leipzig: KarlatraGe 10
Die Zeitschrift eracheint am 15. jeden Monats. — Zu beziehen durch alle Buch- und Musikolienhandlungen oder direkt vom Verlag.
Da§ Einzelheft kostetl.25Mk. ( das Abonnement jahrl. 10. -Mk., halbj.5.50 Mk, yiertelj. 3. - Mk. (zuzugl. 15 Pf. Porto p.H., Ausland 20 Pf. p. H.J
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Kammermuaik
(Fortsetzung aus dem Juli-Heft)
Rwth-Quartett (Paris): Honegger; Milhaud; Vogel
St. Galler Streichquartett: Ravel
LeTrioFilomusi(Brussel): Casella; Copland; Fauri;
de Maleingreau ; Martinu; Pijper; Pizzetti; Roussel
Weiidling-Quartett : Debussy; K. Bleyle
Wiener Streichquartett (Kolisch-Quartett): Bartok:
op. 17; Berg, op, 3, Lyrische Suite; Bloch: Kla-
vierquintett; Butting: Kleine Stiicke, op. 26; Ca-
sella : Concerto ; Eisler : Duo, op. 7 ; Grunberg:
Four Indisretions; Hauer, 5 Stocke op. 30; Hinde-
mith: op. 22; Hoerde, Pastorale etDanse; Honegger:
I. Streichquartett; Jarnach: Serenade op. 24; Jem-
nilz: Streichtrio op. 27; Kodaly: op. 10, Serenade
op. 12; Korngold: op. 16; Krasa: Streichquartett;
Krenek: op. 20; Labroca : Streichquartett; Mali-
piero : Stornelli e Ballate ; Schonberg
Winterthurer Streichquartett: C. Beck: Konzert
fur Streichquartett und Orchester ; Ehrenberg :
op. 20; Hindemith: op. 32; Jarnach: op. 16;
Kaminski; Quintett (mit Klarinette und Horn);
Petyrek: Sextett (mit Klarinette)
Gesang:
Gertrnd Alftan: Jaqnes Beers: 3 Chansons pour
danser ; Hindemith : Serenaden ; Milhaud : Hebra-
ische Volkslieder; H. Eeutler : Kussische Lieder;
Strawinsky : Chants russes.
Margarete Babajan: Hindemith
G. Baklanoff: Gretchaninoff
Maria Basoa: Gretchaninoff
Helen Bodmer : Debussy ; Honegger; Respighi ; Roussel;
Schoeck
Use Bohme: Jos. Marx; E. Moritz; J. Weismann
Margnreta Burrey : Hindemith : Marienleben
Hildegard von Buttlar: Bloch; Braunfels; Hmde-
tnith: Die junge Magd; Jarnach: op. 15; Milhaud:
Poemes juifs; Respighi: U Tramento; Seiber;
Strawinsky: 3 Histoires pour enfants, Berceuses
du chat; Wetz; H. Zilcher : op. 41 (Dehmel-Lieder)
Hedwig Cantz: H.Reutter: Introduktion, Hymnus und
Choral (Alt-Solo).
Clare von Conta: Graener: Aus op. 21 und 30;
Haas: Lieder des Glucks, Heimliche Lieder,
Unterwegs, Gesange an Gott, Christuslieder, Tag
und Nacht; Hindemith: 8 Lieder op. 18; Marien-
leben ; Stephan : Lieder mit Klavier (auch mit
Orchester); Toch: Die chinesische F18te; Winds-
perger: op. 24 und 25, Fremder Sang
Tiny Debiiser: Hindemith; Toeh
Hertha Dehmlow: F. o. Borries: Ernste Gesange;
H. J. Moser
Lily Dreyfus: Windsperger
Dona Dnrigo: Bartok: op. 16; 5 Lieder nach A. Ady;
Ungarische Volkslieder; Falla; Spanische Volks-
lieder; Fortner: Marianische Antiphonen; Schoeck
Nfcchdruck nur mit besonderer Erlnubnis.
Anne Fellheimer-Hirsch : Hugo Hermann : Lieder nach
HSlderlin, Herbstlieder, Hymne a. d. Nacht, Galante
Feste; E. Malliesen; Kodaly; H. Reuttei : Missa
brevis, .Die Weise von Liebe und Tod" (Rilke);
/. Weismann: Lieder naeh Rilke, Cale, Tagore;
Windsperger
BettinaFrank: Liederv. W.Gernsheim,A.Gretchaninoff,
J. Haas, W. Hirschberg, Jtor Kahn, J Klaas,
E. G. Klussmann, U. Kl. Langer, N. Medtner, W.
Rettich, E. Rhode, C. Schadewitz, H. Schalit,
J. P. Seller, M. Trapp, J. Weissberg
Alice Frey : Beck : 3 Herbstgesange ; Petyrek
Rose Fuchs-Fayer : Grosz; Kaminski; Kodaly
Anne-Marie Geiger: Debussy; Honegger; Kodaly;
Roussel
Ria Ginster : Knob ; Prokofieff
Kate Grmidmann : Grosz : Liebeslieder op. 10, 5 Lieder
nach Bethge ; Haas : Lieder vom Leben ; Hindemith :
Sing- und Spielmusiken ; Kilpinen: Lieder
Paul Giunnier : Graener : Galgenlieder ; Jokl; Kqftaly;
Sachse: Partita fur Bariton und Violine
Wilhelm Guttmann: Barlok: Volkslieder; Busoni:
Goethe-Gesange; Jarnach; Schalit; Schramm:
Toller-Zyklus; Herm. Unger; Jul. Weismann
Else Haedge : Gal: Geistl. Gesange ; Kaminski : Braut-
lied, 3 geistliche Lieder
Adrienne v. Haniel : Haas : Gesange an Gott
Gertrude Hepp: Haas
Kuzena Herlinger: Analol; Berg: Fragmente aus
„Wozzeck", Lieder; Caplet; Debussy; Delage;
Ewseef; de Falla; Hindemith: Serenaden;
Honegger; Jirak; Karapti; Kornauth; Krenek:
Lieder mit Instrumenten; Mjaskoswky; Nin;
Nouotny ; Pisk ; Ravel ; Roussel ; Satie; Schonberg;
Strawinsky: 3 Poemes de la lyrique jap'onaise
(auch mit Instrumenten); Webern ; Weill:
Frauentanz; Vycpalek : Lieder
Marg. Hinnenberg-Lef &bre : Eisler : Zeitungsaus-
schnitte; Kaminski: „0 Menschenherz", „Geistliches
Taglied", „Geisiliches Wiesenlied'; Emil Peters:
KantatefurSolo-Sopranu. kl. Orchesler; Schonberg:
Die hangenden Garten
Hans Hoefflin : Klemperer; Schonberg ; Windsperger
ErnavonHoesslin: Hindemith: Junge Magd; Pftlzner;
Ref/er; Schiveck; Schonberg: Hangende Garten,
fismoll Quartett; Respighi
Hans Hoffmann: Hindemith: op. 18; Kaminski:
69. Psalm; Krenek: „0 Lacrymosa"; Schonberg:
George-Lieder ; Stephan: Lieder; Tftomas: Nietzsche-
Lieder
Felicie Hiini-Mihaosek : Berg; Debussy; Francken-
slein; Gal; Grosz; Hindemith; Honegger; Korn-
gold; Ravel; Schoeck; Schonberg; Schreker;
Schulthess
Maria Hnssa : Krenek
Emmy Joseph: Braunfels: Prolog der Nachtigall;
Debussy : Ariettes oublies ; Grosz : Liebeslieder ;
Fortner: Fragment Maria; Haas: Lieder des Gliicks;
Krenek: O Lacrymosa, Konzertarie; Ravel: Chan-
sons; Schonberg: II. Streichquartett; Stephan:
Lieder; Strawinsky: Pastorale, Deux. Poemes;
Toch: Chinesische Flote, Lieder; Zilcher: Marien-
lieder (mit Streichquartett).
Die V eroffentlichung wird forlgesetzll
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Bergese) / B 2 Ubung fur Schlag-
werk II (Hans Bergese) /CI Ubung
fur Chor u. Schlagwerk (Carl Orff) /
D 1 Ubung fur Stabspiele (Hans
Pergese) / E 1 Spielstiicke f. kleines
Schlagwerk (Hans Bergese) / E 2
Spielstiicke fur kleines Schlagwerk
(Gunild Keetman) / F 1 Ubung fur
Blockfloten (Hans Pergese) / G 1
Spielstiicke fur Blockfloten (Gunild
Keetman) I H1 Spielstiicke f. Block-
floten u. kleines Schlagwerk)' Gunild
Keetman) / 1 1 Tanz- u. Spielstiicke
fur Schlagwerk (Gunild Keetman)
Ausfuhrlicher Prospekt in Vorbereitung.
Siehe auch den Beridit in diesem Heft und
denAufsatz von Fritz Reusdi in Nr. 5j6 des
„WEIHERGARTEN" (Maijjuni)
Von CARL ORFF erschienen ferner
(ausfiilirliche Angaben siehe Verzeichnis
„ZeitgenossiscJie Musik") :
Chor:
Catulli Carmina l/II. Chorsatze
a cappella
Gemeinschaftsmusik :
Cantus firmus-Satze I fur Sing-
stimmen oder Instrumente
Werkbuch I. Kantaten nachF.Werfel:
I Veni creator spiritus / II Der gute
Mensch / III Fremde sind wir
Werkbuch II : Vom Friihjahr, vom
Oeltank und vom Fliegen (Brecht)
Kammerorchester:
Kleines Konzert nach Lauten-
satzen aus dem XVI. Jahrhundert
Claudio MONTEVERDI
in Neugestaltung von CABL ORFF
(siehe ausfuhrlichen Sonderprospekt)
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Baden-Baden
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VIII. Deutsches Regerfest
der Max Reger- Gesellschaft
Samstag, 1. Oktober
15.30 Uhr :
1 . Introduktion und Passacaglia d-moll furOrgel
2. Fest-Vortrag
Prof. Dr. H. Stein, Kiel
xPersonliche Erinnerungen an Reger«
3. Introduktion, Variationen und Fuge op. 78
fur Orgel
(Solist: Arno Landmann)
20.15 Uhr:
I. Orchester-Konzert
Leitg. : Generalmusikdirektor Ernst Mehlich
1. Sinfonietta
2. Klavier-Konzert
3. Eicheudorff-Suite
(Solist: Rudolf Serkin)
Sonntag, 2. Oktober
11.15 Uhr:
Morgenveranstaltung
1. Klavier-Quintett c-raoll (posth.)
2. Lieder
3. Introduktion, Passacaglia und Fuge
fur 2 Klaviere
(Solisten : Magda Spiegel, Alt
Hans Bruch, Lene Weiller-Bruch, Klavier
Das Streichquartett des Stadt. Orchesters:
(Assmus, Stennebriiggen, Hoog, Voland)
20.15 Uhr:
II. Orchester-Konzert
Leitg. : Generalmusikdirektor Ernst Mehlich
1. Ballett-Suite
2. An die Hoffnung
3. Hiller- Variationen
(Solistin: Magda Spiegel)
Abonnementspreise fur samtliche Veranstaltungen
RM. 10. - ,7.50,5. - /EinzelpreiseRM.l. - bis4.-
Anfragen und Bestellungen an die
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Neu revidiert von Bernhard Paumgartner,
enthalten zum ersten Male die Variationenwerke
»La Bergere Celimene« und »Helas, j'ai perdu«
»Die Ausgabe hat bei alien, die sie gesehen haben, ungeteilten Beifall gefunden. Ich selbst bin begeistert und werde diese
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Neu revidiert von Maxim Jacobsen
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Hans Gal, Balletfsuite liir kleines Orchester
Paul Hindemiih, Philharmonisches Konzert,
Variationen fur Orchester
— Konzertmusik fur Streichorchester u. Blechblaser
Paul Kadosa, I. Sinfonie fur Kammerorchester
Nik. Lopafnikoff, I. Sinfonie
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— Kleine Ouvertiire
Igor Markevitch, Concerto grosso
— Rebus, Ballett-Suite
D. Mariinu, Partita fur Streichorchester
— Serenade fur Kammerorchester
Josip Slavenskl, Balkanophonia
Igor Sirawinsky, Scherzo fantastique
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Ernsi Toch, Kleine Theater-Suite
— Bunfe Suite
Solo-Instrumente mit Orchester
Klavier:
W. Fr. Bach, Concerto c moll fur Cembalo (oder
Klavier) und Streichorchester (EickemeyerJ
Paul Hindemiih, Konzertmusik fQr Klavier,
Blechblaser und Harfen
John Ireland, Klavierkonzert Es-dur
Paul Kadosa, Klavierkonzert Nr. 1
Nik. Lopafnikoff, Klavierkonzert Nr. 2
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Igor Markevitch, Konzert fur Klavier und
kleines Orchester
— Partita
Hermann Reuiier,
obligatem Klavier
Alex. Tscherepnin,
Konzerl fiir Orchester mit
Klavierkonzert in B
Ernsi Toch, Klavierkonzert
Orgel:
Wolfgang Foriner, Konzert fur Orgel und
Streichorchester
Paul Hindemiih, Konzert fiir Orgel und
Kammerorchester
Violine:
Joh. Benda (1713-1752), Violinkonzert, heraus-
gegeben von S. Dushkin
Parliiuren auf Wunsdi zur Ansidii
Soloinsirumenie m. Orchester (Violine) ferner :
Paul Hindemiih, Konzert fur Solo-Violine und
grofeeres Kammerorchester
Hermann Reuiter, Violinkonzert
Igor Strawinsky, Violinkonzert
Violoncello:
Paul Hindemiih, Cellokonzert
B. Mariinu, Cellokonzert
W. A. Mozarf, Konzert D-dur. Nach dem Horn-
konzert frei bearbeitet von G. Cassado
Franz Schubert, Konzert a-moll. Nach der
Arpeggione-Sonate frei bearb. v. G. Cassado
S. Tartini, Concerto (./?. Hindemith)
Ernst Toch, Cellokonzert
Oboe:
Conrad Beck, Concerto fur Oboe u. Orchester
Streichquartett:
Conrad Beck, Konzert fiir Streichquartett und
Orchester
B. Mariinu, Konzert fiir Streichquartett u. Orchester
Chorwerke
Joseph Haas, Die heilige Elisabeth. Volksoratorium
fQr Sopran-Solo, Sprecher, gemischten Chor,
Kinder- und Mannerchor mit Orchester. Text
von W. Dauffenbach
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Paul Hindemiih, Das UnaufhOrliche. Oraforium
fiir 3 Soli, gemischten und Knaben-Chor,
Orchester und Orgel (ad lib.). Text v. G. Benn
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darunier in Berlin, Bottrop, Dortmund,
Hannover, Konigsberg, Mainz, Mannheim,
Wiesbaden, Zurich, Basel, Wien, New York
Hermann Reuiier, Der grofie Kalender
Oratorium fiir Sopran- und Bariton-Solo, ge-
mischten Chor, Kinderchor, Orchester und
Orgel (ad lib.). Text von L. Andersen
Gesang mit Orchester
Ernsi Toch, Musik fiir eine Baritonstimme und
Orchester nach R. M. Rilke
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solo, Chortenor und Orgel
Op. 8 Drei schlichte Weisen ^ or Manner
Op. 9 Streichquartett &o*a"io™ en '
Op. 10 Sechs Gedichte ^ r Gesans und Kla
Op. 11 Vier Mannerchbre
Op. 12 Vier Gesange mit Kiavierbegidtung
Op. 13 Vier Gedichte i&tt&o.
Op. 14 Zweites Trio Es-durff^T^;
Op. 15 Vier Gesange mit Kiavierbegieuung
f. Gesang
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Klavier
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Op. 17 Zwei Mannerchbre
Op. 18 Chilbitzyte
Op -■
Op. 20 Sechs Klavierstiicke
Op. 21 An die HoffnUng fur Mannerchor
Op. 22 Drei Gedichte <£• S2ch„ r
Op. 23 Vier Gedichte fiir Gesang und Kl.vier
fiir zwei Singstimmen mit
Kla vier
i. 19 Vater unser £d STP Frauenchor
ftir Mannerchor und Or-
chester
Blasorchester •
8 Lieder fiir Tenor und
Orchester
Op. 28 Magentalied
fln 9Q ^tpoinhtrin ind-moll fiir Violine, Viola u.
Up. CX) Oil tilbllUlU Violonc.(Nurnochleihweise)
Op. 31 SillfOnie in C-dur fiir grosses Orchester
Op. 32 RhapSOdie fiir Violine und Orchester
Op 33 Streichquartett Nr. 2 in .-m„n
Op. 35 Musik fiir Orchester Nr. 1
Op. 36 Hdheres Leben mr Mannerchor und
Op. 37 „Li-tai-pe"
Sechs alte Soldatenlieder far Mannerchor
Sechs Studentenlieder ra r Mannerchor
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Marsch des Schiitzenbataillons 3
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Partitur ... Ed. Nr. 3496 M. 2. -
Stimmen . . Ed. Nr. 3151 M. 8. -
PRESSESTIMMEN VON DER ZURICHER AUFFUHRUNG
DES ALLGEMEINEN DEUTSCHEN MUSIKVEREINS
Wenn man einmal den
» . . eine von der ersten bis
zur letzten Note entzticken-
de, einfallreiche, prachtvoll
melodioae und rhythmisch
lebendige Muaik . .«
P. Becker
Kieler Zeitung
» ..meisterhaftgelockertund
voll musikalisch immanen-
tem Ceist und Witz im Satz :
einfach ein Stuck guter,
gliickhafter, wederzeit- noch
unzeitgemdfier und deshalb
fast zeitloser Musik . .<
Einstein j Berliner Tageblatt
>. . daa Quartett strotzt von
herrlicher Melodik, iat sehr
Jfein gearbeitet und klingt
vortrefflich , .«
W. Altmann
Dresdener Anzeiger
Ansiciitsmaterial bereitwilligst
Ausdruck „begluckend" an-
wenden darf, so darf man
ihn dem Werke Gals bei-
legen . .«
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Einschlag, das Scherzo mit durchgehender Stakkatowirkung,
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instrumente.., »Jazzmusik«, »Jugendmusikbewegung«, »Rundfunk», »Volkslied«J, umgekehrt von Stich-
worten aus aul diese Artikel, sodafl man jeden Begriff im Zusammenhang seiner Umwelt kennen lernt.
Man liest weiter, an welche Seiie des Buches man auch
hinkommt, so fesselt der pragnante Stil des Verfassers
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IM BAR E N R E ITE R -VE R LAG ZU KASSEL
310
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I NIKOLAI
LOPATNIKOFF
Klavier-
Konzert
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OP. 15
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dem Musikfest der Intern.
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Musik in Wien 1932
Leipziger Neueste
Nachrichten • Aber; \
. . Da ist endlich wieder einmal ein \
solistisches Werk, dem man den ;
: gleichen atiirmiadien Erfolg, den es \
'- nier auf dem Wiener Fest fand, audi ;
in alien Konzertsalen propuezeien \
kann, wo immer ea erklingen wird.
Ein prachtvolles klarea, thematiach '■
bedeutaamei und mit sicherater ]
- Kenntnia dea Klaviera und seiner ;
Wirkungen gearbeitetea Stuck von |
; edit em »konzertierendemc Geist er- \
: fullt. Die drei Satze des Werkea ;
: fuhren von einem kraftvollen, durch \
: schone lyrische Episoden unter- ;
: brochenenAllegroubereinkanzonen- :
: artiges Andantino zu einem in '■
: echtestem Muaikanteniibermut ein- :
: heraturmenden, witzigen Finale. Daa :
Canze von einer stdiatischen Ge- :
: achlosaenheit und einer peraonlichen :
: Eigenart, die dem Werk nur Freunde :
: gewinnen kann . . . «
Nouo Freie Presse, Wien:
» . . . Ala starkste Muaikindividualitflt
: liefi ein Klavierkonzert den Ruaaen :
Lopatnikoff erkennen. Gleich daa :
■ erate Allegro mit aeinem brillanten \
: K La vi ersatz, deni mit dramatischen \
Spannungen geladenen Orcheater '-.
verrat neben alien Experimenten :
: mit klanglicher Herbigkeit und ;
■ wediselnden Taktarten feate Hand \
■ und geataltenden Willen . . . <
; Auffuhrungen in Berlin, Dussel-
dorf, Genf, Konigsberg, ;
Munchen, Winterthur u. a. O.
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ERNST J ^^^^H
Musik fur eine
Baritonstimme
und Orchester
op. 60
Nach Versen von
R. M. Rilke
ZURICH
TONKUNSTLERFEST
1932
». . . Wenn cb eine neue weltkirchliche
Musik gibt, dann aieht sie aua wie dieae,
die Rilkea Verae nidit vertont, fiir die
RilkesWort und Bild nur sinngebend aind.
Dieae j.beacheidene" und sparaame und
doch im Lauten und Leisen geprfigte, ee-
spannte, lapidare Muaik war fur mich der
groflte Gewinn dea Featea . . .«
Einstein im Berliner Tageblatt
j>. . . Daa sdiweratwiegende dea Abenda
bot Ernat Toch . . . Dem griibleriachen
Tiefainn dea inatrumental bedeutungavoll.
umrahmten ersten Teila folgte mit dem
zweiten eine extatiache Uberateigerung dea
bildhaften Gotteaerlebniases, die in faat
zermiirbend diaaonanten und in ihrer
Ganzheit aich doch zu gewaltiger GrGfle
erhebenden Blaaerakkorden ihren unerhort
eindringlichen Abschlufl findet . . .*
Signale, Berlin
». . . die funkelnde, farbenfrohe Partitur,
makelloa gemacht wie allea von Toch,
hieb- und atichfeat in jeder Sechzehntel-
note, uberwaltigend in der Blechorgie
zwiachen 3. und 4. Teil, hat audi hier
starken Eindruck gemacht , . .«
Stuckenschmidt
in der Vossischen Zeitung
Anslchtsmaterlal bereitwilligst
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von Hugo Riemann, welches seit der 9. Auflage Alfred Einstein
betreut, ist durch die Ungunst der Zeit filr viele Musiker und
Musikfreunde unerschwinglich geworden. Der Herr Herausgeber
hat sich zu einer einbandigen Neubearbeitung nach der 11. Auf-
lage von 1927/29 nicht entschlieften konnen. So haben wir nun,
den veranderten wirtschaftlichen Verhaltnissen Rechnung tragend,
den bekannten Verfasser der „Geschichte der deutschen
Musik" gewonnen, ein ganz neues Nachschlagewerk zu ver-
fassen, das alles enthalt, was voraussichtlich von Tonkunstlern und
Laien praktisch erfragt wird und das von jedem angeichaffi
werden kann.
Naturgemafi treten fur Prof. D. Dr. Moser, al* dem Direktor
der ttaatl. Akademie fur Klrchen- und Schulmusik die musik-
erzieherischen Gesichtspunkte starker in den Vordergrund als ehe-
dem, wie es im Sinne unserer Zeit liegt. Prof. Moser ist besorgt
gewesen, auch alle musiktheoretischen Artikel so weit als moglich
auf den Stand allgemeinguliiger Anschauungen zu bringen. Auch
in peraonellen Aufsatzen ist Moser bemiiht gewesen, moglichst
eieengepraete Wfirdigungen zu bringen, die sich von Biographie,
Werkverzeichnis und Literaturangaben klar abgliedern.
Das neue Nachschlagewerk wird Bich infolgedessen rasch
seinen Platz als unentbehrlicher Berater und Auskunfterteiler
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MUSIK
Ed.Nr. CONRAD BECK M.
2132 Sonatina 2.50
2244 Zwei PrSludien 2.50
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2241 Aus tiefer Not, Variationcn, op. 28 Nr. 1 2.50
2242 In dulci jubilo, Variationen, op. 28 Nr. 2 2.50
2243 Faniasie, op. 32 2.—
W. FORTNER
2101 Toccata und Fuge 2.50
3320 Konzert fur Orgel und Streichorchester,
Partitur (Orgelslimmc) 4.—
P. HINDEMITH
1897 Konzert fur Orgel und Kammerorchester,
Op.46Nr.2, Solostimmc 6. —
PH. JARNACH
2067 KonzertstOck, op. 21 2.50
A. LANDMANN
1886 Fantasie uber den Choral: Herzliebster
Jesu, op. 4a 1.50
1887 Secbs Choral-Improvisationen, op. 4b . 3. —
1889 Sonate bmoll, op. 9 6.—
1890 Vier Vortragsstuckc, op. 10 3 —
1891 Passacaglia and Fuge bsdur, op. 11 . . 3. —
1892 Variationen uber den Choral : „ Wer nur
den lieben Gott lait walten", op. 12 . 2.50
A. MOESCHINGER
2102 op. 17, Introduktion und Doppelfuge . . 2.53
PAUL MOLLER-ZORICH
2116 op. 12, Toccata, Cdur 2.50
M. RAVEL
3029 Pavane fur Orgel oder Harmonium . . 2.50
M. REGER
311 Drei Orgelstflcke, op. 7 2 —
- daraus: PrSladinm and Fage . . . . 1. —
310 Suite emoll, op. 16 2.—
- daraus: Passacaglia 1.—
1893 Vonpiel n Komm iu£er Tod" 1.—
H. SCHROEDER
2188 Fantasie, op. 5 b 250
2221 Kleine PrSmdien und Intermezzi . . . 2.50
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(K.-V. 447)
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Aus den Pressestimmen uber die
Auffiihrung auf dem Wurzburger
Mozartfest :
> . . . Der Beifall war gronzenlos . , .<
Frunkipches Volkjblatt
i . . . ein sehr abgeschloaacn und ubcrzeugend
wirkendei Kunatwerk . . .> Frunkiseher Kurier
» . . , Caaaado iat mit ao vicl Cefldimark vorge-
gangen, doG tntauchlich von ciner wertvollcn fie-
reicnerung der CellolitcraLur gcaprochen werden
kann . . .. I'riinkischcr Volksfreund
Franz Schubert
Konzert
fur Violoncello und Orchester
Freic Bearbeitung nach der Arpeggione-Sonate
Fiir Violoncello und Klavier
Ed. SchottNr. 1550 M. 5.-
— Aus den Pressestimmen t —
«... Diesseitigkeic und Jenaeitigkeit Schubertscher
Muaik werden dem Hflrer aelten zu «o bealOrzendcm
Erlebnis geworden Bein, "wie ea hicr geachah.
Wunderbar gefeilt audi die orchcatralo Bcgleitung.
Daa Publikum war ergriffen und begeiatert . . .«
Tempo, Berlin
B. Schott's Sohne • Mainz
314
Biite betUhen Me sidt bet alien An/ragen auf MELOS
Heft 10
11. Jahr
Oktober 1932
Theater
Gefesseltes Theater
Eine Betrachtung zum Spielzeitbeginn
Karl Laux
Wenn man sich dariiber klar werden will, was es bedeutet, dafi aus dem „ent-
fessell en" Theater ein gefesseltes Theater zu werden droht, so mu£ man riickschauend
das Dutzend Jahre betrachten, an dessen Grab wir stehen.
Ein Dutzend Jahre nach dem Krieg war dem freien, dem „entf esselten"
Theater beschieden. Seine Entstehung liegt vor dem Krieg. Tairoff, von dem der
Ausdruck stammt, nach ihm Meyerhold, haben das Theater von den Fesseln des
Naturalismus, des Realismus gelost. Der Tanzer Diaghilew, Entdecker grofien Stiles,
verpflichtet um 1910 die grofien Maler, die grofien Komponisten seiner neuen Buhne;
Jean Cocteau gibt die theoretische Grundlage. „Ein Kunstwerk mufi alien neun Musen
dienen", heifit es da. Dieses Kunstwerk ist das Bxihnenwerk. Die Buhne wird zum
Sammelpunkt. Das Theater wird zu der Statte aller geistigen Auseinandersetzung.
Nach dem Krieg erst kann die Saat aufgehen. Wer weifi, wie es ohne den Krieg
geworden ware. Die Revolution, die Rufiland, die Deutschland durcheinanderwirbelte,
machte aus dem theoretischen Asthetisieren der Franzosen eine praktische Philosophic
Die Deutschen brachten die Anregungen in ein System. Aufierstes Extrem: Piscator,
das Bauhaus, Gropius und Schlemmer. Mittlere „burgerliche" Linie: Jiirgen Fehling,
Gustav Hartung und die grofie Reihe ausgezeichneter Regisseure an Deutschlands
Stadtetheatern, die die Anregungen der Avantgarde aufhahmen und mehr oder minder
selbstandig weiterbildeten.
Sie taten es in der Auswahl der Werke. Es ist kein Zufall, dafi die Zeit des
Tanzes kommt. Er ahmt das Leben nicht nach, er stilisiert es. „Tatsachen nachahmen,
heifit sie ausstopfen". Wir wollen aber auf der Buhne kein Naturalienkabinett. Wir
wollen das Leben. Sie taten es im Darstellungsstil. Bei Tairoff wird die ganze
Darstellung in Tanz aufgelost. So wie Cezanne in seiner Malerei die Natur nicht mehr
nachahmte (was auch die grofien Meister der Vergangenheit im Ernst nicht wollten),
sondern sie charakterisierte, so riickte auch das Theater von der blofien Nachahmung ab.
Das Theater hatte sich selbst befreit- Das deutsche Theater vor allem. Man
nahm die Anregungen, woher sie kamen. Aus Frankreich, aus Rufiland. Denn man
war auch organisatorisch frei. Es gab keine Partei, die das Theater beherrschen wollte.
Aber es gab ein Publikum, das an diesem entfesselten Theater interessiert war.
Sei es, dafi es — wie bei Piscator — weltanschaulich mit dem Theaterspiel und dem
Theaterstil zusammenhing, dafi aus einer Weltanschauung, sagen wir sogar: dafi aus
einer Partei schopferisches Theater entstand. Sei es, dafi das Publikum die theatralische
315
^mmmmmmmmmmmmm
FI Es ist nicht Aufgabe des Staates, Kultur zu machen"
Reform geistig mitmachte, begriifite, forderte aus dem Verstandnis fur die Echtheit, fiir
die Notwendigkeit dieser Reform. Denn das Publikum selbst war frei geworden, war
„entfesselt", sozial und geistig. Neue Scbichten von Publikum drangten ans Licht, ge-
wannen Verhaltnis zum Theater. Darum mufite dieses Theater selbst neu sein, „ent-
fesselt" von alien Vorurteilen und Bindungen einer zerscblagenen Welt. Sei es, dafi das
Publikum aus rein asthetischer Freude diesen neuen Theatergeist begriifite, sich mit-
fortreifien liefi von der Kiihnheit, der Originalitat des Stils. Was so weit gehen konnte,
dafi ein Parkett eleganter Fracke und edelsteingeschmuckter Abendkleider Piscator zu-
jubelte. L'art pour l'art, in einem ganz neuen Sinn. Aber auf alle Falle: Theaterkunst
aus der Idee Theater heraus. Theater um des Theaters willen.
Unter das alles wird nun ein dicker Strich gemacht.
Das Theater hat seine Freiheit verloren. Es steht unter der Herrschaft der Politik
und es steht unter der Herrschaft der Finanzministerien. Bleiben wir bei den
letzteren. Der preufiische Staat schliefit die Volksoper am Platz der Republik (es ist
bezeichnend, dafi es gerade diese von Klemperer in fortschrittlichem Geist geftihrte
Biihne war, und es ist wie ein Symbol, dafi diese Biihne ihren Namen von der Bepublik
hatte), schliefit das Schillertheater, schliefit die Kasseler und Wiesbadener Staatstheater.
Einer Delegation von Schauspielern und Buhnenarbeitern des Schillertheaters gegeniiber
erklarte der Finanzminister : „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Kultur zu machen.
Dies soil den Privatunternehmern uberlassen werden. Nicht nur das Schillertheater,
sondern audi das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wird, wenn ich im Kabinett
damit durchdringen kann, geschlossen werden." Das Beispiel des Staates. Die Stadte,
die ihr Theater schliefien oder bis auf ein Minimum einschranken, konnen sich leicht
darauf berufen. Theaterkommissioaen, Stadtrate und ahnliche Formationen, die 'den Etat
zu bestimmen haben, werden in die gleiche Tonart verfallen und sagen: „Uberlafit die
ernste Kunst den Unternehmern. Spielt so, dafi ihr Geld verdient!" Maximen fiir einen
Intendanten von 1932 ...
Aber ist es nicht leichtfertig, in diesen schweren Zeiten dem Zuschufitheater das
Wort zu reden? Nein. Es ist eine kulturelle Pflicht. Im Juli-Heft der jjMusik 4 ' hat Paul
Bekker, der bisherige und letzte Intendant des Staatstheaters Wiesbaden, in einem
Aufsatz „Die Not des Theaters" auf die heute vielfach herrschende Verstandnislosigkeit
gegeniiber der Sendung des Theaters hingewiesen. Es heifit da: „Entweder wir leugnen
iiberhaupt die Moglichkeit und Sinnhaftigkeit irgendeines Gemeinschaftsbesitzes oder
Gemeinschaftswertes. Damit leugnen wir die Idee der Gemeinschaft iiberhaupt — was
so abstrus ist, dafi es sich nicht lohnt. dariiber zu diskutieren. Oder wir erkennen die
Gemeinschaft, sei es zunachst auch nur im Sinne einer praktischen Interessengemein-
schaft an, — dann ergeben sich alle anderen Forderungen zwanglaufig. Denn es ist
zunachst iiberhaupt falsch, den realen Besitzwert der kulturellen Giiter, mogen sie nun
Schule, bildende Kunst oder Theater heifien, zu leugnen. Ich lasse hier ihre sehr realen
politischen Wirkungen aufier Betracht, da sie meist nur unbeabsichtigte und nicht stets
erfreuliche Begleiterscheinungen sind. Ich will auch bei den Theatern gar nicht von
ihrer Bedeutung als Umsatzstellen, als Anreger des gewerblichen und wirtschafilichen
Gemeinschaftslebens sprechen. Uber dies alles hinaus ragt doch die Tatsache, dafi diese
geistigen und kulturellen Dinge in Wahrheit die einzigen realen Besitztiimer sind, die
316
Gartenlaubentheater und Militarmarsche
wir uberhaupt haben. Gewifi, wir konnen sie nicht in Stahlkammern legen und Kupons
abschneiden, — aber haben wir nicht zur Geniige die Erfahrung von der zweifelhaften
Beach affenheit dieser Giiter gemacht?"
In einem solchen subventionierten Theater hat allerding9 die Operette keinen oder
doch nur einen sehr untergeordneten Platz. Es mufi dann ein wirkliches Kultur-
th eater sein. Der Wert eines Stuckes, nicht sein Kassenerfolg ist entscheidend, fordert
Bekker. Auch in der sehr weit rechtsstehenden „Deutschen Musikzeitung' - kommt
Dr. Georg Gohler zu der gleichen Forderung.
Dieser „Wert" der Stiicke allerdings wird umstritten sein. Und hier kommen wir
zum zweiten Punkt. Dem deutschen Theater droht eine noch viel schlimmere Fesselung
als die finanzielle, die Fesselung durch die Politik. Aus dem deutschen Theater soil
ein „teutsches" Theater werden. Hinweg mit nichtdeutschen Stxicken, hinweg mit nicht-
deutschen Kiinstlem, hinweg mit nichtdeutschen Ideen. E9 lebe die Autarkie!
Eine eigene Buhne von Niveau hat der Nationalsozialismus nicht auf die Beine
gebracht. Versuche sind klaglich gescheitert. Und was neue Unternehmungen an Planen
mitteilen, das ist so kummerlich, daS es nicht ins Gewicht fallt. Gartenlaubentheater
und Militarmarsche werden ersetzen imissen, was an Dichtung mangelt. Gefahrlicher
aber ist das Bestreben, bestehende Theater zu durchsetzen, „Zellen zu bilden". Gefahrlich
der Weg, iiber den Staat zu einem Theater zu kommen. Schon besteht in Preufien der
Landtagsantrag, keine Juden, keine Auslander zu beschaftigen.
Regisseure, die wegen Unfahigkeit abgebaut wurden, Kapellmeister, die versagt
haben, wittern Morgenluft. Nicht die Stimme auf der Buhne, sondern die Stimme bei
der Wahl entscheidet. Kritiker, die anderer Ansicht sind, werden der Parteilichkeit ge-
ziehen. Die schmutzigsten Motive werden ihnen untergeschoben.
Damit nicht genug. Hinter dieser Manie des Nationalen verbirgt sich
schlimmste Reaktion, die schnell ein Schlagwort gefunden hat: Kultur-Bolschewismus.
Und das ist das allergefahrlichste an dieser „Bewegung". Jetzt endlich ist die Zeit
gekommen, der neuen Musik, der neuen Oper eins auszuwischen, sie auszuwischen vom
Bild unserer Zeit. Sie pafit den Leuten nicht in den Kram. Also ist sie undeutsch.
Alban Bergs „Wozzek" wird, um ein Beispiel zu nennen, von den Mannheimer Haken-
kreuzlern ebenso abgelehnt wie Kreneks „Leben des Orest", beide sind Erzjuden, so
schaumt das Hakenkreuzbanner. Beide sind in Wirklichkeit keine Juden, aber Fort-
schrittler. So wie sie heute verfemt werden, so wurden zu ihrer Zeit Bach, Beethoven
verfemt, ihre Musik wurde mit den gleichen Attributen belegt wie die neue Musik
unserer Tage. (Belege haufenweise.) Immerhin waren es damals musikalische Griinde,
die man dagegen ins Feld fiihrte. Heute braucht man nichts von Musik zu verstehen,
es gibt andere probate Mittel, den Fortschrittsgeist niederzukniippeln.
Die Ruckwirkung auf das Publikum ist katastrophal. Es hangt in den Fesseln
der billigen Schlagworte. Die Theaterbesucher werden verbiestert, nicht nur von
Freunden und Bekannten, sondern auch von jener Presse, der das neue Theater aus
Bequemlichkeitsgninden ein Dorn im Auge war. Und da liegt die tiefste Tragik des
Falles: das gefesselte Publikum bedingt das gefesselte Theater. Aufierkunstlerische
Gesichtspunkte werden in den Theaterbetrieb hineingetragen. Man kann es den Theater-
leitern nicht einmal mehr verubeln, wenn sie zuriickhaltend werden, wenn sie sich in
317
mmi^^^mmmmmmmmmfB^mmfm
Fiir das freie Theater - gegen Schlagworte
ihrem Programm auf das „Gute Alte", auf das „Bewahrte" beschranken. Nicht nur dafi
sie sich bei den Rechtsparteien mifiliebig machen (die ihnen die Subvention entziehen
konnen), sie haben ja auch keine Gefolgschaft, sie wiirden fiir einen luftleeren Raum
arbeiten, venn sie sich nach wie vor fiir moderne Werke einsetzen wiirden.
Dafi sie das eingesehen haben, beweisen die Spielplane der kommenden Spielzeit.
Selbst die mutigsten unter ihnen sind sehr zuriickhaltend.
Von ihnen kann auch die Rettung gar nicht kommen. Das gefesselte Theater
kann sich nicht selbst befreien. Erst wenn es wieder ein Publikum geben wird, da9
frei von Scheuklappen, frei vom Druck aufierkunstlerischer Momente, frei von den
Suggestionen der Schlagworte an das Problem Theater heran und ins Theater geht, erst
dann wird es wieder ein freies, ein entfesseltes Theater geben. Denn das deutsche
Theater ist ein Gemeinschaftstheater. Eine freie Gemeinschaft fiir ein freies
Theater zu schaffen — das muG unser Ziel sein.
Die Historisierung der Oper
in statistischer Darstellung 1} Friednch Herzfeid
1.
Es gilt, die behauptete Historisierung der Oper zu beweisen.
Gegen das einzig giiltige Mittel, die „Zahl" werden alle Bedenken anerkannt. Sie
spiegelt Tatsachen wieder, aber sie vermag nur schlecht, die in den Tatsachen ver-
borgenen Werte zu erfassen. Sie teilt in Gruppen und Untergruppen, was in Wahrheit
tausendfach ineinander greift. Sie errrichtet Mauern zwischen Komponisten, Generationen,
Zeiten, Landern usw., die durch zarte Ubergange ineinander verfliefien. Sie verwandelt
den lebenden Organismus in eine „Materie" — aber sie bleibt die einzige Moglichkeit,
Vorgange und Verhaltnisse eindeutig zu erfassen. Sie allein bericbtigt gefiihlsmafiige
Vorstellungen, widerlegt Schlagworte und mufi daher immer Grundlage einer giiltigen
Beweisfiihrung bleiben.
Um den Stand unseres Opernlebens zu beurteilen, ist es notig, die Entwicklung
ungefahr der letzten 30 Jahre festzustellen. Innerhalb des deutschsprachigen Theaters fand
an Opernauffiihrungen statt:
1901/02 8147
1911/12 11773 = 44°/o Zunahme gegen 1901/02
1929/30 12 479 = 6°/o Zunahme gegen 1911/12
1930/31 11512 = 8°/o Abnahme gegen 1929/30
1931/32 8 153 = 29°/o Abnahme gegen 1930/31
Die Zahl der Auffiihrungen nimmt also seit Beginn des Jahrhunderts standig zu,
erreicht in der Spielzeit 1929/30 einen Hohepunkt und sinkt in der vergangenen Spiel-
') Diese Berechnungen stutzen sich auf den monatlich erscheinenden „Deutschen Biihnen-Spielplan"
und auf die an verschiedenen Stellen erschienenen statistischen Aufstellungen von Prof. Wilhelm Altmann.
Es ist auch ein Zeichen der Zeit, dafi diese dankenswerten Zusammenfassungen des Statistikers der
deutschen Buhne kiinftighin nicht mehr erscheinen werden.
318
Spielplan 1932 = Spielplan 1902
zeit wieder auf den Stand von 1901/02. Dabei ist zu beachten, dafi die Zunahme vor
allem in der wachsenden Zahl der Opernbetriebe begriindet ist. Selbst kleine Provinz-
stadte gingen vor dem Kriege daran, auch die Oper zu pflegen, setzten dies nach dem
Kriege fort, und die Zahl dieser Stadte hat sich bis heute trotz allem Erwarten nicht
entscheidend verringert. Das Sinken der Opernauffuhrungszahl darf jedenfalls hiermit
nicht begriindet werden, sondern beruht vor allem auf der Zunahme der Operette. Der
Verlust der Oper wurde durch die Zunahme der Operette sogar mehr als ausgeglichen.
Abnahme der Opernvorstellungen von 1929/30 zu 1930/31 = 6,5°/o
Abnahme der Opernvorstellungen z. B. von Okt. 1930 zu Okt. 1931 = ll,19°/o
Zunahme der Operettenvorstellungen z. B. von Okt. 1930 zu Okt. 1931 = ll,84°/o
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten driicken sich also nicht in einer absoluten
Abnahme der musikalischen Vorstellungen aus. Ihre Zahl bleibt vielmehr ungel'ahr gleich.
Dagegen sind sie in dem Vormarsch der zugkraftigen Operette und in dem Biickgang
insbesondere der ernsten Oper wieder deutlich zu erkennen. Hier liegt die eine Wurzel
fur die Spielplanumgestaltung unseres musikalischen Theaters.
Im einzelnen gleicht der Spielplan unserer Tage auffallend dem von 1901/02. Eine
Beihe von Werken ist zahlenmafiig in derselben Hohe vertreten wie vor 30 Jahren.
Weltumwandlungen, Krieg u. a. scheinen die unerschiitterliche Liebe, aber auch die
offene Mil&achtung (Cornelius!) der breiten Publikumsschichten zu diesen Werken nicht
angreifen zu konnen.
1901/02
1911/12
1929/30
120
723
312
13
100
753
365
14
118
741
330
16
Eine Beihe anderer Komponisten hat dauernd an Publikumsliebe verloren. Vor
allem die SchSpfer der grofien franzosisch-romantischen Oper, aber auch die blassen
deutschen Nachromantiker. Allerdings nicht weniger der Hochromantiker Marschner.
Nefiler
Weifi
1901/02
1911/12
1929/30
283
239
85
37
93
88
119
105
67
170
246
80
27
25
18
89,
80
45
59
126
24
6
23
17
1
14
Fur die geschichtliche Entwicklung unseres Opernlebens sind jene Komponisten
nicht ohne Interesse, die zwar in dem Jahrzehnt vor dem Kriege dauernd an Aufluhrungs-
zahl gewannen, aber diesen Platz nach Kriegsende nicht behaupten konnten.
319
^m
mmmm
mm
Der Aufstieg Verdis
Straufi, R
1901/02
1911/12
1929/30
92
23
223
156
71
1423
29
108
82
379
438
328
1996
617
35
21
120
212
92
1476
401
Den Spielplan unserer Tage beeinflussen am entscheidendsten die Komponisten,
deren Werke noch immer an Auffuhrungszahl wachsen. Vier Gruppen lassen sich hier-
bei unterscheiden : 1. Die deutschen Klassiker: Gluck, Mozart, Beethoven. 2. Die Italiener
von Rossini bis Puccini. (Dies beweist, dafi wir uns zur Zeit in einer schon wiederholt
erlebten Periode befinden, in der wir dem italienischen Einflufi weit mehr hinneigen,
als dem franzosischen, ja diesen geradezu verdrangen.) 3. Nationale Aufienseiter wie
Smetana und Offenbach, und 4. Hans Pfitzner, dessen Werke die Schatzung des Publikums
standig mehr erringen.
1. Gluck
1901/02
1911/12
1929/30
44
57
90
479
573
907
154
204
221
152
161
269
585
910
1363
Leoncavallo ....
177
243
255
249
251
264
33
554
985
7
97
160
96
301
340
4
4
80
Zusammenfassend kann mit nichts Giiltigeres gesagt werden als mit einer Gegen-
iiberstellung von Wagner- Verdi, die Typischeres aussagt, als den Sonderfall dieser beiden
Meister, die vielmehr das Problem Musikdrama-Oper enthullt.
Verdi
1901/02
1911/12
1929/30
1423
585
1996
910
1476
1363
Entscheidend fur die Frage einer Historisierung unseres Opernlebens ware die
Pruning, wie grofi der Anteil der Werke lebender Komponisten an der Gesamtzahl der
Auffiihrungen ist.
Zahl der aufgefuhrten Komponisten
Gesamtauffuhrungszahl ....
Davon lebender Komponisten . .
1901/02
1911/12
1930/31
1931/32
130
76 (= 58%)
8147
1650 (= 20%)
105
57 (= 54%)
11773
3265 (=28%)
140
78 (= 55%)
11512
1610 (= 14%)
128
63 (= 49%)
8153
1328 (= 16%)
320
•i
Die Statistik der Lebenden
In dem Spielplan der einzelnen Theater ist das Verhaltnis der Werke lebender
zu denen toter Komponisten sehr unterschiedlich. Irrig erweist sich die Meinung, dafi
die grofieren Theater audi die grofiere Zahl Werke lebender Komponisten auffuhren.
Im allgemeinen ist das Gegenteil der Fall. Anscheinend ist an den grofistadtischen
Theaterbetrieben der Einsatz fur ein bisher unbekanntes und in seinen Erfolgen zweifel-
haftes Werk zu grofi, als dafi dieses Wagnis oft unternommen werden konnte. Einem
kleineren Theater gelingt es viel leichter, den eventuellen Verlust wieder auszugleichen.
Im iibrigen kann nicht geleugnet werden, dafi hierbei von den lokalen Verhaltnissen,
aber immer wieder auch von der Initiative der betreffenden Theaterleiter aufierordent-
lich vie! abhangt. Das Verhaltnis betragt bei den Theatern der Grofistadte fast regel-
mafiig 1 :5 bis 1 :6. Bei den kleineren Theatern schwankt es annahernd von 2:5 bis 0: 100.
Gesamtzahl der Auffiihrungen von
in der Spielzeit 1931/32
to ten
lebenden Komponisten
Stettin
92
0= 07,
200
7= 3%
Wien
243
55 = 187o
51
21 = 29%
Gorlitz
33
21 = 37%
34
24 = 41 7
Gflttingen kann in diesem Sinne als das „lebendigste" deutsche Theater angesehen
werden. In diesem Zusammenhang ware vielleicht zu bemerken, dafi man z. B.
Strawinskys „Geschicbte vom Soldaten" in der vergangenen Spielzeit nur in drei Stadten
horen konnte und zwar in St. Gallen, Bostock und in Gustrow!
Die 1328 Auffiihrungen von Werken lebender Komponisten lassen sich in drei
Hauptgruppen einteilen. Allerdings ist gerade diese Gruppierung grofien Bedenken aus-
gesetzt, weil sie mit einer gewissen Willkurlichkeit historische Entwicklungslinien zerreifit.
Janacek z. B. wurde man am liebsten der 3. Gruppe zuordnen, obwohl er nach seinem
Geburtsjahr der 2. zugehort. Busoni und Schonberg sind die Altesten einer neuen
Generation, die den entscheidenden Schritt von Wagner weg vollziehen. Die moglichen
Fehler dieser Einteilung diirften jedoch das Ergebnis nicht wesentlich andern. — Die
1. Gruppe enthalt die Komponisten, von denen man heute schon sagen kann, dafi
sie die historische Entwicklung nicht unmittelbar fuhrend bestimmt haben, epigonale
Komponisten, die vor allem die fiir das Theater lebensnotwendigen Gebrauchswerke,
ohne Anspruch auf Unverganglichkeit geschaffen haben. Damit ist nichts gegen ihren
Wert gesagt. Im Gegenteil: es befinden sich Meisterwerke unter ihnen. Blech, Brandt-
Buys, Donnanji, Graener, Frankenstein, Kienzl, Korngold, Lothar, Beznicek, Walters-
hausen, Weinberger, Weingartner, Wetzler, Wolf-Ferrari.
2. die unmittelbaren Nachfolger Wagners. Zwischen den Jahren 1854 (Janacek)
und 1882 (Braunfels) geboren, werden ihre Werke von Wagner positiv beeinflufit. Die
Hauptvertreter dieser Gruppe sind: Straufi, Schillings (beide 1864) und Pfitzner (1868).
Es sind die Meister einer Generation, die an der Jahrhundertwende, oder kurz zuvor,
mit ihren ersten Werken an die Offentlichkeit drangen und bis zum Kriegsende ihre
321
„ i. .rl^iiMB
Konzentration auf die Klassiker
Stellung eindeutig gefestigt hatten. (Mit Ausnahme von Janacek, dem dies erst spater
gelang.) — Zwischen ihnen und den Komponisten der
3. Gruppe liegt wesentlich die Wendung gegen Wagner. Auch wenn sie diesen
Kampf nicht bewufit fiihrten, lebt doch in ihnen der Geist einer neuen Generation.
Schreker (1878) vermittelte den Ubergang. Von Busoni (1866) und Schonberg (1874)
geht fur diese junge Generation der nachhaltigste Einflufi aus. Die Generation der
80iger Jahre wird vom Ausland gestellt: Bartok (1881), Kodaly, Malipiero und Strawinsky
(alle 1882), oder stammte aus Osterreich: Berg und Wellesz (1885). Die jiingste schon
zum entscheidenden Durchbruch gelangte Generation stammt aus den 90iger Jahren :
Prokofieff (1891), Milhaud und Honegger (1892), Bathaus, Kempff und Hindemith (1895).
Ihre jiingsten Glieder sind Weill und Krenek (beide 1900). Die Komponisten dieser
Gruppe sind durch die Tatsachc verbunden, dafi sie ihre voile Bedeutung im deutschen
Musikgeschehen erst seit dem Kriege, oder unmittelbar vor ihm, gewinnen konnten,
oder dafi die Alteren unter ihnen erst damals den Bruch mit der Vergangenheit voll-
zogen und sich des klaren Willens zur Neuformung bewufit wurden.
Diese drei Gruppen sind an der Auffuhrungszahl lebender Meister in den Spiel-
zeiten 1930/31 und 1931/32 folgendermafien beteiligt:
1930/31
1931/32
Verlust in °/
1. Gruppe
2. Gruppe
3. Gruppe
621
618
371
567
562
205
8,7%
9,06%
44,77%
Es zeigt sich also, dafi der Verlust in der ersten und zweiten Gruppe durchaus
geringer ist als der Verlust der Opernauffuhrungszahl uberhaupt (29°/o). Die dritte
Gruppe jedoch, die von Zukunftswillen erfiillte, eigentlich moderne Musik hat in der
vergangenen Spielzett annahernd einen Zuriickgang um die Halfte ihrer Auffiihrungen
erfahren. Diese Abnahme wurde nur wenig durch die wachsende Popularisierung der
Werke anderer lebender Meister ausgeglichen. Sie wurde vielmehr durch die Zunahme
alterer Opern, die Wiederauffrischung von jahrzehntelang nicht mehr gespielten Werken
und durch den Vormarsch der Operette aufgehoben. Die sogenannten Benaissancen
gehen also vor allem auf Kosten dieser spezifisch zukiinftigen Musik. Hierin liegt die
Hauptwurzel der Historisierung unserer Oper.
Bei diesen Benaissancen dart man nicht an Handel denken, denn dessen Werke
spielten in der vergangenen Saison keine Bolle mehr (nur eine Auffuhrung). Ebenso
plotzlich wie diese iiberraschendste aller Benaissancen entstand, ist sie wieder verflogen.
Auch andere Meister des 17. oder 18. Jahrhunderts haben nicht etwa an Bedeutung
gewonnen (auch Gluck nicht mehr). Die Entwicklung gleicht daher nicht den Bewegungen
in der absoluten Musik. Von einem Zuruckgreifen in fruhere Jahrhunderte (15. bis 16.)
kann ja auch schon deshalb keine Bede sein, weil die viel jiingere Oper erst damals
entstand. Es bleibt also als Quersumme der Historisierung der Oper eine Konzentration
auf die klassischen Meister, vor allem aber ein bedeutender Aufschwung der Italiener,
insbesondere Verdis.
322
i
Kunstanfertigung am laufenden Band
Eine Zusammenstellung der Spielplanentwicklung der letzten dreifiig Jahre zeigt
also folgendes Bild:
1901/02
1911/12
1930/31
1931/32
1. Vor Mozart . . .
2. Standard-Werke
Mozart — Puccini .
3. I. Gruppe . . .
II. Gruppe . . .
III. Gruppe . .
59 = 0,73%
6438 = 79,027
1650 = 20,257
67 = 0,57°/
8441 = 71,70%
3265 = 27,73%,
184 = 1,60%
9718 = 84,41%
621 = 5,39%,
618 = 5,37%
371 = 3,22%
97= 1,19%
6722 = 82,45%
567')= 6,95%,
562 2 )= 6,89%,
205 = 2,51%
8147
11773
11512
8153
Diese Zusammenstellung beweist, dafi nicht etwa die Wirtschaftskrise den Riickgang
lebender Musik verursacht hat, denn 1930/31 wurde das Theater von ihr noch nicht in
aller Harte getroffen. Als das 1931/32 doch geschah, sank die Auffiihrungszahl lebender
Komponisten nicht etwa, sondern aie erholte sich vielmehr ein wenig. Der Historisierungs-
prozefi der Oper kann also mit wirtschafthchen Griinden nicht oder wenigstens nicht
allein erklart werden. Er ist vielmehr ein innerer Vorgang.
Genormte Kunst
Hanns Gutman
Im Gefolge jener riicklaufigen Kulturbewegung, in deren Mitte wir stehen, findet
sich auch die Sehnsucht nach der Norm. Normierung, ein den industriellen Bezirken
entlehnter Begriff, wird angestrebt auch in der Kunst, auch in geistigen Dingen. Kunst
und Norm: ein glattes Paradox. Genormte Kunst: eine contradictio in adiecto. Aber
denen, die heute absichtlich oder unwissentlich einer Normalkunst Vorschub leisten, ist
es ja auch gar nicht urn die Entwicklung der Kunst, um die Lebendigkeit der geistigen
Manifestation zu tun. Sie wollen: keinen Anstofi erregen und Geschafte machen. Offen-
bar lehrt die Erfahrung, dafi das eine die Voraussetzung fiir das andere ist. Der so
dringend benotigte wirtschaftliche Erfolg scheint heute nur noch mit genormten Kunst-
werken erzielbar zu sein. Die Kunst zieht sich auf das Erprobte, das Ungefahrliche, das
Brave und offiziell Genehmigte zuriick. Denn jede Kuhnheit ist der aufierste Gegensatz
der Norm.
Ein deutliches Symptom fiir die fortschreitende Normierung ist das serienweise
Auftreten von Kunstprodukten. In dieser Kunstanfertigung am laufenden Band hat es
der Film bekanntlich zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Unoriginalitat ist an-
scheinend sein oberster Grundsatz. Abwechslung, sonst das A und O jeder Unterhaltungs-
kunst, ist hier verpont. Ein Thema beherrscht jeweils die ganze Branche. Hat die Firma A
einen Kriminalfilm gedreht, so sagt die Firma B nicht, wie man erwarten sollte: ,,jetzt
') Ohne Kienzl's „Evangelimann" und Graenere Saisonerfolg „W.F.Bach" nur 449 Auffiihrungen, also 5,50%.
2 ) Ohne Pfitzners „Herz" nur 426 Auffflhrungen = 5,227,,.
323
mm
Jeder Erfolg wird schematisch kopiert
mussen wir ganz etwas anderes drehen" , sondern : „die haben Geschafte mit einem
kriminalen StofF gem adit, also mussen wir schleunigst audi einen Kriminalfilm haben".
So wird der Markt einmal mit Heidelberg, das' nachste Mai mit Wien, dann mit ver-
niedlichter Geschichte iiberschwemmt, und schliefilich fangt der Turnus wieder von
vorne an.
Nun konnte man sagen: die Herstellung von Filmen geschieht noch immer fast
ausschliefilich nach industriellen, fast nie nach kunstlerischen Gesichtspunkten, sodafi die
bedrohliche und geistfeindliche Normierung, die sich auf der Leinwand vollzieht, nicht
als Regelfall fiir die Kunst schlechthin angesetzt werden darf. Der Tatbestand stimmt,
die Folgerung ist falsch.
Denn tatsachlich hat die Sucht nach der Norm langsl audi auf andere Gebiete
iibergegriffen. Man konstruiert ein Erfolgsschema, und diesem mussen — mit wenigen
Ausnahmen — alle neuen Werke angepafit werden. Man nehme die Operette. Audi
sie ist vollig schema tisiert. Die Rotters in Berlin haben vor einigen Jahren einen Treffer
mit einem pseudo-historischen Stoff gemacht — seitdem mussen die Textautoren all-
jahrlich die Geschichtsbucher w&lzen. Nun ist ja die Geschichte reichhaltig genug, und
selbst der Typus ,,Geschichts-Operette" ware in vielen Varianten vorstellbar. Aber selbst
diese Variation ist verboten. Vielmehr mussen jetzt die gleichen Situationen in ver-
schiedenen Jahrhunderten ausfindig gemacht werden. Die „Dubarry" im vorigen, die
„Katharina" in diesem Jahr — es ist ganz dasselbe Stuck, einmal auf franzosisch, einmal
auf russisch. Die Norm ist alles.
Und was bedeutet denn schliefilich die leidenschaftliche Ausgrabungstatigkeit an
alten Operetten anderes als eine Unterwerfung unter die Norm? (Soweit es sich dabei
nicht gerade um die geistreichen Buffonerien Offenbachs oder die musikalisch legitimen
Werke von Johann Straufi handelt.) Man grabt wahllos die altesten Schinken aus, weil
sie ohne weiteres den Anspriichen auf Biederkeit gerecht werden. Genormte Kunst ist
getarnte Reaktion. In einer solchen aufgewarmten Lehar-Operette heifit ein Walzer-
schlager: „Kindchen. sei recht brav". Das ware ein Motto fiir den gesamten heutigen
Operetten-Betrieb.
Aber man soil nur nicht glauben, dafi seriosere Kunstgattungen von diesem Zwang
zur Norm verschont blieben. Seit der „Affare Dreyfus" haben wir eine Hausse in
dramatisierten Prozefi-Akten erlebt. Wo immer einer eine Idee hat, sturztsichsoforteinRudel
von Nachaffern auf sie: aUs dem Original wird rasch und meist mit minderen Mitteln
ein Normalprodukt gemacht. Das Gesetz der Serie hat sich heute der Kunst in fast alien
Sparten bemachtigt.
Es versteht sich t dafi die verdammenswerte Tendenz zur Norm nicht mit der
wunschenswerten schulbildenden Ausstrahlung der starken Personlichkeit und des
bedeutenden Werkes verwechselt werden darf. Natiirlich soil der Schaffende mit seinen
Gedanken und Bemuhungen nicht isoliert, nicht wirkungslos im Raum stehen. Aber
gerade von einer stetigen und produktiven Weiterentwicklung einmal formulierter Ideen
ist ja gar nicht die Rede. Man imitiert sie, aber man verarbeitet sie nicht. Wo sind denn
die Werke, in denen etwa das musikalische Theater Brechts und Weills fortgebildet
ware? Oder der Fall Rene Clair. Seitdem er den Lustspielfilm musikalisch stilisiert und
324
Die Operette als Kulturfaktor
tfinzerisch aufgelost hat, hopsen plotzlich in alien Filmen die Leute sinnlos umher, und
in den unmoglichsten Situationen wird Chor gesungen. Was ist da geschehen ? Man
hat einem originalen Kiinstler die Aufierlichkeiten seiner Kunst abgeguckt und seine
Einfalle flugs auf die Normallinie gebracht.
Genormte Kunst: das ist die Auswirkung des Tragheitsgesetzes im kiinstlerischen
Bezirk. Wird sie zur Regel, so ist die Kunst verloren.
Operette im Opernspielplan
Hans Schiiler
Wir bringen diese Einsendung des Konigsberger Intendanten als
Erganzung und Abschlufi der im Juliheft begonnenen Diskus9ion.
Ob sich auf lange Sicht die Aufnahme von Operetten in den Spielplan der so-
genannten „gemeinniitzigen" Theater als wiinschenswert erweist oder nicht, ist eine
miifiige Frage. Heute ist es so, dafi wir uns an den meisten Operntheatern durch
Operettenauffuhrungen das Geld verdienen mussen, das wir gebrauchen, wenn wir
neben den Operetten noch einen kiinstlerischen Opernspielplan durchfiihren und ins-
besondere auch die Auffiihrung neuer Werke wagen wollen. Es ist aber ein unverzeih-
licher Fehler vieler Theaterleiter, dafi sie die Operettenauffuhrungen als nebensachlich
betrachtenundwenigerSorgfaltdaraufverwenden als auf die Auffuhrungen wertvollerer Werke.
Gerade ein grofier Teil des Publikums, der die Operettenvorstellungen besucht. ist dem
Theater neu gewonnen. Er war friiher und ist jetzt in den Opernvorstellungen nicht
zu sehen. Durch erstklassige Leistungen gilt es, den Geschmack dieses Publikums zu
bilden, so dafi bei ihm der Wunsch entsteht, sich gelegentlich auch einmal eine Oper
anzusehen. Wenn wir auf diese Art neue Kreise an das Theater heranziehen, konnen
wir aus der Not eine Tugend machen. Aufierdem ist es Ehrensache eines jeden an-
standigen Theaters, dafi alle Stiicke, die man auffuhrt, gleichmafiig gut herausgebracht
werden. Das ist ja gerade die wirkliche Kunst des Komodianten, durch seine repro-
duktive Kunst auch schlechte Stiicke auf eine hohere kiinstlerische Ebene zu bringen!
Im iibrigen aber wissen wir garnicht, welchen EinfluG die Operette auf unsere
Opernproduktion haben wird. Wenn es gelingt, die wirklich volkstiimlichen Elemente
der Operette kiinstlerisch zu vertiefen (ich denke insbesondere an die Ansatze, die in
den Werken von Spoliansky vorhanden sind), den Kitsch zu einer echten Sentimentalitiit
zu wandeln, ohne die nun einmal jedes volkstiimliche Werk undenkbar ist, so konnen
wir vielleicht gerade auf dem Wege iiber die Operette zu dem neuen, kunstverbundenen,
volkstiimlichen und gleichzeitig kiinstlerischen Theaterstiick kommen, das wir alle er-
sehnen, das nicht fur die Presse, sondern fiir das Publikum geschrieben ist, das den
Menschen unserer Zeit etwas zu sagen hat, und ohne welches das deutsche Operntheater
die erste Halfte dieses Jahrhunderts kaum iiberdauern durfte.
325
Konzerte, Sonatinen und Tanze
Meloskritik
Neue KlaviermUSik Hans Erich Riebensahm
Unter den neu erschienenen Klavierkompositionen verdient eine ganze Reihe ernst-
haftes Interesse. Da ist zunachst das zweite Klavierkonzert von N i c o 1 a i L o p a t n i k o f f,
ein Werk, ansprechend und sauber im Technischen, voller Frische und Eigenart, das von
neuem die Aufmerksamkeit auf diesen ausnehmend begabten jungen Musiker lenkt. Es
besteht aus drei Satzen, von denen der erste und ganz besonders der zweite einen
eigenen Formwillen bekundet. Der erste Satz ist eine Sonatenform mit frei behandelter
Reprise und erweitert durch eine Einleitung, die am Schlufi des Satzes wiederkehrt und
in eine Coda auslauft; der zweite Satz, eine Art symmetrischen Zentralbaues : in der
Mitte steht ein phantastischer Marsch des Orchesters, dem ein hymnisch deklamierendes
Klavier-Solo sowohl vorausgeht als auch (mit einiger Veranderung) folgt; dieser Teil
wiederum wird beim ersten Mai eingeleitet und beim zweiten Mai abgelost durch einen
schreitenden Gesang (des Klaviers). Am Anfang, bzw. am Schlufi des Satzes steht ein
volksliedh after Tanz (Orchester). Alle diese verschiedenen Motive sind naturlich und an-
mutig zu einem klar erkennbaren Ganzen vereint. Der dritte Satz halt sich mit einigen
Freiheiten an die traditionelle Rondoform, ist reich an reizvollen Einzelgedanken und
lauft in einer einheitlich beschwingten Bewegung ab, die ihm seine Wirkung sichert.
Zwei Konzertstiicke (Klavierkonzert und Partita mit kleinem Orchester) von Igor
Markevitch sind mehr virtuoser Natur. Markevitch verzichtet auf besondere Differenzierung
der Dynamik, des Klanges, der Gestalt, er liebt einheitlichen Rhythmus, eine gewisse
Scharfe des Klanglichen und klare Disposition. Sein Stil erscheint einstweilen noch un-
selbstandig, zum Beispiel weist er deutliche Einfhisse von Hindemith, von Milhaud, auch
von Honegger auf. Die Sonatine von Ernst Pepping ist eine reife Arbeit von grofier
Geschlossenheit sowohl des Inhaltes als auch der Instrument-Behandlung. Das viersatzige
Werk beginnt mit einem kontrapunktisch gearbeiteten in gleicher Bewegung fliefienden
Satz von verkurzter Sonatenform, der etwa die Funktion des Praeludiums erfiillt. Es
folgt ein Geschwindmarsch mit heftigen, zum Teil syncopierten Rhythmen von erregtem,
ausgelassenem Charakter. Diese zwei kurzen Satze sind ungemein klar im Ausdruck und
Klang. Der nun folgende Satz — „sehr langsam" — ist problematischerer Art, weniger
zusammenhangend, im Thematischen schwerer erkennbar und gewagter in der Satzweise.
Am Schlufi steht ein kurzes, brillantes Finale, dessen gleichformig-hastige Bewegung
kunstreich durch Phrasierung und rhythmische Unterteilung belebt wird.
Zwei Sonaten von Alexander Jemnitz zeigen, dafi dieser iiberaus eigenwillige
Komponist seinen Stil zu klanglich grofierer Durchsichtigkeit und linearer Deutlichkeit
entwickelt. Doch ist seine Musik dadurch kaum zuganglicher geworden, denn Jemnitz
bleibt auch hier ein Feind alles Gewohnten, seine Formen sind kompliziert, eigenmachtig
und schwierig erkennbar. Seine Klavierbehandlung ist subtil und abwechslungsreich und
stellt dem Spieler grofie, lohnende Aufgaben. Von den beiden erwahnten Sonaten ist
326
Neuerscheinungen
die erste (Tanzsonate op. 23) die umfangreichere und interessantere, sie tragt aufier den
Anzeichen der Eigenwilligkeit auch die eines grofien Ernstes und der innigsten Bemfihung
um personlichen Ausdruck. Man mufi nach dieser Arbeit auf Jemnitz' weitere Entwicklung
gespannt sein.
Drei Mazurkas von Karol Rathaus weisen wieder den vielseitigen Klavierstil
auf, der diesem Komponisten eigen ist. Diese Tanzstiicke bewegen sich in lebhaften
draraatischen Konlrasten, offenbar eine bewufite Absicht dea Komponisten, von seinem
grofien Landsmann Chopin abzuweichen, dem es bei diesen Kleinformen in erster Linie
auf Durchhaltung einer Grundstimmung ankam. Rathaus' Versuch, diese klassische Form
der Mazurka abziiwandeln, ist bemerkenswert und zumindest im zweiten der gehannten
drei Stiicke als unbedingt gegliickt zu bezeichnen, denn hier verstand Rathaus es am
besten, die Kontraste zu einheitlicher Gestalt zu verbinden.
Conrad Becks Klavierstiicke (Heft 2) sind knapp gefafite deutliche Formen in teils
kontrapunktischem, teils etiidenhaftem Stil. Sicherer Sinn fur formale Proportionen sind
ihnen eigen. Die Sonate g-moll sowie die Russischen Volkstanze von Gretchaninoff
sind ihrem Inhalte nach nicht gerade zeitgenossische Musik, doch wird der Padagoge
gern besonders zu den letzteren greifen, die fur Kinder gedacht und geeignet sind.
Neuerscheinungen
Vir bringen in dieser standig wiederkehrenden Rubrik ohnc An-
spruch auf Vollstandigkeit eine erste Auswahl aus den musik alia chen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wit behalten uns vor, auf
einzelne der hier erwahnten Werke noch ausfuhrlicher einzugehen.
Neue Musik
Paul Hindemith, Ploner Musiktag:
Morgenmusik fur Blechblaser
Tafelmusik fur Flute, Trompete oder Klarinette
und Streicher
Kantate : Mahnung an die Jugend sich der Musik
zu befleiftigen
Abendkonzert fiir Jugendchor, Solo, Sprecher,
Streich or Chester, Blaser und Schlagzeug ad lib. :
1. Einleitungsstiick fiir Orchester
2. Flotensolo mit Streichern
3. Zwei Duette fur Violine und Klarinette
4. Variationen fur Klarinette und Streicher
5. Trio fur Blockfloten
6. Quodlibet fiir Orchester
Schotty Mainz
Paul Hindemith iiber sein Werk:
Diese Stiicke wurden fiir ein kleinesMusikfest geschrieben,
das im Friihjahr 1932 in der Staatlichen Bildungsanstalt
zu Plon stattiand. Dem Zweck entsprechend, die musik-
liebende Jugend zu belehren und zu unterhalten, habe
ich mich bemiiht, eine Musik zu schreiben, die dem Spieler
und Horer dieser Kreise in jeder Beziehung zuganglich
ist. In harmonischer, melodischer, sing- und spieltechnischer
Beziehung glaube ich deshalb in der Auswahl der Mittel
reichlich vorsichtig gewest*n zu sein, zumal in den Or-
chester- und Chorstucken der Kantate, in denen ja jeder,
der uberhaupt Noten lesen kann, in irgend einer Form
sich an der Darstellung beteiligen soil. Die ubrigen Or-
chesterstiicke und die Begleitung in der Kantate setzen
schon gewandtere Spieler voraus und zur Ausfuhrung der
Tafelmusik und der Kammermusikstucke des Abend-
konzerts benOtigt man Sulisten, die in spieltechnischer
und musikalischer Hinsicht mancherlei Fertigkeiten be-
sitzen. Wenn auch bei Auffuhrungen von Musikstiicken
dieser Art nach mdglichster Vollkommenheit getrachtet
werden soil, so ist doch im Aufbau und im Satz der Stiicke
auf eine gewisse Unbeholfenheit der Spieler Riicksicht
genommen, die der Leiter des ^tudiums nicht unter-
driicken sollte. Es hatte gar keinen Sinn, Stiicke dieser
Art mit der glatten Bnllanz eines hochgeziichteten Berufs-
orchesters vorzufiihren, wie es ebenso falsch ware, sie in
einem grofistSdtischen Konzertsaal einem neugierigen
Publikum darzubieten.
Die Verhaltnisse sind der Abhaltung eines solchen Musik-
tages nicht iiberall so giinstig wie in Pldn. Man solite
nicht den falschen Ehrgeiz haben, um jeden Preis diese
ganze Musik aufzufiihren, es ist vielmehr wiinschenswert,
die Stiicke den Umstandcn und Moglichkeiten entsprechend
auszuwahlen und einzurichten.
Paul Hindemith, Philharmonisches Konzert, Varia-
tionen fiir Orchester ScJiott, Mainz
Hindemithkomponierte dieses Konzert fiir grofies Orchester
fiir Wilhelm Furtwangler und das Berliner Philharmonische
Orchester zur Feier seines 50 jahrigen Bestehens. Bei
dieser Gelegenheit fandunter Furtwangler die Urauffuhrung
statt. Auffiihrungsdauer : 20 Minuten.
Toch, op. 60. Musik fur Orchester und eine Bariton-
stimme nach Worten von B. M. Rilke, Partitur
Beck, Innominata fiir Orchester, Partitur
— Konzertmusik fiir Oboe und Streichkonzert, Part.
ScJiott, Sdhne
Adolf Busch, Capriccio fiir kleines Orchester, op. 46
Eulenbnrg, Leipzig
Uraufgefiihrt beim 2. Internationalen Musikfest in Venedig
September 1932.
Alexander Tscherepnin, Klavierkonzert III in B fiir
Klavier und Orchester, op. 48 Schott, Mainz
327
■Ml
mmm
mmmmf^mmmmm
Neuerscheinungen
Hermann Erdlen, Kleine Variationen fiber ein
Friihlingslied fur Flote, Oboe, Klarinette, Horn
und Fagott, op. 27, Nr. 1 Zimmermann, Leipzig
Walter Jesinghaus, Sonata in C fur Violine und
Pianoforte. Umbevto Pizzi, Bologna
Die neuerschienene, vor zehn Jahren entstandene Violin-
Sonate des in Lugano lebenden Komponisten, ein
schwungvoll und wirkungsvoll geschriebenes Werk, gibt
Veranlassung, auf den Busonischiiler Jesinghaus hinzu-
weisen. Sein letzles Kammermusikwerk ist ein (bei Hug
& Co. erschienenes) Streichtrio. Aufierdem veroffentlichte
er Vokalmusik mit deutschen und italienischen Texten^
Ernst G. Stolberg, Drei Klavierstiicke op. 9: 1. Das
Nachtlied (Nietzsche); 2. Adagio (R. J. Sorge);
3. Goethe-Abend (R. J. Sorge). Hug & Co., Zurich
Max von Schillings, Vier Klavierstiicke op. 36, zu
zwei Handen.
Verlagsanstalt Deutscher Tonhiinstler A.-G., Mainz
Mochel, Brevier des Kontrabassisten.
Scliott, Mainz
Heinz Pauels, Streichquartett in einem Satz, op. 4,
das preisgekronte Werk im Bruinier-Quartett-
Preisausschreiben.
Paul Graener, Fantasie aus der Oper „Friedemann
Bach" (Klavier), bearbeitet von Hans Redlich.
Bote & Bode, Berlin
Bela Bartok, Zwanzig Ungarische Volkslieder
Heft I : Lieder der Trauer : Im Kerker / Traurige
Weise / Der Fliichtling / Hirtenlied;
Heft II : Tanzlieder : Sekler Langsamtanz / Sekler
Schnelltanz / Schweinehirtentanz/Sechsguldentanz;
Heft III : Diverse Lieder : Der Schafer, Scherzlied /
Lied, ein Paar zu besingen / Wechselgesang /
Klage / Trinklied;
Heft IV : Lieder der Jugend.
Universal-Edition, Wien
Kurt von Wolfurt, Gedichte von Goethe, op. 1, fur
eine Singstimme mit Klavier.
Hofmeister, Leipzig
— Fiinf Lieder, op. 10:
1. Wiegenlied, 2. Der Konig in Thule, 3. Zu
spat, 4. Abendlied, 5. Der Spuk
— Vier Lieder, op. 11 :
1. Auf den Tod eines Freundes, 2. Abendgefiihl,
3. Liebesode, 4. Mailied
— Vier Lieder, op. 13 :
1. Helle Nacht, 2. Seliges Vergessen, 3. Die Rose
sprach, 4. Grofier Konig aller Gotter
Madrigal - Verlag, Berlin,
jetzt Bote & Bock, Berlin
Hugo Herrmann, Deutsche Kantate op. 6 fur Manner-
chor, Tenor-^Sopran-) Solo und Orchester, nach
Texten von Ferdinand Avenarius.
— Drei kleine gemischte Chore a cappella, op. 74c :
Abschied; Im Mai;Tag-Ende
— Chorwerk der Gemeinschaft, op. 81. Nach Texten
von Kurt Klaeber, Theodor Daubler, Johannes
R. Becher, fiir Mannerchor, Knaben- oder Frauen-
chor, Klavier, Schlagzeug, 2 Pauken, Orgel oder
Blech (2 Trompeten, 2 Posaunen, Tuba) ad lib.
— Tagwerkgesange aus dem Osten, op. 82. Nach
Texten von Babindranath Tagore iibersetzt aus
der englischen Ausgabe „Der Gartner" von Hans
Effenberger, fiir gemischten Chor und Baritonsolo.
Bote & Bock, Berlin
328
Paul Dessau, Tadel der Unzuverliissigkeit, op. 31.
Worte von Bobert Seitz, fiir Kinderchor, einzelne
Stimmen und einen Sprecher mit zwei Klavieren
oder einem Klavier mit zwei Spielern. Ze^dauer:
10 Minuten. Bote & Bock, Berlin
Kurt Doebler, Kyrie, fiir drei gleiche Stimmen.
Motette: Gott ist die Liebe. (Lose Blatter der
Musikantengilde Nr. 286; Notenbeilage 45 in:
Zeitschrift fiir Schulmusik / Juli 1932)
Kallmeyer, Wolfenbilttel
Bernard van Dieren, Ich wanderte unter den Baumen
(Heine) fiir Singstimme und Klavier.
Oxford University Press, London
Otto Besch, Marienlied auB der Advents.Kantate, fiir
Sopran mit Orchester. Bote & Bock, Berlin
Ernst Kunz, Huttens letzle Tage, nach der Dichtung
von Conrad Ferdinand Meyer fiir Mannerchor,
Solo und Orchester.
Kommissionsverlag Zuricher Liederbudianstalt, Ziiricli
Georg Vollerthun, Chore : op. 22 fiir Mannerchor :
Nr. 1 Meeresstille und gluckliche Fahrt (Goethe)
Nr. 2 Tod in Ahren (Liliencron)
Nr. 3 Wann doch, wann . . . ! (Geibel)
— op. 23 fiir gemischten Chor: Prcemion (Goethe)
Bote & Bock, Berlin
Heinrich Martens, Der flandrische Tod, vierstimmig
mit Bolltrommel. In : Kantorei, Volkslieder fiir
Mannerchor.
- Lumpenlied (Cas. Flaischlen). In: Leichte und
volkstiimliche ChorgesSnge fur Mannerstimmen.
Kistner & Siegel, Leipzig
Album 100 religioser Liederweisen mit untergelegtem
Text fiir Harmonium oder Klavier :
Heft 1 : Altes und Neues
Heft 2 : Kompositionen von Oscar Schumm
Carl Merseburger, Leipzig
Curwen-Edition, Sammlung von Liedern und Ge-
sangen fur 2 bis 4 Stimmen und Klavier.
Kompositionen von Armstrong Gibbs, Toms Arm-
strong, Hoist, Micklem u. a. und Bearbeitungen.
Curwen, London
Biicher und Schriften
Karl Laux, Joseph Haas, Portrait eines Kiinstlers,
Bild einer Zeit. Mit Bild und zahlreichen Noten-
beispielen. Schott, Mainz
Die groBen Meister der Musik, herausgegeben von
Ernst Biicken. Lieferung 1 : K. Geiringer : Joseph
Haydn. Heft 1 . Lieferung 2 : H. Gerigk : Giuseppe
Verdi. Heft 1.
Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Potsdam
Der auch in dieser Zeit noch unternehmende Verlag baut
den grolien Erfolg seines Handbuchs der Musikwissen-
schaft weiter aus. Schon ehe das Handbuch vollendet
wurde, wuchs ein ahnliches fiir die Musikerziehung heran.
Jetzt soil das Problem der Biographik in grofiem Umfange
aufgegriffen werden. Ein klares Bild dariiber, wie weit
die jetzl beginnende Reihe von Monographien wirklich
neue Losungen bringt, kann erst nach Abschlufi der jetzt
beginnenden Lieferungen fiir Haydn und Verdi gezeigt
werden. Einstweilen sind die Namen der von dem Heraus-
geber aufgeforderten Bearbeiter eine gute Biirgschaft.
Eine Opera buffa von Casella
Leonhard Fiirst, Der musikalische Ausdruck der
Korperbewegung in der Opernmusik.
W. Ft. Mayr, Miesbach
Aus dem Vorwort: . . . Durch die Musik — vokale wie
instrumental — sind Geste und Mimik, die Mittel der
plastischen Darstellung, bestimmt. Die Geste, heraus-
wachsend aus der Grundhaltung, ist der sichtbare Aus-
druck der musikalisch-dramatischen Bewegung. Zugleich
ist sie daan Funktion der szenischen Situation, der korper-
lich dargestellten Handlung, die den vornehmsten Teil
des dekorativen Elements darstellt und plastisch ein
wesentlicher Teil des Buhnenbildes ist.
Maria Koniorn, Johannes Brahms als Chordirigent in
Wien und seine Nachfolger bis 1928.
Universal-Edition, Wien
Illustrierter Almtmach der Bayerischen Slants-
theater in Miinchen 1931/32, mit einem Ruckbliek
auf die Spielzeit 1930/31, herausgegeben von der
Generaldirektion der Bayerischen Staatstheater.
Redaktion : Arthur Bauckner, Ausstattung : Erail
Preetorius. Knorr & Hirth, Miinchen
Alexander d'Arnals, Der Operndarsteller. Lehrgang
zur musikalischen Darstellung in der Oper.
Bote & Bock, Berlin
Musik in Pomniern, Mitteilungsblatt, herausgegeben
vom Verein zur Pflege Pommerscher Musik,
Heft 1, Herbst 1932,; Schriftleiter : Hans Engel.
Selbstverlag des Vereins, Greifswald
Musik in Wiirttemberg, Festschrift zur Feier des
75jahrigen Bestehens der Wurttembergischen
Hochschule fur Musik, Jahrgang 9, Nr. 3/4.
Thiemann, Stuttgart
Hans Wtirtz, Zerbrecht die Krucken, Kriippelprobleme
der Menschheit, Schicksalsstiefkinder aller Zeiten
und Volker in Wort und Bild. Mit 81 Bildwieder-
gaben und drei mehrfarbigen Tafeln.
Leopold Vofi, Leipzig
Das Buch iallt durch ein Kapitel „Musiker und Sanger"
in unsern Interessenkreis. tt -\r
Hans Mersmann
Ausland
Wir schalten in dieser Rubrik heute einen Bericht unseres
italienischen Mitarbeiters ein. Der im vorigen Hefte begonnene
Aufsatz „Franzosische Sinfonik der Gegenwart" von A. Machabey
wird irn Novemberheft abgeschlossen.
Neue italienische Opern
Guido M. Gatti
Mit hochster Spannung erwartet, hat die „ Donna Serpente" von Casella im
Koniglichen Opernhaus zu Rom eine herzliche Aufnahme gefunden — : das Publikum
hatte sich vielleicht auf irgendwelche erschrecklichen Neuerungen gefafit gemacht, wahrend
es sich in Wirklichkeit einer recht zahmen Oper gegenubersah, die in den Augen der
Majoritat mit einem Schlage Casella wieder in die Reihen der Komponisten von Rang
und Tradition erhob. (Er selber liebt es iibrigens seit einigen Jahren, sich als einen
Mann der „Rechten" zu bezeichnen, was ja schliefilich das Schicksal aller Revolutionare
ist, die einst die Barrikaden gesturmt haben.) Schon im voraus hatte Casella ein loyales
Treuebekenntnis zur italienischen Oper abgelegt, indem er in aller Deutlichkeit erklarte,
es sei, als er diese Oper zwischen seinem fiinfundvierzigsten und fiinfzigsten Lebensjahr
schrieb, sein einziges oder doch mindestens sein hochstes Ziel gewesen, eine „bewegliche,
lliefiende, ausdrucksvolle, vor allem aber unterhaltende Musik" zu schaffen; was ja, wenn
nicht dann doch noch andere, grofiere Ambitionen hinzugekommen waren, ein recht be-
scheidenes Ziel gewesen ware.
Das Textbuch dieser Donna Serpente geht auf die gleichnamige Fabel des Carlo
Gozzi zurtick, und es ist die gleiche, der Wagner den Grundrifi seiner Jugendoper „Die
Feen" entnahm, Man kann sich leicht vorstellen, dafi — ganz abgesehen von einem ab-
329
WW
Die beiden Stile der „Donna Serpente"
wegigen Vergleich der beiden Kompositionen — Casella aus der Fabel des venezianischen
Dichters gerade die Elemente sich ausgewahlt hat, die Wagner beiseite liefi. In ihnen
fand Casella den antiromantischen und fantastisch-barocken Zug, der ihm geeignet schien,
eine „objektive" Musik zu suggerieren und insbesondere einen Operntypus anzuregen,
der sich soweit als irgend moglich vora Musikdrama entfernt, welches nachgerade das
rote Tuch der italienischen Komponisten geworden ist. Wir wollen die „Musikabilitat"
dieser Handlung hier so wenig theoretisch untersuchen wie ihren Wert; aber das mu6
gesagt werden, dafi in diesem Libretto, ohne sich zu verschmelzen, die Fantastik neben
der Realistik, die buffoneske Komik neben dem Drama, zuweilen sogar neben der Tragodie
steht. (Realistisch sind die berxihmten .,Masken", die in der Oper Casellas zwar
ungewohnliche Namen ftihren, ohne jedoch ihre Physiognomie gewechselt zu
haben.) Was schon dem Gozzi nicht gelungen war, namlich eine Verschmelzung Oder
doch wenigstens ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Elementen herzustellen,
gelang auch Casella nicht, ungeachtet seiner erfinderischen Gewandtheit, die niemand
anzweifeln wird. Es lassen sich in der Donna Serpente ganz deutlich zwei getrennte
Stile unterscheiden. Den einen mochte ich auf Grund seiner Herkunft instrumental
nennen: in diesem Stil sind alle humoristischen und im weitesten Sinn des Wortes
dekorativen Partien der Oper gehalten, die Duette und konzertanten Stucke der Neben-
figuren, die Marsche, Tanze und Kriegschore des zweiten und dritten Aktes, unter denen
sich manche sehr- schone Partiturseite findet. Den anderen Stil, der sich um Sanglich-
keit bemtiht, ohne sie jedoch zu erreichen, verwendet der Autor fur die pathetischen
Momente seiner Handlung. Nach unsrer Ansicht ist dieser zweite Casella dem ersten
weit unterlegen, denn hier gelingt es ihm nicht gleichermafien, seine personliche Note
fuhlbar zu machen, sondern er verfallt in unfreiwillige Wiederholungen der gelaufigen
(musikdramatischen) Opern-Floskeln, wenn er sie auch in der bekannten „Casella-Art"
zu tarnen sucht. Aber in den besten Teilen dieser Oper tritt doch der echte Stil Casellas
wieder unverkennbar hervor, wie er uns von der Partita und der Scarlattiana her wohl
vertraut ist. Die Ouvertiire, die zwischen dem Vorspiel und dem ersten Akt steht, ganz
allgemein samtliche Maskenszenen und, auf anderer Ebene, das orchestrale Praludium
zum letzten Akt gehoren zu den glucklichsten Einfallen Casellas und sind zugleich eine
seltene Erfiillung jener Ausdruckstendenzen, zu deren hervorragendsten Vertretern der
Verfasser der Donna Serpente zahlt.
Die Auffuhrung, unter Leitung des Komponisten, war gut. Was die siclitbare Dar-
stellung anlangt, so hatte man sie sich in der Wirkung glanzvoller und mehr dem
eigenen Stil des Werkes angepafit vorstellen konnen.
Der Autor des „Favorito del Re" hat vor kurzem erst die DreilJig uberschritten :
in Fachkreisen bekannt durch einige beifallig aufgenommene instrumentale Arbeiten,
war er dem Publikum der Scala bisher vollig unbekannt, ein unbeschriebenes Blatt.
Er hat nicht in alien Teilen ein gunstiges Urteil gefunden; wenn man jedoch die
Situation des Mailander Opernhauses in Rechnung zieht, wenn man einerseits die ge-
schmackliche Orientierung dieses Publikums und andererseits die Sonderbarkeit dieser neuen
Oper bedenkt, so darf Veretti mit seinem Erfolg wohl zufrieden sein. Der „Favorito
330
i
Ein neuer Mann: Veretti
del Re" ist kein Meisterwerk und vielleicht ist es nicht einmal eine vollig gelungene
Oper, aber es ist der mehr als respektable Versuch eines jungen Musikers, der etwas
Neues machen will und in einer sehr personlichen Weise die Forderungen der Oper an
unsere Zeit erkannt hat. Zum Lobe seines Werkes lafit sich, wie mir scheint, nichts
Besseres sagen als dies, daft es in gleicher Weise europaisch wie italienisch ist, dafi es
sich in die internationale Bewegung der Oper einreiht und doch stets fiihlbar den Zu-
sammenhang mit dem italienischen Geschmack behalt. Veretti ist nicht der Meinung,
daft man, um eine italienische Oper zu schreiben, Augen und Ohren verschliefien und
in jenen traditionsgeheiligten „Provinzialismus" fliichten miisse, der sich heute allent-
halben wieder regt. Man kann sogar sagen, dafi Veretti jedesmal dann, wenn er (in
mehr oder minder polemischer Absicht) die alten Opernformeln hat anwenden wollen,
gemeinplatzig und unpersonlich geworden ist. Wir meinen, dafi dieses Werk ge-
rade insoweit wertvoll ist, als es ein von seinem Autor mehrfach verkundetes Programm
verrat, und wir bedauern darum, dafi am Ende der Oper die Personen Hand in Hand
an die Bampe kommen, um uns von der „guten alten Zeit" zu sprechen; ausgerecbnet
diese Personen, die so ganz von heutigem Geist erfiillt und so wenig mit den Gestalten
der Opera buffa verwandt sind.
Eine freudige Uberraschung war die Inszenierung : man kann wohl sagen, dafi mit
ihr zum ersten Male auf der Buhne der Scala eine wirklich moderne Inszenierung er-
schienen ist, die dem Geist des Kunstwerks gerecht wird. Sie stammt von Guido Salvini
und hat einmutige Zustimmung gefunden.
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman.)
Kirchenmusik
Wir setzen mit diesem Aufsatz die Diskussion iiber die
musikalischen Probleme des Neokatholizismus fort, die wir im Mai-
Juniheft begonnen hatten.
Katholische Kirchenmusik
Walter Berten
Nachdem an dieser Stelle einige wichtige Vorbemerkungen zur heutigen kirchen-
musikalischen Lage gegeben wurden, soil heute in besonderer Fragestellung auf sozio-
logische und organisatorische Bemiihungen kirchenmusikalischer Aktion eingegangen
werden, wie sie aus einer neuen Gesinnung das neue Musikleben uberhaupt auf alien
Gebieten mitformen.
„Der Volks-Choral"
Wenn alle Bemiihung der neuen Musikgesinnung nach Gemeinschaftsbildung
durch das Medium des Musischen strebt, bis zur Schlagwort-Formulierung: Aktivitat
des Liebhabers, Laien und Horers, - so darf, betrachtet man gleiche Zielsetzung auf
kirchenmusikalischem Gebiet, nicht vergessen werden, dafi von jeher und stets ein
kirchenmusikalisches L'art-pour l'art in sich unmoglich ist; dafi die Musica sacra, als
331
WjHHnmjmnHKnm****^***™*™*
Die musikalische Kuliurarbeit der Benedikiiner
Mittel zum liturgisch-kultischen Zweck, im ersten und letzten Sinn sich immer als
„Gebrauchsmusik" erfiillt; als eine der schonsten und wirksamsten Formen: das Erleb-
nis der Glaubensgemeinschaft ins starkere Bewufitsein zu heben und zum allgemeinen
Ausdruck zu bringen. Dabei ist die der Liturgie am vollkommensten entsprechende
Form der Gregorianische Choral; der Reichtum des mehrstimmigen vokalen und instru-
mentalen kirchenmusikalischen Kunstwerks, des geistlichen Volksliedes fiillt das kultische
Ganze.
Schon im Motu proprio Pius X. von 1903 steht: „Namentlich trage man Sorge,
dafi der Gregorianische Gesang beim Volke wieder eingefiihrt werde, damit die Glau-
bigen, wie es in alten Zeiten der Fall war, an der Feier des Gotteslobe9 und der
heiligen Geheimnisse wieder tatigeren Anteil nehmen." Mit besonderem Nachdruck
weist die Apostolische Konstitution Pius' XI. von 1928 wieder auf die Gemeinschaft
des liturgischen Singens hin, und aus der Empfehlung, die als Volksgesang aufzufassenden
Melodien des Gregorianischen Chorals durch das Volk singen zu lassen, wird ein ver-
pflichtendes „Soll": „Damit die Glaubigen aktiver am Gottesdienst teilnehmen konnen,
soil der Gregorianische Gesang beim Volk wieder eingefiihrt werden, soweit er fur das
Volk in Betracht kommt".
Die Benediktiner, denen mit der katholischen die ganze Kulturwelt die Rettung
des Gregorianischen Chorals aus der mehr als unzulanglichen Editio Medicaea in die
reine Fassung der Editio Vaticana dankt, sind es auch, die diese liturgische, musik-
soziologische und kunsterzieherische Aufgabe : das Volk fiir den Choral zu gewinnen
und zu schulen, in Angriff nehmen und zu einem bereits uberraschenden Ergehiiis
fuhren. Soeben erschien von einem auf diesem Gebiete tatigsten, verdientesten Bene-
diktiner, Dr. Gregor Schwake (bei Laumann, Diilmen i. W.) eine Volkschoralpraxis
in neun Fragen: „Das Volk le'rnt Gregorianischen Choral". Das Buch wirkt weit hinaus
iiber seine besonderen Zielsetzungen : Volk und Fuhrer fiir die Aufgabe zu gewinnen,
beiden durch eine klare und erfahrene Volkschoralpraxis im grofien wie im kleinen alle
nur denkbaren Belehrungen und Hinweise zu geben. Im allgemeinen Musik- und Kultur-
geschehen hat es verdienstlichste Bedeutung. la erfreulichem Gegensatz zu mancherlei
Tun und Wollen der musikalischen Jugendbewegung vertritt diese kirchenmusikalische
Bemiihung den Standpunkt einer unbedingten Qualitatsforderung fiir die Laienmusik-
ausiibung, der sich durchaus nicht damit begniigt, dafi nun das Volk die ihm schon
vom liturgischen Gedanken zugedachten Teile des Chorals recht und schlecht allein und
im Wechsel mit dem Zelebranten oder dem Vorsangerchor singt, sonderh mit alien
Mitteln der Erziehung des Volkes ein vollkommenes Singen erreichen will. „Alle miifiten
ein Wissen und Wollen in bezug auf das Singen haben und mufiten eine singende Ein-
heit bilden. — Aber das Erste: der einzelne Teilnehmer soil nicht auswendig singen,
nicht nach dem Gefuhl, nicht nach dem ungefahren Gedachtnis, sondern : er soil stets
genau zusehen, was da gedruckt steht". Das mag alles einfach klingen und selbstver-
standlich sein, aber wie unterscheidet es sich von Gesinnung und Praxis friiherer Jahr-
zehnte, von manch allzu billiger heutiger „Volksbildungs"absicht. — „Tut das Volk mit ?",
heifit die „funfte Frage" des Buches. Sie kann nicht uberzeugender beantwortet werden
als durch die in nuchterner Sachlichkeit schlagende, gewifi viele uberraschende, Statistik
der geleisteten Arbeit (in grofien, kleinen und kleinsten Orten; vor allem Westdeutsch-
332
Katholische Volksmusikerziehung
lands): „iiber 120000 Choralsanger (Kinder und Erwachsene aller Stande), die von
dieser kleinen westfaliscben Benediktinerarbeit aus eingeiibt worden sind! — Wir haben
uns in jenen Jahren angestrengt, den Weg des Chorals zum Volk zu suchen, die
Schwierigkeiten und Mittel zu ihrer Uberwindung herauszufinden, uns selber und das
Volk an den neuen, aber wunderbaren Klang des Massenchorals zu gewohnen". Es wurde
zu weit fuhren, auf alle Mittel (besondere Volksausgaben des Chorals, Choraltafeln,Hand-
zettel usw.), auf die unglaublichen inneren und aufieren Widerstande der Schulungs-
arbeit einzugehen, doch diirften einige Notizen des Monchs aus seinen Kurs-Statistiken
interessieren :
1925. Witten-Ruhr. 7 Kurstage. — Bei Abendiibungen und Vortragen im Saal taten
aufier Chor 200 erwachsene Teilnehmer mit. Die Illustration des Schlufikanzelvortrages zum
erstenmal durch wirklichen Volkschor von 500 grofien und kleinen Sangern. Einfaches Choral-
sanctus von ergreifendster Wirkung. Wirkung klar abzuschatzen aus 263 Zuschriften, die nach-
her zum Kloster kamen ; darunter ein anonymes Schreiben, das gegen solche „Aufklarung des
Volkes" protestierte. Zu diesem ersten Volkskursus hatten Kardinal Schulte von Koln (friiher
Kaplan und Chorleiter an der Kirche), der Bischof und der Diozesanprases des Cacilienvereins
von Paderborn Ghickwtinsche nach Witten geschickt.
1926. Borghorst i. W. 1 Kurstag. - Lehrreichster Tag ! Sclinee, sehr kalt. Die 800
Kinder der Ortschaft stehen (!) mit kalten Ftifien (!) und Holzsehuhen (!) in der Turnhalle
und sollen nur die Choralmelodie des Tantum ergo richtig korrigiert erlernen. Kein Instrument
da. Nach zehn Minuten kapituliere ich vor dem immer heftiger werdenden Holzschuhgerausch.
,,So, jetzt trampelt euch die Fiifie warm, und fur mich erbitte ich eine Violine." Danach etwas
besser. Gewolltes Ziel schliefilich mit Samsonskraften erreicht. Durch Schnee zur kalten iiber-
mafiig hohen Kirche. Auf Kanzel. Organist spielt mit. 800 Kinder singen grauenhaft falsch.
Die Wirkung der sogenannten „Andacht" I Vier Satze von der Kanzel appellieren an die wahre,
aufpassende Andarht. Jetzt ist das „an" die Sache „denken (Andacht)" da. Endlich klappt es.
1926. Hannover. 14 Tage. - Gute Presse-Mithilfe ; audi des Hannoverschen Kurier.
1926. Hamborn. 10 Tage. — In der grofien Kirche sang zu meinem Kanzelvortrag ein
Choralchor von etwa 1300 grofien und kleinen Sangern, der im Querschiff aufgestellt war. Bei
einer Kinderstunde waren im Saal 900 unruhige Kinder auf einmal versammelt, deren Ein-
ttbung aus Saal-Griinden so schwer war, dafi ich nachher fast Herzkrampf hatte.
1928. Koln-Muhlheim. 6 Tage. — Unvergleichliche Begeisterung. Jeden Morgen 400 — 600
Schulkinder, immer aus anderem Bezirk des Dekanates. Schlufi-Kanzel-Vortrag wird erlautert
von etwa 1500 Choralsangern. Der heutige Generalprases des Allgemeinen Cacilienvereins,
Domkapellmeister Prof. Molders, sowie St.-R. von Lassaulx, Herausgeber eines fur das Volk
bestimniten Sonntagshochamtes, iiberzeugen sich, dafi Massenchoral moglich und von iiber-
waltigender Pracht ist. — Nachher fiber 400 frohe Zuschriften.
Dieser Fiinfjahresuberblick (1924 — 29) nennt 61 solcher Kurse. Die Volkshochamts-
kurse von 1929 bis Anfang 1932, die bis Schleswig und in die Bezirke um Hamburg,
Begensburg, fuhren, errreichen die Zahl 73, wobei die Teilnehmerzahl des Einzelkurs
oft iiber 2000 Sangern liegt. Bei der ersten Arbeitstagung der „Internationalen Gesell-
schaft fiir Neue Kirchenmusik" sind es 4600 Volkssanger, die im Dom das Choralamt singen.
Das Volk tut mit!
„Kirchenmusikaiische Andachten"
Unter den verschiedenen Formen kirchenmusikalischer Wirksamkeit (in deren Mittel-
punkt und als hochste liturgische Gestalt die Vormittags-Messe steht) ist es vor allem die
„Kirchenmu3ikalische (Nachmittags-) Andacht", die im Rahmen der weitgehenden Er-
neuerungsbestrebungen zugleich mit einer Aktivierung eine Beform erfahren hat, die im
„wie" eine scharfere Umgrenzung der kultisch-kirchenmusikalischen Einheit und im „was"
vor allem eine nachdrucklichere Einbeziehung Neuer Musik bewirkte. Eine Verfiigung
des Kolner Kardinals bemerkt: „Seit kurzem kommen sogenannte Kirchenkonzerte immer
mehr in Ubung. Schon unsere Diozesansynode von 1922 gab die Weisung: Kirchen-
333
j*m*^*mmmmmmmmmm%*mmm*~~~~*> u i . -umj^..
Neue kirchliche Gebrauchsmusik
konzerte sollen nur dann geduldet werden, wenn sie mit einer liturgischen Andacht
wiirdig verbunden erscheinen . . . Die Gebete oder Schriftlesungen durfen nicht als
aufieres Beiwerk oder gar als eine Konzertpause behandelt werden; sie mussen vor
allem mit den kirchenmusikalischen Vorfiihrungen nach Geist und G eh alt in un-
mittelbarer innerer Beziehung stehen. Es bleibt audi fur die kirchenmusikalische Andacht
jede Musik verboten, die nicht fur die Kirche, sondern fur den Konzertsaal komponiert
wurde." Diese kirchliche Verordnung stimmt vollig xiberein mit dem Grundgesetz der
Musikpolitik : dafi namlich aus soziologischer Sinngebung das Musikwerk und seine
Wiedergabe besonderen Sinn, besondere Ordnung erfahrt. Es mufi der Gemeinschafts-
arbeit von Theologen und Fachmusikern vorbehalten bleiben, die Vortragsfolgen dieser
Feiern festzusetzen in harmonischer Durchdringung von liturgischem und kunstlerischem
Geiste. Dafi das Kunstwerk in solch nahe und tiefe Schicksalsbeziehung gestellt werde.
so unmittelbar eine Schicksalsgemeinschaft schaffen hilft, entspricht seinem eigensten
Wesen. Von den Begriffen unseres Musiklebens aus gesehen, ist auch die Aufgabe der
Kirchenmusikalischen Andachten gleichzeitig eine kunstlerische und soziologische.
An kunstlerischen Formen kommen hier im wechselvollen Nebeneinander zur Dar-
stellung: Gregorianischer Choral — mehrstimmiges, begleitetes und unbegleitetes Chor-
werk — Sololied — Instrumentalmusik — Gemeindegesang. — Der Gregorianische
Choral tritt hier (im Gegensatz zu „Messe", „Vesper", „Complet") im allgemeinen zuriick;
bis etwa auf eine „kehrreim"-mafiigdurchgefuhrte Kette kurzer Choralzitate, den liturgischen
Grundgedanken in leitmotivischen Stationen durchfuhrend. Im Grunde mehrstimmigen
Kompositionen bestimmt, gibt die Kirchenmusikalische Andacht bevorzugt Gelegent }it
zur Darstellung von Tonsatzen, in denen (vor allem durch die junge Generation) das
Gregorianische Melos einer neuen mehrstimmigen Gestaltgebung dient. Aufier solchen
„Propriums"- Kompositionen verftigt die heutige kirchenmusikalische Praxis bereits uber
eine in Qualitat und Quantitat erstaunliche Auswahl Neuer Musik geistlichen Charakters.
Tatsachlicher Neuer (und nicht nur zeitgenossischer) Musik, die sich von den Machwerken
eines verweichlichten, sentimentalen „Cacilianismus", von den serienweis um den ewigen
Dominantseptakkord herumgeschriebenen Tantum ergo-Chorsatzen, qualitatsbestimmt
in Gesinnung und Formung, kausal untersclieidet. Dafi diese Chorsatze gegenuber der
landlaufigen Vierstimmigkeit den polyphonen, drei- und funfstimmigen, Satz bevorzugen
und zugunsten eines neuen a cappella-Ideals gerne auf jene dickfliissigen Orgelbegleitungen,
die als stillose Orchesterimitation die Unechtheit des Ganzen uberpappten, verzichten, —
dies ist nicht das einzige, in dem diese Werke im rein Musikalischen mit weltlicher
Neuer Chorkunst ubereinstimmen. Und immer mehr zeigt sich, dafi es uberhaupt die
gleichen Komponisten sind, die auch auf den Tagungen Neuer Musik Wesentliches zu
sagen haben. Von den grofien geistigen Hintergriinden, die diese junge Generation auch
im Bereich der Musica sacra vereint und einig zeigt, wird noch manches zu sagen sein ;
wichtig genug bleibt, dafi sie schon einige Zeit mit einer erstaunlich reichen Produktion
sich den neuen Bereich erobert hat und als Musiker von Qualitat und Bang dem Mittel-
mafi hier durchaus nicht mehr alien Baum und jede Moglichkeit lafit. In dieser hochsten
Form einer „Gebrauchsmusik" ergibt sich fxir den Schaffenden von zwei Seiten her der
Zwang „neuklassizistischer" Formbindung: wie sonst nichts verlangt vor allem dieliturgische
Idee letzte Sauberkeit und Echtheit der Gesinnung, letzte Entpersonlichung und Aus-
334
,Popularisierung der neuen Musik in der Kirche"
geglichenheit der Formung; zum zweiten: jenseits allem Virtuosentum, allem konzertanten
Sinn wendet sich das kirchenmusikalische Kunstwerk unmittelbar und nur an den Lieb-
haber, der hier nicht nur den Horer, auch den Interpreten umgreift. In vielem trifft
sich „innerstes Bedurfnis des Kirchenmusikalischen mit dem Gesunden, das heute in der
weltlichen Musik zum Lichte drangt und zum guten Teil auf dieselben letzten Grunde
zuriickgeht." Aber es sei keineswegs vergessen : „Kirchenmusik ist ihrem innersten Wesen
nach etwas Eigengriindiges . . . Neue Kirchenmusik tritt erst da hervor, wo man die
Erfordernisse der Liturgie neu gesehen und begriffen hat, und nicht da also, wo man
neue Mittel mit dem notigen Geschick der Kirchenmusik zu ,adoptieren' versucht".
Neben Johannes Hatzfeld (Begriinder der Sammelreihen zeitgenossischer Musik:
Musica orans, Das Neue geistliche Sololied usw. — Mitbegriinder der ersten musik-
politischen Gesamtschau: der Zeitsclirift „Musik im Leben"; er hielt 1925 in Donau-
eschingen jene schon „historische" Predigt von der Verantwortung im Sinne des Fort-
schritts; er ist mit Joseph Haas Begriinder und geistiger Fiihrer der „Internationalen
Gesellschaft fur Neue Kirchenmusik"), der aus dem sozialethischen Schicksalsgemein-
schafts-Gedanken des „Volksvereins' - als ein Musiker von Bang und Kulturpolitiker
weitreichender Bedeutung in gleichzeitiger Inangriffnahme der kiinstlerischen und sozio-
logischen Aufgabe den kirchenmusikalischen Aufbruch fiihrte und formierte — sei noch
kurz einem jener neuen Kirch enmusiker das Wort gegeben: dem jungen Benediktiner
Leo Soehner, dessen „Messe in a" auf der Frankfurter Tagung wohl kaum die
Begeisterung der Biederen weckte, die aber strengste Kritik dem Besten neuen Schaffens
einreihen kann:
„Wir diirfen Gott danken, dafi jene sterile Zeit des 19. Jahrhunderts, die sich auf hohle
Imitation alter Kunstformen beschrankte, vorbei ist. Wieweit die neuen Elemente in der Kirche
Aufnahme gefunden haben und finden Bollen, dariiber gehen die Ansichten sehr auseinander . . .
Auf jeden Fall lafit sich feststellen, dali die Tendenzen der Neuen Musik durchaus
der liturgischen Haltung entsprechen, ja in viel hoherem Mafie dem Liturgischen
entgegenkommen als die romantische Musik des vergangenen Jahrhunderts. Das Abriicken von
der individualen Frbmmigkeit, das Suchen nach einem Gemeinschaftsstil, das Zuriicktreten des
grofien Orchesterklanges, das Wiederaufleben der linearen Stimmfiihrung, die Bevorzugung des
Vokalen, die klare Formgebung, — das sind alles Dinge, die dem nerten Stil in ganz beson-
derer Weise zu einer hiratischen Musik geeignet machen . . . Darum sehe ich die Hauptauf-
gabe der modernen Kirchenmusik darin, einen schlichten einfachen Stil zu finden, der zum
Herzen des Volkes spricht, der in Verbindung mit dem volkhaften Empfinden ist. Es konnen
darum nicht ■ alle Elemente der Neuen Musik ohne kritische Sichtung in die Kirche iibernommen
werden. Die kirchliche Tradition verbietet ja schon von selber eine revolutionfire Loslosung
von der Vergangenheit. Die Popularisierung der Neuen Musik in der Kirche er-
scheint mir von grofiter Bedeutung auch fiir die weltliche Musikiibung,
denn die Kirche ist die einzige Gemeinschaft, die innerlich geschlossen ist, in der neue Ideen
von grofien Volksmassen aufgenommen werden. Und ich glaube, daft darum in der
Kirche die Entschei dung fallt fiber die Zukunft der Neuen Musik".
Bedenkt man, dafi solchen Worten Baum gegeben wird im Hauptorgan des „Ca-
cilienvereins'' — auf dessen diesjahriger Generalversammlung in Begensburg ein Antrag,
der gegen die Neue Kirchenmusik und ihre Forderung gerichtet war, einstimmig ab-
gelehnt wurde, — so zeigt sich unbedingt, dafi solche Evolution keineswegs Sonder-
btindelei Einzelner darstellt.
Es sind gerade die Kirchenmusikalischen Andachten, in denen (vor allem in West-
deutschland) die Neue Kirchenmusik Heimatrecht gewonnen und planrnafiige Pllege er-
fahren hat. Verschiedenste Grunde sprechen dabei mit, dafi sich ein Kirchenchor leichter
entschliefit: diesen oder jenen Neuen Chorsatz einzuiiben und darzustellen, als gleich
335
mmmmmm^mmmummmmmmm mi - ' i ' * m ■ ■
Erneuerung vom Gemeindegesang aus
"\
eine ganze grofie Messe neuer Haltung und Form; zudem bietet die Kirch enmusikalische
Andacht weitaus eher Gelegenheit, aufier den Chorsatzen neue geistliche Instrumental-
musik und geistliche Sololieder der hier mehr gelockerten liturgischen Form einzu-
ordnen.
Selbstverstandlich wirken auch hier zielbewufite Absichten: das Volk an der
liturgischen Gemeinschaftsfeier aktiv zu beteiligen. Von den Choralhochamtern, in denen
das Volk im Wechselgesang mit dem zur „Schola" erhobenen (Vorsanger-) Kirchenchor
die Choralliturgie singt, wurde schon gesprochen. Die Kirchenmusikalische Andacht ver-
bindet in der sinnvollen Kette liturgischer Handlungen und kirchenmusikalischer Vor-
trage durch den Chor, den Vokal- und Instrumentalsolisten diese kiinstlerischen Inter-
pretationen mit dem deutschen Kirchenlied des Gemeindegesangs. Durch eben diese
erkenntnisweckende, erlebnisfordernde Ordnung einer thematisch geschlossenen sinnvollen
Folge aller AuSerungen wird vor allem die innere, die seelisch-geistige Aktivitat des
Volkes erreicht; das korperliche Mittun, die Selbstausiibung des deutschen Kirchenlieds,
erhalt so wirksameren Sinn. 1st hier, im Gemeindegesang, bei manchen Einzelheiten
(stilvolle Orgelbegleitung, stilvolles Prae- und Exludium; bewufites, schemes, sinnvolles
Singen im rechten Zeitmafi usw.) der Erneuerungswille auch schon fruchtbar wirksam
geworden — : hier liegen noch viele Aufgaben der musikalischen Erziehung, deren Anted
fur Schule und Musikpflege schlechthin jedem klar sind. Wie uberhaupt in allem der
Kiinstler, der Musikerzieher und Musikpolitiker an der Verantwortung fur eihe rechte
Kirchenmusik beteiligt ist. Gewifi: die Kirchenmusik steht aufierhalb des Musikbetriebs,
und ihre Bewertung und Anleitung durch die Fachkritik erfolgt zumindest im Finzelfall
(leider) nur durch die in der gleichen Konfession dieser Wirksamkeit verbundenen
Presse — aber, und das sei nicht vergessen und nach hiiben und driiben gesagt: sie
gibt einen der wichtigsten Tone an, die den harmonischen Vielklang eines gesunden,
musikpolitisch geordneten und kulturbestimmten musikalischen Gesamtlebens im Mit-
und Fureinder bestimmen.
Diskussion
Kurt Weill antwortet:
Sehr geehrter Herr Professor Mersmann!
Sie veroffentlichten im letzten Melos-Heft eine Reihe an mich gerichteter Fragen,
die „Biirgschaft" betreffend. Ich habe versucht, auf diese Fragen zu antworten. Das ist
aber darum kaum moglich, weil diese Fragen nur eine andere Form subjektiver
Kritik darstellen, Wenn die Anschauungen, die die Grundlage und selbstverstandliche
Voraussetzung eines Kunstwerkes bilden, vom Standpunkt der subjektiven Kritik be-
zweifelt oder geleugnet werden, so steht eben Behauptung gegen Behauptung.
Ich behaupte, dafi der von uns formulierte Satz iiber die Verhaltnisse, die die Haltung
des Menschen and em, richtig ist und der von Trantow formulierte falsch, weil wir keine
336
Kurt Weill iiber seine „Burgschaft"
Heroen oder Ubermenschen zeigen wollten, sondern Menschtypen, deren „geistige Er-
kenntnisse und innerliche Erlebnisse" weniger wichtig sind als ihre Handlungsweise.
Selbstverstandlich gibt es „Verhaltnisse" in unserem Sinne, die unsere Handlungsweise
bestimmen. Vielleicht hilft es dem Fragesteller, ^enn er die „wirtschaftlichen Verhaltnisse",
wie wir sie meinen, als eine Konkretisierung dessen, was die Alten das „Schicksal"
nannten, aufFassen darf.
Ich behaupte, dafi der Schlufi der „Biirgschaft" sowohl tragisch als audi „lehrreich"
ist. Allerdings liegt die Tragik weniger in dem Tod des Mattes als vielmehr in der
Erklarung, die Orth in seinen Schlufiworten gibt, und in der Trostlosigkeit dieser Er-
kenntnis liegt die „Lehre", die der Zuschauer mit nach Haus nehmen kann.
Damit kommen wir zu dem „Hauptpunkt der Anklage": zu dem Vorwurf der
Negativitat. Hier vergifit der Fragesteller offenbar, dafi die gesellschaftskritische Kunst
aller Zeiten sich bemuhte, die Dinge, oft bis zur Uberdeutlichkeit, so zu zeigen, wie sie
sind, und nur durch die Art der Darstellung dem Zuschauer die Verurteilung dessen,
was ihm gezeigt wurde, in den Mund zu legen. Sie begniigt sich damit, den Zuschauer
mit dem Bewufitsein zu entlassen, dafi bestehende Zustande geandert werden miissen,
und sie sucht das zu erreichen, indem sie die Zustande in ihrer krassesten Gestalt und
ohne Beschonigung aufzeigt. Dieser Weg wurde audi bei der „Biirgschaft" beschritlen,
zumal ja von Anfang an eine tragische Oper beabsichtigt war. Natiirlich ware es schon,
auf dem gleichen weltanschaulichen Hintergrunde etwas Positives, Bejahendes zu ge-
stalten, und ich ware der erste, der mit beiden Handen zugreifen wurde, wenn sich
dafiir eine Moglichkeit bietet. Diese Moglichkeit aber in der Gegend des „reinen
Menschentums" zu suchen, halte ich speziell fur die Oper fiir sehr gefahrlich, weil idi
glaube, dafi die Aufgabe der Oper heute darin besteht, iiber das private Einzelsdiicksal
hinaus zur Allgemeingiiltigkeit vorzudringen.
Zum Schlufi noch eine Feststellung, die mir wichtig erscheint: die „Biirgschaft" ist
kein Lehrstuck, sondern eine Oper. Sie ist fiir das Theater geschrieben. Sie will nicht
Lehrsatze beweisen, sondern, der Aufgabe des Theaters entsprechend, auf dem Hinter-
grund einer uberzeitlichen Idee menschliche Vorgange gestalten.
Und noch eins: in einer Zeit, da die einen sich mit artistischen Spielereien be-
schaftigen, wahrend die anderen es vorziehen, iiberhaupt nicht zu produzieren, um nur
nirgends anzuecken, unternimmt die „Biirgschaft" den Versuch, zu den Dingen, die uns
alle angehen, Stellung zu nehmen. Ein soldier Versuch mufi natiirlich Diskussionen
hervorrufen. Das ist ein Teil seiner Aufgabe. Aber fiir eine Diskussion ware notig, dafi
der Gegenstandpunkt genau und sorgfaltig analysiert wird. Die Fragen, die Sie veroffent-
lichen, sind hochstens geeignet, zu den vorhandenen Mifiverstandnissen noch einige
neue hinzuzufiigen.
Mit den besten Griifien
Ihr Kurt Weill
337
mmpmmmm.
Flucht in die Vergangenheit?
Musikleben
Die Saison des Optimismus
Heinrich Strobel
1.
Im Fruhjahr sah das Bild der neuen Saison etwa so aus : Theaterschliefiungen, Zu-
sammenbruch der Konzertunternehmungen, Abwendung des Publikums von der Kunst.
Jetzt hat die Saison begonnen, und das Bild ist vollig verandert. Eine Welle des Bildungs-
willens und der Seriositat geht uber Deutschland. Man hort von uberall iiber verstarkte
Abonnementsziffern, mitunter ist sogar von Verdoppelung die Rede, man kann in den
Zeitungen lesen, dafi es keine Krise der Oper oder des Konzerts mehr gibt, dafi das
Publikum von einem wahren Heifihunger nach Musik erfullt ist. Und in der Tat: wer
die jiingsten Erfolge von „Maskenball" oder „Meistersinger" in Berlin gesehen hat, der
mufi sich fragen, ob die vor zwei Jahren noch totgesagte Oper nicht wirklich wieder
einen machtigen Aufschwung erlebt und ob der Sinn fur die seriose Kunst nicht wirklich
im Wachsen begriffen ist.
Es ist unleugbar, dafi viele Zeitgenossen, die den Zusammenbruch materieller
Werte in dieser Zeit am eigenen Leib verspurten, dadurch den geistigen Werten gegen-
iiber aufgeschlossener wurden. Wir haben die Anbetung der Aktualitat alle ein bifiche'n
satt. Uberall ist eine Tendenz zur Historisierung, zur Beschaftigung mit den Schopfungen
der Vergangenheit festzustellen. Wo sie der Verbreiterung der Basis, der Befestigung des
Weltbildes dient, wird man diese Bewegung begriifien. Aber wie klein ist der Schritt
vom Studium der Vergangenheit, der klassischen Meisterwerke, wie man heute sagt,
bis zur Flucht in die Vergangenheit. Wie verhangnisvoll ist diese Flucht vor den
Bealitaten der Gegenwart fiir die Kunst selbst und fur die Erkenntnis ihrer Bedingt-
heiten. Schon regen sich Stimmen, die die ganze Kunstbewegung seit dem Impressionismus,
die Bewegung von Ce"zanne bis Picasso, von Schonberg bis Weill endgultig als Irrweg
bezeichnen. Schon wird die Neue Musik als etwas Erledigtes hingestellt; schon werden
die Epigonen des Wagner-Straufi-Stils als die wahren Hiiter der Kunst aufgefuhrt und
gefeiert. Einer sucht den andern an Bekenntnissen zur „wahren" Kunst zu uberbieten.
Aber wie viele befinden sich unter den Bekennern, die nur die Konjunktur fiir die
Produkte ihrer verstaubten Muse ausniitzen wollen. Mancher entdeckt Gefxihle in seiner
Brust, die er vor zwei Jahren noch nicht zu ahnen wagte, und schnell wird aus einem
tiichtigen Geiger ein betriebsamer Dirigent mit eigenem Orchester.
Man darf diese Dinge freilich nicht uberschatzen. Die Mittelmafiigkeit bleibt schliefilich
doch auf der Strecke liegen. Nur das Originale besteht. Soil der neue idealistische
Romantizismus irgendwelchen Bestand haben, dann mu6 er vor allem originale Werte
schaffen. Soil der neue Kunstoptimismus wirklich zu einer Bereicherung des Daseins
fiihren, dann darf er sich nicht damit begniigen, das gute Alte gegen den schlechten neuen
Kulturbolschewismus oder die „echte" deutsche Kunst gegen die „unechte" auslandische
auszuspielen. Man mufi in diesem Zusammenhang erwahnen, da6 sich der grofite Teil
der deutschen Dirigenten — sehr im Gegensatz zu den Opernleitern — dem unausge-
338
Eberts groUartiger „Maskenball"
sprochenen Diktat der „Zeitstimmung" nicht unterworfen und in richtiger Erkenntnis
der Notwendigkeiten immerhin eine Anzahl wertvoller neuer Werke auf die Programme
gesetzt hat.
2.
Es gibt auch Buhnen, die sich alien Versuchen der politischen Zersetzung zum
Trotz ihren Arbeitsgeist erhielten. In Berlin erlebte man im September einen Triumph
solcher Werkarbeit in der Auffuhrung des „Maskenballs" durch die Stadtische
Oper. Dem Intendanten Ebert ist es in einjahriger Arbeit gelungen, den Geist des
Werkdienstes im Ensemble zu wecken. Wenn er jetzt ein Ensemble von Stars heraus-
stellt, dann ordnen sie sich mit einer bewunderswerten Disziplin seiner Regie unter,
die den dramatischen Inhalt der Oper mit grofiter Feinheit aufhellt und die hohle
Opernpose in Bewegung und Stellung ausmerzt. Wenn Ebert den Dresdener General-
musikdirektor Fritz Busch als Dirigenten dieser Auffuhrung beruft, dann geschieht
es nicht, urn mit einem neuen Pultstar zu brillieren, sondern um einen Mitarbeiter gleicher
Sinnesrichtung zu finden. Es ist das Grofiartige und Zwingende dieser Dirigentenleistung,
dafi hier einmal alles „typisch Italienische" ausgetrieben wird, das in Wahrheit nur in
den Kopfen mittelmafiiger deutscher Kapellmeister existiert, dafi hier die Musik mit
einer Klarheit und Disziplin, mit einer dramatischen Scharfe und zugleich mit einer
klanglichen Abgerundetheit dargestellt wird, wie man sie noch bei keinem deutschen
Verdi gehort hat. Es entspricht endlich dem Geist der Auffuhrung, wenn sich in den
wunderbaren Dekorationen Caspar Nehers die opernhafte Illusion mit der unheim-
Jichen Phantastik des spanischen Barocks verbindet.
Man kann in dieser vorbildlichen Auffuhrung Regie, Bild und Musik nicht trennen.
Sie sind eine faszinierende Einheit, und sie dienen doch nur dem Werk, ebenso wie die
Mitwirkenden : von den Solisten (Onegin, Nemeth, Berger, Reinmar, Pataky) bis zum
kleinsten Statisten und zum unscheinbarsten Ballettmadchen. In den Jubel, den die Vor-
stellung beim Publikum ausloste, mischte sich auch die Erinnerung an die unvergessene
Beformarbeit der Krolloper, ohne die Eberts „Maskenball" nicht zu denken ware —
mag es auch heute unpopular sein, die Erinnerung an die „kulturbolschewistische Schmiere
am Walde" heraufzubeschworen. Eines wachst aus dem andern heraus, das Spatere ist
ohne das Vorhergehende nicht moglich.
Um die gleiche Zeit brachte die Staatsoper die „M e is ter singer". Es ist
interessant, die beiden Vorstellungen zu vergleichen. Beide Male ein prominentes Ensemble,
beide Male ein prominenter Gastdirigent, beide Male eine Inszenierung, die sich um
Klarstellung des Dramatischen bemuht. Und doch bei den „Meistersingern" nicht ent-
fernt derselbe Eindruck einer grofieren kiinstlerischen Einheit — trotz der wundervoll
disziplinierten und belebten Wiedergabe der Partitur durch Furtwangler, diszipliniert
selbst in der Prugelszene, trotz solch iiberragender Leistungen wie Bockelmann als Sachs
und Lotte Lehmann als Eva.
Auch bei einer weniger konventionellen Regie (Tietjen), auch bei besserer Besetzung
einiger Partien ware doch keine innere Einheit in diese Vorstellung gekommen, weil sie
nicht aus einer geschlossenen Werkidee heraus entstanden ist, weil der Staatsoper
trotz ihrer reichen Mittel der ordnende, klarende und begeisternde Werkwille fehlt.
Das hat auch die Neueinsludierung des „Rosenka valier" bewiesen. Die Partitur
339
m
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ms^msmm
Verspatete d'Albert-Premiere in Dresden
wurde von Klemperer mit einer Helligkeit, mit einer gleichmafiig sinnvollen
Ausschopfung der dramatischen, sinfonischen und konzertanten Teile musiziert, wie man
es noch nie gehort hatte, sie klang wundervoll differenziert und doch nicht wienerisch
verweichlicht. Die Biihne machte einen ungeformten Eindruck. Neben Krenns ausgezeichnet
durchgearbeitetem, verkommen saftigem Och9 horte man eine vollig unbedeutende Grafin,
eine stimmschwache Rosine und einen farblosen Oktavian. Gustav Griindgens ftihrte
mit der linken Hand Regie. Er kennt sich nicht genug in der Musik von Straufi aus,
um sie dramatisch realisieren zu kOnnen. Er war nicht genug bei der Sache, urn
wenigstens die Atmosphare der Oper zu geben. Griindgens, der seinerzeit den wunder-
baren „Figaro" geschaffen hat, zersplittert sich jetzt an seinen vielerlei Aufgaben.
3.
Der deutsche Opernspielplan weist in dieser Spielzeit kaum Werke moderner
Autoren auf. Die Historisie.rung des Operntheaters schreitet fort. Wird der neue Opern-
optimismus durch den Verzicht auf die Gegenwart erkauft? Kann sich der Spiefi-
burger riihmen, mit der ganzen Richtung, die ihm nicht pafit, aufgeraumt zu haben ?
Im Augenblick kann er es. Die Gegenseite hat es sogar schwer, ihre Position zu ver-
teidigen. Selbst dem Theaterleiter, der moderne Werke spielen will, kann man keine
neuen Opern nennen. Die Intendanten glauben ja immer noch an die Notwendigkeit
der Uraufhihrungen. Natiirlich gibt es Cardillac, Totenhau3, Oedipus, Geschichte. vom
Soldaten, Biirgschaft. Der Intendant wird sagen : Cardillac und Geschichte vom Soldaten
haben wir schon gehabt, Totenhaus oder Biirgschaft kann ich doch heute nicht macLen.
Terror des Publikums, Terror des politischen Radikalismus, Terror der autarkischen
Denkart. Eine grofie Biihne des Reiches gibt ohne weiteres zu, daft sie das einzige neue
Werk, das sie der Auffiihrung wert fand, nicht spielen kann — weil der Autor ein
Russe ist. Der Intendant einer anderen grofien Riihne wird von politischen Gruppen mit
Boykott bedroht, wenn er sich nicht ihrem Diktat unterwirft und einige „artfremde"
Kiinstler entfernt.
Hier ist die Kehrseite des gegenwartigen Kunstoptimismus. Jeder, der wirklich an
der Kunst interessiert ist, mufi darauf hinweisen. Es ist nicht wahr, dafi es' keine
neuen Werke gibt. Es gibt keine Biihnen, die sie auffiihren wollen. Die Theaterleiter
mussen sich aufierkiinstlerischem Zwang beugen. Der Geist der Bequemlichkeit tarnt
sich als Kunstoptimismus. Der Ausweg lautet: unverbindliche Premieren. Das typische
Beispiel dafiir: d'Alberts „Mister Wu" in Dresden, den noch dazu die Sensation eines
unvollendeten Werkes umgab. „Mister Wu" ist stofflich auf dem Niveau eines Vor-
stadtkinos von gestern und musikalisch ohne jede Substanz. d' Albert hat sich reichliche
Miihe mit der Verarbeitung chinesischer Klangelemente gegeben. Sie wirken aber nicht
als Bausteine, sondern hochstens als koloristische Reize einer meist untermalenden
Musik. (Man weifi aufierdem nicht, wieweit die klangliche Wirkung auf den Instrumen-
tator und Vollender Rlech zuriickzufiihren ist, der auch die Dresdener Premiere mit
den geschmackvollen Dekorationen von Emil Preetorius leitete.
Nur auB der augenblicklichen Situation ist es zu erklaren, dafi eine Niete wie
„Mister Wu" an vielen deutschen Biihnen gegeben wird. Das klare, eindeutige, neue
Werk ist verfemt. Die Kopie des Gestrigen wird als Sensation aufgezogen.
340
Casellas und Malipieros Kurzopern
Das venezianische Musikfest
Herbert Fleischer
Das venezianische Musikfest 1932 war nach fascistischen Gesichtspunkten organisiert
worden. Motto: „Nationale Musik". Jedes Land erhielt sein Revier, meist in Gestalt
eines Sonderabends. Am besten war Frankreich vertreten, relativ betrachtet auch Italien.
Das franzosische Prograrnm bot, auf einen Abend zusammengedrangt, durchaus inter-
essante, zum grofien Teil wenig bekannte Musik. Das „Divertimento" von Roussel —
ein iiberaus spirituelles, durchsichtiges Kammerwerk, die pariserisch gleifiende, originelle
„Suite" von Ibert und vor allem das Konzert fur zwei Klaviere von Poulenc, dessen
Hauptpart der Komponist selbst ubernommen hatte : ein Werk von weltmannischer
Souveranitat, moderner Klangspiegel der Musik verflossener Jahrhunderte. Italien hatte
vielleicht ein allzu starkes Ubergewicht in den Veranstaltungen des Festes. Zu oft kam
leerer Akademismus heraus. Es ist ungefahr derselbe Status wie heute in Deutschland:
Unter der Maske „nationaler" Musik wird wasseriges, einfallsloses Akademikertum aufge-
tischt, zum Teil sogar von denen, die nach 1918 „wilde Musik" machten und sie theo-
retisch verteidigten. Diese blutleeren Akademiker sind naturlich keineswegs gleichzusetzen
wirklich inspirierten, traditionsbewufiten Komponisten des heutigen Italiens : einem
Pizzetti, einem Respighi, einem Wolff-Ferrari. Von Wolff-Ferrari horte man ein meister-
lich durchkomponiertes kleines Oboenkonzert, von Respighi ein Musik-Triptychon : Die
„Aegyptische Maria". Sind diese alteren Musiker in ihrer Gesinnung riickwarts gerichtet,
so wirkt in der Musik Casellas und Malipieros fortschrittlicher Geist. Casellas Oper
„Die Orpheus -Fab el" ist ein in der Szenenfolge knappes Stuck. Da jeder Zuhorer
bereits vorher die Vorgange kennt, — der allgemein bekannte Stoff ist bewufit gewahlt
— wirken die Figuren der Buhne typisiert, plastisch. Und ebenso plastisch erscheint
aucli die Musik in ihrer neuartigen, harmonisch durchsetzten Kontrapunktik — eine
Musik, die iibrigens grofienteils aus kurzen Motivtypen altromischer Volkamusik gespeist
ist. Nirgends, auch nicht in den Hauptarien, kommt es zu starken Emotionen, die Musik
ist liberal! temperiert. Das Werk ist in der Geschlossenheit der Form und des Aus-
drucks das Reifste, was Casella bisher schrieb. Leider war die Auffuhrung unzulanglich.
Das Gleiche gilt auch von Malipieros Mimodram „Pantea". Malipiero schreibt einen
Stil, der nur unter aufopferndster Probenarbeit klanglich realisierbar ist. Trotz der Sinn-
falligkeit seiner Melodik ist die kontrapunktische Schichtung des Materials so kompliziert,
dafi es sehr schwer ist, die einzelnen Stimmen transparent zu machen. Es ist unbe-
greiflich, dafi gerade in Italien, wo doch Toscanini die Reform der Proben eisern durch-
gefiihrt hatte, schwierige Werke kaum probiert zur Auffuhrung gelangen.
Waren Frankreich und Italien noch im Grunde wiirdig vertreten, so erschien die
deutscheProgrammgestaltung unzureichend. Dafi Schonberg, Berg, Krenek,Weill ganzfehlten,
mag hingenommen werden (auch die anderen Nationen wiesen ja betrachtliche Liicken
auf: Bartok, ProkofiefF, Milhaud, die jungen Franzosen vermifite man stark). Dafi aber
von Toch und Hindemith als Vertretern fortschrittlicher deutscher Musik kleinere und
noch dazu weit zuriickliegende Werke ausgewahlt wurden, ist bei einer Veranstaltung,
die ganz auf Reprasentation gestellt sein sollte, unverzeihlich. Ganz schlimm stand es urn
die sogenannte neu-deutsche Richtung, die mit einer Reger-Stilkopie, namlich Gottfried
341
-**^>
Ungeniigende Vertretung der Deutschen in Venedig
>L ■ 4M
Midlers Variationen uber das Volkslied „Morgenrot" und Graeners „Fl6te von Sanssouci" wenig
giinstig abschnitt. Das deutsche Konzert hat — dies muB betont werden — in seiner
Programmgestaltung dem Ansehen des Deutschtums im Ausland keineswegs geniitzt. Es
heifit durchaus nicht seinem Volke einen Dienst zu tun, wenn man eine epigonenhafte
oder gar akademisch-wasserige Musik als reine Nationalkunst gegen „Neutonertum" aus-
spielt! Hindemith empfindet in seinem aufrichtigen neuen Stilwillen tausendmal starker
deutsch als die vielen hundert Kopisten deutscher Vergangenheit, die mit ver9taubtesten
Klangmitteln ihr Publikum einzufangen suchen. Soil die traditionelle Richtung des
neueren deutschen Musikschaffens berticksichtigt werden, so mufi man sich an die
Echten, die Produktiven halten, und dies waren zuletzt vor allem Reger und Pfitzner.
Reide sind im Ausland fast unbekannt.
Tanzbericht aus Paris
Alfred Schlee
Im Sommer fand in Paris ein internationaler Wettbewerb der Choreographen statt,
der in mancherlei Hinsicht uberraschende und interessante Ergebnisse zeitigte.
Unerwartet kam der Erfolg deutscher Tanzgruppen, die die beiden Preise^an sich
brachten und auch in der Gesamtplacierung am besten abschnitten. Das wiirde alleiri
noch nicht viel besagen, da die internationale Konkurrenz nur zweitklassig war. Der
Erfolg ging jedoch uber den Rahmen des Wetitbewerbs hinaus, bestand nicht nur relativ.
Er bekam sogar prinzipielle Bedeutung.
Man sah zwei vollig verschiedene Arten aktueller Tanzkunst. Beide gehoren nicht
unmittelbar zu der Gruppe, die man den „neuen" Tanz nennt. Kurt Jooss mit der
Folkwangtanzbiihne, Essen, vertritt einen ausgesprochenen Theaterstil, Synthese neuer
Formenwelt mit Ballettechnik. Die Schulen Hellerau-Laxenburg und Dorothee Gunther,
Munchen, betonen die musikalischen Bindungen des Tanzes. Beide Gruppen stiitzen sich
also auf Eigentumlichkeiten, die der neue Tanz ablehnte und bekampfte.
Trotzdem kann von keiner Reaktion gesprochen werden. Die geringe Wandlungsfahig-
keit des neuen Tanzes hatte zur Folge, daft er, wie vor ihm das Ballett, stilistische Formen
einer Epoche verkapselte und sie nach deren Ende ein beziehungsloses und anachronistisches
Dasein fuhren liefi. Es war notwendig, neue Beziehungen zum Leben der Gegenwart
zu schaffen, wenn der Tanz als Kunst iiberhaupt Lebensberechtigung behalten wollte
Aus der Hilflosigkeit der letzten Jahre kristallisieren sich nun zunachst zwei Rich-
tungen, denen es gluckt, diese Beziehung herzustellen.
Bei dem Miinchener Tanzerkongrefi 1930 machte die Tanzgruppe Dorothee Gunther
zum ersten Male von sich reden. In einer „Barbarischen Suite" proklamierte sie die
Gleichberechtigung von Musik und Tanz. Kontrapunktisches Spiel optischer und aku-
stischer Linien. Tanzer und Musiker sind diesen speziellen Forderungen entsprechend aus-
gebildet. Man hat sich ein eigenes Orchester geschaffen, das aus den verschiedensten
Schlaginstrumenten besteht. Xylophone und Blockfloten dienen als Melodieinstrumente.
Aber es ist kein Gerauschorchester mit larmenden Exotismen, wie die vielen anderen,
ahnlich zusammengesetzten Klangkorper des neuen Tanzes. Die musikalische Erziehungs-
arbeit von Carl Orff wirkt sich aus. Differenzierte Gebilde entstehen aus tanzerisch-
342
GroBer deutscher Tanzerfolg in Frankreich
musikalischer Improvisation. Und hier ist die Wurzel, welche die Arbeit der Giinther-
schule so bedeutsam macht. Sie stellt auf tanzerischem Gebiet ein Gegenstiick zur Ge-
meinschaftsmusik dar. Volkstanzmafiige Bindung, iiber die manch exotische Ausdrucks-
weise nicht hinwegtauschen kann, ist das Primare. Kein Mifiverstandnis: nicht etwa,
dafi sich Laientanz auf die Biihne ausbreitet. Die Tanzerin Maja Lex und die Musikerin
Gunild Keetmann formen das Material zum reinen Kunstwerk. Aber die Bodenstandig-
keit ist wichtig, die Verwurzelung in dem Lebensgefiihl einer jungen sportlichen Ge-
neration. Innere Aktualitat, absolute Zeitkunst, die nicht an die Ereignisse des Tages
und die Geschehnisse der Aufienwelt gebunden ist.
Gegenpol dazu der gegenstandliche Anschauungsunterricht, den Kurt Jooss mit
seinen Theatertanzern gibt. In dem Tanzspiel „Der Griine Tisch" demonstriert er die
vernichtende Gewalt des Krieges. Es geschieht in iiberrealistischer Klarheit und Sachlich-
keit. Kein Gefiihlsiiberschwang, keine mystische Ausflucht. Ein moderner Totentanz,
stahlhart und erbarmungslos. Ein grelles Vor- und Nachspiel verstarkt die Beziehung
zur unmittelbaren Gegenwart: eine Groteske am Verhandlungstisch der Diplomaten:
der Volkerbund.
Man hat dem expressionistischen Tanz mit Becht vorgeworfen. dafi er den un-
sinnigen Versuch mache, Weltanschauung zu interpretieren. Hier ist es jedoch gegliickt.
Der ethische Gehalt, ein Bekenntnis ehrlichster Menschlichkeit, erhalt in der tanzerischen,
international verstandlichen Darstellung grofiere Durchschlagskraft, als in vorausge-
gangenen literarischen. Allerdings ist dem Schopfer und Regisseur Kurt Jooss (unterstiitzt
von dem Musiker Cohen) die Gestaltung restlos gegliickt.
Dieses Werk hatte in Paris einen Erfolg sensationellen Charakters. Mit Recht erhielt
es mit grofiem Vorsprung den ersten Preis. Alle Bedenken, alles (berechtigte) Mifitrauen
gegen den deutschen Tanz wurde besiegt und wandelte sich in einen Enthusiasmus,
der vielleicht sogar verfriiht ist. Immerhin, selbst wenn die Geschlossenheit und das
Niveau der Jooss'schen Arbeit nicht bo bald wieder erreicht werden sollte: der Beweis
fur die Lebensberechtigung, ja -notwendigkeit auch des Theatertanzes ist erbracht.
Melosberichte
Tagung des Reichs- DiezumTeilver-
verbandes Deutscher zweifelte wirt-
TonkiinstlerundMusik- ^afthche Lage
. . ... des Privatmu-
lehrer in Hannover sik i ehrersmu6te
ihre Schatten
aufdieMitgliederversammlungdesR. D. T.M.
werfen. Die Eroffnung stand durch die Form
der Begrufiungsreden und die Festrede von
H. W. von Waltershausen iiber das Thema
„Kunstlerische Kultur und tagliches Brot"
unter dem Zeichen der Notzeit. Die
Spannungen, die sich aus dieser wirtschaft-
lichen Situation ergeben, behandelten zwei
Referate iiber die Beziehungen und, wie
man hinzufiigen mufi, die vorhandenen
Gegensatze zwischen Privatmusik und Schul-
musik. Es war zu bedauern, dafi das Re-
ferat von Marie- Therese Schmiicker nur
als Praeludium zu dem Hauptreferat von
Hans Joachim Moser angezeigt und dem-
entsprechend angelegt war. Abgesehen da-
von, dafi es so aufierlich den Eindruck
machen konnte, als kame die Sache des
Privatmusiklehrers zu kurz, ware es auch
sachlich besser gewesen, zwei mogliche
Standpunkte einmal ganz scharf und gleich-
wertig zu entwickeln und dann das Ab-
343
wm « m
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Melosnotizen
wagen und Sichentscheiden entweder dem
Horer zu iiberlassen oder in einer Aus-
sprache Verbindungen herauszuarbeiten.
Dieser Einwand ist nur prinzipiell gemeint;
das Referat von Marie-Therese Schmiicker
enthielt im iibrigen genug Wissenswertes
iiber die Moglichkeiten, die sich gegenwartig
dem Privatmusiklehrer in seiner Stellung
zum Schulmusiklehrer bieten. Hans Joachim
Mosers Referat „Die Scliulmusik im Dienste
des deutschen Musiklebens" war bemerkens-
wert; es war besonders wichtig in den
Punkten, die sich mit der Abwehr der
heute iiblichen Polemik befafiten. Moser
nannte den Kampf gegen den Privatmusik-
erlafi (in der abgeanderten Form) als nur
noch von der „p9ychiatrischen Seite" her
erklarbar. Ebenso deutlich rechnete er mit
den Angriffen auf Jode und speziell auf
Jodes Seminar fiir Volks- und Jugendmusik-
pflege ab. Man wird mit Moser der Ansicht
sein, dafi die klare und ruhige Entwick-
lung der Schulmusik durch jene faden-
scheinige Polemik, die durch keine Sach-
kenntnis getriibt ist, nicht aufgehalten
werden kann. Neben diesen Referaten und
den internen Sitzungen, die zur Wiederwahl
des Vorstandes fiihrten, liefen Konzerte und
eine Opernauffuhrung her. Hier herrschte
die Konvention; ja der Wert all dieser
Auffuhrungen scheint fragwiirdig. Wenig
Riihmenswertes ist zu melden. Aus der
Reihe der jungen Komponisten seien an
dieser Stelle zwei hervorgehoben : Ernst
Lothar v. Knorr mit einer Kammermusik
fiir Trompete, Altsaxophon und Fagott, die
weitere Auffuhrungen verdient, und Edmund
C. Borck mit einem Konzert fiir Altsaxo-
phon und Orchester. Auf die lange Reihe
der iibrigen Werke kann im einzelnen nicht
eingegangen werden. Es geht hier auch nicht
um das Einzelne, sondern um das Allge-
meine. Hat diese Schau neuer, pseudoneuer
und alt-neuer Musik iiberhaupt Sinn ? Ware
es nicht sinnvoller - auch sinnvoller fiir
den Kreis, an den sich die Auffiihrenden
wenden - auf Ur- und Erstauffiihrungen
in dieser Menge zu verzichten und lieber
einen guten Reger oder Rruckner und ein
grofieres wertvolles Werk der Moderne
(etwa Hindemiths Oratorium) an die Stelle
der vielen Relanglosigkeiten zu setzen? Diese
grundsatzliche Frage stelle ich, ohne zu
verkennen, dafi der Gedanke an sich,
Schaffenden Auffiihrungsmoglichktiten zu
bieten, anerkennenswert bleibt.
Eberhard Preufiner
Notizen
Oper und Theater
Kurt Weill ist gemeinsam mit Georg Kaiser bei
der Arbeit an einem Volksstiick mit Musik, das noch
in dieser Spielzeit an einem Berliner Theater seine
Urauffuhrung erleben soil.
Die von Dr. Hans Heinsheimer und Max Brand
ins Leben gerufene Wiener Opernproduktion plant
fiir kommenden Winter die Erstauffiihrung der Opern:
,,Neues vom Tage" von Hindemith, „Harry Janos"
von Kodaly, sowie einen Offenbachabend. Als Diri-
genten wurden Paul Pella und Carl Bamberger ver-
pflichtet.
Ernst Krenek hat das Buch eines neuen Opern-
werkes beendet, welches das Leben Karls V. in einer
ganz neuen theatralischen Technik darstellt. Krenek
ist zur Zeit mit der Komposition des neuen Werkes
beschaftigt.
Die Internationale Gesellschaft fur neue Musik
veranstaltet in Gemeinschaft mit der neugegriindeten
Oper im Schillertheater in Hamburg eine Reihe
344
moderner Opernabende. Als erste Veranstaltung gehen
der Lindbergh/lug von Brecht-Weill und ,jMahagonny"
in der einaktigen Baden-Badener Fassung, sowie
Hindemiths „Hin und zuriick" und Tochs „Egon und
Emilie" in Szene.
Schrekers „Schmid von Genf" wird Ende Oktober'
unter musikalischer Leitung ,von Paul Breisach und
in der Regie von Rudolf Zindler an der Stadtischen
Oper Berlin zur Urauffuhrung gelangen.
Die Oper „Medea" des jungen Berliner Kompo-
nisten C. H. Grovermann (Dichtung von G Bibo)
wurde vom Intendanten Strickrodt zur Urauffuhrung
in dieser Spielzeit fiir das Landestheater in Gotha
erworben.
Man/red Gurlitt hat die Partitur seiner neuen Oper
„Nana", Text nach Zola von Max Brod, beendet.
Das Werk wird im Januar zur Urauffuhrung kommen.
Die Leitung der Schule Hellerau-Laxenburg hat
Dr. Hermann Sc/ierdien zur Mitarbeit gewonnen.
Dr. Scherchen wird mit der Tanzgruppe, bzw. mit
Melosnotizen
Rosalia Chladek in dieser Saison folgende Werke
studieren und zur Auffuhrung bringen : „Les Noces"
(russische Bauernhochzeit) und „Die Gescliichte vom
Soldaten" von Strawinsky, das Monodrama „Panthea"
von Malipiero, die Pantomime „Der verlorene Sohn"
von Prokofieff, ,,Die Legende des heiligen Sebastian"
von Debussy, ferner die Oper „Dido und Aenenas" von
Purcell, das Beethovenballett „Die Geschopfe des Pro-
metheus" und ein fast ganzlich unbekanntes Werk von
Mozart. Aufier dieser musikalisch-dramatischen Arbeit
wird Scherchen in Verbindung mit dem Studium des
Schlagzeugensembles der „Noces" bereits im Oktober
einen Kurs fitr Schlaginstrumente leiten, an dem
aufier den Schiilerinnen der Schule Hellerau-Laxen-
burg auch Hospitanten von auswarts teilnehmen
kdnnen.
Die StSdt. Theater Chemnitz haben ihre Werbe-
tatigkeit in der neuen Spielzeit auch auf die Ein-
richtung von kiinstlerischen Sonderveranstaltungen
bei Preisen von 25 Pfg. bis 1 . — Mk. ausgedehnt.
Die erste Veranstaltung kniipft an die Neuein-
studierung von Richard Straufi' ,, Ariadne auf Naxos"
an und behandelt den Ariadne-Stoff in der Musik.
Zur Auffiihrung gelangen unter der Begie von Karl
Heinz Gutheim Werke von Monteverdi („Lamento
dArianna" in der Neugestaltung von Karl Orff),
Benda (das Melodrama „Ariadne auf Naxos), Milhaud
(„Die verlassene Ariadne") und Richard Straufi.
Durch einen grofiangelegten Werbefeldzug, der
mit alien zur Verfiigung stehenden Propaganda-
mitteln durchgefuhrt wurde, ist die Anrechtsziffer
am Oldenburger Landestheater unter der neuen
Intendanz (Dr. Rolf Roenneke) um 100% gestiegen.
Instrumentalmusik
Paul Hindemith hat eine neue Gemeinschafts-
musik mit dem Titel „Pldner Musiktag" geschrieben.
Das Werk gliedert sich in vier Hauptteile (Morgen-
musik — Tafelmusik — Kantate — Abendkonzert),
die ihrerse'its wieder aus einer Reihe von Einzel-
Stiicken in den verschiedensten Besetzungen bestehen.
Der ,,Pl6ner Musiktag" ist aus Anlafi eines Besuches
Hindemiths in Ploner Schulen als musikalische Um-
rahmung eines Festtages entstanden.
Der Riesenerfolg des Haas'schen Volksoratoriums
„Die heilige Elisabeth" halt ungeschwacht an: in den
Monaten Oktober bis Dezember finden weitere 31
Auffiihrungen statt.
Tscherepnins Klavierkonzert in F gelangt am
29. September in Saarbriicken unter Leitung von
Prof. Skohoutil zur Auffuhrung.
Die „Streichermusik" von Ludwig Weber (Quartett
in chorischer oder solistischer Besetzung in einem
Satz) gelangt in diesem Winter im Rahmen der
Symphonie-Konzerte in Freiburg i. Br. zur Auf-
fiihrung.
Das Saxophon-Konzert von Edmund von Bordc
gelangte auf dem Musikfest in Hannover zur Urauf-
fiihrung.
Die 12 Sinfoniekonzerte der Dresdener Staats-
kapelle bringen u. a. folgende Erstauffuhrungen :
Delius: Lebenstanz ; Manuel de Falla: Nachte in
den spanischen Garten; Gal: Violinkonzert (Urauf-
fuhrung) ; Paul Graener : Sinfonia breve (Urauf-
fuhrung) ; Hindemith : Philharmonisches Konzert ;
Moser: Scherzo fur grofies Orchester; /. G. Mraczek:
Ritornell und Rondo capriccio (Urauffuhrung) ;
Strawinsky ; Suite „Der Feuervogel" ; H. Wetzler :
Symphonie concertante (Urauffuhrung).
Paul Aron nimmt seine Kammerkonzerte, die in
Dresden sehr entbehrt wurden, diesen Winter wieder
auf. Er veranstaltet ein Chorkonzert (u. a. Bettel-
lieder von Reutter, Bartok), einen Kammermusikabend
mit Werken von Reger, Schonberg und Dvorak,
einen Liederabend (Marta Fuchs) und einen Kammer-
orche8terabend.
Innerhalb der diesjahrigen Philharmon. Konzerte
des Berliner Volksbildungsamtes Neukdlln gelangen
an zwei Abenden zur Auffuhrung Orchesterwerke von
Stolzel, Hindemith, Schonberg, Bach (unter solistischer
Mitwirkung von Hindemith) und unter dem Thema
„Lustige Musik", Kammermusiken von Haydn (Frosch-
quartett), Mozart (Dorfmusikantensextett). Strawinsky
(Katzenlieder), Knorr (Blaser-Trio).
Ernst Todi ist mit der {Composition eines neuen
Klavierkonzerts beechaftigt.
Rundfunk
Der Ostmarken-Rundfunk in Konigsberg veran-
staltet in diesem Winter acht Sinfoniekonzerte und
setzt damit die Tradition der Konigsberger Sinfonie-
Konzerte E. V. fort. An neuen Werken gelangen zur
Auffuhrung: Strawinsky: Capriccio (mit dem Kom-
ponisten als Solist), Pfitzner: Violinkonzert, Trapp:
4. Sinfonie, Hindemith: Konzertmusik fur Streicher
und Bliiser.
Heinz Jolles hat eine Klaviersuite aus Kurt Weills
„Burgschaft" zusammengestellt und brachte sie auf
der Deutschen Welle zur Urauffuhrung.
Eine Statistik iiber die Verbreitung des Radios
stellt fest: In Danemark kommen auf 1000 Einwohner
134 Rundfunkhorer, in Amerika 98, England 93,5,
Schweden 89.5, Oesterreich 69,5, Holland 67 und in
Deutschland 62 Horer. Der grofite Teil der Sendezeit
entfallt in fast alien Staaten auf musikalische Dar-
bietungen. In Deutschland sind dies 45 v. H. und in
England 61 v. H.
Verschiedenes
Am 12. Oktober vollendete Max Friedlaender sein
achtzigstes Lebensjahr. Friedlaenders Name ist mit
der Geschichte der Liedforschung untrennbar ver-
bunden. Selbst Sanger, ging er mit feinfuhliger Hand
345
mmm
Melosnotizen
und dabei mit philologischer Exaktheit an die Probleme
des Liedes heran. Die Wiederbelebung des deutschen
Liedes vor Scbubert geht letzten Endes iiberall auf
seine personliche Anregung zuriick. Die Grenzen
seines Arbeitsbereichs sind weit gespannt : sie reichen
vora deutschen Volkslied bis zur Goetheforschung,
um die sich der Jubilar besondere Verdienste er-
worben hat. Der Komponist, der ihn innerlich am
nachsten beschaftigte, ist Schubert.
Melos, dessen Bestrebungen der Jubilar seit dem
Bestehen der Zeitschrift mit standiger und freund-
lichster Anteilnahme verfolgte, gratuliert herzlichst.
Das Berliner Seminar fur Volks- und Jugendmusik-
pflege richtet diesen Herbst offentliche Vorlesungen
und ArbeitBgemeinschaften ein. Prof. Jode spricht
iiber Melodielehre und uber die Organik der Musik
Bachs, Prof. Pfannenstiel iiber Stegreifspiele in der
Musikerziehung, Dr. Reichenbach iiber Instrumenten-
kunde.
Das Collegium musicum an der Teclmischen Hoch-
sdiule zu Danzig, im November 1926 von Professor
Dr. Frotscher ins Leben gerufen, veranstaltet seine
100. Aufmhrung. Aufier der Mitwirkung bei aka-
demischen Feiern hat sich das Danziger collegium
musicum die Aufgabe gestellt, Studierende und
Freunde seiner Sache mit alterer und neuerer, sonst
kaum zu horender Musik bekannt zu machen. Etwa
2 /a der zu Gehor gebrachten Werke waren ungedruckt.
Alle Auffiihrungen fanden bei freiem Eintritt statt.
Oft war der Saal derart uberfiillt, dafi bis zu zwei
Wiederholungen angesetzt werden mufiten. Dem
Collegium musicum stehen aus eigenen Kraften ein
Kammerorcli ester, ein Blockflotenchor, ein Kammer-
chor, Gesangs- und Instrumentalsolisten zur Verfiigung.
An Stelle von Prof. Ewald Strafier wurde
Hermann Reutter zum Lehrer fur Komposition an der
Hochschule fur Musik in Stuttgart ernannt.
In Berlin hat sich eine Arbeitsgemeinschaft fur
die Orgelbewegung gebildet, die Einfiihrungsvortrage
„Orgelklang und Gegenwart" vom 8. bis 10. Oktober
veranstaltete.
Hans Henny Jahnn, der unter erheblichen
Schwierigkeiten seit Jahren eine Neuorientierung des
Orgelklangs und Orgelbaus nach dem Vorbild der
Orgeln des 16. und 17. Jahrhunderts anstrebt, hat
von einer amerikanischen Stiftung Mittel zum Ausbau
seines Laboratoriums erhalten, fiir das ihm die Stadt
Altona den Raum zur Verfiigung stellt. Neue Orgel-
werke nach Jahnns Disposition werden zur Zeit in
Diisseldorf, Kiel, Altona und Kopenhagen gebaut.
Die unter der Leitung von Dr. Karl Laux
stehende Arbeitsgemeinschaft „Zeitfragen der Musik"
in der Mannheimer Volkshochschule plant vier Abende
mit Auffiihrungen, Einfiihrung und Diskussion. Die
Themen : Musik der Fremde — Musik der Heimat
(Werke von Bartok, Haas und Redlich), epische Oper
346
(Einfiihrung in Weills „Biirgschaft"), Laienmusik (das
Werk Paul Hindemiths), Musik und Malerei (Stra-
winsky-Picasso).
Ein Instrumentaltreffen fur Jugendmusik ist in
Frankfurt a. M. unter Leitung von Hilmar, Hoekner,
Bieberstein am 12./13. November 1932.
Ausland
England :
Paul Hindemiths Oratorium „Das Unaufhorliclle"
wird im Marz 1933 im Londoner Rundfunk zur Auf-
fuhrung gelangen. Die Solopartie singt Adelheid
Armhold. - Allen denen, welche heute so stiirmisch
nach der Autarkie auch im deutschen Musikleben
rufen, sollten solche Auffiihrungen deutscher Werke
im Ausland (an offizieller Stelle !), noch dazu mit
deutschen Kunstlern, einiges zu denken geben.
Am 10., 11. und 13. Oktober wird in London
das Konzert fiir Streichquartett und Orchester von
B. Martinu unter Mitwirkung des Pr Arte-Quartett
uraufgefiihrt.
Frankreidi :
Darius Milhaud arbeitet an einer neuen Oper,
die den Titel tragt : „Die Entdeckung Europas".
Die durch den Riicktritt des bisherigen Direktors
Masson verwaiste Opera Comique in Paris hat einen
neuen Leiter erhalten. Der Minister fiir offentlichen
Unterricht hat den fruheren Mitdirektor der Oper,
Gheusi, zum Leiter der zweiten staatlich subventio-
nierten Opernbiihne ernannt. Gheusi, der bereits
1914 bis 1918 Direktor dieser Oper war, kiindigt
an, dafi dieses Theater unter seiner Leitung zehn
Monate im Jahre spielen und, um die Einnahmen zu
heben, auch Operetten auffuhren werde.
Intendant Maisch erhielt von der Leitung des
Stadttheaters Strafiburg die Einladung, mit dem
Nationaltheater Mannheim , im Laufe der Spiel-
zeit 1932/33 in Strafiburg sechs Gastspielvorstellungen
zu geben, und zwar hauptsachlich moderne Werke.
Als erstes Gastspiel wird voraussichtlich „Wozzeck"
von Alban Berg gegeben werden.
Holland:
Der Studiekring voor Moderne Muziek veranstaltete
in diesen Tagen ein Konzert mit einer Flotensonate
von Jacques Beers, Gesangen von Krenek und dem
„Marienleben" von Paul Hindemith.
Rufiland :
Zum Jubilaum der Oktoberrevolution schreibt der
Moskauer Komponist Alexander Krein eine sinfonische
Kantate, der Texte von Marx, Lenin und Stalin als
Unterlage dienen.
Die Berliner Philharmoniker wurden als erBtes
deutsches Orchester seit dem Weltkrieg zu einer
Konzertreise nach Moskau und einigen anderen
StSdten der Sowjetrepublik eingeladen. Die Leitung
hat Wilhelm Furtwangler.
Melosnotizen
Schweiz :
In den Abonnementskonzerten des Musikkollegiums
in Winterthur werden unter Leitung von Dr. Scherchen
und Walter Reinhardt audi in dieser Saison eine grofie
Zahl moderner Werke aufgefiihrt: Koddly : Theater-
ouvertiire, Toch: Bunte Suite, Strawinski: Psalmen-
sinfonie, Beck : Innominata, Hindemith : Konzertmusik
fur Streicher und Blaser, Kaminski: Konzert fur
Orchester (Uraum'ihrung), Hei/fer: Handelsuite, Schoeck :
Lebendig begraben, Ernst Kunz : Madlee (alemannischer
Zyklus zu Texten von Burte), Hoffer : Festliches
Praeludium, Moser und Honegger: Cellokonzerte ,Bartok:
Tanze aus Siebenbiirgen und Bilder aus Ungarn,
Goosssns : Oboenkonzert, Kletzki: Capriccio, Graener:
Flote von Sanssouci.
Die Orchesterkonzerte der Tonhalle in Zurich
stehen unter Leitung von Volkmar Andreae. Auf dem
Programm stehen u. a. Honegger, Cellokonzert ; Ravel,
Bolero ; Busoni, Sarabande und Cortege aus „Doktor
Faust" ; Klose, 2 Satze aus der d-moll-Symphonie ;
Stravinsky, Violinkonzert. In einem Kammermusik-
konzert wird das 1. Streichquartett von Hindemith
und das 2. und 3. Streichquartett von Schonberg auf-
gefiihrt.
Das Generalprogramm des Basler Kammerorchesters
(Kammerchor und Kammerorchester unter Leitung
von Paul Sadler) aetzt sich, gemafi den Zielen dieser
Vereinigung, aus selten gespielten Werken der vor-
klassischenZeitbis Mozart und einigencharakteristisch en
Werken der Gegenwart zusammen. Man spielt
a cappella Gesange aus dem Gregorianischen Choral,
von Dufay, Gombert und Schiitz, das Mozartsche
, Klarinettenkonzert, zwei der bedeutendsten Schop-
fungen von Strawinsky, die Psalmensinfonie und die
rusaische Bauernhochzeit (schweiz. Erstauffuhrung),
Caplet's „Miroir de Jesus" und Werke von Beck,
Bloch und Hindemith. Das erste Konzert ist ein
Bachabend unter Mitwirkung von Wanda Landowska
(Cembalo) und Rene Le Roy (Flote) zugunsten der
Internationalen Gesellschaft fiir Musikwissenschaft.
In Bern fand vom 4. bis 14. Oktober ein „Sing-
treffen fur Neue Musik" unter Leitung von Willy
Burkhard und Fritz Indermtthle statt. Zur Auf-
fiihrung gelangten folgende Werke : Hindemith, op. 45
Nr. 2 Acht Kanons, der neue Chor „Der Tod", die
Kantate „Frau Musica" und das Violinkonzert op. 36
Nr. 3, von Strawinsky die russischen Bauernlieder
„Unterschale", von Conrad Beck „Requiem", von
dem jungen Miinchner Komponisten Karl Marx der
Chor „Fest der Jugend", sowie die soeben erschie-
nene Kantate von Hermann Reutter „Der gluckliche
Bauer".
Am 6. November findet in Zurich eine Auf-
fiihrung der „Lyrischen Kantate" von Conrad Beck
statt.
Tscliechoslowakei :
Die diesjahrigen Konzerte der Tschechischen Phil-
harmonic in Prag stehen unter Leitung von K. B. Jirak,
Prof. Fr. Stupka und Georg Scheidler (je vier Konzerte).
An neuen Werken bringt Jirak : Ridky, 5. Symphonie ;
Martinu, Violinkonzert ; Stupka dirigiert : Graener,
Die Flote von Sanssouci; Schonberg, Verklarte Nacht;
Pizzetti, Concerto dell' Estate; Scheidler bringt die
Passacaglia von Weinberger, Suite aus der Oper
„Janosik" von Karel Haba, die 4. Symphonie von
Mjaskowsky, die 4. Symphonie von Axman, Symphonie
von Vranicky, Symphonie von Honegger, Cembalo-
konzert von Poulenc, die Kleine Theatersuite von
Toch und das „Philharmonische Konzert" von Hinde-
mith. Nikolai Malko dirigiert Schonbergs Gurrelieder.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen fiir die Schnftleitung u.Besprechungsstiicke noch Berlin-Charlottenburg 2, Berliner Strafie 46 (Fernruf Fraunhoferl371) erbeten.
Die Schriftleitung bittet vor Zusendung von Manuakripten urn Anfrage mit Ruckporto. Alle Rechte fiir samtliche Beitrage vorbehalten.
Verantwortlich far den Teil ^Musikleben" : Dr. HEINRIGH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag : Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag: MELOSVERLAG v MAlNZ, Weihergarten 5 ; Fernaprecher: 41441 : Telegramme: MELOSVERLAG; Postscheck nur Berlin 19425 /
Auslieferung in Leipzig: Karlstrafie 10
Die Zeitschrift erscheint am 15. jeden Monata. — Zu beziehen durch alle Buch- und Muaikalienhandlungen oder direkt yom Verlag.
Das Einzelheft kostet 1.25 Mk., das Abonnement jahrl. 10. - Mk., halbj. 5.50 Mk, viertelj. 3. - Mk. (zuzugl. 15Pf. Porto p.H., Ausland 20 Pf. p. H.)
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Hannover
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fufjrungen) eine 3^eH)e eon £ang«fd)nitfcn - unb
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den veranderten wirtschaftlichen Verhaltnissen Rechnung tragend,
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fassen, das alles enthalt, was voraussichtlich von Tonkunstlern und
Laien praktisch erfragt wird und das von jedem angeschaffi
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erzieherischen Gesichtspunkte starker in den Vordergrund als ehe-
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wrni^itrn inn^rhalb der ikhiiti Musik. Da-
Ijfi nnvoditis u. S( ] lhstv<M slandlirh mristrr-
licii in der Fraktur. wic allfs von Kado^a,
dnm sn .srhntdl erlnlfupit h ^pworfh'iien
un^ari.schfn Kompmusti-n. ( \ r L*'l. : ^]-J;m;i-
toflrn". ^Kiii^rarnmr 1 ", _Suitr J1 K t'iir Kla-
vier; .Baue;niU*del" fur Violinr u. Klavier)
Diese tend andcrc Wctkc ran Paul Kadosa
sicf/c Verzeichnis „Zeittjpuo sischc Musik 1932"
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Heft 11
11. Jahr
November 1932
Tanz
Heutige Aufgaben des Buhnentanzes
Ernst Koster
Was in dieaem Artikel angegriffen wird, ist die Inaktivitat der
Tfinzer. Wenn ich in bezug auf die Werke von Komponisten und
Tanzern in der j tings ten Vergangenheit sehr scharf werden mufi,
90 bin ich mir bewufit, dafi sie als Schaffende ein viel zu grofies
Konnen aufweisen, urn nicht zu wissen, wie sich in ihnen im Laufe
der Jahre vieleB gewandelt hat und — da sie ja mitten in ihrer
besten Schaffensperiode stehen — auch wandeln wird. Es kann
nicht darauf ankommen, T&nzern und Komponisten ihr Konnen
immer aufs neue zu be9tatigen, sondern es kommt darauf an, alles
Negative im Vergangenen herauszustellen, damit eine neue Arbeits-
basis geschaffen wird.
Der Buhnentanz, der im Ausdruckstanz seine heutige Form fand, steht vor neuen
Aufgaben. Denn es geht darum, seine augenblickliche Zeit des Stillstandes und der Un-
fruchtbarkeit zu iiberwinden. Es gilt, Krafte zu sammeln, die zerstreut leben. Zu dieser
Forderung mufi man unbedingt kommen, wenn man bedenkt, dafi es sich die mensch-
liche Gesellschaft nicht Ieisten kann, Luxusexemplare von Kiinstlern und Kunstwerken
zu ziichten und sie zugleich kaltzustellen, weil sie sich ihrer nicht zu bedienen weifi.
Die zahlreichen Tanzdramen, Ballette und Pantomimen, die zwischen dem Kriege
und der Weltwirtschaftskrise aufgefiihrt und eingesargt wurden, sind zum grofien Teil
von jener unfruchtbaren Oberflachlichkeit, die dem Schaubedurfhis einer snobistisch
anspruchsvollen Schicht entgegenkommt. Es sind aber auch Werke darunter, die auf
der Suche nach neuen Stilprinzipien, nach neuer QualitiLt der Darstellung die Fesseln
des Geschmacks der herrschenden Spiefiigkeit durchbrachen und wegweisend ge-
worden sind.
Werfen wir also zunachst einen Blick auf die kunstlerische Situation. — Die
Suche nach Neuem hat sehr viel Moglichkeiten zutage gefordert. Aber sie liegen heute
meistens wieder brach. Man kennt einige bedeutende Tanzerpersonlichkeiten, die von
so typischer Pragung sind, dafi wenige Schiiler ihr entgehen. Diese Tanzer haben es
zuwege gebracht, grofie Ensemblewerke zu schaffen, obgleich sie sich, wenn das Werk sehr
viele Mitwirkende forderte, mit eineni weniger durchgearbeiteten Chorkorper begniigen
mufiten. Nun sind aber im Laufe der Jahre die Erfahrungen in alien Einzelheiten ge-
wachsen. Das Technisch-Tanzerische sitzt besser. Schlagzeugorchester, Projektion auf
Biihnenhorizonten, Schalten- und Farbenwirkungen — alles Notige ist vorhanden.
Warum schaffen dennoch so wenige Tanzer an einheitlichen grofien Werken ?
Diese Frage hangt eng mit der Arbeitsatmosphare zusammen. Die Tanzer, die
heute an Biihnen angestellt sind, finden eigentlich fiir ihr Gebiet keine solche Atmo-
353
Selbstverschuldete Unpopularitat der Tanzer
sphare vor. Ihre Kraft wird geschluckt von belanglosen Tanzeinlagen in Opern -und
Weihnachtsmarchen. Die freien Tanzer erschopfen sich entweder in Solotanzabenden
oder aber die Arbeitsatmosphare im Gymnastiksaal mit unzulanglichem Schtilermaterial
lafit die Konzeption von grofien Werken nicht gedeihen. In den weitaus meisten Fallen
entsteht nichts, was iiber einen engen Kreis hinausragt. Es ist tatsachlich so, dafi in Grofi-
stadten jahrelang kein einziges nennenswertes umfangreiches Tanzwerk aufgefiihrt wird.
Den Wenigsten sind die Aufgaben greifbar gegenwartig, die ein aus Berufstanzern be-
stehendes Ensemble heute zu erfiillen hat.
Es bleibt also die Frage offen, ob das Handeln einzig und allein abgeleitet werden
soil aus der Okonomischen Situation. — Unter grofien Bemiihungen versuchen
junge Menschen, ihr Tanzstudium auch in der Zeit der Weltwirtschaftskrise fortzusetzen.
Fur sie ebenso wie fiir ihre Lehrer ist der Kampf ums taghche Brot der Gymnastik-
unterricht. Wenn unter solchen Umstanden auch noch Tanzabende veranstaltet werden,
lafit sich verstehen, dafi die Kunst als Reklamemittel ausgeiibt werden mufi. -Die
finanziellen Vorbedingungen erlauben es kaum, dafi die Kunst mehr ist als ein blofies
Nachkauen vorhandener Formschemen, ungenugend vorbereitet und ungeniigend erfullt.
Wobei von neuen Inhalten meist schon ganz abgesehen wird.
Dennoch bedingen sich die wirtschaftliche und kiinstlerische Situatioii gegenseitig,
und wir mussen beide im Flufi sehen. Wir wollen ja den Boden fiir neue vorwarts-
weisende kiinstlerische Wirksamkeit erspahen. Und wir wollen, dafi von der neuen
Einsicht unser allernachster Auftraggeber seine Direktiven bekommt: das menschlich-kunst-
lerische Gewissen des einzelnen. Dazu bedarf es, dafi wir uns iiber die letztvergangene
Situation des Tanzkunstwerkes klar werden und weiterhin iiber seine zukiinftigen Aufgaben.
Richten wir daher zunachst unser Augenmerk auf die Beziehung zwischen Tanzer und
Publikum. Ohne ungerecht zu werden, mufi man behaupten, dafi es das eigene Ver-
schulden der Tanzer ist, so unpopular zu sein. Die individualistischen Solotanzabende
interessieren ernsthaft nur einen sehr kleinen Kreis von Menschen. Weil es die ge-
schaftliche Notwendigkeit will, mufi ein ganzer Abend mit Tanzen ausgefiillt werden.
Wenn sich dabei Leeres, Ungekonntes einschleicht und inhaltlose Werke aufgefiihrt
werden, so ist es nicht verwunderlich. Die Begabungen, die das durchhalten und —
ertragen, sind nur dtinn gesat. Mit gutgemeintem Idealismus wird einem stefs aufs
neue irgendein Tango oder Bolero, dieses oder jenes lyrische oder heroische Motiv vor-
getragen.
Das interessiert diejenigen gar nicht, die vom Tanz gefangen genommen werden
wollen. Sie vermuten, dafi es viel bessere, kunstlerisch hochstehende Auffuhrungen
geben kann, und sie wollen sich in ihrem guten Glauben nicht immer wieder betrogen
sehen. Sie vermuten, dafi es auch Formulierungen im Tanz geben kann, die unserer
Zeit den Spiegel vorhalten. Sie wollen Werke grofien Formats sehen. Wie steht es also
um die Werke?
Betrachten wir die aufiere Form, in der tanzerisches Geschehen iiberhaupt auf der
Btihne vor sich gehen kann, so finden wir es mehr oder minder deutlich nach zwei
Schwerpunkten orientiert. Der eine liegt im architektonischen Spiel des bewegten Korpers,
der andere in der gestischen Handlung, der Pantomime. Zwischen diesen beiden Polen
versuchen die Tanzwerke der jiingsten Epoche ihre entschiedene Stellung einzunehmen.
354
Moderne Tanzliteratur
Diese Stellung wird charakterisiert durcli die Namen: Bewegungsfolge — Tanz-
drama — Pantomime, Die Inhalte sind im wesentlichen aus der Vergangenheit
hergeholt; eine Tatsache die verstandlich und entschuldbar ist, wenn man die choreo-
phischen Schwierigkeiten bedenkt, die es zu iiberwinden gait, ehe der heutige Tanz
seine Moglichkeiten gefunden hatte. Da diese Formung aber bis zu einem gewissen
Grade abgeschlossen ist, lauft die Biihnentanzbewegung leer. Ein Blick auf die Werke
in der jtingsten Vergangenheit zeigt, dafi ihre Inhalte uns gar nichts zu sagen haben.
Die Be wegungsfolgen werden meist von den Tanzern allein erfunden. Be-
zeichnend sind die Titel der Stiicke: Gezeichnete, Gefangene, Vision, Wanderung, Auf-
schwung ... In der Theorie werden diese Bewegungsfolgen bestimmt von „rein tanze-
rischen" Gesichtspunkten, die allerdings gar nicht so rein sind. In der Praxis, auf der
Biihne, stellen sich ihre Merkmale so dar: Unterdrflckte, Gehetzte — von unsicht-
baren Machten unterdriickt und gehetzt; magisch Hingerissene, Begeisterte — von
unsichtbaren Machten begeistert; sich unter einander abstofiende und anziehende
Gruppen — ohne die Griinde dafiir zu symbolisieren.
Ist auch in manchen Fallen der individualistische Horizont durchstofien worden,
so besteht doch die Gefahr, dafi die Tanzer ihre allzu personlichen „Erlebnisse" fiir die
des Publikums nehmen. Denn in Wirklichkeit haben alle diese Emotionen im realen
Leben ihren Ursprung. Sie nehmen nur diese verschleierte Form an, weil sie mit der
Unklarheit einer noch im Mystischen befangenen Ideologic ausgednickt werden. Das
reale L6ben soil aber nicht verschleiert werden, sondern — im Gegenteil — neugedeutet
Als Tanzdramen lassen sich folgende namhaft machen: Hindemith: Der Damon.
Krenek: Mammon; Bartok-Balasz : Der holzgeschnitzte Prinz; Schulhoff: Ogelala (Ballett-
mysterium nach altmexikanischen Motiven); Wellesz: Achilles auf Skyros - Persisches
Ballett - Die Nachtlichen - Die Opferung des Gefangenen (das letzte ebenfalls alt-
mexikanisch, — „nach dem vollzogenen Opfer sinken beide Gruppen vor dem vergotteten
Heros in die Knie und preisen den zu seinen Ahnen Heimgekehrten" — ). Wir sehen:
in den Tanzdramen macht sich die dichterische Schongeisterei breit, die in die Vor-
kriegszeit gehort. Daher der Name „Tanzdichtungen". Sie sind abhangig von literarischen
Funden in alten Kulturen, voll von lyrisch-religiosen Sehnsiichten und daher riickwarts-
orientiert. Sie geben „Weltanschauungsromantik" in Form von besseren Spektakelstiicken.
Aber keine Weltanschauung.
Die Pantomimen sind mit folgenden Titeln vertreten: Tansman : Der Garten
des Paradieses; Bartok-Lengyel : Der wunderbare Mandarin; Kool: Leierkasten — Schiefi-
bude — Broadway und ahnliche mehr. Es sind kindische Mfirchenfantastereien, un-
sinnige Gruselgebarden, romantische Jahrmarkts-, Bar- und Wolkenkratzergeschichten.
Ohne jede Gesellschaftskritik. Witzchen.
Wenn man bedenkt, dafi alle diese Werke zwischen 1922 und 1930 entstanden,
ist man erschuttert, einer wie unklaren Vorstellung von den Noten ihrer Zeit sie ent-
sprungen sind. Sie sind entweder Flucht in eine zu nichts verpflichtende Haltung oder
sie sind als Angstschrei und vages HoffnungsgeBausel die Aufierung der auch in den
seelischen Krampfen der Nachkriegszeit nichts als asthetisch denkenden Musiker und
Tanzer, Es fehlt diesen Werken die Eigenschaft, die ein Kunstwerk haben soil, wenn
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^^^^S^S^I
W^^^mmm.
Der Tanz braucht neue Inhalte
es niclit nur dazu dient, den Geldumlauf zu fordern: von einer hoheren Warteaus die
Geschehnisse in der menschlichen Gesellschaft auf weite Sicht zusammenzufassen.
Wodurch iiberwinden wir den hinter der Zeit nachhinkenden Zustand am schnellsten ?
Indem wir uns nach n e u e n InhalteD umsehen und uns der gewonnenen Erfahrungen be-
dienen. Wenden wir uns zu den Moglichkeiten und Aufgaben. — Warum wird nicht
die Anregung lebhaft aufgegriffen, die Rudolf von Laban und Vilma Monckeberg bereits
1923 gaben, als sie den „GefesseIten Prometheus" des Aschylos mit Bewegungs- und
Sprechchoren auffiihrten ? Wir gewinnen eine klarere Anschauung von irgendwelchen
Ideen und haben einen grofieren Nachhall in uns, wenn wir Dinge von mehreren Seilen
beleuchtet sehen. Warum vereinigen sich nicht Berufstanzerkollektive mit Sprechern und
Orchestern und arbeiten gemeinsame Programme aus?
Es brauchen keine Konglomerate aus vielerlei Mitteln zu entstehen — dafur wird
das Stilgefiihl sorgen. Die Schaffenden sollten sich darum an die drei Hauptgattungen
halten, — Bewegungschor — Tanzdrama — Pantomime. Es lassen sich dafur drei Beispiele
aufstellen, an denen wir zugleich die Eigenart und die zukilnftigen Aufgaben der einzelnen
Gattung ablesen konnen.
Das erste konnte etwa die Musik zu den „Gesch6pfen des Prometheus" von Beet-
hoven sein. Diese Musik ware auszutanzen ohne jede Einmengung literarischer Leitideen.
Ein klares, grofiangelegtes Formenwerk, getanzt im Sinne des alten Balletts, aber
mit den Freiheiten des modernen Ausdrucksvermogens. Der scheinbar hier fehlende
programmatische Inhalt braucht nicht vermifit zu werden. In solchen Bewegungschor-
werken lebt das, was auf keine andere Weise aussprechbar ist : die Achtung vor dem
Formempfinden, die Impulse zu einem grofien, alles Menschliche umfassenden Eros. Es
versteht sich, dafi nur qualitativ sehr hochstehende r ch e s t e r w e r k e verwendet
werden, die tanzbar sein miissen.
Das dritte Beispiel, um erst die beiden Gegenpole zu haben, das Beispiel fur die
Pantomime, seien die „Bilder aus einer Ausstellung" von Moussorgsky, die ja geradezu
zur gebardenhaften Darstellung herausfordern. Die Pantomime mufi, genau wie es um 1874
die obengenannte Musik tat, ihre Stoffe aus der aktuellenGegenwart holen. Sie
ist daher viel kurzfristiger anzulegen. Sie soil sich der Satire bedienen und gewisse
Sitten kritisieren, die sich zwar nicht so schnell wie die politischen Tagesereignisse
wandeln, die aber, ehe sie vergehen, eine langere Zeit existieren, lange genug, um sie
zum Objekt einer kulturpolitischen Satire machen zu miissen. Hierher gehort alles
Schrullenhafte, das sich im offentlichen Leben abspielt, sei es in der Familie oder auf
der Strafie. Die groteske Darstellung ist vorherrschend. Gleichzeitig konnen kleine
ernsthaft gemeinte soziologische Querschnitte aus anderen Landern gegeben werden.
Das alles geschieht unter Mitwirkung von Sprache, Musik und einfachster szenischer
Andeutung. Voraussetzung ist natiirlich, dafi nur eine oder zwei soldier Pantomimen
im Tanztheater einem Abendprogramm eingefiigt werden.
Suchen wir nun das Beispiel, das in der Mitte zwischen der absoluten Formenwelt
Beethovens und der naturalistisch programmatisierten Beschreibung Moussorgskys steht,
so miissen wir uns nach einem Typ umsehen, der beides umfafit: die konzertierende
Musik und solche, die der tanzerischen Ausdeutung dient. Das ist Strawinskys 1918
entstandene „Geschichte vom Soldaten", - gelesen, gespielt, getanzt, wie es in der
356
Soziologische Aufgaben auch im Tanz
Partitur heifit. Das Grundprinzip dieses Werkes, einen symbolistischen Vorgang durch
verschiedene Darstellungsmittel abwechselnd auszufiihren, lafit sich audi auf grofiere
Werke iibertragen. Der Tanz sol] hierbei keine pantomimische Rolle ubernehmen, weil
dafiir ja die Schauspieler und Sprecher vorhanden sind*. Der Tanz setzt dann nur an
den Stellen ein, wo der Inhalt auf andere Weise nicht so uberzeugend ausgedriickt
werden kann.
Inhalt soldier Tan zdramen mit Sprechchoren und Musik sind jene Hinder-
nisse, die einer besseren Vergesellschaftung der Menschheit entgegenstehen. Es miissen
dabei die konkreten Stoffe wiederum aus der Gegenwart geholt werden, aus den
Schmerzenslauten, die von alien Enden der Welt zu uns hertonen.
Die Einrichtung eines periodisch spielenden Tanzerkollektivs erfordert aufier
einem Dramaturgen, der das aktuelle Rohmaterial heranholt, den Licht- und Biihnenbildner,
sowie Komponisten, Musiker und einen zur Verfiigung stehenden Sprechchor. Welchen
Anteil in solchen Werken der Tanz und die anderen Darstellungsmittel haben miissen,
kann natiirlich nur jeweils bestimmt werden.
Der wahre Kampf des Kiinstlers hat noch imraer jedweder Reaktion gegolten. Er
hat auch heute der Reaktion zu gelten, einerlei, ob sie sich nun austobt in Sensationen,
die oberflachlich machen, oder in Atavismen eines Spiefiertums, die den Menschen ab-
wiirgen, ersticken.
Es gilt unter diesen Umstanden die Form zu finden, in der Kunst intensiv
wirksam sein kann. Es gilt, aus der Notwendigkeit das Ziel abzulesen. Denn erst damit
erfiillt die Kunst ihren soziologischen Sinn: dafi sie die zu Fesseln gewordenen alten
Institutionen des menschlichen Lebens abstreifen und die Institutionen zu sinnvolleren
wandeln hilft!
Zum Problem der tanzerischen
Gebrauchsmusik
Herbert Traniow
Man kann im Rahmen der tanzerischen Musiken zwei Grundtypen herauskristalli-
sieren: pantomimisch oder tanzerisch frei auszudeutende Musik.
Die heutige Tanzpraxis ist leider einseitig so festgelegt, dafi die Theatertanzer fast
nur pantomimisch arbeiten, wahrend der freie Tflnzer auf die Hilfe von Handlungsab-
lauf und Requisit meistens verzichtet. Vom Tanzer aus betrachtet, ist es ein grundsatz-
licher Unterschied, zu einer festgelegten Musik eine vorgeschriebene Handlung ausdeuten
zu miissen oder ein freies Spiel tanzerischer Bewegungslinien dazu zu komponieren. Es
gibt zahlreiche, auch musikalisch wertvolle Pantomimen und Tanzspiele, aber kaum eine
Tanzmusik grofien Formats, die nur zu dem Zwecke komponiert wurde, tanzerisch frei
ausgedeutet zu werden. Der Tanzer hilft sich gewohnlich, indem er sich eine Musik
fur den augenblicklichen Gebrauch komponieren lafit oder indem er aus vorhandener
Musik sich eine Tanzbegleitung zusammenstellt (was meistens auf eine iible Verball-
hornung hinauslauft) oder Gerauschmusik wahlt. Die Klagen iiber Wertlosigkeit und
Abgebrauditsein der meisten von Tanzern beniitzten Musik verkennen entweder das
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■■»fe'.»'*.-¥^.k^|miap^ i "■- ■■ l »»IW.«MP Iga^P!Pl|||^^
Tanzerische und musikalische Linienfuhrung
Wesentliche tanzerischer Gebrauchsmusik oder gehen an der Tatsache vorbei, dafi es
eine solche in ausreichender Menge eben nicht gibt. Das Bediirfnis darnach ist unleug-
bar vorhanden — da sich diese Fragen dem immer noch aktuellen Thema der Ge-
brauchsmusik anschliefien, ist eine Untersuchung iiber die Forderungen, die an eine
solche tanzerische Gebrauchsmusik zu stellen sind, nicht ganz unwichtig.
Die neue tanzerische Theorie kennt, der musikalischen analog, die Bewegungs-
und Spannungskomponenten Rhythmus, (Raum-)Melodie und (Raum-)Akkord (Ballung).
Der Begriff des tanzerischen Rhythmus ist klar — iiber den Begriff der tanzerischen
Melodie sei hier so vie] gesagt, dafi sie sich aus einem bewegungs- oder stellungs-
mafiigen Urmotiv in den drei Raumdimensionen nach gleichen schopferischen Gesichts-
punkten, aufbaut, wie die musikalische — dem Begriff des Zusammenklangs mehrerer
Tone entspricht die raumliche Wirkung einer Tanzgruppe.
Das Verhaltnis der tanzerischen zur musikalischen Bewegung wird durch zwei
Grenzfalle charakterisiert :
Erstens: tanzerische und musikalische Linie stimmen in rhythmischer und melo-
discher Hinsicht vollkommen iiberein,
Zweitens : der Tanzer kontrapunktiert zur musikalischen Linie eine rhythmisch und
melodisch vollkommen freie tanzerische Linie dazu.
In der schopferischen tanzerischen Komposition gehen diese beiden Falle standig
ineinander iiber — wichtig ist, dafi sie sowohl vom Tanzer als auch vom Musiker in
ihren Konsequenzen klar erkannt werden. (Arbeiten der Tanztheorie-Klasse der Palucca-
Schule, Dresden, haben die eindeutige Darstellbarkeit erwiesen). Der erste Fall stellt die
tanzerisch und musikalisch genau vorgezeichnete pantomimische Bewegung dar — die Musik
charakterisiert eindeutig Linie und Rhythmus und der Tanzer wird, wenn er nicht in
Widerspruch zum Vorwurf geraten will, ihnen genau folgen mussen. Dieser erste Fall kann
auch im Rahmen eines absoluten Tanzes erscheinen, doch ist festzustellen, dafi gerade die
Bedeutung und Schonheit des freien Tanzwerkes im schopferischen Widerspiel der
tanzerischen zur musikalischen Linie beruht. (Das geht so weit, dafi ein konsequentes
„Nachzeichnen" der musikalischen Linie durch den Tanzer unweigerlich zur Lacherlich-
keit fiihrt).
Im zweiten Fall verhalt sich die tanzerische Bewegung zur musikalischen wie ein
tanzerischer Kontrapunkt zum musikalischen cantus firmus. Die Aufgabe der tanzerischen
Gebrauchsmusik entspricht also der eines musikalischen cantus firmus — sie mufi daher
die Charakteristik eines solchen: aufierste Konzentration und Klarheit ihrer Komponenten
Melodik, Rhythmik und Harmonik besitzen.
Sie mufi auch die andere Eigenschaft des cantus firmus haben : sie darf noch nicht
so in sich abgeschlossen sein, dafi nicht die Moglichkeit bestiinde einen (hier nicht
musikalischen, sondern tanzerischen) Kontrapunkt dazu zu arbeiten. Die ideale tanzerische
Musik „verlangt" geradezu nach einer solchen Erganzung. So erscheint als Hauptaufgabe
einer fur tanzerische Zwecke geschriebenen Musik, dem Tanzer die Moglichkeit des
spontanen Bewegungseinfalls zu geben. Der Tanzer kann mit einer Musik, die sich
egozentrisch in einen nur musikalischen Gedankenkreis einspinnt, nichts anfangen. Letzten
Endes will der Tanzer auf ein Publikum wirken — es ist eine unbillige Forderung, zu
358
Strawinsky: der Typus tanzerischer Musik
verlangen, dafi dieses gleichzeitig die schwierige Problematik einer Musik an sich und
die Problematik des tanzerischen Verhaltnisses zu ihr aufnehmen soil.
Es ist kein Zufall, dafi gerade die begabtesten Tanzer mit der neuen deutschen
Musik so wenig anfangen konnen: die schwere Problematik belastet — die oft zur
Grimasse verzerrte Lustigkeit stofit ab. Es ist kein Zufall, dafi sie immer wieder zu
Strawinsky greifen : er hat in seinen tanzerischen Kompositionen eine Haltung, die dem
Tanzer gibt, was des Tanzers ist, ohne ihren musikalischen Eigenwert zu verlieren. Der
nationale Einschlag anderer Komponisten, der Spanier de Falla, Granados, Albeniz, des
Ungarn Bartok, des Russen Prokofieff, die kultivierte grazile Geistigkeit mancher jungen
Franzosen lafit diese Komponisten eine Musik schreiben, die temperamentvoll ist, ohne
roh zu sein, elementar rhythmisch ; die sich melodisch gibt, ohne in Primitivitat zu ver-
fallen. Es ist bedauerlich, dafi die junge deutsche Musikergeneration den Aufgaben einer
tanzerischen Gebrauchsmusik fast vollkommen passiv gegeniibersteht, denn das Problem
geht fiber den rein tanzerischen Gesichtskreis hinaus und schliefit sich der Idee an,
Musiken zu schreiben, die die Briicke zu Publikum und Verbraucher schlagen.
Der Fall Laban
Alfred Schlee
Wenn wir heute etwas betreten auf die Entwicklung der Tanzkunst in den letzten
Jahren zuriickschauen, stehen wir vor einer Gewissensfrage. Was ist mit dem „neuen",
auch „deutschen", audi „mitteleuropaischen" Tanz geschehen, der um 1920 so zukunfts-
froh sich iiber Podien und Theaterbuhnen ausbreitete? Die Welle der Begeisterung ist
abgeflaut. Eine Neuorientierung setzte ein. Die grofien Namen existieren isoliert weiter.
Aber der iiberragende Teil der Tanzerschaft ist von ihnen abgeriickt.
Man konnte sich vielleicht versucht fiihlen, in diesem Riickfluten eine analoge Er-
scheinung zu der ausgebreiteten musikalischen Reaktion unserer Tage zu erblicken. Das
ware jedoch ein Fehlschlufi.
Der neue Tanz ist eine Erscheinung des Expressionismus. Es war naheliegend,
dafi eine auf Unmittelbarkeit basierende Kunstrichtung im Tanz das geeignetste Aus-
drucksmittel fand. SchafFen im Trance, Apotheose der Improvisation: welches kiinstlerische
Material ist geeigneter dafiir als der menschlische Korper? Und hier liegt die Ursache
fiir all die Mifiverstandnisse, die sich um den neuen Tanz seit dem Augenblick scharen,
in dem der Expressionismus nicht mehr die Kunstform der Gegenwart ist.
Es wurde zu weit fuhren, auf all die Verwechslungen, Verwischungen der Grenzen
und Irrtiimer einzugehen, die sich im Tanz umso verwirrender auswirken konnten, als
es alien Beteiligten an einem einheitlichen Mafistab fehlt. Man sucht nun nach einem
Siindenbock, der fiir alle verantwortlich zu machen ist. Und da ist es am naheliegendsten,
sich an den Begriinder der Tanzreformen selbst zu halten: Rudolf von Laban.
Laban ist heute Ballettmeister der Berliner Staatsoper, als soldier nahezu gar nicht,
und dann zumeist mangelhaft, hervorgetreten. Man hatte von ihm irgendeine revo-
lutionare Tat erwartet. Dafi man sie erwartet hat, ist immerhin schon erstaunlich. Denn
wir sind in unseren optischen Anspriichen bei den musikalischen Staatstheatern sehr
bescheiden geworden. Dafi Laban als Ballettmeister der Berliner Staatsoper nichts ge-
359
■^P^^PPS^RP"^^"!!
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Labans Theorie versagt in der Praxis
leistet hat, ist ein Vorwurf, der nicht allein ihn trifFt, sondern die Verhaltnisse an den
Operntheatern iiberhaupt.
Wenn man Laban gerecht beurteilen will, so mufi man den Theoretiker und
Praktiker gesondert betrachten. Laban hat, schon lange vor dem Krieg, den Anstofi zu
einer neuen Tanzkultur gegeben. Er ging damals von lebensreformerischen Ideen aus,
griindete Kunstlergemeinschaften. Tanz war das verbindende Element, Religion, weniger
Kunstwerk. Hier entstand die Idee der Laientanzchore, die einen immensen Wert haben,
solange sie Laienarbeit bleiben. Gegenstiick zu den Gesangvereinen. Und hier beginnt
das erste Mifiverstandnis, das spater dem Kunsttanz zum Verhangnis werden sollte. Der
Dilettant betritt die Biihne.
Aus Labans Kreis lost sich Mary Wigman, der Prophet und die einzige Vollendung
des neuen Tanzes. Aber nun tritt die Scheidung ein. Wahrend die spateren Schiiler
Labans (vor allem Kurt Jooss) sich zum Theater bekennen und die begabtesten Schiiler
Wigmans ebenfalls sich dem Theater zuwenden, bleibt eine Flut^von Mittelmafiigkeit zu-
riick, die sich an die Vorgabe der expressionistischen Periode klammert und sich in den
Mysterien eines ekstatischen Individualismus verliert.
Ist Laban daran schuld ? Insofern sicher, als er selbst kein Beispiel fur die kiinst-
lerische Arbeit, sondern immer nur Anregungen gab, sie aber nie selbst zur endgiiltigen
Ausfiihrung brachte. Andererseits aber schuf er auch das Gegengewicht. Er hat in das
Chaos Ordnung zu bringen versucht, er hat eine tanzerische Harmonielehre geschaffen;
Er hat eine Tanzschrift konstruiert, die zur bewufitmachenden Analyse von Tanzwerken
unerlafilich ist. Er hat damit unschatzbares Material den Tanzern gegeben, die es aller-
dings nicht auszunutzen verstehen.
Wir haben also in Laban einen Theoretiker, den wir bejahen mussen und einen
Kunstler, von dem wir eigentlich nichts Rechtes wissen. Denn alles, was Laban selbst
herausgebracht hat, ist bruchstuckhaft, alfresco Anlage. nie aber bis zum Ende durchgestaltet.
Diese Tatsache ist symptomatisch fiir unsere tanzerische Situation iiberhaupt. Es
fehlen die grofien Gestalter, die den Tanzstil unserer Epoche formen konnten. Im
vorigen Heft habe ich iiber die Arbeit von Kurt Jooss und Dorothee Gxinther berichten
konnen. Ansatze sind da vorhanden. Aber das geniigt noch nicht, um die grofie Mehr-
heit der Tanzerschaft aus ihrem vertraumten Expressionismus oder ihrer lacherlichen
Ballettsucht herauszureifien. Wir haben in Deutschland bisher noch nie eine rechte Be-
ziehung zum Tanz gehabt und immer vom Import gelebt. Die Trager unserer biirger-
lichen Kultur haben kein Bediirfnis nach Ballett. Und die Begeisterungswelle fiir den
expressionistischen (neuen) Tanz gait nicht dem Tanz, sondern dem Griiblerischen und
Mystischen, das sich dahinter zu verbergen schien.
Es ist nun die Frage, ob die Impulse, die der Tanz in letzter Zeit von seiten des
aktuellen Theaters und einer gymnastisch-sportlich fundierten Jugend erhalten hat, aus-
reichen, um die Loslosung vom Ballett und expressionistischen Tanz endgultig zu voll-
ziehen. Es ist auch die Frage, an welches Publikum dieser erst in der Entstehung be-
findliche Tanz sich wenden wird. Vielleicht werden wir ihn in anderen sozialen Schichten,
in denen sich eine neue kunstlerische Kultur vorbereitet, finden.
Sicher ist aber, dafi diese Entwicklung sich dann am ehesten im Sinne Labans
vollziehen kann, wenn sie sich moglichst weit von Labans derzeitiger Arbeit entfernt halt.
360
Musik kein Traum, sondern ein Lebensinhalt
Musik und Kultur
Am 27. November vollendet Leo Kestenberg sein 50. Lebens-
jahr. Dieser Tag fallt in eine Zeit, in welcher der Reformator der
offentKchen JVlusikpflege Preufiens die Basis fur seine Arbeit verliert :
Kestenberg ist das Opfer des kulturell nicht zu verantwortenden
Abbaus der Kunstabteilung im preufiischen Ministerium geworden.
Sein Werk und seine Ideen, zu denen die beiden folgenden AufsStze
Stellung nehmen, sind aus der Geschichte des deutschen Musik-
lebens nicht mehr wegzudenken.
Kulturpolitik in der Gegenwart Eberhard preuiiner
Kulturpolitik, im eigentlichen Sinne des Wortes, wird in Deutschland gepflegt, seit
die gesellschaftliche Auflockerung und die geistige Aufklarung die Kultur als einen Teil
der Volkserhebung und der Volksbildung beanspruchen. Der Begriff Kulturpolitik ist
vieldeutig. Unter ihn fallen ethische, religiose, nationale, soziale, auch biologisch-hygienische
Anwendungsarten. Diese Vieldeutigkeit erklart zugleich die Beliebtheit, deren sich der
BegrifF erfreut, denn mit ihm lafit sich je nach Belieben operieren zugunsten einer ein-
seitigen Inanspruchnahme eines Teils, der aus taktischen, nicht aus faktischen Griinden
aus dem Ganzen herausgehoben werden soil. Kulturpolitik, das ist die unbekannte Grofie,
die uberall da eingesetzt werden kann, wo Greifbares fehlt.
Trotzdem, einen klaren, eindeutigen Standpunkt zu gewinnen, ist die Aufgabe in
jedem Augenblick, im gegenwartigen vielsinnigen zumal, auch noch im kiinftigen etwa
unsinnigen. Das gilt auch fur alle kulturellen Fragen. Unsere Fragen drehen sich um
die Musik, unsere ganze kulturelle Einstellung geht von der Musik als Zentralpunkt aus.
deshalb sei hier nur von der Musikkultur die Rede.
Es hat Zeiten gegeben, in denen man Musik als unwichtigere Unter abteilung im
Reich der Kiinste, in denen man Musik als unwesentlich fur die Kulturlage des Volkes
angesehen hat. Diese Tatsache der zeitweisen Unterschatzung der Musik wird von nie-
mandem bestritten. Gerade um diesem Zustand abzuhelfen, waren in der Nachkriegszeit
Krafte von Gruppen und einzelnen am Werk, die diese Aschenbrodelrolle der Musik
beseitigen wollten, indem sie auf die zentrale, totale Bedeutung der Musik im Leben
des Volkes hinwiesen, und fiir eine ihr entsprechende Wertschatzung hinarbeiteten.
Jener bequeme Standpunkt, Musik nur als Luxus, als Genufiobjekt besonders bevorzugter
Schichten anzusehen, wurde von ihnen mit dem Einsatz aller Krafte bekampft: fiir sie
gehorte und gehort Musik zum realen Leben aller Menschen, fiir sie war und ist Musik
lebensnotwendig. Aus dieser allgemeinen Einstellung heraus und nach diesem Plan wurde
eine Musikorganisation in den Nachkriegsjahren aufgebaut. Mitten in der Arbeit an diesem
musikalischen Kulturprogramm taucht gegenwartig eine hemmende und kulturstorende
Gefahr auf: namlich die Gefahr, dafi Musik wieder Nebensache wird, dafi Musik wieder
ganzlich aus dem offentlichen und politischen Leben der Gesellschaft verbannt wird,
dafi Musik wieder zurucksinkt in die Sphare des ganzlich und fiir alle unverbindlichen
Privaten. Alle heutigen Abbaumafinahmen im Musikgebiet gehen von dieser Grundein-
361
^mmmmntna
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Soziale Musikpflege als Grundlage des Kulturbaus
stellung aus, Musik sei Privatsache, schoner Schmuck, Luxus fiir Wohlstandszeiten, aber
nicht Notwendigkeit in Notzeiten. So dumm diese blofie Gedankenkonstruktion Jst, so
gefahrlich ist sie. Kulturpolitisch gesehen isb die Musik in Gefahr, ins Hintertreffen zu
geraten, in das Zwielicht des Irrealen, des Nichtfafibaren. Nun heifit es wieder: Musik
ein Traum, aber kein Leben. Musik eine Gnade, ein Geschenk, kein Naturrecht.
Lenken wir den Blick auf die Musikkultur in sich, so kann sie ahnlich geschildert
werden, wie. es bei der Entwicklung ihrer Stellung im Kulturganzen geschah; denn sie
befindet sich, nur als Musik genommen, in der gleichen unsicheren Lage. Ein auf-
bauender Weg war vorbereitet. Auch hier hatten Gruppen und einzelne Fiihrer eine
vorausschauende Erkenntnis gewonnen, sie bemerkten, dafi der schmale Grat, den Oper-
und Konzertwesen etwa um die Jahrhundertwende darstellten, gefahrlich sei. Von ihm
hot sich zwar fiir den das Bergsteigen Gewohnten ein schemer Rundblick auf die vielen
Provinzen im musikalischen Lande, aber ob das darunter liegende Ackerland Kulturland
oder Ode sei, konnte der oben Befindliche nicht unterscheiden. Aus der Erkenntnis, dafi
erst das Fundament gesichert sein miisse, dafi Kulttirarbeit im wahrsten Sinne des
Wortes geleistet werden miisse, leitet sich die musikalische Volksbildung und die Musik-
erziehung der letzten Jahre her. Mitten in der Erschliefiung des neuen Kulturlandes
erhebt sich gegenwartig eiae ernste Gefahr. Man leugnet die Moglichkeit des Kultur-
baues, man tritt den Ideen des Liberalismus, selbst dem Humanismus entgegen, grenzt
Klasse gegen Klasse ab, Bildungsschicht gegen Bildungsschicht, Bildungsgut gegen Bildungs-
gut, und die Moglichkeit einer alle Krafte anspannenden und frei machenden sozialen
Musikpflege wird rundweg bestritten.
Damit bestreitet man aber auch die Moglichkeit eines planvollen Kulturprogramms
iiberhaupt. Und darin besteht die grofie Gefahr des Augenblicks, dafi beide Gefahren-
momente, die hier skizziert wurden, gleichzeitig und noch verstarkt durch wirtschaftliche
Momente wirken und die Kulturlage aufs aufierste gefahrden. Uberlassen wir die Musik-
pflege wieder der privaten Sphare, geben wir zugunsten einer Ideologic der natiirlichen
Grenzen (versteht sich: Grenzen immer nur fiir die wirtschaftlich und machtpolitisch
Schwacheren), die soziale Gerechtigkeit in der Musikpflege auf, so verwischen wir im
Kern den ganzen begonnenen Kulturbau.
Staat und Stadte beginnen, sich heute in katastrophaler Weise ihrer kulturellen,
insbesondere der musikkulturellen Pflichten zu entledigen. Verlieren nun gar die Musiker
selbst den klaren Standpunkt, der allein eine aufbauende Kulturpolitik gewahrleistet,
aus den Augen, so werden Beschworungsformeln wie: Riickbesinnen auf die mystischen
Urkrafte, Schopfen aus den nationalen Quellen nichts mehr niitzen. Denn die Quellen
werden dann versiegt sein. Der nationale Boden, das ist das selbstverstandlich Ge-
gebeae, eben der Boden; da, wo und wie man beginnt ihn zu bearbeiten, beginnt erst
die Kulturarbeit. Und da helfen nicht Beschworungen, sondern nur Erkenntnisse und Taten.
Die angestellte Betrachtung ist keine polemische, sondern eine gegenwartige. Sie
richtet sich auch nicht einmal gegen die, welche lieber riickwarts als vorwarts schauen,
weil man zuriick mehr sieht als voraus ahnt. Aber wenn wir in der Musikkultur schon
riickwarts blicken, dann auf die rechten Vorbilder, auf die zwei grofien Linien in der
deutschen Kulturgeschichte, die die grofie Entwicklung enscheidend bestimmt haben
und die trotz der verschiedenen Ideenwelten sich doch nahekommen, auf die Linie
362
Musikunterricht statt Gesangstunde
Pestalozzi und die Linie Goethe, auf die soziale und die humane, die sozialpada-
gogische und die total-kiinstlerische. Diese beiden grofien Kraftzentren werden weder
die Musikerziehung, noch die offentliche Musikpflege, noch zutiefst das musikalische
SchafFen je entbehren konnen. Aus diesen beiden Kraftzentren leitet sich all das Wert-
volle her, das in der musikalischen Kulturarbeit der letzten Jahre von Gruppen und
einzelnen geleistet worden ist.
Wo stehen wir
in der Schulmusik?
Dietrich Stoverock
Wenn die folgenden Ausfiihrungen sich in der Hauptsache an den Musikunterricht
in der hoheren Vollanstalt fur Knaben wenden, so hat das seinen Grund darin, dafi
diese Schule durch den Stundenabbau der letzten Zeit ganz besonders hart betroffen
wurde. Das ist um so bedauerlicher, als die hohere Lehranstalt dazu bestimmt ist, den
akademischen Nachwuchs zu liefern, also Personlichkeiten heranzubilden, die im spateren
Leben auf die Gestaltung der Schule oft einen nicht unwesentlichen Einflufi ausiiben
und, wenn sie die neue Musikerziehung nicht am eigenen Leibe erfahren haben, in den
allerwenigsten Fallen in der Lage sein werden, die Bedeutung des Musikunter-
richts in der Schule voll zu wiirdigen. Der traurigste Umstand ist der, dafi aus Anlafi
der Schulmusikreform vom Jahre 1924 sich tiichtige Musiker dem Schulmusikerberuf
zuwandten und nun nach beendetem Studium infolge des Stundenabbaus sich um alle
Hoffnung betrogen sehen. Wir sind in der Schulmusik in Preufien vielerorts auf den
Stand von 1910 zuriickgeworfen, als unser Fach noch „Gesangunterricht" hiefi.
Wie stand es denn zu jener Zeit um die Musik in der Schule? In Sexta und
Quinta wurde in zwei Wochenstunden auf den Chor vorbereitet, der Schiiler also theo-
retisch und gesanglich so weit gebracht, dafi er einigermafien seine Stimme vom Blatt
singen konnte. War es ihm in diesen beiden Unterklassen immerhin moglich, einen
Schatz deutscher Volkslieder kennen zu lernen, so blieb seine musikalische Weiter-
bildung von Quarta bis Prima dem Zufall, infolge guter musikalischer Beanlagung dem
Chor zugeteilt zu werden, ausgeliefert. (Aufier Chor und Orchester gab es, von wenigen
ruhmlichen Ausnahmen abgesehen, keinen Musikunterricht auf Mittel- und Oberstufe.)
Nicht nur der eigentlich „Unmusikalische" (um diesen sehr unbestimmten Begriff zu
gebrauchen), sondern auch eine Beihe von Schiilern, die immerhin richtig sangen, mufite
vom Singen ausgeschlossen werden, da in den Chor notwendigerweise nur ein Teil der
Schiilerschaft aufgenommen werden konnte. Es steht mir nicht an, die Leistungen unserer
Schulchore vor dem Kriege herabzumindern ; aber es darf nicht ungesagt bleiben, dafi
viele Anstalten in dem Chor in erster Linie ein willkommenes Mittel zur Ausgestaltung
ihrer Schulfeiern sahen. Zur systematischen Musikerziehung der Chormitglieder war weder
Zeit noch Gelegenheit. Nur ein bescheidener Teil der Chorliteratur konnte erarbeitet
werden; der grofite Schatz unseres musikalischen Kulturgutes, wie Oper, Symphonie,
Oratorium usw., mufite den Schiilern verschlossen bleiben, da nicht die Moglichkeit
einer praktischen Ubung vorhanden war. Auch die Ubungen der Orchestervereine an
363
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Es gibt keine „unmusikalischen" Schuler
manchen Schulen konnten nicht als eine in die Tiefe gehende Musikerziehung ange-
sprochen werden.
Ich mufi mir im knappen Rahmen dieser Arbeit versagen, auf die Bedeutung der
Richtlinien vom Jahre 1925, die die Musikpflege der hoheren Schule grundlegend refor-
mierten und dem Fach die Bezeichnung „Musikunterricht" gaben, im einzelnen einzugehen.
Es soil nur das eine, m. E. aber auch das wesentlichste Moment herausgegriffen werden :
die musikalische Unterweisung auf Mittel- und Oberstufe ist nicht mehr ein Privileg
fur einige Chor- und Orchesterschuler, sondern an der Musik nehmen alle teil, sie wird
aufier in Chor und Orchester auf alien Stufen ini Klassenunterricht gepflegt. Eingebaut
in den Gesamtlehrplan der hoheren Schule unter Berucksichtigung der Querverbindung
zu andern Fachern, gibt der Musikunterricht in systematischem Aufbau alien Schiilern
einen Einblick in die grofien Epochen der Musikgeschichte, macht sie vertraut mit den
wichtigsten Werken der Tondichter und lafit sie teilnehmen an der Fiille folkloristischen
Kunstschaffens. Wie wichtig eine solche Musikerziehung fur die Personlichkeitsbildung
eines j e d e n Schiilers ist, kann hier nicht naher ausgefiihrt werden.
Nach wie vor steht das Sin gen im Mittelpunkt der Musikstunde. Im Klassen-
unterricht werden, wenn irgend moglich, alle Schuler zum Singen herangezogen. Der
Prozentsatz an „Nichtsangern" ist kleiner, als man vielfach annimmt. Durch fleifiiges
Mitmusizieren ist aus manchem „Brummer" der Unterstufe schon ein tiichtiger Sanger
auf der Oberstufe geworden. Soweit es nicht moglich ist, schwierigere Gesangswerke,
etwa Sololieder, mit alien Schiilern zu erarbeiten, singen besonders Befahigte den*ubrigen
Klassenkameraden die betreffenden Stiicke vor. Mit Chormusik, die in der Klasse nicht
geiibt werden kann, macht der Schulchor bekannt, der in regelmafiig zu veranstaltenden
Schulkonzerten typische Beispiele aus der Entwicklung der Chormusik geben kann. Erst
wenn die MQglichkeit eigenen Musizierens erschopft ist, tritt die Schallplatte als An-
schauungsmittel in ihre Rechte.
Instrumentalwerke musizieren die Jungen ebenfalls selbst und fiihren sie zur
Veranschaulichung vor. Auch hier werden Schallplatte und Radio erst dann angewandt,
wenn die Werke nicht mehr selbst bereitgestellt werden konnen, oder wenn Muster-
leistungen gezeigt werden sollen. Gerade das Instrumentalspiel ist dazu angetan, die
Freude an der Musik bei alien Schiilern zu wecken. Jedes Instrument ist zunachst will-
kommen, und seien es auf der Unterstufe auch Zieh- und Mundharmonika oder die
Zither. Mit alien moglichen Instrumenten riicken die Sextaner an, und es ware vollig
verkehrt, ihnen von vornherein zu sagen : dein Instrument ist minderwertig, darauf
darfst du nicht spielen. Man lasse sie zunachst ruhig mittun, sie werden sich nach und
nach schon „edleren" Instrumenten zuwenden. Man wird vielfach die Beobachtung
machen, dafi gesanglich weniger begabte Schuler vorziigliche Spieler sind. Ihr instru-
mentales Mitwirken in der Unterrichtsstunde ist eine willkommene Bereicherung des
gesanglichen Musizierens. „Brummer" sind oft erstaunliche Rhythmiker und improvisieren
auf Trommel, Triangel und Pauke mit Feuereifer eine Begleitstimme zum Gesang der
Mitschiiler. Jungen der Unterstufe basteln sich gern ihre Instrumente selbst: sie schnitzen
Floten, bauen aus Bambus Xylophone und lassen aus einem ausgehohlten Baumstumpf
eine Pauke entstehen. Sie lieben ihre selbst angefertigten, wenn auch primitiven
Instrumente, ihr Improvisieren auf diesen lost in ihnen wie mit Zauberhand verborgene
364
Stundenabbau bedroht das Reformwerk
Krafte und macht aus ihnen fanatische Junger der Muse. Daa Hineinbauen des Liedes
in szenische Spiele gibt audi dem „Brummer" durch eingefiigte Sprech- oder stumme
Rollen Gelegenheit, ein vollwertiges Mitglied der musizierenden Klassengemeinschaft zu sein.
Auf der Oberstufe ist den „Nichtsangern" und „Nichtspielern" durch Vortrage
biographischer oder kulturgeschichtlicher Art mannigfache Gelegenheit zur Betatigung
gegeben. Wie intensiv sich diese, oft sehr musikinteressierten Schiller mit der Materie
befassen, moge folgendes Beispiel demonstrieren : eine der beaten Abiturienten-Jahres-
arbeiten an me"iner Anstalt wurde von einem „Nichtsanger" iiber Wagners „Tristan und
Isolde" ge'iefert. Die Arbeit, die als Priifungsaufsatz im Deutschen gewertet wurde, zeigt
zugleich, wie eine fruchtbare Verbindung zwischen Musik- und Deutschunterricht sich
ermoglichen lafit.
Unter den „Unmusikalischen" befinden sich hin und wieder tiichtige Techniker,
die bei Auffuhrungen durch biihnentechnische Arbeiten ihre Kraft in den Dienst der
gemeinsamen Sache stellen konnen. Von alien Opern, die ich in meinem Unterricht
behandelte, fertigten die weniger musikalisch Aktiven Biihnenmodelle und Szenen-
bilder an, die die Klassenarbeit in anschaulichster Weise untersttitzten. Diese Modelle,
in raffiniertester Art mit Beleuchtungseffekten ausgestattet, wurden sicher manchen
Opernregisseur in bezug auf einfachste Szenenlosung in Erstaunen setzen. Mit Photo-
apparaten durchzogen die Schiiler Berlin und entdeckten es als Musikstadt, indem
sie Geburts- und Sterbehauser von Komponisten, Musikinstitute, Konzertsale usw.
photographierten. Das alles ist keineswegs eine belanglose oder oberflachliche Ange-
legenheit, sondern ein wertvoller Beitrag zu den Kapiteln „Werkunterricht" und „Heimat-
geschichte". Dafi es sich hierbei um keine Utopien handelt, zeigen die Ergebnisse einer
langeren praktischen Arbeit in dieser Art.
Leider droht durch den Stundenabbau vom Herbst vorigen Jahres das ganze
Reformwerk zerschlagen zu werden. Standen bisher der Musikpflege in den Klassen
Quarta bis Oberprima (also in sieben Klassen) insgesamt nur vier Wochenstunden zur
Verfugung (einschliefilich Chor und Orchester), so wurde durch die Abbauverordnung
diese, auch behordlicherseits als zu geriug bezeichnete Stundenzahl noch um eine
Stunde gekiirzt. Man wird fragen : waren denn bei vier Stunden die oben geschilderten
Ergebnisse moglich? Sicherlich nicht! Sie wurden dadurch moglich gemacht, dafi die
Stadte in kluger Einsicht vielfach dem Musikunterricht eine iiber die amtlichen Stunden-
tafeln hinausgehende Stundenzahl zubilligten. Litten die staatlichen Anstalten bisher immer
6chon unter den ungeniigenden Musikstunden (eine einigermafien erspriefiliche Arbeit
wurde vielfach nur durch die Opferbereitschaft der Musiklehrer ermoglicht, die iiber
ihre Pflichtstunden hinaus freiwillig Unterricht gaben), so war die letzte amtliche
Stundenkiirzung auch fur viele Stadte das Signal zum Abbau. Es soil nicht ver-
schwiegen werden. daft die Stadt Berlin sich auch jetzt noch nicht zu diesem rigo-
rosen Kulturabbau verstehen konnte. So viel steht fest : wird der Musikunterricht an
den hoheren Knabenschulen nachden amtlichen Stundentafeln erteilt, so sind die Richtlinien
vom Jahre 1 925 in wesentlichen Teilen gegenstandslos geworden. Tatsachlich haben Anstalten,
die nur iiber die amtliche Stundenzahl verfugen, den Musikpflegeunterricht von Quarta bis
Prima kassieren miissen. Dafi ein solcher Abbau des Musikunterrichts auch durch die
grofite Not nicht gerechtfertigt ist, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.
365
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Paris zur »Deutschen Musikbuhne«
Ausschnitte
Opernkrise im Ausland
In der Ietzten Besprechung auslandischer Zeitschriften wurde hier (Melos, Heft 8/9)
verzeichnet, dafi sich ganz allmahlich audi in den romanischen Lfindern das Bewufit-
sein von der materiellen und ideellen Krise aller musikalischen Dinge zu regen beginnt,
wenn man dort auch nach wie vor zum Optimismus neigt und nicht gewillt ist, in den
auffalligen Symptomen etwas anderes als voriibergehende Erscheinungen zu erblicken.
Inzwischen haben sich zwei weitere Stimmen zum Wort gemeldet, eine in Frankreich,
eine in Italien, die beide die Situation des Opernbetriebes sehr kritisch beleuchien und
beide sich der Einsicht nicht verschliefien konnen, dafi hier uber die momentane mifi-
liche Lage hinaus Fragen von prinzipieller Bedeutung gestellt sind. Aus den beiden
Darlegungen soil ein Ausschnitt wiedergegeben werden.
Im „Menestrel" (No. 38) berichtet P. B. unter dem Titel „Heilmittel fiir die
Krise des Operntheaters" fiber die Arbeit der „Deutschen Musikbuhne":
„Um der Weltkrise des Operntheaters zu begegnen, hat man in Deutschland eine sehr
gliickliche Initiative ergriffen : Sanger, Tanzer und Orchestermusiker haben sich zusammengetan
und die „Deutsche Musikbuhne" gegriindet, um dem Publikum Vorstellungen von hohem
kiinstlerischem Niveau zu aufierst niedrigen Preisen zu bieten.
Dieee Gruppe verzichtet auf jede Mitwirkung von Stars. Jeder Sanger hat ohrfe Unter-
schied und in wechselndem Turnu9 die Funktion eines ersten Sangers und die des Choristen
zu erfullen. An der Einstudierung von zwei Opern hat man zwei voile Monate gearbeitet. Die
Qualitat der Kunstler, die enge Verbundenheit des Ensembles, das 22 Sanger und 33 Instru-
mentalisten (von denen sich — wohlgemcrkt! — keiner jemals vertreten lassen darf) umfafit,
haben der Musikbuhne bereits stark c Erfolge verschafft.
Zum Ungliick ist es wenig wahrscheinlich, dafi ein solches Beispiel in Frankreich —
wenigstens vorlaufig — Gefolgschaft finden wird, da bei uns ein offenbar unheilbarer Indivi-
dualismus herrscht."
Sehr aufschlufireich sind einige hochst skeptische Satze aus einer Studie, die Guido
Pannain unter der Uberschrift „Was bedeutet die Krise der Oper?" in der
Rassegna Musicale (Juli 1932) publiziert hat:
„Es steht nunmehr fest, dafi es in Italien, wie in alien Landern der Welt, eine Krise
des Operntheaters gibt. Eine Krise nach alien Regeln der Kunst, da sie sowohl die Produktion
wie auch den Horer betrifft. Aber es ist auch eine Krise des Geistes und der Grundsatze :
alles, was zum lebendigen musikalischen Theater gehort, verliert sich heute in ein Chaos von
Widerspriichen.
Achtete man das Urteil des Publikums, so bliebe nichts iibrig als die Theater zu
schlie/Sen. Denn das Publikum besucht sie nicht, tragt auch gar kein Verlangen sie zu besuchen
und zahlt nichts dafiir, sie besuchen zu konnen. Hier bedarf es keiner entlegenen asthetischen
BegriiFe, es geniigen die elementaren Gesetze der Okonomik. Will man ein Opernhaus mit
eingeladenen Zuschauern fiillen, so ist das sehr einfach; appelliert man jedoch an die Brief-
tasche des Publikums, so kann das Ergebnis nicht zweifelhaft sein : ein leeres Haus.
Aber dem Unterfangen, der Diagnose des Publikums zu folgen und das Operntheater
aufzugeben, stellen sich die hoheren Griinde der Kunst entgegen. Nein, das musikalische
Theater darf nicht untergehen 1 Wenn auch das Publikum, wenn die Masse bekundet, zu dieser
Kunstform keine Beziehung mehr zu haben, so ist damit noch nicht gesagt, daS das gesell-
schaftliche Leben, dafi der lebendige Geist ihrer beraubt werden durfe. Das ware ein Zeichen
moralischen Riickschritts, eine Schande fiir die zeitgenossische Gesellschaft. Moge an die Stelle
des zahlenden Publikums eine andere Geldquelle treten, mogen notfalls die Gesetze zur Hilfe
gerufen werden, mag der Staat intervenieren — aber das Operntheater darf nicht sterben !
366
Opernskepsis in Italien
Der Ruf wurde erhort - das Operntheater wird nicht sterben. An die Stelle der pri-
vaten Initiative, an die Stelle des Impresario von einst tritt eine offentliche Verwaltung, die
im Namen der offentlichen Interessen handelt und mit Mitteln arbeitet, die direkt dem Staats-
schatz entnommen werden.
Die Musiker atmen auf und machen sich tausend Illusionen. Jetzt beginnt das goldene
Zeitalter der Opernbuhne. Das Publikum hat sich zurfickgezogen und hat nichts mehr zu sagen.
Der Traum so vieler hochgemuter Kiinstler wird sich jetzt verwirklichen. Die musikalische
Biihne wird ein interesseloser, von allem materiellen Zwang befreiter Bezirk der Kunst werden,
offen alien kiinstlerischen Versuchen, auch wenn sie keine Aussicht auf Erfolg bieten, wie es
zur Zeit der frfihen florentinischen Meister, wie es zur Zeit des Monteverdi des Orfeo und
der Arianna, kurz wie es vor jenem Schicksalsjahr 1637 war, in welchem die Opernbiihnen
ffir das Publikum geoflhet wurden und die Sprachen sich zu verwirren begaunen.
Aber — es ist nicht an dem. Die Operntheater werden nunmehr zwar, das ist wahr,
nach den hohereri Gesichtspunkten der Kunst und der Kultur geleitet; der Staat gibt die
Mittel dazu her. Aber die Richtlinien werden noch immer gemaS der Mentalitat des Impre-
sario von einst formuliert. Nur : eines Impresario ohne Publikum. Friiher anfierte das
Publikum seine Meinung, und man horte auf Bie; es setzte seinen Geschmack, seine Forde-
rungen durch: ein Publikum, das selbst die Geschichte der Oper im 18. und 19. Jahrhundert
schrieb, ein Publikum, gegen das sich aufzulehnen nie jemand gewagt hatte. Heute existiert
kein Publikum mehr, und folglich hat es auch nichts zu sagen. Was man heute in den
Theatern antrifft, ist eine Minderheit, unlustig und unbeteiligt.
Dieses Publikum jedoch, das nicht mehr existiert, dieses GeBpenst, diese9 Publikum, das
nicht mehr ins Theater geht, weil es nicht dafiir bezahlen will, dieses Publikum, das mit
seinem Fernbleiben erst die jetzige neue Organisation der Oper im Namen der Kunst und der
Zivilisation hervorgerufen hat, dieses Publikum — eine unbekannte und problematische
Grofie — fahrt dennoch fort, der heimliche Herrscher fiber den Geschmack und fiber die
kiinstlerischen Richtlinien des Operntheaters zu sein . . .
Man mufi sich entscheiden : entweder gibt es ein Publikum, und sein Geschmack be-
stimmt den Spielplan. Man geht auf seine Wunsche ein. Dann mogen die Theater das
gefalligst aus ihren eigenen Mitteln bestreiten. Oder aber : das Publikum spielt keine Rolle
mehr, dann m6ge man endlich aufhoren, seinen Schatten bei jedem Aufziehen des Vorhangs
anzurufen, Dann sollen die Millionenopfer, die ftir die Erhaltung der Oper aufgewendet werden,
wenigstens rein kiinstlerischen Experimenten zugute kommen. Dann rede man aber auch nicht
mehr von Erfolgen, von Beifall, von Hervorrufen, von all den Argumenten, die mehr mit dem
Geschaft als mit der Asthetik zu tun haben.
Die Wahrheit ist, dafi man heute in Italien musikalisches Theater ohne Publikum und
ohne Kunst machen will."
Ausland
Franzosische Sinfonik der Gegenwart a. Machabey
(SchluD)
3.
Erlauben die im August/September-Heft dargelegten generellen Erkenntnisse, die
franzosische Produktion in ihrer Gesamtheit zii umschreiben, so besagen sie doch keines-
wegs, dafi etwa in der Musik des heutigen Frankreich Gleichformigkeit herrsche.
Aus drei Hauptstrdmungen scheint die franzosische Musik der Gegenwart gespeist
zu werden.
Die erste umfafit die elegante, feinsinnige, bisweilen spirituelle Musik, die gemein-
hin ftir die echteste Frucht des franzosischen Geistes gilt.
Die zweite ist gekennzeichnet durch Kraft, Intensitat, Lebensfiille, manchmal sogar
durch Gewaltsamkeit, immer durch ihren Reichtum.
Die dritte und letzte fallt zusammen mit der akademischen Musik. Sie hat den
Vorzug, dafi sie immer wieder aus ihrem eigenen Staube ersteht, und die Eigenschaft,
367
'■WRSS!^'
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Ibert und Poulenc
unbertihrt vom Lauf der Zeiten stets in ihrer Mittelmafiigkeit zu verharren. Wir diirfen
sie beiseite lassen.
Sind diese Grundrichtungen einmal festgelegt, so lassen sich die Werke desto
leichter einordnen, die ihnen zugehoren; weniger einfach ist das schon be^i den Autoren,
die nicht selten von einem Pol zum andern schwanken. Wobei audi die zahlreichen
Zwischenstufen nicht iibersehen werden diirfen, die sich zwischen den beiden Extremen
einreihen lassen.
Viele moderne Komponisten, die sich von ihrem Temperament, ihrer Erziehung,
ihrer Umgebung, vielleicht auch von manchen Vorurteilen leiten lassen, sehen an ihren
Vorgangern nichts als deren artistische Eleganz und machen diese zum Mittelpunkt ihrer
eigenen Schopfungen. Debussy und Ravel haben alle beide, Debussy mit mehr Tief-
gang, Ravel mit grofierer Brillanz, die Bemiihung um Finesse und technische Vollendung
bis zum aufSersten getrieben. Sie sind sozusagen die Paten einer Gruppe von Autoren
mit demselben Ziel geworden, die sonst — die Wahrheit zu sagen — nichts anderes
verbindet als der Umstand, dafi sie im gleichen Zeitalter leben.
Das „Concerto fur Violoncello und Blaser" von Jacques Ibert und zumal desselben
„Divertissement" fur Kammer-Orchester sind charakteristische Beispiele dieser leichten
Kunst. Sie ist ungebunden, aber konzis und voller Klarheit, sie entfernt sich mehr und
mehr von jeglicher GroSartigkeit, um ganz im Geistigen, im Ironischen, in der Neigung
zur Parodie aufzugehen. Aber weder sie, die Parodie, noch die Nachbildung volkstiim-
licher Motive, wie man sie etwa im Finale des Divertissement findet, tritt jeweils dem
guten Geschmack zu nahe; immer ist die Grenze der Vornehmheit gewahrt, die in
alien Werken Iberts vorherrscht. Hingegen sind diese genannten Qualitaten nur geeignet,
eine Kunst wie die Iberts den Vorbildern der franzosischen Meister aus dem 18. Jahr-
hundert noch naher zu bringen und sie endgiiltig der Berlioz-Sphare zu entziehen, in
die der Komponist friiher zu gehoren schien, wenn man sich auf die Anlage und auf
ein paar wilde Partiturseiten seiner „Zuchthausballade" oder auch auf den dritten Satz
seiner „Escales" bezog.
Ganz anders geartet ist die Musik des Francis Poulenc; sie ist poetisch, oft trau-
merisch, bisweilen sogar melancholisch trotz des frischen, gesunden Windes, der in ihr
weht. Im „Concert champetre" fiir Cembalo und Orchester und deutlicher noch in der
„Aubade" (Morgenstandchen) fiir Klavier und 18 Instrumente ist der sinfonische Stil
Poulencs festgelegt; dieses letzte Werk, das den Untertitel „Concerto choreographique"
tragt, zeigt iibrigens seine Musik auch von der pittoresken Seite. Die Instrumentation
Poulencs ist nicht iiberladen: das Cembalo-Konzert streicht zwei von den vier Posaunen,
eine von den drei Trompeten sowie die Bafi-Klarinette und beschrankt die Streicher
auf eine ganz bestimmte Anzahl. Aubade verzichtet auf die Posaunen, die Violinen, die
Harfe und das Schlagzeug und behalt nur eine Trompete, zwei Horner und drei Pauken
bei; die restlichen Instrumente sind paarweise besetzt.
In die gleiche Kategorie ist auch Georges Auric einzureihen, dessen sinfonisches
Opus in der Hauptsache aus Balletten bestehf, darunter die „Facheux"; dies Ballett, in
der Schreibart durchsichtig und beweglich, scheint uns mit seinen gelegentlichen har-
monischen Harten den Stil seines Autors genau wiederzugeben. Weiter gehort in diese
Gruppe Rivier, der erst kiirzlich mit seiner „Pastorale" und einer „Ouverture par une
368
Debussy und Florent Schmitt
operette imaginaire" bekannt geworden ist und eben „Funf Satze" fiir kleines Orchester
vorgelegt hat, worin unter den brillanten Formulierungen dieser mit geschickter Hand
hingezeichneten Skizzen eine humoristische Ader unverkennbar ist; ferner Roger-Ducasse,
ein beachtlicher Handwerker der schonen Harmonien und der gesuchten Klange.
Unbedingt mufi als Anhang dieser Gruppe noch das sehr eigenartige Werk von
Georges Migot genannt werden, der Maler, Schriftsteller und Musiker zugleich ist. Migot
ist auf der Suche, die Wesensgesetze unserer nationalen Kunst wiederzufinden ; er hat
sich eine Asthetik zurechtgelegt, die ihn nebenbei zu einer klugen Bescheidung in der
Wahl der instrumentalen Mittel gefiihrt hat. Wenn seine Sinfonie „Les Agrestides"
(1920) noch das voile Orchester verwendete, so begniigen sich seine neueren Partituren
wie etwa die „Suite en Concert" mit zwei Posaunen, zwei Trompeten und manchmal
auch mit zwei Hornern. Migots bereits bedeutende Produktion ist eine der seltsamsten
innerhalb der heutigen Schulen, aber die Abwesenheit jeglicher Ahnlichkeit zwischen
seiner Schreibweise und dem gewohnten Zeitstil hat diesen Autor ein wenig isoliert,
der jetzt indessen immer haufiger auf den Programmen der grofien Konzerte erscheint.
Noch viele andere Werke sind von der geschilderten Sehnsucht nach Eleganz in-
spiriert: so einst Roussels ,,Festin de l'Araignee" oder, in unserer Zeit, der „Parc Mon-
ceau" von Ferroud, vielleicht auch die „Tristesse de Pan" von Fl. Schmitt. Aber dieser
durch und durch verfeinerte Stil hat fiir Komponisten, denen er nicht von Natur ge-
gegeben ist, auch seine Gefahr, namlich die Gefahr der Geziertheit und sogar der
Kiinstelei, welcher beispielshalber M. Ingelbrecht in seiner jiingst erschienenen „Sinfonia
breve" nicht entronnen ist.
DerReihe dieser Komponisten ware noch Sauguet mit seiner vereinfachenden Schreib-
art (mindestens in dem Ballett „La Chatte") anzufiigen, und wohl auch einige jiingere
Autoren, die sich bisher nur mit ihren ersten Versuchen vorgestellt haben — Messiaen,
Castan, Hugon.
Bemerkenswert ist, dafi der „Pelleas" und der „46. Psalm" (Schmitt) fast zur gleichen
Zeit entstanden sind; dadurch wird das zeitliche Nebeneinander der beiden Stromungen
innerhalb der franzosischen Musik belegt. Wenn Debussys ganzes Sinnen auf hochste
Verfeinerung und auf die Erregungen der inneren Welt gerichtet ist, so hat Florent
Schmitt (der Autor des 46. Psalms) das grofie, unschatzbare Verdienst, die Musik Frank-
reichs am Abgrund der preziosen Verspieltheit, der Unbedeutung zuriickgehalten zu
haben, in dem sie untergehen konnte. Fl. Schmitt hat unserer Musik ihre machtige
Grofiartigkeit wiedergegeben, die ihrer selbst gewifi ist und auch noch in der letzten
Exaltation die Herrschaft iiber ihre Gesten bewahrt. Ubrigens verhalten sich die beiden
Gruppen nicht radikal gegensatzlich, und mindestens haben sie diese beiden Punkte ge-
mein: die Bemiihung um Vollendung im Satz und im Aufbau; das pittoreske, deskrip-
tive oder emotionelle Moment in jeder Komposition. „Salome" steht, was Sorgfalt,
Gewahltheit und Gleichgewicht betrifft, in nichts zuriick hinter „Daphnis et Chloe" oder
„La Mer". Es ist nicht wahr, dafi etwa die Musiker, deren Ideal ich als „machtvolle
Grofie" zu umreifien suchte, eine Schule der Brutalitat bildeten, eine Schule des Unge-
fahr, des sinnlosen Larmens und der falschen Grofiartigkeit. Vielmehr ruht ihre Kraft
auf einer sehr soliden Grundlage, und es ist ihr einzigartiger Vorzug, dafi sie noch in
der Ekstase der Begeisterung ihre hellsichtige Klarheit behalten.
369
Wi^R *UBE,!' *?
^.ijpHJHu,^ gwww^pppppBPWffWlipW I^U^lj^iii i Uj^iH I Il.
Moderne franzosische Sinfoniker
Diese pompose und auftrumpfende Kunst, wie sie sich etwa in den Riesendimen-
sionen der erwahnten „Salome" oder auch in den beiden anderen Fresken „Antoine et
Cleopatre" und „Salambo" dokumentiert, diese Kun9t hat allerhand Widerstand erregt,
und vielleicht ist ihre Haltung nicht allerseits richtig eingeschatzt worden. In jedem
Fall ist sie der Beachtung wert, und man darf sagen, dafi ein Teil der modernen Schule
ganz unbewufit ihrem Einflufi verfallen ist und unter der Beriihrung mit dieser ge-
sunden Robustheit Anlagen wieder hat in sich erwachen spiiren, die unter dem narko-
tischen Zauber der „Ile de France" schon erstarrt waren. Sollte es nicht unter diesem,
vom Autor selbst nicht erkannten, Einflufi geschehen sein, dafi Roussel von der Zart-
heit des „Festin" abliefi und schrittweise zu seiner jiingsten Sinfonie emporstieg, nach-
dem diese Entwicklung durch seine „Petite Suite", durch die F-Dur-Suite und durch
das Ballett „Dionysos" vorbereitet war? Und wer weifi, ob Louis Aubert, der sich am
Beginn seiner Laufbahn ganz auf die feine Silberzeichnung beschrankt hatte, jemals die
Partituren von „Dryade" und „Habanera" mit Blech aufgefiillt hatte, wenn er nicht in
die Atmosphare von Fl. Schmitt geraten ware. Wie dem auch sei, jedenfalls sind diese
beiden Autoren und zumal Roussel der bezeichneten Richtung einzuordnen; wenigstens
mit ihren letzten Arbeiten. Andere noch gehoren dieser Richtung zu, die indessen noch
nicht vollig zu eirier eigenen Personlichkeit vorgedrungen sind : Ferroud, der Schuler,
Bewunderer und Kommentator Schmitts-, CI. Delvincourt. mit seiner nervosen und ver-
wickelten Satzweise. Ferner Darius Milhaud, der mit seinem instrumentalen StU und
mit einigen Fragmenten seiner dramatischen, von einer seltenen Kraft erfullten Werke
ganz offenbar, trotz seiner Unstetigkeit und seinen debussystischen Anfangen, der gleichen
Gruppe nahesteht, die ich noch um den unabhangigen Jean Cras erweitern mochte.
Dessen Werk, obwohl starkstens von der Natur und von dem Leben auf den Meeren
inspiriert, verwirft dennoch den zarten Impressionismus, um in einem „Journal de Bord"
zu einer kraftvollen Lyrik zu gelangen.
Die sinfonische Musik hat seit einigen Jahren einen der begabtesten, der gebildetsten
Musiker fur sich gewonnen : Philippe Gaubert. Seine langjahrige Orchesterpraxis hat ihn
in der grxindlichsten Weise mit alien denkbaren Kombinationen des Rhythmus, der
Harmonik und der Farbe vertraut gemacht. Zunachst ein Autor dramatisclier Werke,
hat Gaubert sich jiingst der Orchestermusik zugewandt und mit den „Chants de la
Mer", den „Chants de la Terre" und dem „Au Pays Basque" drei Partituren gestellt,
deren Vitalitat und Kraftfulle keinen Zveifel dariiber aufkommen lassen, welcher Richtung
dieser Komponist einzugliedern ist.
Und schliefilich mufi unter diesem Gesichtspunkt auch noch der Organist Marcel
Dupre genannt werden. Dieser setzt den Weg fort, den der grofie Meister Ch. M. Widor
gezeigt hat. Dupre hat fur die Orgel bereits mehrere Sinfonien geschrieben, deren erste,
die sogenannte „Symphonie-Passion", unbestreitbar im Zeichen einer grofiartigen
Lebendigkeit steht.
Nicht uninteressant mufite es sein. die Verbindungen der franzosischen Musik zu
den anderen Sparten des geistigen Lebens aufzuzeigen. Einst gab es eine impressioni-
stische Malerei, eine impressionistische Literatur, eine impressionistische Musik: diese
370
Kritik an Rundfunk und Schallplatte
Drei-Einigkeit ist nunmehr zerfallen, und heute folgt die Musik, nachdem sie sjch viel
revolutionarer gebardet hatte als ihre Weggenossen, den Gesetzen einer verniinftigen
Evolution, wenn wir darunter verstehen wollen, dafi sie sich im Durchschnitt dem
Geschmack des Publikums ziemlicli weitgehend angepafit hat. Aber trotz dieser riick-
laufigen Bewegung behalt die sinfonische Komposition vor der Dichtung und den Schonen
Kunsten einen merklichen Vorsprung an Originalitat, an Unabhangigkeit und sogar an
absolutem Wert. Die Lauterung der Ideen, die Besinnung des Menschen auf sich selbst,
der klare Wille zu einem personlichen und vollkommenen Schopfertum, die Meisterschaft
einer Technik, die sich taglich bereichert und erweitert — : dies alles tritt in der Musik
viel eindringlicher hervor und sichert ihr einen Grad von Uberlegenheit, der schwerlich
geleugnet werden kann.
Im ubrigen hat die ernste Musik sich viel weniger kommerzialisieren lassen als
die anderen geistigen Produktionen. Bis zum heutigen Tage haben die Sinfoniker von
Bang in hohem Mafie ihre materielleu Interessen hinter ihre kiinstlerischen Uberzeugungen
zuruckgestellt. Man kann nur wiinschen, dafi eine solche Geisteshaltung sich festige und
erhalte, und man darf es hoffen angesichts der Unterstiitzung, welche die Autoren durch
die Vielzahl der grofien Konzerte und, entgegen dem allgemeinen Vorurteil, auch durch
die mechanische Musik und durch die Badio-Sendungen erfahren.
Es ist nicht moglich, hier im einzelnen die wecbselseitigen Beziehungen zwischen
der lebendigen und der sogenannten mechanischen Musik zu schildern; nur der hochst
heilsame Einflufi der Schallplatte sei erwahnt, die seit sieben oder acht Jahren und in
standig wachsendem Umfang sowohl die starksten wie die abstraktesten Werke der
zeitgeno'ssischen Komponisten in alle Klassen der Gesellschaft tragt. Diese Bolle des
Grammophons ist schon so oft beschrieben worden — auch mit Ubertreibung — , dafi
es zwecklos ware, darauf zuruckzukommen. Nur soviel soil gesagt werden, dafi das
Grammophon viel dazu beigetragen hat, die Liebhaber der Musik mit den technischen
und formalen Eigenheiten unserer Autoren bekannt zu machen. Ich wollte, ich konnte
das gleiche vom Bundfunk berichten. Aber ungliicklicherweise hat die Aussicht auf
Autorenrechte die Habgier der Plagiatoren, Plunderer, Arrangeure und Nachbildner aller
Art entfesselt, die sich im Sturm der Sender bemachtigt haben und nun nahezu die
ganze fur die Musik bestimmte Zeit mit Beschlag belegen. Die Fachblatter versichern
uns, die Rundfunkhorer seien damit sehr zufrieden, aber wir glauben davon kein Wort,
im Gegenteil: die wenigen Viertelstunden, die allwochentlich der Sendung klassischer
Konzerte und sinfonischer Werke gewidmet sind, enthullen deutlich die fortschreitende
Anziehungskraft, die diese Art von Musik auf ein standig sich vermehrendes Publikum
ausiibt.
Diese Tendenz manifestiert sich auch in dem Umstand, dafi die sonntaglichen und
die ubrigen Konzerte, die bisher in Paris auf drei beschrfinkt waren, jetzt auf sieben
bis acht gestiegen sind und sich trotzdem zu erhalten vermogen; ein sicheres Anzeichen
fur die Hebung des durchschnittlichen Musikbediirfnisses. Statt eine solche Bewegung zu
entmutigen, indem man hochst ungeschickt den nahenden Bankrott des lebendigen
Orchesters prophezeit, wie das einige kurzsichtige Musikschriftsteller getan haben, sollte
man alles daran wenden, sie zu begunstigen: der Fortbestand unsrer sinfonischen Elite
steht dabei auf dem Spiel.
371
Quellen der franzosischen Tradition
Ich mOchte fur diesen letzten Abschnitt einen Gesichtspunkt wahlen, der es uns
erlaubt, die franzosische Sinfonik der Gegenwart in die allgemeine Entwicklung der
franzosischen und, wenn moglich, auch der europaischen Kunst einzureihen. Die
mannigfachen Erkenntnisse, die wir ira Verlauf dieser Studie gewonnen haben, werden
uns dabei behilflich sein.
Sie werden uns vor allem ermoglichen, ein doppeltes Vorurteil richtigzustellen,
dem zufolge Frankreich auf die He de France eingeengt werden soil und die heutige
Komponisten-Generation mit den Musikern der franzosischen Monarchie in' Verbindung
gebracht wird.
Dafi das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert in Frankreich zahlreiche elegante
Musiker hervorgebracht hat — wer mochte das bezweifeln ? Auch erscheint es durchaus
angangig, gewisse Werke von Debussy, Ravel oder Ibert als Nachkommenschaft jener
soignierten, feinsinnigen, mafivollen und intelligenten Kompositionen aufzufassen, dank
derer Musiker wie Chambonnieres, Marchand, Couperin, Rameau sich lebendig erhalten
haben. Es ist aber nicht weniger wahr, dafi diese ganze Produktion, in welcher die Frivolitat
der Hofe und Salons dominierte, die — dunnbliitig von allem Anfang an — langer als ein
Jahrhundert von den italienischen und deutschen Musikern verdriLngt wurde, dafi diese
Kunst doch nur eine recht bescheidene Einwirkung auf unsere Autoren hat gewinnen
konnen. Der Versuch, diese genannten alteren Komponisten zu grofien Meistern von
sakularer Bedeutung zu stempeln, gehort zu jenen Paradoxen einer originalitatssuchtigen
Musikgeschichtsschreibung. die ernsthafterer Untersuchung nicht stand halten. Wenn
man die wahren Quellen der franzosischen Tradition entdecken will, dann mufi man
schon die ganze sogenannte Renaissance-Periode iiberspringen, urn zu den drei grofien
musikalischen Jahrhunderten des Mittelalter# zu gelangen, zum 13., 14. und 15. Dort
findet sich die franzosische Musik in Reinkultur, in der Errichtung und Vollendung
einer Asthetik nach ihren eigensten Gesetzen; eine Musik, die bereits in hohem Grade
Sorgfalt im Detail und in der Arbeit, die Qualitaten einer robusten Kraft und zugleich
die Vorzuge eines auswagenden Kunstverstandes verrat.
Hier ware auch daran zu erinnern, dafi die drei Grofiten dieser drei Jahrhunderte,
Adam de la Halle, Guillaume de Machault und Guillaume Dufay Provinzler waren, die
nahezu keine Verbindung mit der Pariser Atmosphare hatten: geht man ins 19. oder
auch ins 20. Jahrhundert, zeigt sich ein analoges Phanomen: fast alle unsere bedeu-
tenden Sinfoniker stammen aus der Provinz. Berlioz, der erste in der Reihe, war aus
der Dauphine, Faure aus Ariege, Schmitt und Pierne kommen aus dem Osten,
Roussel aus dem Norden, Ravel aus dem Suden, Aubert aus der Bretagne und Gaubert
aus Quercy 1 ).
Es ist jedoch nur ein Gebot der Klugheit, weder im einen noch im anderen Sinne
zu verallgemeinern und unsrer nationalen Fruchtbarkeit die voile Bteite zu lassen. So
gesehen ist Paris ein Schmelztiegel, in dem Verfeinerung, Mafi und Ordnung eine
giinstige Mischung eingehen; die grofie Zahl der Bevolkerung, die uberraschende Ver-
') Die Beschrankung dieser Studie auf franzosische Musiker hindert daran, an dieser Stelle noch einige
auslandische Komponisten zu verzeichnen, die in Frankreich heimisch geworden sind: Strawinsky, Prokofieff,
Honegger, Markevitch, Beck, Martinu u. a.
372
Selbstandigkeit der franzosischen Schule
schiedenheit der Intelligenzen, die in ihr auftauchen, deren Scharfsinnigkeit und schliefi-
lich der unvermeidliche Zwang, den dort die Masse auf das Individuum ausxibt, erlegen
diesem eine Disziplin auf, die fast stets heilsam ist. Andrerseits scheint es ganz offen-
bar, dafi — mindestens fur die Musik — die Verbindung mit der Provinz ganz unent-
behrlich bleibt.
So diirfen wir in unsrer modernen Schule vielleicht eine Reaktion der alten fran-
zosischen Tradition gegen manche hinderlichen Einfliisse erblicken, die wahrend mehrerer
Jahrhunderte sich im Herzen Frankreichs gekreuzt und manchmal unsere Eigenart iiber-
lagert haben. Das Signal zu dieser Bewegung hat Berlioz gegeben; sein instrumentales
Werk hat den Kampfruf formuliert, dem die franzosischen Sinfoniker seit einem Jahr-
hundert gefolgt sind. Zwischen Berlioz und uns Heutigen sind die Sinfonien von
Franck, Lalo, dlndy, von Guy Ropartz, Magnard, Paul Dukas und Rabaud, sind ein-
zelne Werke wie die „Preludes a FOuragan" von Bruneau oder der ,,Apprenti sorcier"
von Dukas, Meilensteine, die mit unterschiedlicher Gewichtigkeit, aber steigender Deut-
lichkeit die Orientierung unsrer Kunst auf eine enge Vereinigung von gewahlter Ar-
beit und machtiger Lebensfiille anzeigen. Man konnte sagen, so paradox das auch
klingen mag, dafi die Romantiker und Neo-Romantiker die franzosische Klassik dar-
stellen.
Eine der natiirlichen Folgen dieser Selbstbesinnung war die Befreiung von fremd-
landischen Einfltissen, und zugleich haben die modernen Schulen in den Nachbarlandern
die Existenz und die Originalitat unserer Schule erkannt. Niemals war die franzosische
Musik so weit entfernt von jeglichem italienischen Einflufi, der sie vor weniger als
achtzig Jahren beherrschte, so unabhangig von der deutschen Richtung, deren Ein-
wirkung noch um 1900 spiirbar war. Ebenso stehen wir im Gegensatz zur russi9chen
Musikauffassung, deren Reflexe zwar noch bei Debussy zuweilen zu finden sind, deren
Fremdheit jedoch ein Werk wie Strawinskys Psalmen-Sinfonie, trotz aller Anziehungskraft
und ihres unleugbaren Wertes, deutlich belegt.
Umgekehrt ware es nicht schwer zu beweisen, dafi die Ausstrahlungen der fran-
zosischen Musik jetzt beginnen, sich in den Musikzentren nahezu der ganzen Welt fiihl-
bar zu machen. Aber dieses neue, uberaus komplexe Problem wollen wir hier nicht
mehr anschneiden.
Viele Fragen, viele Namen, viele Werke sind ungenannt geblieben.
Was wir wollten, das war vor allem : durch einige moglichst einfache und klare
Darlegungen Sinn und Ziel der musikalischen Entwicklung in Frankreich aufzudecken.
Ohne Frage bedingt auch die individuelle Begabung in hohem Grade die Bedeutung
und die Lebensfahigkeit einer Kunstgattung, die, wie die sinfonische in der Hierarchie
der Musik die oberste Stufe einnimmt. Vielleicht konnte man zweifeln, ob sich in der
jungsten Generation, die jetzt heraufkommt, Talente finden, denen es gegeben ist, die
franzosische Musik auf jener Hohe zu halten, die sie heute erreicht hat. Immerhin,
eine Tradition, welche die Bedingtheiten der Zeit zu uberwinden vermag, existiert.
Und dafi sie geschaffen wurde, darf als der fundamentale Gewinn dieser Epoche ange-
sehen werden. ._, , TT1 TT „ .
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman.j
373
^w^m^m^^m^mim^i^ ^^^mmmmmg^^^^m
^^^B
Das bayrische Lebensgefuhl
Musikleben
Die Kunststadt Munchen
Ludwig Lade
Dem Artikel Lades, der sich rait der Munchener Kunstpflege von
der spezifisch bayrischen Atmosphare aus in sehr interesaanter
Weise auseinandersetzt, wird — gewissermafien ' als Belegsttick zu
diesem Aufsatz — im nachsten Heft ein Aufsatz von Willi Schmid
fiber die Munchener Musik im besonderen folgen.
Munchen — wie schon und wie merkwiirdig ist diese Stadt. Wer einmal ein paar
Wochen dort war, kennt sie nichr. Man mufi Munchener sein, um sie ganz zu verstehen,
und es spricht immerhin fiir ihr Eigenwesen, daS noch jeder, der sich einmal in ihr
ansassig gemacht hat, nach zwei Jahren unweigerlich zum Munchener geworden ist.
Was hat man ihr in den letzten Jahren nicht alles nachgesagt? Die dummste
Stadt und die kliigste Stadt — das alles und noch mehr: ein Quell des MiBvergniigens
fiir andere, die Stadt der ersten Rater epublik/Hort der Reaktion und — wie sich jetzt
herausstellt — Sitz der politischen Miifiigung, die Stadt, Bayern ein Land, in dem eine
Partei rund zehn Jahre regieren kann, ohne eine einzige Stimme zu riskieren. Immer-
hin, eine sehr bemerkenswerte Tatsache. Man kann sie, so wenig das Politische an dieser
Stelle interessieren darf, nicht ganz aus der Betrachtung ausschalten. Soviel geht daraus
jedenfalls hervor: man hat draufien (und was nicht Munchen ist, bedeutet fiir den
Munchener soviel wie draufien) viel zu sehr auf die Form und auf die aufiere Haltung
gesehen. Der Munchener, so formlos er im eigenen Hause ist — aufierhalb seiner vier
Wande kommt er ohne ein gewisses Sich-Gehaben nicht aus; er ist immer versucht,
sich ein wenig zu wichtig zu nehmen. Das macht : sein Selbstbewufitsein hat einen Stofi
bekommen. Von der vielgeruhmten Sicherheit seines Lebensgefiihls ist ihm, nachdem
es einmal mit den jesuitisch-hofischen, siiddeutsch-barocken, wittelsbachisch-kunstliberalen
Glanzzeiten seines Munchener Daseins vorbei war, nicht viel xibrig geblieben. Seit Jahren
und Jahrzehnten, ja eigentlich seit Jahrhunderten, hat er es sich angewohnt, eine Sicher-
heit und eine geistige Haltung zu reprasentieren, die er gar nicht hat. Von daher die
abweisende Art, mit der er auf alles reagiert, was ihm von aufien her zukommt, die
betonte Heftigkeit seiner Reaktionen und sein Konservativismus. Mit diesem Konser-
vativismus ist es eine eigene Sache. Der Munchener ist gar nicht so konservativ oder
jedenfalls nicht so verstockt konservativ, wie er mitunter zu sein vorgibt — im Gegenteil,
er hat, recht betrachtet, zu alien Zeiten gegeniiber alien Dingen und namentlich Dingen
der Kunst gegeniiber eine lebendige Aufgeschlossenheit bewahrt. Er ist im Grund seines
Herzens demokratisch, er ist fortschrittlich auf eine gemafiigte Art, es kommt ihm gar
nicht so sehr auf das Bewahren an als auf das Bewahrte und Erprobte — nur in den
Methoden, mit denen er an einer Sache festhalt oder mit denen er sich einer Sache
bemachtigt, ist er ein wenig gewaltsam. Mit einem Wort, er ist in seinem Auftreten
absolutistischer als es sich mit seinem Wesen eigentlich vertragt. Jeder sieht hier den
Widerspruch — der Munchener, der Altbayer hat ihn nie gefiihlt. So unglaublich das
374
.Offizielles und wirkliches Munchen
klingt — es ist ihm, als Liberaler, als Demokrat aus Neigung und Bestimmung, zu alien
Zeiten unter der Diktatur gewisser und im Lauf der Jahre wechselnder Uberzeugungen
am wohlsten gewesen, und er hat sie selber gegen andere geiibt, wo er sie hat uben
kftnnen. Von diesem Liberalismus, der ein bayerisch-miinchnerischer und iiberdies sehr
kunstfreundlicher Liberalismus gewesen ist, wird man heute kaum noch etwas spuren.
Er ist in der Abwehrpsychose, in die sich das offizielle musikalische Munchen seit zehn
Jahren hineingelebt hat, untergegangen. Es gibt Ausnahmen: die Stadtverwaltung, die
jahrlich einen Kompositionspreis vergibt, mit der ausdriicklichen Bestimmung, dafi er
nur an junge Musiker vergeben werden darf und die der inzwischen aufgelosten, aber
unter den demokratischen Formen einer Arbeitsgemeinschaft weiterexistierenden
Vereinigung fur zeitgenossische Musik fiir einen Abend ihr Orchester zur Verfiigung
stellt. Es sind, wie gesagt, die Ausnahmen, und sie miissen als solche verzeichnet werden.
Man mufi das einmal in aller Offenheit aussprechen : das offizielle Munchen dei
Staatsoper, der musikalischen Akademie und der Staatlichen Akademie der Tonkunst
hat mit den Jahren eine geistige Atmosphare gezuchtet, die mit dem liberalen und
legitimen Munchnertum der Alteingesessenen, der guten Wahl-Miinchener nichts mehr
zu tun hat. Es ist dabei von dem grofieren Teil der Miinchener Presse unterstiitzt
worden, die jahrelang auf alles Nichtmiinchnerische und Zeitneue zunachst einmal mit
Ablehnung reagiert hat und die heute noch, sobald es sich um miinchnerische Dinge
handelt, Urteile und Uberzeugungen kritisch vertritt, die weitgehend von Selbstiiber-
schatzung und lokaler Befangenheit diktiert sind. Es ist auf diese Art ein Munchnertum
forciert worden, das fremdenverkehrspolitisch vielleicht einen gewissen Wert hat — das
es in Wahrheit niemals gegeben hat und das es audi niemals geben wird. Es hort
sich komisch an : man hat im Umkreis der Akademie und des Tonkiinstlervereins sogar
versucht, so etwas wie eine Bayerische Tonkunst auf die Beine zu stellen. Jedes Jahr,
an fiinf, sechs oder sieben Tagen hat man den braven bayerischen und miinchnerischen
Durchschnitt aufgefiihrt — es ist nie etwas Gescheites dabei herausgekommen und den
Aufgefiihrten hat die Auffiihrung nie etwas genutzt, so wenig wie das unter dem
Protektorat des Tonkiinstlervereins und der Stadt stehende Verlagsunternehmen jemals
irgendeinen der zum Druck beforderten Autoren wirklich gefordert hat — ganz einfach,
weil hier wie dort der Einsatz an gutem Willen immer nur eben diesem Durchschnitt
zugute gekommen ist und weil man es angstlich vermieden hat, mit der Zeit und allem,
was lebendig ist, die notwendige Verbindung zu suchen.
Bleiben wir bei der durch Abschliefiung herangezogenen munchnerischen At-
mosphare. Durch Amteranhaufung hat man einer einzelnen Personlichkeit eine Macht-
stellung eingeraumt, wie sie sonst nirgends moglich gewesen ware und die in einem
direkten Verhaltnis lediglich zu dem Geltungsbedurfnis eben dieser Personlichkeit steht.
Man wagt es kaum zu zitieren: „Jede Kultur, jeder Staat — und so fiigen wir hinzu:
jede Stadt (denn, was fiir den Staat gilt, mufi schliefilich auch fiir die Stadt gelten),
die diesem Gesetz (weiterer Zusatz : womit die elementarsten Lebensforderungen ge-
meint sind) aus Sonderinteressen fiir eine Klasse, eine Kaste, fiir den Hyperindividua-
lismus einzelner Personlichkeiten sich verschlossen haben, waren von jeher dem Unter-
gang geweiht". Man kann nur sagen: darnach mufi es fiir Munchen schlimm stehen.
Man kennt den Fall des Akademiedirektors von Waltershausen ; das Zitat ist einem
375
.. ii Uig^,-.- i .l. .. ^PW^Iip^jjpiBiBpjIipipiP^pi^ p i - i ! W . ' -.il^MUW WWi^mi
Die Jungen in Miinchen
1
Vortrag entnommen, den er vor ein paar Wochen bei der Jahresversammlung des Reichs-
verbandes Deiitscher Tonkiinstler gehalten hat. Es hat da in Miinchen ein en Prozefi
gegeben, in dem es — da das Personliche an der Angelegenheit weiter nicht interessiert —
im wesentlichen gerade darura gegangen ist. ob der Hyperindividualismus einer, und
zwar seiner eigenen Personlichkeit, zu einem Mifibrauch der Machtbefugnisse und zu
einer Ubersteigerung der Machtanspriiche gefiihrt hat und ob er nicht notwendig dazu
hat fiihren miissen. Der Eindruck dieses Prozesses war fur jeden Unbefangenen ein-
deutig — eindeutig wie der Sachverhalt, der dem Prozefi zugrunde liegt. Erst der
Person des Klagers, eben des Herrn von Waltershausen, ist es gelungen, im Verlauf des
Prozesses, in dem sich politische Freunde das Schauspiel einer seltenen — nicht Ein-
miitigkeit, sondern einer seltenen Gegnerschaft gegeben haben, die Diskussion ins Poli-
tische und Parteimafiige zu treiben. Und eben das ist das Charakteristische daran:
die Standpunkte haben sich so verwirrt, dafi eine sachliche Auseinandersetzung dariiber,
was zulassig ist, in dieser offiziell miinchnerischen rtVtmosphare vielen und jedenfalls
den Betroffenen in der Tat nicht mehr moglich scheint.
Man mufi es zum Ruhme unserer Stadt sagen : es gibt audi noch ein anderes
Miinchen. Es ist da — nur hort man draufien nicht viel davon. Immerhin hat sich mit
der Zeit einiges dariiber herumgesprochen. Man weifi: es gibt da einen Kreis junger
Musiker — oder eigentlich, es ist gar kein Kreis oder jedenfalls kein fest in sich ge-
schlossener Kreis, denn es sind Leute ganz verschiedener Art und yerschiedener Rich-
tung und so arg Jung sind die meisten audi gerade nicht mehr. Auf alle Falle sind sie
jung in dem was sie tun. Um die Namen zu nennen: Marx, Orff, Biichtger, Egk, ein
paar Einzelganger: der wirklich noch sehr junge Karl Holler, der bei Haas studiert,
der etwas eigenbrotlerische Geierhaas, Karl Valentin nnd seit neuestem im Gefolge der
Juryfreien eine sehr aggressive Begabung, ein neuer Mann: Karl Amadeus Hartmann.
Fiir den, der Miinchen nicht kennt, mag es verbliiffend sein — alles, was von dieser
Seite her unternommen wird, hat Resonanz. Die neue Musik hat in Miinchen genau
so gut ihr Publikum wie die alte — es gibt gar nichts Falscheres als die Behauptung,
der Munchener sei konservativ um jeden Preis. Konservativ ist man nur im offiziellen
Miinchen, und auch da ist man heute langst nicht mehr so abweisend wie friiher: man
ist nur uninteressiert. Man mufi den Begriff noch einmal erlautern. Konservativ — das
ist fiir den echten Munchener so gut oder so schlecht wie protestantisch oder preufiisch.
Er ist viel zu siiddeutsch, um konservativ zu sein — er ist nur unsicher und abwartend.
Er hat etwas von der bauerlichen Klugheit, die ihm erst dann erlaubt, an eine Sache
heranzugehen, wenn er sie kennt. Und Neue Musik kennen zu lernen — das hat ihm
das offizielle Miinchen in all den Jahren herzlich schwer gemacht.
Die Methode des Abwartens hat die Haltung der grofien Konzertinstitute, der
grofien Chorvereinigungen und der Staatsoper bestimmt. Sie hat uns gar nichts geniitzt;
hochstens hat sie uns vor ein paar modischen Torheiten behiitet und im iibrigen hat
sie bei den Veranstaltungen der Vereinigung fiir zeitgenossische Musik die Programm-
bildung unangenehm vorbelastet. So wie die Dinge liegen, ist die Vereinigung genotigt,
die Versaumnisse des offiziellen Munchens nachzuholen — es ist ganz klar, dafi das
die Vereinigung zwar nicht in der Aktivitat, aber in der Aktualitat ihrer Auffiihrungs-
politik immer gehindert hat und auch heute noch erheblich hindert. Auf einem ganz
376
Volksmusikpflege im bayrischen Rundfunk
anderen Gebiet haben sich die gleichen Methoden womoglich noch schadigender ausge-
wirkt. Die wirtschaftliche Lage der nichtbeamteten Musiker ist in Miinchen und Bayern
heute bedrangter denn je; sie warten immer noch auf die ihnen seit Jahren versprochene
Verordnung zum Schutz des Privatmusikunterrichts, und ebenso wenig ist bis heute
etwas in Bayern fur die dringend notwendige Reform des Schulmusikunterrichts an den
Volksschulen geschehen. Die von vielen Seiten her tatkraftig untersttitzten Bemiihungen
des Bayerischen Rundfunks urn die heimisch-bodenstandige bayerische Volksmusik
miissen fragmentarisch bleiben, solange ihnen von der Schule her nicht assistiert werden
kann. Die Einrichtung einer Stunde des Chorgesangs, in der beinahe wochentlich die
Chorvereinigungen der beiden Sangerbiinde, der Arbeitersanger und des Deutschen
Sangerbundes, unter ihrer eigenen Verantwortlichkeit zu einem Konzert vor dem Mikro-
phon antreten, verdienen lebhafte Beachtung. Ubrigens bekennt sich der Bayerische
Rundfunk seit neuestem zu dem Beispiel des Frankfurter Senders: im Einverstandnis
mit den Chorvereinigungen wahlt er aus der neueren Chorliteratur Werke aus und gibt
sie als Programmauftrag an die leistungsfahigeren Chore zur Auffuhrung weiter. Die
politische Entwicklung der letzten Zeit hat den Funk in seiner Erstauffuhrungspolitik zu
einer gewissen Zuruckhaltung bestimmt. Die Wahl ist gerade in den letzten Monaten nicht
immer gliicklich gewesen, sie hat sehr oft weniger nach der zeitcharakteristischen und
zeitverbindlichen Produktion als nach gewissen Erfolgswerken und gewissen Zufallser-
scheinungen gegriffen. Immerhin hat der Rundfunk niemals die abwartende und abweisende
Haltung des offiziellen Miinchens mitgemacht; er ist neben der neuen Arbeitsgemein-
schaft, deren Aufgabenkreis gezwungenermafien vorwiegend kammermusikalischer Natur
ist, die einzige Stelle in Miinchen, an der man neue Orchestermusik zu horen bekommt,
und man hat gerade unter den am Funk deutlicher als anderswo spiirbaren und die
aktive Kulturpolitik schwer hemmenden kunstreaktionaren Zeitumstanden in der Tat
alle Ursache, ihm dafiir dankbar zu sein.
Was wird aus dem Nachwuchs?
Heinrich Strobel
Es ist heute ublich geworden, dem Kunstpessimismus von gestern einen neuen
Optimismus entgegenzusetzen, der vorwiegend auf der Tatsache beruht, dafi die erst-
klassigen Opernauffuhrungen und die erstklassigen Konzerte trotz aller wirtschaftlichen
Krisenerscheinungen glanzend besucht sind. Alles ist sich mit einem Mai wieder fiber
die Vortrefflichkeit solcher Institutionen wie Konzert und Oper einig. Der Musikgenufi
wird jetzt wieder als die einzig wurdige Musizierform angepriesen, und nirgends ist
mehr etwas von Gemeinschaftsideen, von der Aktivierung des Laien zu horen. Man
will mit der ganzen Richtung von „gestern" reinen Tisch machen. Das beweist ein-
deutig die Absetzung Leo Kestenbergs, dessen epochale Verdienste gerade in seiner
Arbeit jenseits der offiziellen Musikvergniigungen liegen. Das beweist der Sturm der
heutigen Regierungspresse gegen die Volksmusikschulen und gegen Kestenbergs be-
deutendste Leistung: den Privatmusikerlafi. Das beweist schliefilich der Umstand, dafi
die Nationalsozialisten ihren grofiten Stolz darin erblicken, ein eigenes Orchester zu
haben und ihren eigenen Brahms spielen zu konnen.
377
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Niemand fordert den Nachwuchs
Fiir die Anerkannten ist die heutige Situation gar nicht so schlimm. Sie haben
ihr Publikum, sie finden eine so ausfiihrliche Beachtung in der Presse, wie seit Jahren
nicht mehr. Aber was wird aus den Jungen, aus dem Nachwuchs? Ich mochte nicht jenem
Mittelmafi das Wort reden, das seit Jahren der Schrecken der grofistadtischen Musik-
pflege war. Auf diese Halb- und Unbegabten kann man leicht verzichten. Aber es gibt
audi Begabungen, es gibt junge Komponisten und junge Interpreten, die, von starkem
kiinstlerischen Wollen erfullt sind. Wo konnen sie sich erproben, wo finden sie eine
Resonanz, ohne die ein materielles Weiterkommen nicht moglich ist? Sie sitzen in den
Meisterklassen, und wenn sie entlassen werden, dann hungern sie sich mit ein paar
armseligen Klavierstunden durdi oder fliiditen als Klavierspieler in eine Amiisierbar.
Die Keime ihrer eigenen Krafte werden abgetotet, ihre schopferische Entwicklung wird
abgewiirgt. Leider haben die grofien Musikerverbande noch nicht das Geringste getan,
urn diesem Grundiibel der gegenwartigen Situation abzuhelfep. Die lokalen Tonkunstler-
biinde treiben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine verhangnisvolie Inzucht. Die
Internationale Gesellschaft versagt. Sie tut nichts fur die jungen Begabungen wie
Lopatnikoff, Genzmer, Pepping, Trantow, Egk, Vogel, die heute so gut wie keine
Mogiichkeit einer Auffuhrung mehr finden.
Friiher half wenigstens noch der Rundfunk. Aber das fallt nun audi weg, seit die
Berliner Funkstunde ihre kulturellen Aufgaben in der Sendung von patriotischeu Ani-
mierstucken und von Unterhaltungskonzerten aus Grofimutterchens Zeit erfullt sieht.
Gewifi: man horte in diesen Tagen einen Abend mit Werken von Igor Strawinsky.
Aber dieser Abend war noch von Flesch abgeschlossen. Man konnte ihn schwer riick-
gangig machen. Aufierdem hatte es nach der blamablen Affare des Ketzers Kohn wohl
niemand riskiert, das Konzert eines der grofiten lebenden Musiker abzusagen. Strawinsky
dirigierte sein Violinkonzert. Man bewunderte wieder die einzigartige Kunst, mit der
aus Stilanregungen der Bachzeit ein Werk von erregendster Gegenwartigkeit gestaltet
wurde (das aufierdem noch ein echtes Konzertstiick ist), man bewunderte wieder die
geistige Uberlegenheit, mit der die verschiedenartigsten Klanggebilde in eine Form von
klassischem Mafi und klassischer Klarheit gefafit wurden. Dieses Wiederfindeh des Mafies
ist mindesterjs eine so epochale Tat Strawinskys wie seine inhaltliche Erneuerung der
Musik. Audi diesmal spielte Samuel Dushkin den Solopart mit stupender Virtuositat
und einer durch Strawinsky selbst geschulten rhythmischen Festigkeit. Strawinsky und
Dushkin boten als Urauffuhrung ein neuesDuo concertant — eine funfsatzige Suite,
die ahnlich wie das Konzert den Geiger stark in den Vordergrund stellt, im ganzen
aber schwerer und gedrungener ist. Die Toccata mit der motorischen Klavierbewegung,
eine rhythmisch vertrakte Eclogue und die melodisch wunderbar geschwungene Dithy-
rambe pragen sich besonders ein. Die Grundlage des Violinstils bildet audi fiir das Duo
die Geschichte vom Soldaten. Aber mit der Grofiziigigkeit der melodischen Fiihrung
wurden zugleich wieder elementare Untergrunde erschlossen, die in der Zeit des Apollon
und des Gapriccio verschiittet schienen.
Man mufi es Wilhelm Furtwangler hoch anrechnen, dafi er audi in der Zeit
der Reaktion und des Autarkiewahns noch moderne und auslandische Musik in seinen
Philharmonischen Konzerten aufiuhrt. Serge Prokofieff spielte mit hochsterpianistischer
378
A
Schrekers neue Zauberoper
Kunst sein neues Klavierkonzert. Es ist das fiinfte in der Reihe und unterscheidet sicli
von seinen Vorgangern durch die kammermusikalisch durchsichtige, klassizistisch e Faktur,
durch die Originalitat des form alen Entwurfs und durch den Verzicht auf jede prunkende
Pianistik alien Stils. Dabei geht weder etwas vom farbigen Reiz, noch von der spezifisch
prokofieffschen Brillanz und Skurrilitat verloren. Bei allem geistvollen Spiel der Klange
und Motive verliert sich der Autor niclit in eine Gedankenspielerei, die dem pianistischen
Selbstzweck de9 Stiicks zuwiderlaufen wiirde.
In der Stadtischen Oper war Schrekers „Schmied von Gent" zu sehen.
Scbreker will mit dieser „grofien Zauberoper" von der verstiegenen erotischen Atmo-
sphare loskommen. Er will zur Einfacbheit, zum naiven Theater, zur Diatonik und zur
einganglichen Melodik zuriick. Das ist, von Schreker aus gesehen, sehr erfreulich. Der
„Schmied von Gent" verdient somit alle Sympathien. Aber vor dieser Aufgabe, die un-
mittelbare theatralische Anschauung und wirklich volkstumliche Erfmdung verlangt.
gerade vor diesera Marchenstoff de Costers erkennt man die Begrenztheit von Schrekers
kunstlerischen Fahigkeiten. Wo er naiv sein mochte, wirkt er kindisch, und wo er die
Marchensymbolik in szenische Wirklichkeit umdeutet, da fallt er entweder in seine alten
Klangspaltereien oder in ein noch alteres Zauberbrimboirum zuriick. Der letzte Akt,
der im Himmel spielt, streift die Grenzen des Moglichen. Die Partitur ist nicht ohne
Humor enlworfen. Aber die heiteren Stellen, die paar hiibsch geformten Liedchen genugen
nicht fur ein abendfiillendes Werk, das sich trotz aller scheinbaren Problemlosigkeit als
Produkt eines hochst ambitiosen Tntellektualismus dokumentiert.
Schreker mag sich bei der Stadtischen Oper bedanken. Sie hat sehr viel Liebe
und Miihe an eine undankbare Sache gewandt. Neher hatte allerhand zu tun, um den
„Schmied von Gent" iiberhaupt erst theatermoglich zu machen. Dafi er manchmal
scheiierte, ist gewifi nicht seine Schuld. Der Regisseur Zindler hielt sich nicht ohne
Geschick an Ebertsche Vorbilder. Breisach bot eine vorzugliche musikalische Einstudierung.
Am Schlufi mufite Schreker erleben, dafi man den Hauptdarsteller Rode rief, wahrend
er selbstsich dem Publikum zeigte. Der „Schmied von Gent" hat der modernen Oper nicht
geniitzt. Man kann aus menschlichen Griinden verstehen, dafi Ebert diese Urauffuhrung
wagte. Kunstlerisch war sie nicht gerechtfertigt. Mit einer Wiederholung des „Cardillac"
oder des „Oedipus", mit der Auffiihrung von Lopatnikoffs „Danton" oder Goldschmidts
„Gewaltigem Hahnrei" hatte er der Sache, der er zu dienen glaubte, mehr gedient.
Melosberichte
Neue Die Berliner Orgeltagung,
Hausorgeln auf die an anderer Sielle
des „Melos" bereits verwie-
sen worden ist, gewann uber-lokale Bedeu-
tung insbesondere durch die Vorfuhrung von
zwei neuen Orgeltypen, die der Orgelbewe-
gung gesteigerten Antrieb geben konnten. Es
handelt sich um zwei Kleinorgeln, die von
Hans Henny Jahnn entworfen und von
Walcker ausgefiihrt sind. Das bescliranktere
der Instrumente ist einmanualig; in einem
sehr ankarti gen Kasten stehen liinf durch-
gehende, aber halftig einzustellende Register.
Das grofiere Instrument hat zwei Manuale
379
Kammerorgel statt Harmonium
und Pedal; in einem Gehause von 2 Meter
Tiefe und je einem Meter Breite sowie
Hohe sind 6 vollstandige Register unter-
gebracht. Das kleinere Instrument, das man
als Portativ bezeichnen mag, hat eine acht-
fiifiige „Regal"-Stimme, ein vierfiifiiges
„Gedackt", ein zweifiifiiges „Prinzipal" und
Oberstimmen. Das andere Instrument, als
„Kammerorgel" iiberzeugend benannt, wird
in mehrfacher Kombination gebaut; das vor-
gefiihrte Exemplar hatte ein Rohrwerk 8'
im Pedal, „Gedackt" 8' und „Fl6te" 4' im
Untermanual, „Prinzipal" 4' und zwei Ober-
stimmen im Obermanual sowie Manual-
koppel. Der Klarig b eider Typen ist in
alien Registern rein orgelmafiig und, vollig
klar; er vermag hohen Farbenreiz und
eindringlichen Gesamtwert zu erzielen. Die
Verwendung des kleineren Instruments
mag im Zimmer und uberall dort er-
folgen, wo man zunachat geneigt ware,
statt einer „richtigen" Orgel ein pedalloses
Harmonium zu verwenden; naturgemafi
ist das neue Instrument dem Harmonium
klanglich und kiinstlerisch weit iiberlegen.
Die Kammerorgel ist eine audi mittlere
Raume durchaus fiillende „ganze" Orgel;
ihr ist nicht nur, von wenigen Aus-
nahmen abgesehen, die gesamte altere
Orgelliteratur zuganglich, sondern auch das
weite Gebiet der kircblichen und alteren
weltlichen Generalbafipraxis. Dariiber hin-
aus erweist sich insbesondere die Kammer-
orgel als Klangkorper, wie ihn sich die
Produktion der Gegenwart langst wiinschen
mufite: hier endlich besitzen wir ein trag-
fahiges, vollig durchsichtiges, vollig gleich-
mafiiges und zugleich personlich zu be-
handelndes, nicht mechanisches Tasten-
instrument. Man darf dem mit virtuoser
Meisterschaft ausgestalteten kleinen Werk
weiteste Verbreitung und eine eigens ihm
zugedachte moderne Literatur wiinschen.
Hans David
Scherchen Eine glucldich eVerkettung be-
in Wien sondererUmstande hat es ge-
fiigt, dafi Hermann Scherchen
endlich den Weg nach Wien gefunden hat
und sich mit einer hier bisher unbekannten
Konzentration und Energie der Idee der
„Studienkonzerte" widmet. Es ist hier nicht
der Ort, auf die schon so oft gewurdigten
musikalischen und organisatorischen Fahig-
keiten Scherchens hinzuweisen, es soil nur
ein fur Wiener Begriffe unfafibares Wunder
konstatiert werden: zwei Tage nach
Scherchens Ankunft stellte sich ihm eine
Anzahl Berufsmusiker und Dilettanten zur
Verfiigung. Aus diesem bunt zuftammenge-
wiirfelten Instrumentalkorper formte er ein
prazis funktionierendes Orchester. Die bei
Proben fast immer entscheidende Raum-
und Zeitfrage wird reibiingslos gelost. Nach
viertagiger intensiver Probenarbeit kann
Ernst Kreneks in Wien bisher noch nie
erklungene 1. Symphonie vor geladenen
Gasten mit starkstem Erfolg zur Auffiihrung
gebracht werden. Vierzehn Tage spater
enthxillt eine DoppelaufFiihrung des „Ada-
gios" aus Gustav Mahlers nachgelassener
10. Symphonie bisher ungeahnte Feinheiten
dieses atherischen Werkes. Das Orchester
ist bereits vollig homogen geworden und
musiziert mit einer anderwarts selten wahr-
genommenen Transparenz und Sicherheit.
Das dritte Studienkonzert zeigt die Blaser-
und Streichergruppe des inzwischen auch
als Verwaltungseinheit konstituierten neuen
Orchesters gesondert an der Arbeit. Erstere
bringt neben wundervollen Bl-asersatzen
von Mozart zweimal Strawinskys Oktett,
letztere Schonbergs „Verkldrte Nacht ci zur
Auffiihrung. Der demonstrative Beifall, der
Scherchen dankte, gait nicht nur dem ge-
nialen Dirigenten, der in der kurzen Probe-
zeit ein Wunderwerk praziser Ubertragung
der in seiner Vorstellung fixierten Werk-
idee auf seine begeisterte Spielerschar voll-
bracht hatte, sondern auch dem gliihenden
Menschen, der durch seinen selbstlosen
Enthusiasmus auch die materiellen Voraus-
setzungen fur das restlose Gelingen der
Aktion geschaffen hatte.
Der Oktober brachte auch die Wiener
Tagung der „Internationalen Bruckner- Ge-
sellschaft" und damit die mit Spannung
erwartete offentliche Erstauffiihrung der
„Urneunten". Die Auffiihrung bewies deut-
lich, dafi die Originalgestalt, wie es gar
nicht anders zu erwarten war, der bisher
gespielten Fassung von Ferdinand Lowe
an Ausdrucksdeutlichkeit weit iiberlegen ist.
380
Melosnotizen
Mit der Feststellung dieses Sachverhaltes
hat die feiernde Gesellschaft ihren Griin-
dungszweck vollkommen erfiillt und die
Auffuhrungspraxis nachdriicklich ange-
wiesen, sich kiinftighin immer an die von
Bruckner hinterlassenen Originalgestalten
und nicht an die Bearbeitungen selbst noch
so akkreditierter „Ausleger" zu halten. Ein
Fehler aber war die Auffuhrung zweier
unbekannter Satze der „Romantischen" und
des „Streichquintetts", die der Meister selb9t
verworfen hatte, und die man jetzt der
Kuriositat halber ans Licht zog.
Willi Reich
Notizen
Neue Werke
Alexander Zemlinsky hat soeben eine neue abend-
fullende Oper beendet, der der „Kreidekreis" in der
Bearbeitung von Klabund als Text zugrunde liegt.
Das Werk wurde von der Berliner Staatsoper zur
Urauffuhrung erworben. Die Urauffuhrung findet im
April statt. Am gleichen Tage mit Berlin bringen
die Opernhauser in Frankfurt a. M. und Koln das
neue Werk.
Das Diisseldorfer Opernhaus hat Iberts „Roi
d'lvetot" zur Urauffuhrung erworben. — Eine er-
freuliche Tatsache in der Zeit der eigenstaatlichen
Abschniirung.
Krickas „Spuk im Sclilofi" gelangt im November
im Augsburger Stadttheater zur suddeutschen Erst-
aufhihrung.
Serge Prokofieff hat nach seiner Oper „Der Spieler"
eine Orchester-Suite „Vier Charaktere und eine Auf-
losung" geschrieben, die Bruno Walter zur Urauffuhrung
bringen wird.
Eugen Jodium brachte in der Philharmonie in
Berlin Conrad Becks neuestes Orchesterwerk „Inno-
minata" zur erfolgreichen Erstaufffihrung. Das Werk
ist u. a. von Sclierclien, Ansermet, Koussivitzky und
Mengelberg zur Auffuhrung angenommen.
Das von Joseph Haas soeben vollendete Weih-
nachtsliederspiel „Christnaeht" fur gemischten Chor
und kleines Orchester hat bereits fiber 80 Annahmen
zur Auffuhrung in kleinen und grofien Stadten
gefunden.
Kurt von Wolfurts abendfullendes „ Weihnachts-
oratorium" gelangt am 11. Dezember in Munchen,
Aachen, Magdeburg zur Urauffuhrung. Die Berliner
Doppelauffuhrung mit dem Magdeburger Madrigal-
chor und dem Berliner Rundfunkorchester findet am
17. und 18. Dezember im Saal der Hochschule fur
Musik statt.
Karl Amaaeus Hartmanns „Kleines Konzert" fur
Streichquartett und Schlagzeug brachte das Lenzevsky-
Quartett (Frankfurt) mit Richard Ludes (Munchen)
als Solisten zur Auffuhrung. Hartmanns „Burleske
Musik", die demnfichst im Verlag Benno Balan er-
scheint, hat der Bayerische Rundfunk zur Auffuhrung
angenommen. Sein neues Kammermusikwerk „Con-
certino" wird im November bei den Juryfreien in
Munchen uraufgefuhrt.
Die Urauffuhrung des 2. Klavierkonzertes von
Bela Bartok erfolgt im Frankfurter Rundfunk unter
Leitung von Hans Rosbaud.
Das neue Klavierkonzert von Ottmar Gerster
(Essen) kam im Frankfurter Sender zur Urauffuhrung.
Eine weitere Auffuhrung findet in der Gesellschaft
fur neue Musik in Essen statt.
Eine Auffuhrung von Hermann Reutters Kantate
„Der gluckliche Bauer" in Dresden unter Paul Aron
fand derartigen Beifall, dafi sie sofort wiederholt
werden mufite.
Hugo Herrmanns „Choretiiden" werden unter
Margarete Dessoffs Leitung in New York zur Auffuhrung
kommen. Die Berliner Funkstunde bringt Herrmanns
,,Konzertmusik II (Tanzliturgie)" unter Jochums
Leitung zur Urauffuhrung. Vom Oratorium „Jesus
und seine Jiinger" sind weitere Auffiihrungen in
Niirnberg, Mannheim und Speyer vorgesehen. Der
Komponist vollendete ein neues Werk „Chorfeier-
stunde" nach Texten aus der „Deutschen Lehre" von
Budolf Pannwitz.
Auffuhrungen
Unter dem Titel „Neue Musik Oldenburg 1933"
veranstaltet die Vereinigung fur junge Kunst in
Oldenburg im Februar 1933 einen Kammermusik-
abend unter Leitung von Philipp Wust mit Werken
von Ernst Toch, Ph. Jarnach und Cyril Scott und
eine Auffuhrung von Hindemiths „Wir bauen eine
Stadt" unter Leitung von Dr. Fritz Uhlenbruch.
Die Berliner Ortsgruppe der I. G. N. M. plant
Konzerte mit neuer Musik (Schonberg, Hindemith,
Weill, Krenek), einen Abend mit a cappella-Musik
(Bartok, Krenek, Orff, Petyrek, Reutter) und einen
Tanzabend („Der griine Tisch" von Jooss).
Im Rahmen der Vortragsabende des „Musik-
Kreises" der „Gruppe der Jungen" in Wien brachte
Hans Holevy neue Gemeinschaftsmusik von Rein,
Strawinsky, Haas und Hindemith zur Auffuhrung.
Anschliefiend fand Fragenbeantwortung und allgemeine
Stellungnahme statt.
381
PPEW
a wfl"5sasp^>B
M^W^- 1 * 1
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Melosnotizen
Die Stadtische Musikdirektion Baden-Baden ver-
anstaltet auch in diesem Jahre wieder eine Reihe
von Einfiihrungskonzerten, in denen junge schaffende
und ausiibende Kiinstler Gelegenheit haben, mit
Orchester vor Publikum und Presse zu konzertieren.
Am 4. November spielte Frau Rita Kurzmann in
der „Jugendstunde" des Wiener Senders ein grofieres
Programm mit Werken zeitgenossischer Klaviermusik
von Toch, Bartok und Achron.
Else C. Kraus spielte auf der Deutschen Welle :
Klavieriibung, I. Teil von Erich Katz, und Kleine
Tanzkomposition fur Klavier von Hermann Heifi.
Am Wiirttbg. Landestheater in Stuttgart kam nach
Dresden, Hamburg, Diisseldorf, die Operette „Das
Lied der Liebe" von Straufi-Korngold, die bereits in
Berlin iiber 100 Auffuhrungen erlebt hatte, mit einem
grbKen Publikumserfolg zur Erstauffiihrung.
Verschiedenes
Dr. Hans Schiller, der Leiter des Opernhauses in
Konigsberg, wurde zum Intendanten der Leipziger
Oper berufen. Schuler hat einen erstaunlich schnellen
Aufstieg erlebt. Er begann in der Charlottenburger
Volksoper unter Hartmann, lenkte als Opernregisseur
in Erfurt zuerst das Interesse weiter Kreise auf
seine Arbeit und erzielte dann als Mitarbeiter
Klemperers in Wiesbaden grofie Erfolge — nicht zu-
letzt mit der modernen Oper, die er auch als Intendant
in Konigsberg nach Moglichkeit pflegte. Schuler ist
ein Mann von starkemTheatersinn und ein vortrefflicher
Organisator. Er wird in Leipzig ein breites Arbeits-
feld finden. Hoffentlich wird er sich auch unter den
heutigen Verhaltnissen als Mann der jungen Generation
bekennen und behaupten.
Das Komitee zur Errichtung einer Emil Hertzka-
Stiftung hat beschlossen, zunachst einen jahrlich zu
verteilenden Emil Hertzka-Preis fur ein ernstes Mu-
sikwerk gleichviel welcher Art zu stiften. Dieser Preis
soil am ersten Todestag Emil Hertzkas, dem 9. Mai
1933, zum ersten Male verteilt werden. Seine Hohe
wurde fiir diese Verteilung mit 2000 osterr. Schillingen
festgesetzt. Das Preisgericht besteht aus den Herren
Alban Berg, Clemens Kraufi, Ernst Krenek, Franz
Schmidt, Erwin Stein, Dr. Anton Webern und
Dr. h. c. Egon Wellesz.
In einer kurzlich abgehaltenen Versammlung von
Vertretern der an der Forderung der Musikpflege
interessierten Verbande wurde folgende Entschliefiung
gefafit: „Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Berufs-
verbfinde zur Forderung der Musikpflege (ADB) bringt
den Bestrebungen der deutschen Komponisten und
Textdichter sowie des gesamten deutschen Musikalien-
handels, auch fiir Deutschland die in fast alien Kultur-
landern der Welt bereits seit langem bestehende
50jahrige Sdiutzfrist einzufuhren, lebhafte Sympathie
entgegen und bittet die mafigeblichen Behorden, auch
382
ihrerseits den diesbeziiglichen Wiinschen der erwahnten
Berufsgruppen bei der endgiiltigen Fassung des neuen
Urheberrechtsgesetzes Rechnung zu tragen."
Die Tanzschule Mary Wigman veranstaltet vom
1. Juli bis 31. August 1933 Sommerkurse in Dresden,
Es werden neben den eigentlichen Kursstunden tag-
liche Trainings(Technik)-Stunden, Solostufaden, Klassen
fiir Tanzregie, fiir Tanzpadagogik, fur tanzeriache
Improvisation und Komposition, fur Schlagzeugbeglei-
tung und fiir Tanzmusik eingerichtet. Der musikalische
Leiter des Instituts, Hanns Hasting, gibt Musikern
Gelegenheit, sich mit den Besonderheiten der mo-
dernen Tanzbegleitung und Tanzkomposition aus-
einanderzusetzen. Nahere Auskunft durch die Tanz-
schule Mary Wigman, Dresden-N 6, Bautzner Str. 107.
Die Guntherschule Munchen veranstaltete im Juli
und August Sommerkurse in Munchen und Berlin in
der deutschen Hochschule fiir Leibesiibungen, die von
ca. 110 Teilnehmern belegt waren. Vom 3.-27. No-
vember veranstaltet Carl Orff einen Kurs fur Volks-
schullehrer im Zentralinstitut fur Unterricht und
Erziehung, Berlin. Die Tanzgruppe der Guntherschule,
Munchen, unter Leitung von Maja Lex errang im
Juli auf dem Concours International de Choregraphie
in Paris den dritten Preis und die Bronzemedaille.
Sie hat vom 30. September bis 14. Oktober im
Theatre I'Empire in Paris gastiert und gab im Salle
Jena am 14. Oktober einen eigenen Abend. Ab
November folgen Gastspiele in Deutschland, im
Friihjahr 1933 in Italien.
Ausland
Amerika :
Jeno v. Takacs wurde von der Universitat der
Philippinen an das Konservatorium nach Manila be-
rufen. Er halt u. a. Spezialkurse iiber moderne Musik.
Takacs hat die Komposition einer „Tafelmusik" fiir
Flote und Violine beendet. Seine Suite Concertante
fur Orchester kommt in Wien, Budapest und Prag
zur Auffuhrung.
Frankreich :
Im Laufe dieses Winters gelangt an der Grofien
Oper in Paris durch den Diaghilew-Schiiler Serge
Lifar das soeben vollendete Ballett „Der Flug des
Ikarus 1 ' des Komponisten Igor Markevitch zur Urauf-
fiihrung. Das bisher nur im Konzertsaal gespielte Ballett
„Rebus" von Markevitch wird nodi in dieser Spiel-
zeit in der Oper zu Monte Carlo szenisch uraufgefiihrt
werden^
Die Geigerin Hortense de Sampigny wird Hindemiths
Violinkonzert demnachst in Paris zur Erstauffiihrung
bringen.
Auf Veranlassung von Felix Delgrange wird zur
Zeit in Paris ein Ausschufi gebildet, der die Ver-
anstaltung eines grofi aufgezogenen Mahlerfestes fiir
das nachste Friihjahr beabsichtigt. Die Konzertleitung
soil Bruno Walter iibernehmen.
Melosnotizen
Holland:
Daniel Ruyneman hat fiinf Rhythmische Satze fur
solistisch besetztes Orchester geschrieben und ist
momentan mit einer Symphonie fur zwei Koloratur-
soprane, einen lyrischen Sopran, zwei Tenore, zwei
Basse, Geige, Klarinette, Tenoreaxophon, Klavier und
Cup-bells beschaftigt. Ruynemans Streichquartett und
„Der Ruf 1 fiir gemischten Chor werden in diesem
Winter in Paris zur Auffuhrung gebracht.
Italien :
Ende April 1933 findet in Florenz ein Inter-
nationaler Musikkongrejl statt, auf dem sechs Probleme
zur Erorterung gelangen : I. Theoretische — Die
Musikkritik (Methoden, Funktion, Zweck); Werk und
Wiedergabe (Rechte und Pflichten des Interpreten).
II. Aktuelle — Die Tendenzen des neuen Musik-
Theaters ; Reproduzierte oder mechanische Musik
(Beziehungen zwischen Musik und Rundfunk,
Graramophon und Film.) III. Praktische — Die
Situation der Musik und MuBiker im Geist von heu(e ;
Verbreitung und internationaler Austausch der musi-
kalischen Bildung. Generalsekretar dieses „Maggio
musicale florentino", der noch eine Reihe weiterer
Veranstaltungen umfafit, ist Guido M., Gatti-
Carl Ebert wurde von der Stadt Florenz einge-
laden, fiir den im Mai 1933 in Florenz stattfinden-
den ersten Internationalen Musik-Kongrefi die Oper
„Die Vestalin" von Spontini und „Nabucco" von
Verdi zu inszenieren.
Malipiero arbeitet an einer Oper, zu der Luigi
Pirandello das Buch geschrieben hat.
Schweiz
Der bekannte Schweizer Musikverlag Hug & Co,
in Zurich konnte im November die Feier seines
125jahrigen Bestehens begehen.
Ernest Ansermet setzt auch in diesem Jahre seine
vorkampferische Arbeit fiir Neue Musik in seinen
Konzerten mit dem Orchestre de la Suisse romande
in Genf und Lausanne fort. Er spielt u. a. Janacek,
Sinfonietta, Ibert, Flotenkonzert, Hindemith, Konzert-
musik fur Blaser und Streicher, Berg, Drei Stucke
aus der lyrischen Suite, Conrad Beck, Innominata,
Ernst Bloch, Israel, Prokofieff, Quatre Portraits,
Strawinsky, Sacre du Printemps.
Paul Hindemiths Oratorium „Das Unaufliorliche",
das in Zurich bereits bei dem diesjahrigen Musikfest
zur Auffuhrung gelangte, konnte dortselbst infolge
des grofien Erfolges in den Konzerten der Tonhalle-
Gesellschaft noch zweimal wiederholt werden ; Dirigent
war wiederum Volhnar Andreae.
Wolfgang Fortners „Orgelkonzert" hatte bei der
Auffuhrung durch das Kammerorchester Zurich unter
Alexander ScJiaicliet einen viel beachteten Erfolg.
Alexander Sdiaichet spielt mit seinem Ziiricher
Kammerorchester in dieser Saison folgende neue
Werke: Rudolf Moser, Tripelkonzert, Fortner, Orgel-
konzert, Kurt von Wolfurt, Concerto grosso,
Moesdiinger, Concerto, Burkhard, Rilkezyklus II,
Sturzenegger, Cellokonzert, Robert Blum, Vier
Psalmen, Honegger, Le dit des Jeux de monde.
In einem der Schweizer Chormusik der Gegen-
wart gewidmeten Konzert brachte der Sangerverein
Harmonie in Zurich, Leitung H. Lavater, Becks
Lyrische Kantate, Honeggers Cantique de Paques
und ein Te Deum von Otto Kreis zur Erstauffiihrung.
Othmar Sclioeck hat ein Praludium in C fiir Or-
chester geschrieben, das anlafilich der Jubilaumsfeier
der Ziiricher Universitat (April 1933) zur Urauf-
fiihrung gelangt.
Werner Wehrli (Aarau) hat soeben eine Schuloper
„Auf zum Mond" veroffentlicht, die demnachst vom
Lehrerinnenseminar Aarau uraufgefuhrt wird.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
Alle Sendungen fiir die Schnftleitungu.Bi!sprediungaatackeniichBerlin-Charlottenburg2,BerlinerStraBe 46 (Fern ruf Fraunhofer 1371) erbolen.
Die Schriftleitung bittet vor Zuaendung yon Manuakripten um Anfrage: mit Riickporto. Alle Rechte fiir aamtliche Beitrage vorbehalten,
Verantwortlich fiir den Teil „Muaikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag : Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag: MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten 5 ; Fernsprecher: 41441 Telegramme : MELOSVERLAG ; Postaoheck nur Berlin 19425 /
Auslieferung in Leipzig: KarlatraCe 10
Die Zeitachrift eracheint am 15. jeden Monats. - Zu beziehen durch alle Buch- und Muaikalienhandlungen oder direkt vom Verlag.
DaaEinzelheftkoatetl.25Mk., daBAbonnement jahrl.10.-Mk., halbj.5.50Mk, viertelj.3.- Mk. (zuzugl.l5Pf. Porto p.H., Aualand 20 Pf. p. H.;
Anzeigenprei8e : '/i Seite 90.- Mk. '/« Seite 54.- Mk. •/< Seite 31.50 Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. AuftrSge an den Verlag
DieBem Heft liegen bei :
»Der Weihergarten «, Verlagsblatt des Hauses B. Schott's Sonne, Mainz (II. Jahrg. Nr.
ein Weihnachtsangebot des Melosverlages.
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Wir verweisen auf die „Wissenschaftliche Har-
monielehre des Kiinstlers" von Walther Howard,
von welcher der I. Teil : Ton-, lntervall- und Akkord-
melodie-Lehre ktirzlich im Verlag fur Kultur und
Kunst, Berlin, erschienen ist.
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»Wir bauen eine Stadt«
Spiel fiir Kinder
von
Paul Hindemith
I
Bisher in iiber 200 • Schulen
• Musikschulen
• Kindergarten wiederholt aufgefiihrt!
I
Besetzung: Kinderstimmen mit Begleitung von Instrumenten (von 3 Violinen ab ausfuhrbar). /
Auffiihrungsdauer: ca. 20 Minuten / Klavi erauszug (zugleich Partitur) mit ganzseitigen
Bildern von R. W. Heinisch Ed. Schott Nr. 3242 M. 4.— / Inst ru m enta Istim men je M. 1 —
STlllM
B.
Spiel fur Kinder: da mit ist qemeint, dad dieses Stuck
mehr zur Belehrung und Dbung fur die Kinder selbst
als zur Unterhaltung fur erwachsene Zuschauer ge-
schrieben ist. Den jeweiligen Bedurfnissen des spie-
lenden Kinderkreises entsprechend kann die Form
des Stuckes geandert warden. Die Zahl der mlt-
splelenden Kinder kann beliebig grofi sein, auch ist
aufler der Mindestzahl von drel Spielern kelne be-
st I mmte Besetzung vorgeschrieben.
Schott's Sohne / Mainz
Unter dem gleichen Titel ersdiienen:
Klavierstiicke fiir Kinder
Ed. Schott Nr. 2200 M. 2.-
Diese Stiicke wurden vom Komponisten aus dem Spiel
fur Kinder „Wir bauen eine Stadt" ausgewahlt und fur
Kinder neu gesetzt. Es sind aufieror<ientlich melo-
diose Stiicke fiir kleine Hande und das leichteste,
was Hindemith bisher fiir Klavier geschrieben hat.
Sie stellen somit vorzu^liches Material zur Anwendung
zeitgenOssischer Musik im ersten Klavierunterricht dar.
Biite beziehen Sie sidi bet alien Anfragen auf MELOS
385
?l IU, V |ll(i)llU^JI W | W l,l I WJ.JRi.pv.^
Neues fur Geiger
Braunstein-Loskant, J. 41 Bogeniibungen
fur Violine oder Cello zur Forderung eines lockeren,
schwungvollen Bogenstrichs. Auf dem Uebungssteg
„Braunstelot" mit Uebungsstange auszufiihren.
RM. 1.—
„Diese Melhode lehrt die Kinder auf zwanglose Art
die schwierige [Kunst des rechtwinkligen Bogen-
strichs. — Die 41 Bogeniibungen bieten in ausge-
zeichneter Anordnung ein vorziigliches Uebungs-
material. Auch fiir vorgeriickte, ja sogar fertig aus-
gebildete Spieler . . . kann eine vorubeigehende
Kur mit Braunstelot nur heilbringend sein."
Prof. Hans Bassermann
Essek, Paul. 30 Spezialetuden in den ersten 5
Lagen RM. 3. —
Diese Etiiden Esseks verfolgen nicht nur einen pa-
dagogischen Zweck, d. h. ein best immtes technisches
Ziel, sondern sie sind dariiber hinaus musikali sch
wertvolle Ko mpdsi tionen. Sie eignen sich
daher grofitenteils als Vortragsstiicke fiir Violine
allein.
,, Genial geigerisdi erfunden"
so fafite ein prominenter Violinpadagoge sein
austuhrliches Urteil zusammen.
Gatiari, Alf. Sonatina . . .
Vom Radio Zurich aufgefuhrt.
RM. 2.70
Hegner, Anna. Fiinf leichte Stuckchen
fiir Violine und Klavier RM. 2. —
. . . sind im Umfang der 1. Lage so leicht ausfiihx-
bar, da£ sowohl Geigende als angehende Klavier-
spielende sich ganz dem melodiosen, schlicht natiirlich
empfundenen und humorvollen Reiz der Stuckchen
hingeben kdnnen. Prof. Hugo Heermann
— Son A tine fiir Violine und Klavier . . RM. 1.80
. . .Das Stuck eignet sich vortrefflich zum Vortrag
durch Kinder. Dr. Felix Weingartner
Kaempfert, Max.
Elisabeth , . .
Die Puppen der kleinen
RM. 2.—
RM. 2.50
Windmiihlen-Idyll
Des kleinen Wolfgangs Puppentheaier
RM. 2.50
Sechs kleine Serenaden .... RM. 2.50
Alle vier Hefte fiir Violine (I. Lage) oder Violinen-
chor und Klavier. Sorgsamst befingert u. phrasiert.
„ . . . K. hat mit diesen kindisch-naiven Stiicken
ausgezeichnete Arbeit geleistet. Solche Sachen
brauchen wir; sie werden sicher Erfolg haben.
Ferd. Ktichler
Kaempfert, Max. Drei Marchenspiele
Hansel Und Gretel fiir zwei Violinen oder
Violinenchor, Hexenbesen ad lib. und Sprecher (nach
Gebr. Grimm). Auffuhrungsdauer 45 Min. RM. 4.—
— Ein Wintermarchen, fiir zwei Violinen oder
Violinenchor, Schellen ad lib. u. Sprecher (nach Ernst
KxeidolfsBilderbuch). Spieldauer60Min. . RM. 6. —
— Ein Johannfsnachtsiraum i
fiir Viol. (I. Lage) od. Violinenchor, Klav., einstimm.
Kinderchor ad lib., Streichquintett ad lib., GlOckchen
und Trompete ad lib., Sprecher.
Auffuhrungsdauer 25 Minuten RM. 3. —
Alle drei Marchenspiele wurden an vielen Orten mit
grOfi em Beifall aufgefuhrt, so im Radio Bern, Basel,
Wien, Dresden, Oslmarken-Rundfunk, /.iirich, Lau-
sanne, Bukarest, Laibach, Leipzig. Konzertmafiig in
K5ln (Herm. Abendi oth), Frankfurt a. M., Mannheim,
Konservatorium Zurich usw.
Im ,,Johannisnachtstraum" sollen schon die ganz
Kleinen zumGemeinschaftsmusizierenherangezogen
werden. Nichts erhoht die Musizierfreudigkeit so sehr,
wie dieses Mitmachendurfen.
„Furwahr, eine wertvollere Kritik als die jubelnde
Anerkennung der Kinder, fiir die das Werk gedacht
ist, kann kein Autor sich wiinschen." Signale, Berlin
Kiichler, Lehrbuch der Technlk des linken
Armes em. 5.—
„Ein ausgezeichnetes Werk, nach meiner Ansicht
das beste, was auf diesem Gebiet femals geschrieben
wurde. Mit grdfitem Intere se habe ich es genau
durchgesehen uud kann es alien Geigern und Puda-
gogen aufs warmste empfehlen."
Prof. Bram-Eldering, Koln
— 100 Etiiden fiir die Anfangs- und Mittelstufe.
3 Hefte je RM. 2.—
„Ihre Werke . . . haben meine vollste Bewunderung
und es freut mich, Ihnen sagen zu kdnnen, da& icn
Sie zu den hervorragendsten Padagogen unserer
Zeit zahle. Jhre Arbeiten bedeuten eine wesentliche
Bereicherung der didaktischen Ueigenliteratur . . ."
Prof. Alexander bchmuller. Amsterdam
Rochat, A. Sonate fiir Klav. u. Violine EM. 3.—
„ . . . verrat kaum die Hand einer Frau . . . Das Primo
Tempo und Scherzo sind von einem Schwung, einer
Logik und einem Durcnhalten der Eingebung, die
durchaus m;mnlich wirken. — Die Komponistin be-
gibt sich bestimmt ins atonale Feld . . . Die Themen
haben einen schonen Ausdruck, ein intensiv rhyth-
mische^ Leben lafit die Entwicklung rasch, klar und
logisch fortschreiten. Hervorzuheben sind das sehr
schflne instrumentale Gleichgewicht, ausgezeichnete
Sonoritat und eine klare, einfache Schreibart, w e
sie beidieserArtvonKompositionen sehr sel ten sind."
Musica d'Oggi Nr. 6, 1932
n ^
Auswahlsendungen durch jede Musikalienhandlung sowie vom Verlag
{ M Gebruder HUG & CO., Zurich und Leipzig
1
386
Bitie beziehen Sie sich bei alien Jknfeagen auf MELOS
Werke von
Paul M u ^ er ~ Z ur fch
(geb. 1898, lebt lieute als Chor- und Orchesterleiter und
Lehrcr filr Kontrapunkt am Konaervatorium in Zurich)
TE DEUM
fiir Soli, gemischten Chor und OrchesLer, op. 11
(Dauer: 25 Min.)
Klav.-Auszug M. 6. — / Chorstimmen (S/A/T/B) je M. - .60
Orchestermaterial leihweise nach Vereinbarung.
Erfolgreiche Auf fanning anf dem Mnsikfest
des Allg. Dentsclien Musikvereins in Chemnitz:
. . . dir. bedeutendste Chor kotn position derjungeren
Schweizer Tons&lz<r . . ." (Zlircher Nachrichten)
„ . . . mil einem natiirlichen, groSen Zug, vorbild-
lich in der Behandlung der Singstimmen ..."
(Leipziger Ne'ueste Nachrichten)
CHOR DER TOTEN
„Wir Toten sind grofiere Heere" (C. F. Meyer)
fiir MSnnerchor mit Blasorchester oder Orgel, op. 16
(Dauer: 6 Min.)
Partitur mit Orgel- (Klavier-) Auszug M. 5. — / Chor-
stimmen (2: T B) je M. — .25 / Blasorchesterstimmen
leihweise nach Vereinbarung.
VIER LIEDER
in kanonischer Weise fiir Ma'nnerchor a cappella
1. Nachts „Ich wandre durch die stille Nachf.
(Eichendorff)
2. Die NachtMume „Nacht ist wie ein stiiles Meer"
(Eichendorff)
3. Reiselied „So ruhig geh ich meinen Pfad"
(Eichendorff)
4. Liebliche Friihe „Wann der frische Morgen singt"
(G. Gamper)
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Stimmen (4) (jeder Chor) je M. —.20
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Fruher erschien.: Lehre v. Lernen. Rhythmik, Metrik, Ton-
u. Stillehre. Grundiibungen f. Klavier : Intervall-Leitern etc.
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SchlieBfach 28
Neue Lieder
fur die heutige Jugend
PAUL HOFFER
Wir singen heute:
frohliche, neue
Kinderlieder
l.-2.SpruchvorTisch(Morgenstern) /3. InderElektrischen
(Morgenstern) / 4.-5. Schlummerliedchen (Morgenstern) /
6. Herr Loflel und Frau Gabel (Morgenstern) / 7. Turnlied
(Pagel) / 8. Im See (Hoist) / 9. Wanderlied (Pagel) / 10. Der
Staubsauger(Seitz)/il.UnsereU(Frank)/12.DerSommer
(Schonlank) / 13. Der Winter (Schonlank) / 14. Vorfruhling
(Schonlank) / 15. Wir kennen jede Automarke (Seitz) /
16. Das Lied von der Kartoflel (Barthel) / 17. Der Dampf-
hammer(Barthel)/18.DasLiedchenvomGuterzug (Seitz)/
19. Der Regenwurm (Schonlank) / 20. Die drei Spatzen
(Morgenstern) / 21. Abendhimmel (zur Linde) / 22. Die
Schule (Kogel) / 23. Besuch (Marenbach)
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2.Heft(Nr. 12-23) M.— .50
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sidi in Texten und Weisen mit der Ideenwelt der
heutigen Jugend befafit; es entstand in engater
Fuhlung mit Kindern verschiedener Altersstufen.
Die Melodien wirken durch Einfadiheit undpackende
Rhythmik. Fiir die Begleitung gibt es mannigfache
Moglidikeiten, sodafi audi mit kleinsten Mitteln sidi
die Wiedergabe dieser originellen Kinderlieder mog-
lich madien IdJSt.
B. Schott's Sohne • Mainz
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387
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Neuerscheinungen
aus letzter Zeit
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5.—
10386 IG. FRIEDMAN. Bei den Mario-
netten. 12 Stiicke ftir die Jugend
2.—
10099 J. ISSERLIS. op. 11. Jugend-
2.-
10370 W. STOJANOFF. Suite . . .
2.50
10407 A. STE1NERT. Barcarolle . . .
1.50
10032 A. WILLNER. op. 60. Skizzen .
2.50
VIOLINE UND KLAVIER
10085 J. ACHRON. Stempenyu-Suite .
4.—
2175 G. F. GHEDINI. Bizzarria . .
2 —
5317 W. HELFER. Appassionata . .
3.50
5601 E. KREAL. op. 40. Sonate . . .
5. —
10372 A. STElNERT. Barcarolle . .
1.50
9969a K. WEILL— ST. FRENKEL.
7 Stiicke nach der „Dreigroschen-
oper" (erleichterte Ausgabe) . .
3.50
VIOLONCELL UND KLAVIER
10395 J. FITELBERG. Cellokonzert .
6.-
10366 E. KREAL. op. 10. Sonate . . .
5.—
10373 A. bTElNERT. Barcarolle . . .
1.50
KAMMERMUSIK
10050 A. WEBERN. op. 22. Quartett fur
Geige, Klarinette, Saxophon und
1.50
GESANG UND KLAVIER
10377 W. GROSZ. op. 30. 12 kleine
Negerleins u. andere Geschichten
3.—
10086 E. KRENEK. op. 43a. Wechsellied
zum Tanz (aus „Triumph der Em-
2.—
- op. 71. GesangedesspatenJahres:
10087 Und Herbstlaub
1.50
10088 Vor dem Tod
1.50
10089 Liebeslied . . .
2.—
10090 Ballade von den Schiffen . . .
1.50
3.—
10322a/c E. NICK. Urei Songs ... a
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III. Suite fur kleines Orchester
Konzert fiir Violoncell und Orchester
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Sechs kataloniache Volkslieder, fur Gesang
rnit Orchester
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Verdi- Variationen fur grofies Orchester
JENO v. HUBAY
Biedermeier-Suite fiir grofies Orchester
ZOLTAN KODALY
Theater-Ouverture fiir grofies Orchester
ERNST KRENEK
Thema und 13 Variationen, op. 69,
fiir grofies Orchester
Kleine Blasmusik, op. 70 a, fur Blaser
JOSEF MANDIC
Kleine Suite fiir Orchester
FRANZ SCHMIDT
Chaconne fiir grofies Orchester
A. STElNERT
Sinfonische Legende fiir Orchester
A. TCHEREPNIN
Festmusik fiir grofies Orchester
WLADIMIR VOGEL
Ritmica ostinata fiir Orchester
JAR. WEINBERGER
Passacaglia fiir grofies Orchester
Bosnische Rhapsodie fiir Sopransolo,
gemischten Chor und Orchester
EGON WELLESZ
Kantate, op. 45, fur Sopransolo, gemischten
Chor und Orchester
P. WLADIGEROFF
7 Sinfonische bulgarische Tanze, op. 23,
fiir grofies Orchester
EUGEN ZADOR
Sinfonia technica fiir Orchester
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Parlitur M.1.50 / Singpattitur (bei Mehr-
bezug) je M. —.40
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vollen, heute iiberall lebendigen Liedern erganzt. Die gleichzeitig vorge-
nommene Nadiprilfung der Quellen u. Texte wird den alten Freunden der
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garten ebenso wie im Musikunterricht viele neue Anhdnger gewinnen.
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Instrumentische Gesange
<um 1540>
Herausgegeben von Heinz Funcfc
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(3 Blockfloten, 2 BloAfloten und Gambe oder
3 Streidier)
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des ganzen Werkes nur je 15 Pfg.
Monatlich erdieinen 1—2 Nummern, sodafl das Werk
etwa Oktober 1933 abgeschiossen sein wird.
Infolge ihrer doppelten Eignung als Sdiul-
werk fiir das instrumentale Zusammenspiel
und als Spielbuch weist die Sammlung weit
iiber ihre urspriinglidie Bestimmung hinaus
und richtet sidi an alle heutigen Musizier<*
kreise, vor allem an die Blockfiotenblaser und
die Instrumentengruppen in den Sdiulen. Sie
fordert keine bestimmte Besetzung und ist
durdi alle Melodie^Instrumente ausfiihrbar.
Meist sind die Oberstimmen kanonisdi ge-
fiihrt, wahrend die Unterstimme frei kontra^
punktiert. Fiir unsere heutigen Zwecke er~
sdieint es als besonders bedeutsam, dafi der
anfangende wie der fortgeschrittene Spieler
von Stuck zu Stuck vor immer neue Aufgaben
gestellt und zu ihrer Losung herausgefordert
wird. Agricola beginnt mit einfachsten meIo=-
dischen und rhythmischen Satzen und steigert
allmahlich den Schwierigkeitsgrad. In seinen
54 Satzen, die durchweg sehr lebendig klingen,
bietet sidi ein aufierordentlich reizvolles
Musiziergut, das nodi besonders wertvoll
durch den Umstand wird, dafi aus jener Zeit
nur zwei oder drei originate Instrumental
werke vorhanden sind. Der geringe Preis und
das allmahliche Erscheinen erlauben jeder SpieU
gruppe die Anschaffung mehrerer Exemplare.
Ausfiihrlicher Prospekt kostenlos.
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WolfenbutteMBeriin
Neue Studienwerke fiir die 'Geige
NEUREVISIONEN
von
Maxim Jacobsen
Maxim Jacobsen gehcirt zu den bedeu-
tendsten V'iolinpadagogen der Gegenwart.
Seine bisher erschienenen Studien wer-
den als
„Werke eines wirklicli genial veranlagten Pada-
g°gen"
„einer originellen geigerischen Personlichkeit"
bezeichnet, denn sie bilden nicht bloss
die Technik, sondern eine aus dem Tech-
nischen schopfende, das Teclmische be-
herrschende Musikalitat.
Bisher erscliienen:
H. E. Kayser
36 Etiiden op. 20
U.E.6160 in einem Helt
U.E.6160a/c in 3 Heften
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Fr. Wohlfahrt
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U. E. 8753 in einem Heft . . EM. 1.20
D.E. 5969/70 in 2 Heften . je KM. —.75
R. Kreutzer
42 Etiiden
U.E.277 in einem Heft. . . KM. 1.80
Die Neuausgabe wurde um zwei Etiiden vermehrt
Moderne rhythmische Varianten, die Auf-
nahme der Stricharten in den Text selbst,
die Vorbereitung aller technischen Pro
bleme duri'h Voriibungen kennzeichnen
diese Ausgaben als die griindlichsten nnd
praktischsten fiir Lehrer und Schiller.
Hier ist
eine schnelle und erfolgreiche Methode
gegeben, wie sie gerade der gegenvvai tige
Musikunterricht verlangt.
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Gemischte Chore
von
CONRAD BECK
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Weihnachtslied)
Der grosse Etfolg des diesjahtlgen
Musikfestes in Zurich /
Requiem „Requiem aeternam dona eis"
Musikenklang (Cornelius Becker)
Vie Zeit gehi nicht (Gottfried Keller)
Abendlied (J. Ph. Harsdorfer)
Seit die Sonne ihren liditen Sdtein
(Heinrich von Veldegge)
Abendsegen (Dichter unbekannt)
Es gehi eine dunkle Wolke ein
enthallen in Heft 3 des Neuen Chorbuches
Partituren zu Nr. 1—7 je M. —.60 bis M. 1.50.
Singpartituren (bei Mehrbezug) je M. — .25 bis
M. —.40 / Nr. 8 Singpartitur M. -.80
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zeichnis iiber „SCHOTTS CHORVERLAG"
und Ansiolitspartituren.
B. Schott's Sohne / Mainz
La
Rassegna Musicale
Rivista bimestrale di
critica e storia
diretta du
Guido M. Gatti
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Konzerf fur Orgel
mit Streichorchester
Partifur (zugleidi Orgelstimme)
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Dortmund / Freiburg i. B. / Hamburg /
Heidelberg / Konigsberg / Mannheim /
Miinchen / Nurnberg
Uber die blsherlgen, erfolgrelchen AuftUhrungen In
Frankfurt am Main / Berlin / Zurich.
schrelbt
DIE PRESSE:
. . . Das Werk beglnnl mlt einem Praludlum, das In
sehr wlrkungsvoller Welse elnen felerlichen Strelcher-
saiz mlt den splelerisdien Arabesken der Orgel kon-
Irastlerl. In die ganz strenge Fesselung der Passacaglla
begibt sidi der zwelfe Salz, dessen welt geschwungener
Ostlnato zunadist vom Sfrelcherchor in heller Archi-
tektur flberbaut wlrd, um dann von elnem kahnen
Doppelspiel der Orgel umrankt zu werden. Drltter
Salz elne kflhn vorwSrtsstQrmende Doppelfuge, voll
Interessanter Wendungen . . . Das ganze Werk isi
mit grofjem Temperament, mit eritaunlidiem
Kdnnen geschrieben . . .
K. Laux (Neue Badlsche Landeszeltung)
. . . Fortner sdilleEt sldi sttllstlsch an die vorbadilsdie
Instrumentalmuslk an. Er llebt die kontrapunktische
Arbeit, aber er llebt audi die harte, kantlge Fflhru g
der Stlmmen. Die Sdilu6fuge erhalt durdi die scharfe
Proflllerunfl des Orgelthemas und vor allem durdi
die Bewegungsenergie des Gegenthemas In den
Streldiern Umrl6 und Charakter. Am besten 1st der
erste Satz gelungen, in dem die sdiweren Strelcher-
llnlen mit den brlllanten Figuren der Orgel kon-
trastleren Dadurch entstehteln lebendlges Wechselsplel.
Heinfidi Strobel (Berliner BOrsen-Courler)
. . . Das Konzert far Orgel und Streichorchester 1st
mehr noch als frOhere Arbelten Zeugnls fur die grofee
Begabung des neuklasslschen Tonsetzers, der sldi um
eine formensirenge und doch gefuhlihafi bln-
dende geisilidie Muiik bemflhi.
(Frankfurter Zig.)
. . . AlsGewinnwardieErstaufiuhrung eines Konzertes
fdr Orgel und Streichorchester von Wolfgang Fortner
zu buchen (Berliner Lokal-Anzeiger)
. . Hervorzuhebenslnd noch die Auffahrungmoderner
Muslk durch Hermann Scherchen und das Funkor-
chester: hler machte man die Bekanntschafi elnes
elndrucksvollen Konzertes far Orgel und Streich-
orchester von Wolfgang Fortner ... (Der Tag, Berlin)
B. Schott's Sohne • Mainz
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391
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von Bocdierlnl*). War Jedoch dies tn der HaupUadie
fur den Podlumspleler gedscht, so wendet sieh dai
Bends'sthe Koniert audi an den technlsch wenlgcr
Begnbten und Isf voriQgllch als SchQlerkonzerr iu
verwenden. Die Relhe .Klasjijdie Vlollnkonierte" des
Verlages wlrd hler durdi eln Qberaus wettvolles
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393
A— MCESCHINGER
iHiuHiiiiiniiiiii[iiiiHiiiuiiriiiiiiiiiiii]i!iminniiiinniiii(iniiiiiniiniii[iMiiraiiiiiiinmttiini]iiiiitiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiii[ninmiiiiiiiiiiiiiim
Albert Moi'scliinger, 1^97 in Basel geboren, lebt soit
sfini'iii ">0. Eebensjahr ala Klavier- und Theorielehrer
stowit 1 nln Konzertbegleiter in Bern. Er stndierte in Bern,
Leipzig und Miinehen Komposition. Moesehingpr gehiirr zu
den auerkiimiten tiilirenden scbopferischcn Mnsikern der
lieuti-jen Sehwciz und fin dot auch in Deutschland und dem
iibrigen Ausdand aurr'allend rascK wachsende Beaditung.
KLAVIER
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Pans l'ambiancp alpine — 11 coriuto ,Sei ferita
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ORGEL
Introduktion und Doppelfuge, op. 17
Ed. Nr. 2102 M. 2.50
GESANG
Kantate, op. 24, fur Sopran, Solo-Violine und
Klavier (Cembalo), nacb Spriiehen deg
Angelus Silesius. Kd. Nr. 2148 M. li. —
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tiir vierstimm. gemischtcn Chor a cappella,
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Ganzleinen geb M. 17.—
broschiert M, 15.—
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Ganzleincn geb M. 14. —
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U Skiindinaviselio Volksliedcr Ed.Nr,552 M. 3.—:
III Kugliache und iiordunierikaiiiselic Volks-
liedcr Ed. Nr. 553 M. 3.— ; IV KcltiNclic Volks-
liedcr Ed. Nr. 554 M.4.— ; V fraiiziinisrlie Volks-
licder Ed. Nr. 555 M. 3.— ; VI .Sp.niisehc. portn-
fii-siselie, kutulauisclie, baskisclic Volksliedei'
d. Nr. 556 M, 3-
) Lilt; j unjinim iiu 1 vm..->»n >»» —
, VII Itnlieiiisclie Volksliedcr
Ed. Nr.557 M.4.-; VIII Siidglawiselic Volksliedcr
Ed. Nr. 558 M. 4.— ; IX UWechisclie, alliiinisclie.
runiiinisclic Volksliedcr Ed. Nr. 559 M. 4.— ; X/XI
We8tslawiseheVolk8liederEd.Nr.122n/29jeM.3-- ;
XII Uiifjarischo Volk lieder Ed. Nr. 560 M.3.- ; XIII
Volksliedcr baltiacher Liiuder Ed. Nr. 1230 M. 4— .
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394
Bittc bextehen Sie sich bet alien Anfragen auf MELOS
Heft 12
11. Jahr
Dezember 1932
Zeitfragen
Erneuerung des Theaters
Reinhard' Goering
Reinhard Goering, der Dramatiker und Jugendfiihrer, wendet
sich mit seinem Aufruf an alle, denen das Theater am Herzen
liegt. Wir geben dem Verfasser der „Seeschlacht" hier das
Wort, da wir glauben, dafi seine Gedanken audi den Musiker
angehen.
Die Spatzen pfeifen es von den Dachern, dafi eine alte Welt stirbt und eine neue
ersteht. Den materiellen Prozefi haben wir taglich vor Augen, den seelischen auch. Auch
die Institutionen sterben. Bei ihnen geht das so vor sich, dafi von innen heraus die
bestehende Form umgewandelt wird. Man hat nicht notig, etwas zu beseitigen, um ein
Neues an die Stelle zu setzen. Im Alten selbst stirbt das Alte ab und wird das Neue.
Es ist eine naturgemafie Wiedergeburt, die, was sie scheinbar an aufierer Katastrophe
eingebiifit hat, vielfach durch die unerhorte Qual der inneren Umwalzung aufgewogen
bekommt.
Wir Lebenden zwischen vierzig und fiinfzig, konnen wir das nicht aus uns selbst
bestatigen! Es ist gestorben worden, damit wieder gelebr werden konnte! Man hat
uns getotet und wir waren nicht tot! Man hat uns wieder aufgeweckt und wir
konnten doch nicht sagen : das ist schon Leben. Nerven, Glaube, unerhorte Geduld
und Zahigkeit gehorten dazu, diesen Prozefi zu iiberstehen. Wer ihn ganz uberstehr,
lebt und weifi es.
Canz ahnlich geht es den Institutionen. Sie imissen dem inneren Sterben gewachsen
sein und konnen sich doch nicht hinlegen und ganz aufgeben. Sie enthalten schon neues
Leben und scheinen doch nicht wesentlich gewandelt. Klassisch wie nirgends ist dies
alles gerade an uns, gerade an Deutschland zu beobachten. Und wie es dem Einzelnen
und der Gesamtheit geht, so geht es auch den Theatern.
Vor Jahren schrieben wir: „es gibt keinen Weg zuriick! Durch!" Es kommt nicht
darauf an, da6 die Theater immer auf derselben Hohe sind, es kommt darauf an, dafi
sie leben, dafi das Lebendige, das neue Lebendige in ihnen ist und wird und deshalb —
395
Das Theater - eine der hochsten Sorgen des Staates
wehe dem, der die Theater forciert! Durchlialten, aushalten, nicht schwankend werden.
Aber audi das dem neuen Leben zugestehen, was ihm zugestanden werden kann und mufi.
Nichts, gar nichts kann allein von aufien dem Theater helfen!
Soil es unerschiittert durch eine Krise gehn, die die ganze Welt erfafit hat? Un-
denkbar. Soil man aber vermeinen, die alten und uralten Methoden konnten das Wun-
der vollbringen und vor Erschutterungen sichern? Undenkbar. Je positiver einer heute
ist, umso mehr bejaht er den Teil der Katastrophe, der unvermeidlich ist, wenn eine
Erneuerung gewiinscht wird. Mut! Und Beseitigung des falschen Denkens und Vermei-
nens! Nicht der rettet das Lebendige des Theaters, der es am sichersten vor Krisen
schiitzt! Sondern der, der es durch die Krisen zu steuern versteht, weil er Trager des
Neuen schon ist!
Nach diesen Bemerkungen mufi gesagt werden, dafS die Zustande in unserm Theater- '
leben grauenhaft sind. Es weht Leichenluft in dieser Institution, angefangen bei den Schau-
spielern und geendet bei den Ministerien.
Es fehlt die Jugend! Es fehlt der neue Geist! Es fehlt die geistige Basis! Es fehlt
der Wille! Es fehlt das Ziel!
Wo aber wird das Neue, wo ist der feine fast unsichtbare Keim des Lebendigen,
um dessentwillen es lohnen wiirde, weiter Theater zu spielen?
Sollte man das Theater einfach schliefien? Lacherlich! Soil man weitermachen wie
bisher ? Auch lacherlich ! Was soil denn geschehen ? Man mufi suchen und suchen, neue
Manner finden, neue Zuschauer, man mufi etwas wagen, und man mufi den Mut haben,
ein paar mal zu scheitern. Ohne das wird gar nichts.
Es werden in Zukunft noch alle scheitern ! Die Fiihrer, die Jugend, alles was man
schon heute rettend nennt, wird scheitern, aber in diesem und durch dieses Scheitern
wird das Neue gerade werden! Es gibt keinen andern Weg!
Scheitern, wo man nichts gewagt hat, das allein ware der sichere Weg end-
giiltigen Todes ! Den aber scheint man beschreiten zu wollen ! Da miissen wir, die Dichter
und das Volk, aufstehn und fordern: Hande weg vom Theater! Etwas so Nebensachliches
und Sekundares, wie Ihr zu meinen scheint, wenn Ihr die Theater ohne Kampfe und
Wagnisse durchhalten wollt, ist die Biihne denn doch nicht! So einfach lassen wir uns
das nicht gefallen! Mit halben Mafinahmen, mit Kompromissen, Zufallslosungen in der
Sach- und Personenfrage ist es nicht getan !
Setzt Manner an die Spitze und gebt in einem gewissen Mafi der Jugend Raum !
Im Theater vollzieht sich — ob Ihr's glaubt oder nicht — viel von dem offenbarsten
und geheimsten Geschehen der Nation. Das Theater ist keine Sache die nach der Politik
kommt. Das Theater soil und mufi jetzt oder spater einmal eine der hochsten Sorgen
des Staates sein.
Deshalb: keine halben Mafiregeln! Auch fur das Theater heifit es jetzt: lebe ge-
fahrlich! Dann darfst und sollst Du mit hiniibergerettet werden in das neue Leben, in
die neue Zeit!
396
Der Bauhausskandal in Dessau
Was ist Kulturbolschewismus? Kan womer
Das seit einigen Jahren wieder iiberaus lebendige Operieren mit Schlagworten oder
gegenstandlichen Argumenten gegen alles, was in die Richtung neuer Kunstbestrebungen
fallt, hat mit der notgedrungenen SchlieGung des Bauhauses in Dessau im Sommer seine
erste Spitze erreicht, denn hier gelang es, einem zwar immer noch umstrittenen, aber
eindeutigen Dokument neuer Kunstpflege die Lebensfahigkeit abzuschneiden. Das Bau-
haus in Dessau wurde 1926 von Walter Gropius gegriindet. Sein Nachfolger Hannes
Meyer bildete unter den Bauhausschulern eine kommunistische Zelle, aber nach seiner
Verabscliiedung iibernahm die hochst achtbare Lehrerpersonlichkeit Mies van der Rohe
die Leitung, die sie seither in rein kunstlerischer Weise durchfuhrt. In den letzten
Jahren haben 25000 Besucher aus aller Welt das Bauhaus zu fachlichen Zwecken studiert,
viele hervorragende Arbeiten haben es seither verlassen und sind in alle Welt gegangen.
Es kann nicht verschwiegen werden, dafi alle biirgerlichen Parteien des Dessauer Stadt-
parlaments fiir die Schliefiung eintraten; gerade die Haltung der Dessauer Stadtvater
spricht am deutlichsten fiir die verstorte Angstlichkeit und die Unsicherheit, die sich
heute im Urteil weitester Kreise iiber alles breitmacht, was die gewohnte Linie des
kunstlerischen formalen Eklektizismus des 19. JahrhundertB verlafit. Ghicklicherweise
bietet sich die Moglichkeit, das Bauhaus als eigenstandiges, unabhangiges Unternehmen
in Berlin weiterzufiihren. Allen reaktionaren Gewalten zum Trotz wird sich dieses Institut
als Zeugnis neuer Kunstauffassung und ernster kunstlerischer Leistung unter seinem
Leiter Mies van der Rohe erhalten.
Die Angriffe gegen alle neue Kunst, dieHetzemit parteipolitischenDoktrinen, einfachen
und deshalb so leicht eingangigen Schlagworten, worunter „Kulturbolschewismus" eine
hervorragende Rolle spielt, diese ganze Welle der Gehassigkeit hat in Zeitungen und
Zeitschriften, Broschiiren und Buchern, im gesprochenen Wort und der Wahlpropaganda
erschreckende Formen angenommen. Bande waren notig, um die Absurditat dieser so
laut verkiindigten Meinungen nachzuweisen, die unter dem Deckmantel scheinbarer
Wissenschaftlichkeit oder als blofi dilettantisches Geschwatz einer gefuhlsmafiigen Reaktion
so leicht zuganglicli sind. An sich ware es nicht so wesentlich, lacherliche Begriindungen
zu entkraften und grobe Unrichtigkeiten aufzudecken. Die Wahrheit setzt sich selbst
ihren Weg. Aber angesichts der horrend um sich greifenden Unsicherheit und Ein-
schiichterung, die das Urteil weitester Kreise erfafit, angesichts des verangstigten Sich-
zuriickziehens, das auch bei intelligenten und mutigen Vertretern zu beobachten ist, war
es notwendig, dafi neuerdings von verschiedenen Seiten her den realen Hintergrvinden
der Behauptungen nachgegangen wurde. Denn schliefilich handelt es sich hier schon
lange nicht mehr um den Larm einer politischen Parteiorganisation, sondern die Lage hat
sich so zugespitzt, dafi das Sein einer Kunst uud Kunstpflege in Frage gestellt ist, in der
viele ihre Lebensaufgabe und die bedeutsamen Anfange eines neuen kunstlerischen Seins
schlechtweg erbliclcen.
Einen energischen, trotz aller Leidenschaftlichkeit sachlichen Vorstofi gegen diese
larmenden Umtriebe unternahm in diesem Jahr Paul Renner durch die Herausgabe
einer Schrift „Kulturbolschewismus ?" (Verlag Eugen Rentsch). Im ersten Kapitel der
Arbeit setzt sich der Verfasser mit der „antisemitischen Hetze gegen die moderne Kunst"
397
, ' Ji^w pi iwHjM-^ ' !.,,!,- 1 , '""ffl- ' i 1 ' w- ■ J " W^yWW.,VWPWP
P. Renner iiber die Fragwurdigkeit nationaler Rassentheorien
auseinander. Der nebelhaft gebrauchte Begriff der „Rasse" in der Kunst halt seiner
Kritik nicht stand, ebenso wie es ihm ein Leichte9 ist, die Diirftigkeit der Ideen, die
Schultze-Naumburg in seinem Buch „Kunst und Rasse" niedergelegt hat, ad absurdum
zu fiihren. Denn wo laSt sich auch bindend zeigen, dafi „hochwertigste Rassen" auch
die „hochwertigsten Kiinstler" hervorgebracht haben? Worin besteht uberhaupt die
Wertigkeit einer Rasse? Schliefilich ist die Leistung noch von anderen Faktoren ab-
hangig als der Rasse, und Rasse verbiirgt noch lange nicht den Charakter. AUzu leicht
macht es sich die volkische Kunsttheorie, wenn sie die Theorie aufstellt, es sei Aufgabe
der bildenden Kunst, das korperliche Leitbild zu formen, nach welchem sich eine Rasse
bildet; das Kunstwerk hatte Vorbilder vollkommener Rassenreinheit zur Anwendung
zu bringeu. Wer so etwas als Kriterium aufstellt, hat nie etwas von den Tiefen des
Lebens und dem Wesen der Kunst erfafit. Der antisemitische Hafi wird von Renner
psychologisch in seinen Wurzeln aufgedeckt. Es liegt nicht in seiner Absicht, die„Juden-
frage zu bagatellisieren"; er ist sich aber durchaus im klaren, wenn er des weiteren
ausfiihrt: „Wer die deutsche Kunst kennt, weifi, wieviel sie den Juden verdankt. Sie
sind nicht nur die eifrigsten Kunstsammler, sondern sie konnen auch selbst allerlei."
Es ist ja geradezu schon kindereinfach, den Vorwurf zum Schweigen zu bringen,
der neue Baustil sei bolschewistischer Herkunft. Wer uber die Entwicklung nur etwas
Bescheid weifi, wird bestatigen, dafi das neue Bauen zuerst in Deutschland und seinen
deutschstammigen Nachbarlandern Holland, Schweiz seinen Ursprung fand, und zwar
noch vor dem Krieg, also in einer hochkapitalistischen Zeitspanne. Von da aus erst hat
das bolschewistische Rufiland die Bauweise ubernommen. Der Kenner stellt heute schon
die nationalen Eigenschaften des Stils in den einzelnen Landern fest. Wo bleibt denn
da seine „Internationalitat"? Wer die Kunstgeschichte kennt, weifi von der Abhangig-
keit Deutschlands in seinen Kunststilen von der Entwicklung Europas. Deutschland
hat alle europaischen Kunststile immer erst ein oder zwei Menschenalter spater aus
Italien oder Frankreich ubernommen. Jede geistige Selbstverengung oder Absonderung
von den anderen Volkern ist schon den freien Kiinsten gefahrlich, in . der Baukunst
ware sie ein nationales Ungliick. „Das Nationale kann nie ein Programm sein; es ist
immer nur dann echt und wertvoll, wenn ei unbewufit und ungewollt von selbst zum
Vorschein kommt."
In den beiden letzten Kapiteln seiner Schrift geht Paul Renner den Schlagworten
Kollektivismus und Materialismus nach, die in der volkischen Literatur Sammelbecken
aller ursachlichen Begriindungen kulturellen Niedergangs sind. Hier zeigt Renner den
Sinn der Architektur als Ausdruck der neuen Zeit. Er beweist am geschichtlichen
Material, dafi Kollektivismus nicht ohne weiteres politischer Kommunismus sein mufi,
sondern dafi damit auch ein neuer Wille zur Ordnung gemeint sein kann.
Man wird gespannt seinkonnen, ob und wie sich die Gegenseite zu der Schrift aufiern wird.
Auch die fuhrenden Kunstzeitschriften sind nach der Schliefiung des Bauhauses
auf den Plan getreten und haben das Wort zu ernsten Auseinandersetzungen mit den
kulturpolitischen Umtrieben ergriffen. Die „Kunst fur Alle". (Munchen, Bruckmann A.-G,)
lafit keinen geringeren als den weithin bekannten Munchner Architekten Geheimrat
Theodor Fischer sprechen. Th. Fischer bewilligt einer Zeit wie der unsrigen, die,
keine einheitliche Linie zeigen kann, jedes Recht zu Versuchen und wendet sich energisch
398
Barlach als »Mongoloide«
gegen die „Liige von der bolschewistischen Natur des neuen Bauens". Dafi sich einige
der neuen Architekten zum Sozialismiis bekannt haben, ist fur ihn noch kein Grund,
die Neuerungen als solche fiir undeutsch zu halten. Im Gegenteil, er halt den reinen
Kern der Bewegung fiir deutsch: „sein Wesen ist Bedlichkeit, harte Selbstentiiufierung
bis zur vorlaufigen Aufgabe des uberlieferten KunstbegrifFs".
W. Riezler widmet in der „Form" (Oktober 1932) dem „Kampf um die deutsche
Kultur" einen wertvollen Artikel. Auch er beschaftigt sich naturgemafi mit dem „Bau-
bolschewismus" und dem Rassebegriff in der Kunst, in der Abwandlung von Schultze-
Naumburg. Wir miissen ihm recht geben, dafi die von Schultze-Naumburg als arteigene
nationale Volkskiinstler dem „ostischen Untermenschtum" gegeniiber bevorzugten Maler
Fahrenkrog, Hendrich, Stassen, Fidus und Wolfgang Midler nur ein reichlich blutleeres
Symbol von der kiinstlerischen Kraft des jungen Deutschland vermitteln konnen. Eine
gerechte Emporung erfafit uns, wenn Schultze-Naumburg eine der erschutternden Figuren
von Barlach abbildet und als Kommentar seine Bemerkung hinzusetzt „leiblich und
seelisch schwer entarteter Mensch mongoloiden Blutes". Es ist nicht angangig, den Begriff
der klassischen Schonheit als Postulat und letztes Wertkriterium iiber alle Werke bil-
dender Kunst zu stellen. Damit geht Schultze-Naumburg am Wesen und Ausdruckhaften
heutiger Kunst vollkommen vorbei. Es ist tief begriindet, dafi heutige Kunstwerke all-
gemein kaum noch das siidliche Schonheitsideal offenbaren, aber warum ihnen deshalb
einfach Lebensberechtigung absprechen? Vielmehr hat der Kiinstler heute genau wie
friiher das gleiche Recht, sich durch den schopferischen Vorgang im Kunstwerk von den
inneren Bedrangnissen zu entlasten, die durch die geistige Unruhe in das Leben heute
hineingetragen werden.
Es bleibt noch zu erwahnen, dafi auch einige Tageszeitungen in ihren Spalten den
Kampf gegen die hetzerischen Ubertreibungen um den „Kulturbolschewismus" eroffnet
haben. Z. B. wirft F. A. Dargel im „Tag" die Frage auf : Was ist „Kunst-Bolschewismus" ?
und beantwortet sie im Anschlufi an die genannten Kunstzeitschriften.
Wir glauben, diese Gedanken nicht besser abschliefien zu konnen, als durch eine
Gegenuberstellung des Positiven der schopferischen Arbeit dem Negativen einer blofien
Zeitkritik. „Weltoffenheit" haben alle grofien deutschen Kiinstler bewiesen, von der
Romantik bis tief ins 19. Jahrhundert hinein, und keiner hat damit das starke Bewufit-
sein seiner Vaterlandszugehorigkeit vernachlassigt, Was „Weltoffenheit" eines deutschen
Kunstlers von heute heifit, zeigt am besten der lesenswerte, vom starksten Idealisrnus
getragene Vortrag „Der schopferische Sinn der Krise", den der Architekt Erich Mendel-
sohn in diesem Sommer in Zurich gehalten hat (verlegt bei Bruno Cassirer, Berlin).
Mendelsohn sieht die Losung der weltanschaulichen Gegensatze nur von einer hoheren
Ordnung aus. Auch ihm ist fiir die Neuordnung der Welt die nationale Abgrenzung
Voraussetzung, aber er warnt, den Begriff der Nation zu eng zu fassen. „Die kommende
Welt lafit den Nationen ihre Eigenart, aber fafit sie zusammen zu iiberstaatlicher Ge-
meinschaft". „Denn die Probleme der neuen Welt tangieren alle Volker gemeinsam".
Grofie iibernationale Aufgaben haben den planvollen Austausch der Nationen zu schaffen.
Die kommende iiberindividuelle Ordnung sieht Mendelssohn in der neuen Kunst voraus-
geschaut, die dem „Gesetz der Einheitlichkeit unseres Lebens, der Ubereinstimmung
aller seiner Teile" unterworfen ist.
399
Briefe als Zeitdeutung __^_^.
Paul Bekker und die
ZeitgenOSSiSChen MuSJker Hans Mersmann
1.
Paul Bekker, der einstige Erste Anwalt der Neuen Musik, der Widersacher Pfitznera,
ergreift das Wort. Diesmal nicht, um von seiner Opernpraxis aus das Problem des zeit-
genossischen Theaters aufzurollen, sondern um eine Zeitdeutung zu geben. Er schreibt
ein Dutzend Briefe. Unter den Adressaten sind Richard Straufi, Schonberg, Pfitzner,
Schreker, Hindemith, Krenek und Weill, sind Furtwangler und Kestenberg, Tietjen und
Schnabel. Das deutet auf eine Synthese der heutigen Musik, in der zwanglosen, privaten
Form der personlichen Anrede.
Die Briefe sind 1932 geschrieben und von der heutigen Situation aus zu verstehen.
Weills „Burgschaft" bildet beispielsweise ein breites Diskussionsobjekt. Einstellung auf
die Gegenwart, verbunden mit der unmittelbaren Form der Aufierung gibt Bekkers
Briefen das Gewand der Improvisation. Aber hinter dieser Improvisation steht die klare
Absicht: Zeitdeutung zu geben, Verbindliches auszusprechen.
Paul Bekker war einmal zusammen mit Adolf Weifimann der Typus des grofien
Musikschriftstellers, der, gegenwartgebunden und mit der Produktion in breitester Fuhlung,
zu verallgemeinern, Richtung zu geben verstand. Seitdem hat sich vieles geandert. Die
Richtung der neuen Musik liegt fest; ihr Ablauf ist zu erkennen. Bekker selbst aber
hat inzwischen eine mehrjahrige Intendantenpraxis hinter sich. Er hatte sich dem Theater
verschrieben. Das ergibt Einseitigkeit des Blickes. Nicht nur in der Erkenntnis seines
Spezialgebietes, der Oper, auf die sich ein grofier Teil seiner Aufierungen bezieht. Mehr
noch in dem Gesamtbild. Etwa wenn Krenek als Instrumentalkomponist iiberhaupt nicht
in Erscheinung tritt, noch mehr, wenn Hindemith als eine „Pyramide" bezeichnet wird,
„welcher die Spitze fehlt". Zu dieser Formulierung konnte Paul Bekker nur gelangen,
wenn er Hindemith unter der Perspektive: Cardillac — Neues vom Tage — Unauf-
horliches, sah. Bekkers Pyramide aber fehlt nicht die Spitze, sondern vor allem die
Breite. Eine Auseinandersetzung mit den Opernproblemen der letzten zehn Jahre ist
nicht denkbar ohne die Krolloper. Sie wird in dem Brief an Kestenberg in die Diskussion
hineingezogen, doch mehr beilaufig und nicht von ihrer zentralen Bedeutung aus. Wo
aber bleibt der Brief an Klemperer, der unbedingt in dieses Gesamtbild hineingehort
hatte? Wo steht, wenn nicht als Adressat, so doch als wesentlicher Inhalt, Strawinsky?
So fehlt eigentlich die grofie Synthese der Zeit, die man bei der Auswahl der
Angeredeten erwarten mufite. Der Blick scheint nicht frei genug fiir ein Gesamtbild.
Da6 ein solches gemeint ist, zeigen aber die Briefe selbst. Sie beginnen aphoristisch,
mit leichter Hand gefiigt und enden in einer, manchmal grofiartig angepackten Analyse
der Personlichkeit. Wenn Bekker Artur Schnabel fragt: ,,Spielt man eigentlich noch immer
Klavier? 1, und entschuldigend sagt, er habe „sieben Jahre auf einem andern Erdteil, um
400
Klavierabend als »Rausch und Taumel«
<v
nicht zu sagen andern Stern gelebt", so wirkt das vielleicht noch glaubhaft. Wenn er
aber kurz darauf Schnabel sein Ideal eines Klavierabends bescbreibt:
„al8 einen Rausch und Taumel virtuoser Ktinste, so dafi das Publikum recht aufier Rand und
Band gerat — aber nicht weil man ihm einen heiligen Komponisten zelebriert, sondern weil
es hingerissen ist von dem Manne, der da vorn am Fliigel sitzt und der seine Horer empor-
tragt in ein Reich spielerischer Phantastereien und unwahrscheinlicher Effekte des Instruments —
also so recht als Zauberabend",
so werden wir nachdenklich. Nicht, weil wir zu den „gut revolutionaren Fortschritts-
apostelchen" zu gehoren glauben, die von Paul Bekker beilaufig eins versetzt bekommen,
sondern weil sein Ideal des Klavierkonzerts gerade von unsern grofien Pianisten ein-
deutig iiberwunden ist. Und weil seine Ubereinstimmung mit heute herrschenden Tendenzen,
die wir als riicklaufig oder ausgesprochen reaktionflr empfinden, doch zu frappant bleibt.
Uberall aber ist der grofie Dialektiker am Werke. Seine Feder ist so scharf ge-
schliffen wie jemals vorher, seine Sprache glanzend, seine Fahigkeit das jeweilige Objekt
abzutasten, einzufangen und schliefilich herauszumeifieln, erstaunlich.
Aber es bleibt ein Rest. Vor zehn Jahren war eine Personlichkeitsanalyse Schon-
bergs, wie Paul Bekker sie damals selbst im Melos gegeben hat, eine Tat, eine Auf-
deckung neuer Zusammenhange, eine Bestatigung halbdunkler Ahnungen. Heute miifite
sie viel weiter ausholen und viel breiter fundiert sein, urn zu iiberzeugen. Es geht heute
nicht mehr an, Schonberg als eine Mischung von Mathematik und Romantik zu sehen.
Objekt und Perspektive haben sich geandert.
Nach dieser allgemeinen Charakteristik noch ein paar Blicke in die einzelnen Briefe.
Richard Straufi ist der erste Adressat. Die Vergangenheit wird lebendig, der Fiihrer am
Anfang des Jahrhunderts steht vor uns.
„Und wahrend Ihr Hlick mehr und mehr nach innen sank, begab sich die . Katastrophe, und
diese ganze Welt, Hire bisherige Welt ging unter. Sie aber safien wie der Kaiser in Ihrem
Werk versteinert, nur das Auge noch lebend, auf Ihrem Thron, zu dem kein Reich mehr ge-
horte, und das Leben schien erloschen.
Ein Kunstler, dem diese Formulierung gelang. Aber dann wird das Bild unverbindlich .
Das „Wiederfinden des alternden Meisters mit einer Jugend, die ihn . . . neu verehren
lernte", bleibt letzten Endes eine private, unwahrscheinliche Feststellung.
Im allgemeinen scheint gerade die Analyse der grofien Musiker der letzten Generation
besonders gelungen. Die Auseinandersetzung mit Pfitzner ist hervorragend. Die Vorwiirfe,
die Paul Bekker seinem alten Widersacher macht, treffen den Kern.
,,Es genugte Ihnen nicht die uneingeschrankte Moglichkeit, positiv zu wirken, es mufite auch
vernicntet werden. Welche Dberhebhchkeit, Welcher Irrtunl und welche Schadigung I Was haben
Sie in Wirklichkeit getan? Sie haben Ha6 und Verwirrung geaat, Sie haben Zerstorung ge-
Bchaffen, Sie haben die Menschen, die an Sie glaubten und Rinen die Achtung vor der schopfen'schen
Personlichkeit entgegenbrachten, in ein Durcheinander der Meinungen sehetzt, aus dem niemale
etwas Gutes entstehen konnte, wohl aber viel Boses, Schlechtes und Torichtes erwaclisen ist.
Sie haben Krieg gemacht, mutwilligen Krieg und wofur? Fur Unterachiede von Nasen, nicht
von Geistern."
401
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»Das Konzert stirbt mit der Symphonie«
Problematischer ist die Behandlung des einstigen Freundes Franz Schreker. Ubef
Krenek wird Wesentliches gesagt. Wenn Paul Bekker Kreneks Behandlung der Sing-
stimme mit folgenden Satzen charakterisiert:
„Hierin sind Sie Angehoriger einer Generation, die rein abstrakt polyphon und instrumental
zutdenken beflissen war. Ebenso wenig ahneln Sie Schreker in der Neigung zu koloristischer
Wirkung, fur die Sie als besondere personliche Gabe eine oft brutale Kraft und Bildhaftigkeit
der rhythmischen Gestaltung einzusetzen wissen. Am ehesten zeigt ihre Melodik trotz der
merkwiirdigen stilistischen Unausgeglichenheit zwischen asketischer Herbe und ungenierter, fast
volksmafiiger Einfachheit zuweilen eine Famlienbeziehung zu dem Lehrer. Freilich fehlt Ihnen
der gesangliche, italienisierende Zug Schrekers, sowie seine Kunst der Ausspinnung und orga-
nischen Durchbildung der Phrase",
so mag dies ebenfalls als eine Probe seiner Kunst der Analyse genommen werden. Aber
in diesem Bilde fehlen wesentliche Ziige: die lineare Polyphonie der friihen Instrumental-
musik, die konsequente Harmonik des Klavierstils, die geistige Einstellung zu seinen
Texten.
Noch scharfer markiert sich der Widerspruch bei Furtwangler, Audi hier gibt
Bekker in ein paar Strichen einen Abrifi der Personlichkeit, wie er wohl wesentlicher
kaum gegeben werden konnte:
,/Waa Ihnen fehlt an der demiurgenhaften Damonie eines Mahler, der triebhaften Urmusikalitat
und Klangphantasie eines Nikisch, der Elementarkraft eines Mottl und Naturwuchsigkeit eines
Richter, das gleichen Sie aus durch Ihre Fahigkeit der Zusammenfassung und spirituellen Ver-
dichtung des Wesenhaften. Irgendwie hat sich bei Ihnen alles in Erkenntnis, in ein philosophisch
durchleuchtendes Schauen umgesetzt — wie stets da, wo eine grofie Linie zum Ende neigt. Ich
sehe in Ihnen eine solche Schlufierscheinung, den reproduzierenden Kfinstles einer aussterben-
den Generation".
Wir folgen Bekker beinahe bis an des Ende seines Weges. Er beschreibt ein Konzert,
in dem Furtwangler Beethoven, Brahms und Strawinsky auffuhrte, und weist fur jeden
dieser drei Falle das Verhaltnis von Werk und Wiedergabe nach. Eine Auseinander-
setzung mit Furtwangler uber die Bolle der neuen Musik in seinen Programmen fiihrt
zu klaren und mutigen Feststellungen :
Diese Novitaten sind nur da, um einer angeblichen Anstandspflicht formelles Geniige zu tun,
und jedermann ffihlt sich erleichtert, wenn sie vorbei sind. Ware es nicht besser, ehrlich zu
sein und sie grundsatzlich wegzulassen? Nicht aus Gehassigkeit, Bequemlichkeit oder Partei-
■ nahme. Einfach aus kunstlerischer Aufrichtigkeit, deren Konsequenzen gerade Sie auch da
ziehen miifiten, wo Sie sich dadurch nach aufien hin scheinbar in Nachteil setzen".
Aber trotzdem bleibt fur Paul Bekker das Konzert „jene Art von musikalischen
Veranstaltungen, zu der das Publikum in Massen geht oder doch gehen sollte, um Or-
chester- oder ahnliche Instrumentalwerke grofien StiU zu horen", bleibt das Konzert
die Einrichtung, welche „mit der Symphonie lebt und stirbt". Das ist das zwanglaufige
Gegenbild zu dem andern Typus des Virtuosenrauschs, der in dem Brief an Schnabel
formuliert wurde. Hier mufi man widersprechen. Denn hier spiirt man bei aller Fort-
schrittlichkeit und Bejahung im einzelnen eine tiefe Kluft. Davon, dafi das Konzert
neue Wege und Formen sucht, dafi es einen andern Stil fur die Passionsauffuhrung
gibt als den Furtwanglers, eine andere Art, Klavier zu spielen, als die des grofien Vir-
tuosen, davon, dafi es Volksmusikschulen, Massenchore, Gemeinschaftsmusik, neue
Formen der Kammermusik gibt, ist mit keiner Zeile gesprochen. Wenn man in
Hindemith zu achtzig Prozent den Opern- und Oratorienkomponisten sieht, kann man
freilich mit einem Stuck wie dem „Ploner Musiktag" kaum etwas anfangen. Und der
„Pyramide fehlt die Spitze".
402
Paul Bekkers »Opernmuseum«
3.
Wenn Paul Bekkers Briefe bei ihrer Verschiedenheit eine gemeinsame Mitte haben,
so ist es die Oper. Hier lebt der Intendant von Kassel und Wiesbaden in seinem
eigensten Kreise, spricht von seinen eigensten Erfahrungen. Das Bild, welches die Briefe
von Bekkers Verhfiltnis zur Oper geben, ist nur in einzelnen Ziigen neu. In seiner
Totalitat ist es in seinem kleinen Buche iiber das Operntheater festgelegt. Die Probleme
der zeitgenossischen Oper und des Opernstils werden mit Leidenschaft erortert. Die
Briefe an Schreker, Hindemith, Weill und Tietjen sind voll davon. Unter diesen Briefen
ist der an Tietjen der wertvollste. Der Intendant rechnet mit seinem Generalintendanten
ab. Der Brief ist eine einzige Anklage:
„In dieser Widerstandslosigkeit sehe ich das Versagen gegeniiber der sozialen und organisatorischen
Aufgabe, in der verbindlichen Befolgung schlechter Publikumswiinsche das Versagen der
kiinstlerischen Sendung . . . Der Weg fuhrt zur Vernichtung des gemeinniitzigen Theaters durch
Verfalschung, also durch grundsatzliche Preisgabe des geistigen und kulturellen Daseinszweckes".
Wieder fiihlen wir uns in alien kulturpolitischen Forderungen auf gleichem Boden-
Eine groSe Bolle in den asthetischen Erorterungen spielt die Frage der Texte. Zweimal
wird das Wort Mozarts zitiert „die Poesie miisse der Musik gehorsame Tochter sein".
Das ist Schreker gegeniiber gleichsam als eine Entschuldigung fiir seine schlechten Texte
gesagt, bei Hindemith als eine Aufforderung, keine grofie Literatur zu komponieren.
Mag er vielleicht an beiden Stellen Becht haben. Entscheidend wird die Frage mit
dem Brief an Kurt Weill, denn hier geht es nicht mehr um Text oder Musik, sondern
um die Idee der heutigen Oper. Wieder taucht das „museale" Operntheater auf. Bekker
beruhigt Kurt Weill: auch die „Burgschaft" stiinde in seinem „Museum". Aber die Fragen,
die vorher noch ungeklart blieben, fordern nun eine klare Antwort. Wenn Bekker in
der Dreigroschenoper „eine sehr schlagkraftige und lebendige Operette, nicht weniger,
aber auch nicht mehr" sieht, so kann man verstehen, dafi er das Wesentliche der „Biirg-
schaft" nicht in der „Lehre von der Allmacht der Verhaltnisse", sondern „in der Art
der Choraufteilung, der Behandlung der vokalen Masse in dreifach veranderter . . .
Architektur" erblickt. Und so wird eine Entscheidung zwischen der „politischen Idee'"
und der „singenden Stimme" gefordert. „Kann man Politik singen? Gewifi, man kann,
aber wozu soil man eigentlich ?"
Hier ist alles Wesentliche aufgedeckt. Bekkers Begriff des „musealen" Operntheaters
erfahrt eine starke Vertiefung. Aber von seinem artistischen Bekenntnis zur „singenden
Menschenstimme" aus bleibt die an Hindemith und Weill gerichtete Forderung, eine
,,Volksoper zu schaffen, die alle Tragik der Verhaltnisse iiberwindet und in der stets
erneuten Bejahung ihr Lebensziel finder", unklar.
Einige mehr an der Peripherie liegende Briefe erganzen das Bild, ohne es zu er-
hellen. Das ist die Auseinandersetzung mit einem Verlag, der Brief an den Opernsanger,
den Operettenkomponisten und schliefilich das Gesprach mit dem eigenen Spiegelbild
(ein wunderbares Motiv fiir einen Theatermenschen, aber nach keiner Bichtung ausge-
schopft). Aber dies alles bleibt in einer mehr privaten Atmosphare und ohne rechte Stofikraft.
Ein Zeitbuch ist entstanden, das zu einer Auseinandersetzung zwingt, in dem Zu-
stimmung und Ablehnung sich mannigfach kreuzen und in dem ein Dutzend wesent-
licher Menschen, scharf und lebendig, aber nicht erschopfend gesehen, in unsern Ge-
sichtskreis treten.
403
■nvx^KnHVHVTCmpiP
i -JUL*ppil^!!Pfl!W^
Oberholte lllusirationsmethoden
Rundfunk und Film
FilmstM Und FMmmUSik Kurt London
Daft ein Kunstwerk Stil habe, ist bei seiner Beurteilung eine der wesentlichste'n
Ssthetischen Forderungen. Stillosigkeit in der Kunst entspricht der Mifibildung in der
Natur: sie halt sich allenfalls kurze Zeit miihsam am Leben, stirbt dann schnell ab und
hat selten genug das unverdiente Gluck, als Kuriosum im Gedachtnis kunftiger Zeiten
verankert zu bleiben. (Als Kuriosum, nicht als Kunstwerk.) <
Es gibt mannigfache Stilmoglichkeiten, aber jeweils immer nur einen anwendbaren
Stil. Ein stilvolles Werk ist unserer Achtung sicher, auch wenn wir es an sich nicht be-
jahen; Stillosigkeit versagt selbst dem Talent, das sich etwa in ihr findet, die mildernden
Umstande. Es gibt keine Kunst bhne Stil.
■
Was nun, in diesem Zusammenhange, den Film betrifft, so ist er freilich ein arg
vernachlassigtes Stiefkind, das die Kunst zur Mutter, das Geschaft zum Vater hat und
nun nicht recht weifi, fiir wenn es sich eigentlicli erklaren soil. Er war von Anfang an
stilistisch unsicher, erreichte nur am Ende der Stummfilmzeit - mitunter - beacht-
liche formale Geschlossenheit. Seine natiirlich beschrankten Darstellungsmittel erwiesen
sich rein kiinstlerisch als sein Gliick: gerade seine Primitivitat bildete er virtuos aus.
Die Musik versuchte zu erganzen, zu vertiefen, zu kolorieren. Mit dem Wachstum
des Films wuchs auch sie vom Leierkasten oder Orchestrion zum grofien Sinfonie-
Orchester. Der Rahmen war also gegeben, — wie finite man ihn aus ? — Beinahe noch
mehr als den Bildern selbst haftete dem filmmusikalischen Stil Unsicherheit an. Nach
Uberwindung des r Groschenkintopps", dessen Klavierspieler eine kriminelle Verfolgungs-
szene etwa mit dem schonen Schlager „Man steigt nach" musikalisch illustrierte, gab
man sich Miihe, den Stimmungsgehalt der Bilder mit ernsthafterer Musik anzudeuten,
kam auch allmahlich darauf, gute Filme eigens komponieren zu lassen, um einen mog-
lichst geschlossenen Stil zu erreichen. Mit solchen Durchkompositionen — im Verhaltnis
zu den tausenden von Stummfilmen blieben es verschwindend wenige — war ohne
Zweifel ein gewisser Hohepunkt des Filmstils erklommen, der durch noch so geschickte
ZusammenstellungverschiedenartigsterMusikstuclce(Kinotheken) nicht erzieltwerdenkonnte.
Nach drei Jahren Tonfilm haben wir eingesehen, dafi man die sogen. Kompilation,
die Illustrationsmethode durch Zusammenstellen einzelner Piecen, weit uberschatzt hat.
Heute wissen wir, dafi es sich eigentlich eriibrigt hatte, iiber Wert oder Unwert soldier.
Musikaufstellungen zu diskutieren, deren Lektiire uns anno 1932 lachen macht, — dafi
es vielmehr dabei nur Abstufungen des Geschmacks und des Geschicks gab, um wenigstens
die abstrusesten Stilklitterungen zu vermeiden. Dafi bei diesem musikalischen Stilge-
misch, bei dem etwa das Bedauern iiber nicht vorhandene Bananen T soldes Liebestod
auf dem Fufie folgen konnte, auch der Filmstil zu wirklicher Ausgeglichenheit hochst
404
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Schlager zersetzt den Tonfilm
selten zu gelangen vermochte, ist erklarlich. Denn Musik blieb sein untrennbarer Be-
standteil, solange er stumm war. Routine verdeckte Stilfehler. Man hatte daraus fur
kiinftige Zeiten lernen konnen, man hat es nicht getan.
■
Der Tonfilm kam. Die Musiker triumphierten : jetzt mufite das goldene Zeitalter
fur die Filmmusik anbrechen ! Weder schienen wirtschaftliche, noch technische Griinde
gegen die originale Komposition eines jeden Tonfilms zu sprechen.
Die Enttauschung kam schnell. Es begann die Zeit, da man den Tonfilm zum
Bastard machte, da man jedem angefangenen Stummfilm Ton aufpfropfte, damit er nur
eben Laute von sich gebe. Nach Erledigung dieses unwiirdigen Zustands anderte sich
nur eines: den Platz der Kinotheken und Musikaufstellungen erbte der Schlager, ver-
drangte schliefilich fast alle ernsthaften filmmusikalischen Versuche und behauptete zu-
letzt das Feld als iiberlegener Sieger.
Einmal in die Welt gesetzt, breitete sich der Schlagerbazillus immer weiter aus,
wurde zur Schlagerindustrie und begann, planmafiig den Tonfilm zu zersetzen.
Er unternahm es, sich in Gebiete zu drangen, in die er nicht gehort, — wenn man
von eigentlichen Tonfilmoperetten absieht. Er hat den Stil des Tonfilms, also den Stil
einer ganz neuen Form darstellender Kunst, systematisch zerstort. Er hat aus dem
Drama eine Operette gemacht, aus dem Schauspiel eine Posse. Er hat das dramatur-
gische Gewebe auch des sorgfaltigsten Manuskriptes zerrissen, die Spannung an den
wichtigsten Momenten aufgehoben und, im Verein mit seinen meist dummen, platten
Texten, das Allgemeinniveau des Film auf eine viel zu niedrige Stufe gedriickt. Durch die
schnell einsetzende Massenproduktion von Schlagern entstand eine Schlagerinflation, bei
der eine Nummer von der anderen kaum mehr zu unterscheiden ist. Verstandlich, daS
da das Publikum rasch abstumpfte, und dafi sich die Gelder, die Film- und Schlager-
industrie verdient hatte, sehr bald an Hand der Kassenrapporte der Kinos als Danaer-
geschenk erwiesen.
Durch die fast uneingeschrankte Herrschaft des Schlagers verwischte sich der
Charakter der Filme immer mehr. Es gab kaum mehr einen stilistischen Unterschied
zwischen Drama und Singspiel. Diese laxe Auffassung vom Kunststil kam der Neigung
gewisser Produzentenkreise sehr entgegen, nur solche Filme zu drehen, die moglichst
alien Volkskreisen genehm waren. Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich sollten die
Filme jeder Geschmackgrichtung etwas geben, jedem ein Stiickchen seiner Weltanschauung,
ein bifichen Ernst und ein bifichen Scherz. Aber das geht heute nicht mehr. In einer
Zeit, da sich die Meinungen dariiber, wie das Leben sein mufite, uberall in der Welt
mehr denn je und schroffer als jemals gegeniiber stehen, hat der Opportunismus sehr
bald seine Grenzen. Die Charakterl osigkeit mufi endlich aus den Dreh-
biichern verbannt werden, — wobei Charakterlosigkeit bis zum gewissen Grade
mit Stillosigkeit identisch ist.
■
Nur selten wurde der Schlager in so verfeinerter, mit dem Bild und dessen At-
mosphere oder Rhythmus verbundener Form gebracht, dafi man ihm auch bei strengerer
kunstkritischer Betrachtung Daseinsberechtigung zubilligen konnte. Es waren das Falle,
in denen er, wie etwa in „Sous les toits de Paris", aus der Idee des Manuskripts
405
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Noch fehlt der Musikfilm
heraus gleichsam zum wichtigen Requisit wurde. Aber Filmmusik im eigentlichen Sinrie,
die sich ernstlich als solche ausgeben kann, gab es bisher iinmer noch hochst wenig.
Das lag nicht am Mangel an guten Komponisten, sondern eben an der Stoffgestaltung
durch die Filmproduktion. Dabei hatte gerade Deutschland Gelegenheit gehabt, den
neuen Stil zuerst auszubilden, der bereits in einem seiner ersten Tonfilme (1929) vor-
handen war; im „Land ohne Frauen" tauchte jene neuartige Form von Musik- und
Dialogmischung erstmalig auf, wurde erst zwei Jahre spater in Rene Claire Filmen zu
stilistischer Vollendung gebracht.
Immer noch fehlt der eigentliche Musikfilm. Musiker wie Hindemith, Milhaud,
Rathaus, Eisler, Dessau, Zeller, Becce u. a. m. haben in den wenigen Filmwerken, die
mit guter Musik versehen wurden, Ansatze gezeigt, yon denen aus der filmmusikalische
Stil, damit der Filmstil iiberhaupt, weitergebildet werden konnte. Die stofflich-stil-
mafiige Unsicherheit, Hemmschuh einer gesunden Entwicklung, wird erst aufhoren, wenn
man es unterlafit, unter dem Vorwand kiinstlerischer Betaligung Gefalligkeitsfilme zu
drehen (nach dem Motto: wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen), und wenn
ferner der Musik auf die Gestaltung des Drehbuchs eine entscheidende Stimme zuer-
kannt wird.
Dann erst konnen eich die Geister scheiden, dann wird man beim Besuch einer
Filmoperette kein verstiimmeltes Drama, beim Besuch eines ernsten Stiickes keine ver-
kappte Posse mit Gesang und Tanz vorfinden. Dann wurde sich der Musikfilm, als eine
der wichtigsten Formen des Tonfilms, in moglichster Stilreinheit entwickeln, — konnte
endlich ein stilistisches Grofireinemachen einsetzen und den Film von jener StaubkruBte
befreien, die im Durchschnitt fingerdick auf ihm liegt und seine unabsehbaren Moglich-
keiten verdeckt.
Der Rundfunk ist
kein Konzertsaal Walter Gronostay
Zu Urzeiten — namlich zu Beginn des stummen Films — hingen in der Passage
unter den Linden grofie Kasten aus. Kasten mit verlockenden Inschriften wie Susanna
im Bade, Zwei muntere Bachfischlein usw. Man steckte zehn Pfennig in den Kasten,
drehte dann eine Kurbel und durfte sufi erschauernd mitansehen, wie eine Kolossal-
dame sich schelmisch lachelnd ihren Korsettpahzer vom machtigen Leibe schalte. Oder
man durfte — wiederum nach Einwurf eines Zehnpfennigstucks und wiederum kurbel-
drehend erleben — wie zwei Mastbackfische eine Bettfedernschlacht in ihrem Boudoir
ausfiihrten.
Diese kecken Genrebilder waren weiter nicht erwahnenswert, wenn sie nicht ein
ganz gutes Vergleichsmoment fur kommende Dinge abgaben. Das Interessante an den
eben beschriebenen Szenen ist, dafi eine Wirkung nicht durch ktinstlerische Mittel,
sondern durch den Darstellungsstoff selbst erzielt werden sollte.
Sowohl der stumme Film als audi spater der Tonfilm hielten sich eine Zeit an
Vorlagen, ehe sie ihren eigenen Stil fanden. Anders der Rundfunk; denn der halt seine
406
Es gibt keine »Musik an sich«
Vorlagen fur seinen Stil. Aber seine Schwierigkeiten sind viel, vertrackter, und wenn
man den hier im Pfeffer liegenden Hasen der Offentlichkeit vorfiihren will, mufi man
entschlossen wie ein Kriminalinspektor von Scotland Yard in das Dunkel der Probleme
hineinstofien.
Die Welt des Sichtbaren existiert fur den Rundfunk nicht. Also griff man seiner-
zeit zwanglaufig eine Kunstform auf, die nur in der Welt des Horbaren anzutreffen
war: die Musik. Also bekam die Musik den breitesten Platz an der Sonne. Also nimmt
heute die Musik fast 75°/o des Gesamtprogramms ein. Sendestoff ist demnach in reicher
Fulle gegeben. Und da ein Musikstuck zugleich identisch ist mit seiner Darstellungs-
form, sollte man glauben: das Problem — Musik im Rundfunk — sei ganz und gar
gelost.
Wenn heute ein Kritiker Musik im Rundfunk zu beurteilen hat, so sagt er: die
Musik, die ich eben gehort habe, war gut oder schlecht, der Kunstler, der sie ausfuhrte,
konnte etwas, oder konnte nichts. Das heifit, er hat sich daran gewohnt, im Rundfunk
dieselbe Musik wie im Konzertsaal anzutreffen, er empfindet die Musik an dieser Stelle
als ebenso selbstverstandlich wie den Himmel zu seinen Haupten. Die ganze Angelegen-
heit ware also sicherem Einvernehmen nach in bester Ordnung. Sie ist aber gar nicht
in Ordnung.
Wir erleben heute eine Situation, deren Neuartigkeit wirklich frappant ist. Die
besonderen Schwierigkeiten ergeben sich aus folgenden zwei Punkten. Erstens ist Musik
immer fur einen bestimmten Kreis bestimmt. Im Rundfunk wird nun dieselbe Musik
losgelost von ihren besonderen Gegebenheiten einer unbestimmbaren Masse vorgefuhrt.
Zweitens fallt die gesellschaftliche Form des Horens, wie sie der Konzertsaal durch
seine besonderen Gegebenheiten erzwingt, im Rundfunk fort. Der Funkteilnehmer h6rt
ungesellschaftlich und privat. Es lohnt sich, auf diese beiden Punkte naher einzugehen.
Musik an sich kann es nicht geben, denn Musik ist eine menschliche Aufierung.
Dafi ein Gedanke eine Form annimmt, dafi Gedachtes uberhaupt gesagt wird, lafit
auf den Willen zur Mitteilung schliefien. Und es ist immer ein Partner da, dem etwas
mitgeteilt werden soil.
Aus dem einen werden viele Partner, und am Ende ist es ein ganzer Kreis von
Menschen, an die sich die kiinstlerische Mitteilung richtet. Aber es ist dann immer ein
bestimmter Kreis, der in seiner Begrenzung dem Musiker nicht einmal plump bewufit
zu werden braucht. So dachten Haydn und Mozart wahrscheinlich nicht an ein feudales
Publikum, so dachte Beethoven nicht an ein liberal-burgerliches und Wagner nicht
an ein national-burgerliches Publikum, sie dachten alle nicht daran, aber sie schrieben
doch dafiir. Auf ein bestimmtes Publikum werden die Kunstmittel abgestimmt.
Die Frage ist jetzt, ob es moglich ist, so spezielle- Gebilde uberhaupt auf ein
anderes Zeitaiter, in ein anderes Milieu und besonders auf den Rundfunk iibertragen
zu konnen.
Kunstmusik ist fast immer exklusiv. Mit wenigen Ausnahmen richtet sie sich an
eine verhaltnismafiig kleine Schicht von Menschen. Da aber diese kleine Schicht die
offentliche Meinung bestimmt, Zeitungen und Biicher schreibt, kann man leicht der
Meinung werden, diese wenigen waren alle.
407
Keine exklusive Kunstmusik fur die Masse
Dieser Minoritat sind ohne weiteres Kunstwerke vergailgener Epochen zuganglich,
weil sie durch ein historisches Training — allgemein Bildung genannt — ein geschicht-
liches Einfiihlungsvermogen anerzogen bekommt. Die Mehrzahl der Menschen — da
diese Voraussetzungen bei ihnen nicht zutreffen — hat jedoch die Moglichkeit einer
geschichtlichen Einfiihlung nicht. Konkret gesprochen: die iiberwaltigende Mehrzahl der
Funkhorer lehnt Kunstmusik, sogenannte Opusmusik, ab.
Diese ablehnende Haltung wird umso verstandlicher, wenn man die ubrigen
Schwierigkeiten bedenkt, die sich vor dem verzweifelten Funkhorer verschwenderisch
auftiirmen.
Funkhoren ist dasselbe wie unorganisiertes Horen. Zwar ist es sufi und verlockend,
auf dem Sofa liegend Wagner zu horen, aber Wagner hat seine Werke nicht fur den
auf dem Sofa liegenden Zuhorer bestimmt. Im allgemeinen wird namlich einem Musik-
stiick zugleich das Hormilieu mitgegeben. Bachsche Kantaten werden in der Kirche,
Beethovens Symphonien im Konzertsaal und Wagners Musikdramen in Bayreuth gehort.
Die Suggestion, die von einem Baum ausgeht, tragt viel dazu bei, dem Horer eine
bestimmte Disziplin zu verleihen. Wenn auch diese Art von Disziplin etwas aufierlich
ist, so ist sie doch Zucht und gibt Haltung.
Wer stiinde z. B. im Konzertsaal ohne weiteres auf, wenn ihm das Musikstiick
nicht gefallt und er aufierdem noch in der Mitte der Beihe safie. Beschimpfungen —
vor alien Dingen, wenn man wahrend eines pianissimo hinausgeht — waren die
Quittung fur solche Zuchtlosigkeit. Und so mufi denn Musik wirklich schon sehr scblecht
sein (oder sehr neuartig. Die Schriftl.), wenn man den Entschlufi fafit, sich lieber be-
schimpfen als qualen zu lassen, und also das Fauteuil verlafit. Ungeheuer einfach ist es
hingegen, das Empfangsgerat abzustellen oder wahrend einer Symphonie einen Roman zu
lesen. Ernsthaftes Unwohlsein kann dem Funkhorer kaum bereitet werden, ein gutiges
Geschick hat ihm die Moglichkeit mitgegeben, Haus und Hof gegen mifiliebige Klange
zu schutzen. Gegen ein Gift ist ihm sozusagen ein Gegengift in die Hand gedruckt
worden. ,
Die beiden Schwierigkeiten, die einer erfolgreichen Verbreitung von Kunstmusik
durch den Rundfunk entgegenstehen, sind beschrieben. Es waren :
1. der Widerspruch zwischen Kunstmusik und Masse,
2. das unorganisierte Horen.
Man hat beschlossen, diesen Schwierigkeiten nicht weiter Wert beizulegen und
einen einfachen Weg einzuschlagen.
Man verzichtet kurzerhand auf das Mitgehen der Masse und stellt sich auf den
Standpunkt, dafi man dem grofien Publikum geben soil, was- es im Grunde seines
Herzens eigentlich will: Blasmusik, Tanzmusik und Unterhaltungsmusik aller Art, dafi
man auf der anderen Seite dem gebildeten Teil des Publikums Kunstmusik vorsetzt, je
nach dem Ausfall der Reichstagswahlen entweder vorwiegend moderne oder vorwiegend
klassische, romantische Programme.
Das ist ein ungeheuer gefahrlicher Standpunkt.
Man nimmt sich auf diese Art und Weise jede Moglichkeit einer kiinftigen Massen-
beeinflussung und ist infolgedessen, um dem Publikum xiberhaupt etwas zu bieten, ge-
zwungen, die Minusseiten des offentlichen Geschmacks besonders zu betonen.
408
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Keine Konzertprogramme im Rundfunk
Man mufi aber, wenn man den entstandenen Schaden wieder gutmachen will, sich
bemiihen, Auffiihrungsformen zu finden, die ein verstandnisvolles Horen eher ermog-
lichen als die bisherigen. Die Prinzipien der musikalischen Redaktion, nach denen heute
gearbeitet wird, entstammen dem Konzertsaal und sind nicht auf den Rundfunk ubertragbar.
Ein Konzert wird von Leuten besucht, die ein Konzert horen wollen, die iiber-
haupt schon eine nahere Beziehung zur Musik haben. Ein Funkkonzert aber soil von
Leuten gehort werden, bei denen solche Voraussetzungen nicht zutreffen. Dazu ist noch
die obenerwahnte Schwierigkeit zu beriicksichtigen, die sich aus dem unorganisierten
Horen, wie es der Radioempfang bedingt, ergibt. Es wird daher die erste Aufgabe sein,
die Aufmerksamkeit dea Horers zu fesseln, um sicher auftretenden Ermiidungser-
scheinungen von vornherein zu begegnen. Es ermiidet eine langausgedehnte Form,
deren Logik der Horer nicht erfassen kann, da er iiber die dazugehorigen Bildungs-
voraussetzungen nicht verfiigt. Es ermiidet ein gleichmafiiger Klang, wie der Klang des
Klaviers oder des Streichquartetts. Das typisch funkungeeignete Stuck in diesem Sinne
ist die Hammerklaviersonate von Beethoven. Das musikalische Funkprogramm soil nahe-
zu filmartig aus einer Reihe von verschiedenartigen Reizen zusammengesetzt werden,
die die Aufmerksamkeit des Horers standig fesselt.
Es gibt auch schon im Sendebetrieb einige Beispiele hierfiir. Zu den erfolgreichsten
Programmen gehoren die Schallplatten und die Funkpotpourris. In beiden Fallen haben
sich diese Typen vom Konzertprogramm vollig entfernt. Die Musikstiicke sind kurz,
die klangliche Abwechslung ist zum Prinzip gemacht. Noch eine bisher nicht ausgeniitzte
Moglichkeit bietet sich, um Kunstmusik den Horern einigermafien auffafibar zu machen.
Man kann die Musik als reines Phanomen in einen kunstgeschichtlichen Querschnitt
einordnen. Derart vielleiclit, dafi man auf ein Stuck Rousseau oder eine Napoleonische
Proklamation ein Werk von Beethoven folgen lafit, das wiederum von einem Goethe-
brief abgelost wird. Die Beziehung, in der ein Werk zum Zeitgeschehen stande, wiirde
offenbar und Musik wiirde als Kulturgeschichte erlebt.
In all den Fallen, wo der Rundfunk sich auf seine Eigengesetzlichkeit besinnt, ent-
steht die Moglichkeit einer neuen funkischen Wirksamkeit. Wenn er z. B. jedoch be-
denkenlos die Voraussetzungen eines fremden Milieus zu seinen eigenen macht, wird er
sofort wirkungslos. Wirkungslosigkeit ist aber das schlimmste Schicksal, das man einem
Musikstiick bereiten kann. Die. Musiker sind heute noch viel zu eingesponnen in die
Traditionen ihrer Kunstiibung, als dafi sie jetzt schon erkennen wiirden, wie unsinnig
es ist, den gewohnten Betrieb auf den Rundfunk zu iibertragen.
Die unentwegten Sanger, Geiger und Pianisten merken nicht, dafi ihnen aufier der
Konkurrenz niemand im Rundfunk zuhort. Wahrend so ein Braver unverdrossen am
Klavier werkelt, sind die Lautsprecher in Berlin langst abgestellt; er konzertiert sozusagen
in der Wiiste, obwohl ihm dort vielleicht sogar noch die Wolfe oder Fiichse zuhoren
wiirden.
Man vergesse nicht, es ist fur den einfachen Mann schon fast unmoglich, die
Kunstmusik zu begreifen. Man macht aber jedes Verstandnis radikal unmoglich, wenn
man ihn nun auch noch in ein drahtloses Konzertleben einbeziehen will. Die Erfahrung
hat unwiderleglich bewiesen, dafi Kunstmusik, ordnet man sie zum Konzertprogramm,
ihreWirkung im Funk verliert.
409
■ : -jy-ihit ; - n -im f ^j-H-'i'jfif.iti.ftj^ ' tfyyy- T .s -"
Pariser Ehrung fiir Koechlin ____
Wenn man sich jetzt nicht zu einem schrankenlosen Aesthetizismus bekennen will,
wenn man Musik wirklich wirken lassen will, mufi man sich von dem Prinzip, mit der einen
Hand Musik fiir Gebildete und mit der anderen Hand Musik fiir Ungebildete zu spenden,
ein fiir allemal abkehren.
Ein unproduktiver Rundfunk wird sich immer mit der Anhaufung von Sendestoff ^
begniigen, wahrend ein produktiver Rundfunk vor allem fiir die Sendeform eintreten
und im Ernstfall kampfen wird.
Es ist fiir die Musiker heute wichtiger, sich um die lebendige Wirksamkeit der
Musik im Rundfunk zu kiimmern, als den vollig aussichtslosen Versuch zu machen, die
Gesetze eines anderen Milieus hierher zu iibertragen.
Alle Remiihungen miissen sich darauf konzentrieren, die Eigengesetzlichkeit des
Rundfunks zu entwickeln. Allerdings — solche Bemiihungen sind mit gewissen Unbe- '
quemlichkeiten verbunden.
Ausland
Pariser Novitaten Robert Gaby
Die Krise, die ganz Frankreich bedriickt, wirft ihre Schatten auch auf die Musik
und ihre Lage. Es hat eine Krise in der Opera gegeben, wo der Direktor Rouche wegen
des Defizits mit dem Riicktritt drohte. Es kriselt auch in der Opera-Comique, und die
wiedergenffneten Pforten werden dort, daran ist kein Zweifel, fiir keinerlei Novitaten
offenstehen, sondern man wird einzig darauf bedacht sein, mit dem alten, mehr oder
minder guten Spielplan Kasse zu machen.
Immerhin hat die Opera, nach der Erstauffiihrung eines nebensachlichen Werkes,
betitelt „Les Jardins sur l'Oronte", ein Ballett von Prokofieff angesetzt.
Was die Konzerte anlangt, so findet man wenig Aufiergewohnliches angezeigt.
Demnachst jedoch soil eine Festveranstaltung fiir Koechlin stattfinden. Charles
Koechlin ist ein merkwiirdiger Musiker, der seine Arbeitskraft vornehmlich in seiner
Eigenschaft als Eehrer verausgabt: mehrere junge Musiker von Rang haben seine Er-
ziehung genossen. Aber er hat auch selber eine betrachtliche Anzahl von Kompositionen
geschrieben, deren Charakter nicht leicht zu fassen ist: in ihnen ermoglicht eine sehr
freiziigige Scholastik, die sich aus einer fast anarchischen Inspiration, jedoch auf einer
gesicherten Grundlage erhebt, die Unternehmung kiihner Experimente, denen es nicht
an Geisteskraft ermangelt. Das Werk Koechlins bleibt, zumal der Autor die Bescheiden-
heit in Person ist, an der Peripherie des Musiklebens, es ist aber trotzdem, iiber seine
noble Grofiziigigkeit hinaus, in mehr als einem Retracht interessant. Jedenfalls tragt es
den Stempel einer bedeutenden Personlichkeit, deren wahre Wirksamkeit durch die zu-
riickhaltende Rolle, die sie spielt, keinesfalls erschopft wird.
410
Konzerte der „Serenade"
Weiter wird, unter Mitwirkung des Geigers Dushkin, ein Strawinsky-Fest an-
geKindigt.
Die Gruppe der ,,Serenade" hat seit dem Wiederbeginn der Saison noch kein
Konzert gegeben, aber ich habe noch von zwei Werken zu berichten, die sie an ihren
beiden letzten Abenden aufgefuhrt hat.
Zunachst: die Partita von Igor Markevitch. Ich mufi zwar annehmen, dafi
diese Partitur in Deutschland bekannt ist, aber es liegt mir daran, ihre Bedeutung zu
unterstreichen. Sicherlich ist diese Partita nicht das beste Stuck des ausgezeichneten
Musikers, der das Ballett „Rebus" komponiert hat. Aber auf Grund seiner besonderen
Formanlage beweist dies Werk, besser als das erste Concerto des Autors, besser als seine
Kantate, ja selbst besser als das ungewohnliche Concerto grosse fur 44 Solisten, die durch-
aus unalltagliche Stichhaltigkeit jener ,.klassischen" Technik, deren sich dieser junge
Musiker bedient. Sein eiserner Wille, der in Bezirken der Musik, wo man ihn am letzten
erwartet hatte, einen so phantastischen Meteor wie die abschliefiende „Parade" des Balletts
„Rebus" hervorzuzaubern vermoohte, dieser eiserne Wille ist asketisch genug, um sich
mit Begeisterung einem Formalismus von hochster Wucht zu vermahlen, dessen Wurzeln
in das gleiche Absolute hinabreichen wie die Wurzeln der Bachschen Form. Die Konsequenz,
mit der urspninglich frei gesetzte Linien sich entwickeln, bezeugt eine so zwingende
Logik, dafi hier die hochste personliche Freiheit mit einem vollig abstrakten gedank-
lichen Prozefi vereint scheint. Die erstaunliche Leichtigkeit, mit der das Spiel der schlanken
Melodien und der nervosen Spannungen in den Rahmen des „Klassischen" eingefiigt
ist — schon der Titel des Werkes ist ja ein Programm! — ist sicheilich ganz etwas
anderes als blofi die Dokumentation einer Spezialbegabung, die sich dank einer be-
merkenswerten Assimilationsfahigkeit des Klassizismus als Technik bemachtigt hat. Im
Jahre 1932 scheint ein Phanomen wie dieses vielmehr zu bekunden, in wie hohem
Mafie sich die europaische Musik einer bisher noch unbekannten Phase genahert hat.
Unter diesem Gesichtspunkt nehmen sich die Fragen nach den einzelnen Schulen, die
diversen Schreibweisen, die Lasten der Grammatik, der Harmonie und der Orchestration,
die verschiedenen Kategorien der Inspiration ebenso wie die ideologischen Werte und
die unterschiedlichen sozialen Schichten der frxiheren Musik aus wie lauter entleerte und
relativierte Systeme, wie Materiale, die erschopft sind. Man meint zu beobachten, dafi
die musikalische Schopferkraft sich neue Wege in entlegenen Zonen und fremden
Materialien erschliefit. Der Preis, um den das geschieht, ist ohne Zweifel das Ver-
schwinden der sinfonischen Musik in dem Sinne, wie wir sie bisher verstanden haben.
Weiter soil eine heitere Kantate von Francis Poulenc genannt werden: „Le
Bal Masque' - , mit Texte*n von Max Jacob. Auch in dieser brillanten Suite von sechs
Stiicken herrscht eine Verve, eine sinnliche Kraft, die vergessen lafit, dafi in dem etwas
zu mondanen Witz, in der demonstrativen Unsinnigkeit dieser Unterhaltungsmusik eigent-
lich die Oberflachlichkeit gar zu weit getrieben ist. Dennoch zahlt das Werk zu Poulencs
besten.
411
Elektrische Musik auch in Paris
Von Nabokoff horte man eine kurze Kantate „Collectionneur d'echos",
die in einigen thematischen Wendungen Haltung beweist. Mehr Freiziigigkeit in der
Form, eine entschlosaenere, mannlichere Schreibweise waren diesem talentierten Musiker
zu wiinschen, von dem im Lauf der letzten Jahre bereits mehrere Werke Beachtung ge-
funden haben.
Delikatesse, treffender Ausdruck und IntimitiLt der Gefiihle im geziemenden Mafie
der vokalen Form — das sind die Vorziige von Henri Sauguet. Ich habe an dieser
Stelle schon auf die Meriten seiner Lieder hingewiesen. Eine Suite von Gesangen, die
er uns in einem Konzert der „Serenade" vorgefiihrt hat, tragt den Titel „La Voyante"
(Cartomancie — Astrologie — Chiromancie). Sie empfiehlt sich durch dieselbe heimliche
Zartheit und durch den gleichen melodischen Zauber, die uns in Sauguets gelungensten
Musiken entziicken.
n
Eine sehr phantastische Komodie des jungen Dichters de Richaux: „La Chateau
des Papes" hat Darius Milhaud angeregt, in den Ablauf der Handlung eine regel-
rechte kleine Partitur einzuschalten, die weit mehr ist als blofi eine Biihnenmusik. Und
das ist, wenn ich niclit irre, die einzige Novitat, die Paris seit Anfang der Spielzeit
kennen gelernt hat.
Das Theater „Atelier" vermittelt mit diesem Stiick zugleich eine vorziigliche Vor-
stellung dessen, was man eine moderne Formulierung der komischen Oper nennen
konnte. Das ist in der Tat eine komische Oper, wie sie unserem heutigen Gefiihl ent-
spricht; mit knappen Musikstucken, die den Gang der Handlung retardieren, die einzelnen
Teile der Komodie verloten und mit bunten Farben durchwirken. Die Musik spielt bier
manchmal geradezu die Rolle einer Figur, die, sobald sie ihr Spriichlein aufgesagt hat,
brav wieder in ihre Ecke zuriickkehrt.
Schliefilich ist auch diese Art der komischen Oper eine Ausgeburt der Krise, denn
Milhaud begnugt sich mit drei Klangfarben, um seine Komposition zu kolorieren: mit
einer Trompete, einem Klavier und mit Martelots elektrischem Apparat, der bei dieser
Gelegenheit erstmalig sehr klug und mit bemerkenswerter Geschicklichkeit verwendet
wird. Diese drei Klangfarben, die hinter der Kulisse produziert werden, machen ein be-
taubendes Orchester von einer Vielfaltigkeit aus, die nur den erstaunen wird, der mit
der Virtuositat Darius Milhauds nicht vertraut ist. Um einen Vergleich zu geben, kann
man sagen, dafi der Charakter dieser Musik dem der besten Nummern aus „Salade"
ahnelt, welches Ballett ja auch in Deutschland bekannt geworden ist. Dariiber hinaus
findet man in der neuen Partitur einen Teil jener grofien Bereicherung wieder, die
Milhauds Kunst seit 1924 erfahren hat, diese Mischung von Delikatesse und Kraft, die
in seinen grofien Opern noch den scheinbar massivsten Teilen einen Hauch von Zart-
heit verleiht. Es finden sich darin auch einige kleine Chore von reiner und anspruchs-
loser Zeichnung. Gewisse melodische Linien haben die Simplizitat, die nackte Schonheit,
die nur den grofien Meistern gegeben ist, die jedoch bei dem Autor des wunderbaren
Vorspiels zur „Creation du Monde" nicht iiberraschen kann, so komplex und gar iiber-
laden die Musik Milhauds auch denen erscheinen mag, die ihre prachtvoll einfache und
ungebrochene Lebenskraft nicht zu spiiren vermogen.
(Deutsche Ubertragung von Hanns Gutman)
412
Neuerscheinungen
Meloskritik
Neuerscheinungen
Wir bringen in dieser standig wiederkehrenden Bubrik ohne An-
spruch auf Vollstandigkeit eine erste Auswahl aus den musikalischen
und musikliterarischen Neuerscheinungen. Wir behalten una vor, auf
einzelne der hier erwiihnten Werke noch ausfiihrlicher einzugehen.
Neue Musik — vokal
Hermann Reutter, Der gliickliche Bauer, op. 44,
eine Kantate nach Liedern von Matthias Claudius
1'iir ein- und zweist. gemischten oder Mannerchor
und Instrumente. Scliott, Mainz
Joseph Haas, Christnacht, ein deutsches Weihnachts-
liederspiel, op. 85. Nach alten Weisen mit ver-
bindenden Worten von Wilhelm Dauffenbach, fur
Solostimme, Sprecher, gem. Chor (oder Frauen-
bzw. Kinderchor) mit kleinem Orchester.
Schott, Mainz
Wolfgang Fortner, Drei geistliche Gesange, fur ge-
mischten Chor a cappella : 1. Geistliches Lied
(Matthias Claudius), 2. Agnus Dei (Verlaine-Bilke),
3. Psalm 46. ScJwtt, Mainz
Werner Wehrli, Allerseelen, kleine Kantate nach
schweizerdeutschen Gedichten von Soft Hammerli-
Marti fur eine mittlere Stimme, Frauenchor, zwei
Trompeten und Klavier, op. 30. Hug, Zurich
— Auf zum Mond, eine lustige Oper zum Gemein-
schaftsspiel fiir Kinder und Grofie, op. 33.
Hug, ZiiricJi
Willy Burkhard, Neue Kraft, Suite fiir gem. Chor
a cappella, op. 34, nach Texten von Eichendorff,
Tersteegen und aus der Bibel :
1. Werktag (Eichendorff), 2. Aus der Tiefe ruf
ich, 3. Gott ist gegenwartig (Tersteegen) 4. Lobe
den Herrn, meine Seele, 5. Jauchzet dem Herrn.
Ralf voii Saalfeld, Machet die Tore weit . . ., Mo-
tette fiir vierstimmigen gemischten Chor nach
Psalm 24, 7 — 10. Zum 300 jahrigen Jubelfeste der
Dreieinigkeitskirche zu Begensburg 1931.
Bdrenreiter- Verlag, Kassel
Gtinther Bamin, Psalm 13, fiir vierst. Mannerchor
und Orchester, op. 7, auch mit Orgel allein aus-
fiihrbar. Hug, Zurich
Hanns Haass, 2 Lieder fiir mittlere Singstimme und
Klavier : Wiegenlied, Blattertranen.
Hasslwanter, Koln
Albert Moeschinger, Kantate nach Spriichen des
Angelu8 Silesius, fiir Sopran, Solo-violine und
Klavier (Cembalo), op. 24. Schott, Mainz
Otto Siegl, op. 79, 6 Binding-Lieder aus ,.Aus-
gewahlte und neue Gedichte" von R. G.Binding
fiir eine mittlere Singstimme und Klavier :
l.Schicksal, 2. Flieg dahin, Lied, 3. Finsteres Gesicht,
4. Traumverkiindigung, 5. Wie bald, 6. Tag der
Liebe. Hasslwanter, Koln
Walter Hirschberg, Sechzehn Marienlieder fiir Ge-
sang und Klavier, op. 34 (Drittes und viertes
Marienliederheft) A : (1 — 8) fur eine hohe Sing-
stimme, B: (9 — 16) fiir eine mittlere oder tiefe
Singstimme.
— Von Gott und Welt, op. 35 B, Zehn Lieder fiir
eine mittlere oder tiefe Singstimme mit Klavier-
begleitung.
— Von Erde und Himmelreich op. 35 A, Zehn Lieder
fiir eine hohe Singstimme mit Klavierbegleitung.
Signale fiir die musikalische Welt, Berlin
Instrumental
B. Martinu, Streichquartett mit Orchester.
Schott, Mainz
Laszlo Lajtha, IV. Quatuor a cordes, op. 12.
Rozsavblgyi, Budapest
August Halm, Kammermusik
Heft 9 : Serenade C dur fiir Streichquartett
Heft 10: Streichquartett Fdur
Barenreiter-Verlag, Kassel
Kurt Gillmann, Poem fur Violine (oder Cello) und
Harfe (od. Klavier). Willi. Zimmermann, Leipzig
J. Jongen, Poeme Heroique pourViolon et Orchestre.
Schott, Mainz
Werner Wehrli, Romanze fiir Violoncello und kleines
Orchester, op. 34 Hug, Zurich
M. Schoemaker, Feu d'artifice, Poeme Symphonique.
Schott, Mainz
Wilhelm Rinkens, Suite in a moll, op. 59. Fiir
Schiilerorch ester : 3 Violinen und Klavier; Violon-
cello und Bafi ad lib.
In : Das Musikkranzlein, herausgegeb. v. H. J. Moser.
Kistner & Siegel, Leipzig
Paul Graener, Drei schwedische Tanze, op. 98 fiir
Klavier: 1. Lappland, 2. Ostergoth, 3. Dalekarlien.
Bote & Bock, Berlin
Georg Vollerthun, Fantasie aus der heiteren Oper
,.Der Freikorporal" op. 21 fiir Klavier.
Bote & Bock, Berlin
413
^wwiWSSIUM ■ I' WlfJi!Ut-.;i -^ip^Jllfj-. '• wm-W-l
Neuerscheinungen
Albert Moeschinger, Vier Klavierstucke op. 28
- Drei Klavierstucke, op. 29. Sehott, Mainz
P. J. M. Plum, Oeuvres pour grand Orgue :
op. 86, Final, Theme varie. Sdiott, Mainz
Hermann Grabner, Hymnus „Christ ist erstanden"
fur Orgel, op. 32. Kistner & Siegel, Leipzig
Neuausgaben alter Musik
Walther Hensel, Vom Kaiserreich und Antichrist,
Ludus de Antichristo, erneut von Wolf- Herbert
Deus. Barenreiter-Verlag, Kassel
Gregorianische Gesange zum Konzertgebrauch em-
gerichtet von I. Lohr. Saramlung Baseler Kammer-
orchester (Paul Sacher) Vogel, Basel
Dit-se aus dem Baseler Studio herausgewachsene Aus-
gabe Gregorianischer Gesange (acht Einzelbl itter) offnet
auch denen den Weg zur Gregorianik, wclche sie als
Musiker suchen. Die Gesange sind selbslverstandlich ein-
stimmig wiedergegeben, phrasiert und iibersetzt.
Guillaume Dufay, Zwolf geistliche und weltliche
Werke zu 3 Stimmen fiir Singstimmen und In-
strumente herausgegeben von Heinrich Besseler.
In: DaB Chorwerk, herausgegeben von Fr. Blume.
Kallmeyer, Wolfenbilttel
Josquin des Pres, Vier Motetten zu 4 und 6 Stimmen
fiir Singstimmen und Instrumente, herausgegeben
von Friedrich Blume. Kallmeyer, Wolfenbilttel
Michael Praetorius, Drei Lieder fiir Advent mid
Weihnachten, fiir zwei-, drei- und vierstimmigen
Chor (Sonderdruck aus Bd. IX. der Gesamtaus-
gabe der musikalischen Werke von Mich. Prae-
torius Nr. 1, 34, 197) herausgegeben von Fried-
rich Blume. Kallmeyer, Wolfenbilttel
Eccard, Geistliche Lieder, Bogen 4 u. 5 (Lose Blatter
der Musikantengilde Nr. 294 u. 295)
Kallmeyer, Wolfenbilttel
Heinrich Albert, Musikalische Kiirbishiitte, welche
uns erinnert menschlicher Hinfalligkeit, drei-
stimmig mit Generalbafi. Herausgegeben von
J. M. Muller-Blattau. Bdrenreiter- Verlag, Kassel
Melchior Frqnck. Dank sagen wir alle Gott. Weih-
nachtsmusik zu sieben Stimmen fiir zwei Chore
a cappella, herausgegeben vonF. Peters-Marquardt.
Barenreiter-Verlag, Kassel
Anton Holborne, Zwei Tanze fiir fiinf Instrumente :
Allemande und Gaillarde (Lose Blatter der Musi-
kantengilde Nr. 287 ; Notenbeilage 46 in : Zeit-
schrift fiir Schulmusik, August 1932).
Kallmeyer, Wolfenbilttel
Dietrich Buxtchude, Cantate Domino (Lobsinget
Gott, dem Herrn), Motette fiir 2 Soprane, Bafi
und Orgel. Barenreiter-Verlag, Kassel
— In dulci jubilo, Weihnachtsmusik fiir dreistimmigen
Chor, zwei Violinen und GeneralbaK. Herausg.
von Bruno Grusnick. Barenreiter-Verlag, Kassel
Henry PurcelL Funf geistliche Chore zu 4 — 6 Stimmen,
herausgegeben von Friedrich Blume.
Kallmeyer, Wolfenbilttel
414
Johann Benda, Concerto G-dur fiir Violine und
Piano (oder Streichorchester) ; nach dem Manu- ^
skript herausgegeben und bearbeitetvon S. Dushkin.
Sehott, Mainz
G. Tartini, Drei Trios fiir zwei Violinen und Piano,
bearbeitet und herausgegeben von E. Pente.
Sehott, Mainz
Johann August Sixt, 12 Lieder, zugunsten der Sixt-
forschung in neuer musikalischer Einrichtung und
textlicher Dberarbeitung herausgegeben von Erich
Fischer. Bote & Bock, Berlin
J. Stutschewsky, Konzert-Transkriptionen fiir Vio-
loncello und Piano: Nr. 1 J. S. Bach": Largo
Nr. 2 J. S. Bach: Praludium
„ 3 „ Siciliano ,
„ 4 G. F. Handel: Andante
„ 6 Matiegka-Schubert : Lento e patetico
„ 7 M. Mussorgsky : Hebraisches Lied
„ 8 „ Arie des Boris Godunow
„ 9 „ Gopak (Bussischer Tanz)
Sehott, Mainz
Biicher und Schriften
Heinrich Eckert, Norbert Burgmuller, ein Beitrag
zur Stil- und Geistesgeschichte der deutschen
Bomantik. In der Sammlung : Veroffentlichungen
des Musikwissenschaftlichen Instituts der Deutschen
Universitat in Prag. Fiber, Augsburg
Rohrer, Brilnn
Berthold Kellermann-Erinnerungen. Ein Kunstler-
leben der Aera Liszt - Wagner - Biilow mit Weimar,
Bayreuth, Berlin und Miinchen als geistige Mittel-
punkte. Herausgegeben von Sebastian Hausmann
und Hellmut Kellermann.
Rentsch, Erlenbacli
Julius Bistron, Emmerich Kalman. Mit einer auto-
biographischen Skizze der Jugendjahre von
Emmerich Kalman.
Karczag, Wien
Lazare Saminsky, Music of our day, Essentials and
Prophecies. Thomas Y Cowell Company, New York
Roinain Rolland, Johann Christophs Jugend.
Rtitten & Loening, Frankfurt
Rollands bekanntes Werk wurde von dem Verlag in einer
billigen Volksausgabe zufjanglich gemacht.
Der Kampf zweier Welten um das Bayreuther Erbe,
Julius Knieses Tagebuchblatter aus dem Jahre 1883.
Mit einer Einleitung von B. Freiherr von Lichten-
berg und 15 Bildtafeln. Herausgegeben von Julie
Kniese. Weiclier, Leipzig
Friedrich Trautwein, Elektrische Musik, Bd. 1, Ver-
offentlichungen der Rundfunkversuchsstelle bei der
Staatlich akademischen Hochschule fiir Musik,
herausgegeben von Georg Schiinemann.
Weidmann, Berlin
Jiirgen Balzer, Bibliografi over Danske Komponister.
Dansk Komponist-Forening, Kopenhagen
G. Breazul, Archiva Fonogramica a ministerului
instructiei, Cultelor si arlelor.
Extras din revista „Boabe de Grau", Bukarest
Hans Mersmann (Berlin)
Analyse des Musikerlebens
Musiksoziologie
Musikkrise als Krise des Lebensgehalts
Musikalitat als Problem der Musiksoziologie Walter Hegar
Der Verfasaer des nachfolgenden Beitrages hat sich praktisrh
(ale langjahriger Leiter einer Abendvolkshochschule in Siiddeutschland)
und theoretisch (durch eine Reihe von philosophisch-psychologischen
Studien) mit den Themen unserer musiksoziologischen Diskussionen
auseinandergeBetzt. Er nimmt zugleich Bezug auf die Brorterungen
iiber „Neue Geistigkeit" und „Musikkrise ira Volk" (Hefte 8/9 u, 12
des Jahrg. 1931). Mit der anthropologischen Deutung der Probleme,
die der Verfasser hier im AnschluS an die Psychologie von Ludwig
Klages versucht, schliefien wir die Reihe der Betrachtungsstandpunkte
iiber Sinn, Ziel und Aufgabe der Musiksoziologie ab.
Sinnvolles musiksoziologisches Fragen richtet sich letztlich immer auf den Menschen
und daher auf die soziologischen Bedingungen der Entfaltung oder Verkiimmerung der
Musikalitat. Musikalitat kann dabei im positivsten nur verstanden werden als „die der
menschlichen Existenz verliehene Moglichkeit, Musik zu erleben", als unmittelbare, von
allem rationalen Verstehen unabhangige Betreffbarkeit, ja als Aufhebbarkeit der ratio-
nalen Existenz des Menschen durch die Musik (Hans Boettcher in „Melos" 1932, H. 3,
S. 101 f.). Nun orientiert sich ohne stillschweigende oder ausdriickliche Voraussetzung
einer Anthropologic — Boettcher zitiert: „die Wurzel fiir den Menschen ist der Mensch
selbst" — Musiksoziologie sinnloserweise statt an der Musikalitat am „Musikleben" oder
an der „Gesellschaft", was darauf hinauslauft, den Menschen zum Spielball des anthro-
pologisch Gleichgiiltigen, Zufalligen und Willkiirlichen zu machen, wahrend doch die
y^-ufgabe sein mu6, mittels anthropologischer Kriterien u. a. Fehlentwicklungen des ge-
sellschaftlichen Lebens festzustellen, um ihre Korrektur gemafi einem Wesensbild vom
Menschen anzubahnen. Der in „Melos" haufiger verwendete Begriff des Schopferischen
verliert seinen Schlagwortcharakter nur innerhalb einer Anthropologic Unausweich-
lich drangt dahin die Feststellung, dafi die befragten zahlreichen Arbeiter iiberein-
stimmend eine Beziehung ihres Klassenbewu6tseins zu ihrem Musikverstandnis leugnen
und insbesondere Zweckmusik von der dem eigentlichen Musikbediirfnis dienenden aus-
driicklich unterscheiden.
Da der vorliegende Aufsatz ohne Kenntnis von Hans Boettchers Veroffentlichung
im Marzheft geschrieben wurde, so diirfte es von Tnteresse sein, neben der Gleich-
sinnigkeit der Bichtung beider Aeufierungen hervorzuheben, dafi von der musik-
soziologischen Fragestellung her Boettcher anthropologische Gedankengange entwickelt.
Von Wichtigkeit ist ferner die Ubereinstimmung, dafi er wie ich „rationale Erkenntnis"
(bei mir: „Musikverstandnis") und „musiksinnliches Erfassen" (bei mir: „Musikalitat")
unterscheidet.
Es wird hier versucht, noch einige weitere Ergebnisse der Diskussion im Sinne
einer Anthropologic zu verwerten.
415
Wodurch ist Musikalitat bedingt?
Musikverstandnis bezw. musikalischer Geschmack einerseits und Musikalitat ander-
seits konnen im Einzelmenschen, statt im Einklang, im Widerstreit stehen. In der ersten
Diskussion iiber Musiksoziologie (1931, H. 6) wurde von einem Einsender darauf hinge-
wiesen, dafi beim Schlager und bei der gewohnheitsmafiigen Musik, die uns im Alltag
durch Radio und Schallplatte begegnet, der Horer nur den „ideologiscben Voraus-
setzungen" beispielsweise der Jugendbewegung entzogen zu sein scheme. In der Tat
begegnet beispielsweise dem Menschen aus der Jugendbewegung haufig Musik, die er
geniefit, weil er Geschmack daran findet. Derselbe Mensch wiirde aber nicht zugeben,
er habe eine genufireiche Singewoche erlebt, die da gemachte und gehorte Musik
sei ganz, nach seinem Geschmack geweSen. Auch damit, dafi er sie verstanden
habe, ware das Wesentliche seines Erlebens nicht getroffen. Die Veranstaltungen einer
Singewoche wenden sich weder an die Genufifahigkeit, noch an den musikalischen Ge-
schmack, noch sogar an das Musikverstandnis, sondern an die Musikalitat. Diese und
jene konnen nebeneinander (in einer hier nicht zu begrenzenden Unabhangigkeit)
herrschen: es gibt Musik, die uns als ganzen Menschen andachtig stimmt, erhebt, er-
greift, hinreifit, und solche, die wir (bei einer Tasse Kaffee etwa) konsumieren; Musik
als Macht und Musik als Genufi, u. U. als intellektuellen Genufi des Musikver-
standigen. Wodurch erhebt sich nun Musik zur Macht? Wodurch ist also Musikalitat
bedingt? Nach dem obigen Zitat eines Einsenders istesetwasAufiermusikalisches —
„Weltanschauung", „ideologische Voraussetzungen", „Lebensform und Denkweise". Dies ist
nun freilich nicht ein aufiermusikalischer Mafistab im Sinn der Antwort der Arbeits-
gruppe (1931, Heft 12) auf die Laienfragen (Gustav Kralls). Es ist vielmehr ein Grund-
faktor, der fiir die Musikalitat deswegen nicht weniger wesentlich ist, weil er in dem
bildnerischen (schopferischen und nachschaffenden) Verhalten auf alien Geistesgebieten
wirksam sein mufi.
Seine Erforschung ist Sache der anthropologischen Psychologie, die in neuester Zeit
besonders von Ludwig Klages gefordert worden ist. Im Rahmen dieser Psychologie
hat Klages eine Ausdruckslehre gesqhaffen, deren Zentralbegriffe die des Formniveaus
und des Rhythmus', sind, welche die Lebensfiille jeder Erscheinung erkennen lassen. Da-
nach gilt vom Erscheinungsbereich der Klange besonders dies: das Leben soil in ihnen
erscheinen, bescheiden wir uns: anklingen. Wo das zutrifft, da ist Musik als Macht.
Jedoch urn in der Musik erscheinen zu konnen, mufi das „Leben" Qualitaten haben.
Ja, wo es einer bestimmten Qualitat dauernd entbehrt, schwindet die Musik, weil sie
von der zerstorten Musikalitat nicht mehr genahrt wird: da, wo die aufiermusikalischen
Lebensgebiete willkiirlich, d. h. antirhythmisch, organismusfeindlich geordnet sind. Es
geht um die grundlegenden Voraussetzungen dessen, was Trantow (1931, H. 8/9)
und besonders Johannes Midler (1931, H. 12) verlangen. Nur wo schon ein gehaltvolles
Leben da ist, bestehen auf die Dauer Schopfertum und Nachschaffen. 1 )
Dagegen konnen musikalischer Geschmack und Musikverstandnis auf dem Boden
eines vollig gehaltlosen, willkiirlich geordneten, und daher musikfeindlichen Lebens
wachsen. Musikpadagogische Arbeit fiihrt dann dem, was man Musikleben nennt, neues
Blut zu, womit die Blutarmut des Gesamtlebens sich nur weiter verschlimmert. Bei aller
J ) Vgl. hierzu meine Darstellung der Klagesschen Lehre in „Die Entwicklung zur sittlichen Personlich-
keit" (Religionspsychologische Reihe II.) H. v. Johs. Neumann. Giitersloh. 1931.
416
Rhythmus und gesellschaftliche Willkiir
Enge yon aufien gesehen, hat die Jugendbewegung doch genugende Weite, von innen
gesehen, besessen, urn das Beispiel zu geben: an einem Musikleben padagogisch zu
arbeiten, hat nur da Sinn, wo ein starkes Gesamtleben das Tun des padagogischen
Arbeiters und der Arbeitsgruppe durchwirkt. Fur die Musikalitat (also nicht den ziichtungs-
fahigen Geschmack und das intellektuelle Musikverstandnis) ergeben sich also zunfichst
drei sozialpsychologische Voraussetzungen :
1. Gehaltvolles Leben des Einzelmenschen,
2. Bereitschaf't des Einzelmenschen, sich neuen Gehalten zu offnen,
3. Vorbildliche Musikalitat des Padagogen (man beachte, dafi in der Musikalitat
gehaltvolles Leben eingeschlossen ist).
Und daher
4. Lebens- und nicht Zweckgemeinschaft der Musizierenden.
Die Lebensgemeinschaft kann nicht gewollt werden, ob sie sich einstellt, hangt von dem
Ausmafi der Erfiillung der drei ersten Voraussetzungen ab.
Die Anthropologic steht heute deswegen im Brennpunkt des Interesses, weil es
nicht um diesen oder jenen, sondern um den Lebensgehalt iiberhaupt geht; und
eben deswegen geht es auch um die Musik iiberhaupt. Solange nicht der Lebens-
gehalt, das Schicksalhafte von den iiberwuchernden WiUkurlichkeiten unserer Gesellschafts-
ordnung unterschieden ist, mufi die an sich wesentliche Forderung Ernst Emsheimers
(1931, H. 5/6), dafi das musikalische Tun durch das Bezogensein auf die Wirldichkeit
unserer sozialen Existenz wieder konkreten Sinn gewinne, die grofiten Bedenken erregen.
Fur den heutigen Menschen liegt alles nicht blofi Verhangnishafte, sondern positiv
Schicksalhafte in den in jene gesellschaftliche Wirklichkeit eingebetteten Gemeinschaften.
Bedeutet jenes Bezogensein fur den Nachschaffenden ein Sich-selbst-Wiederfinden in der
Musik, so kann es daher nicht ein „Wiederfinden" (F. Hoffmann in H. 5/6, S. 193) dessen
sein, was mein Verstand gefunden, sondern was mich seelisch betroffen, was mich
ergriffen hat.
Es ist eine einfache Feststellung, dafi die sogenannte Wirklichkeit unserer sozialen
Existenz zunehmend als nackte brutale Willkiir gesellschaftlicher Machte empfunden
oder gleichgiiltig hingenommen zu werden beginnt. Das Gleichgiiltige oder Selbstver-
standliche ist aber nicht Schicksal, wie die Erfahrungen Fritz Hoffmanns (1931, H. 5/6)
mit der Einbeziehung der selbstverstandlich gewordenen modernen Technik in die
Texte zeigen, und die Willkiir ist es erst dann, wenn sie, hoffnungslos iibermachtig, als
Verhangnis erlebt wird. Aber so weit sind wir denn noch nicht. Vielmehr baumen wir
uns gerade in der Gegenwart gegen die Willkiir auf um unseres Schick sals willen.
Uber dieses Schicksal unserer Zeit lafit sich Allgemeingiiltiges ausmachen und daraus
ein nicht durch den musikalischen Geschmack, sondern durch die Musikalitat dirigiertes
musikalisches Verlangen ermitteln.
W^o es im Alltag hochst unrhythmisch, zufallig, willkiirlich, mechanistisch, sinnlos
zugeht, wo er also keinerlei Lebensgehalt mehr bietet, ohne jedoch deswegen als
Verhangnis erlebt zu werden, da geht das Wesentliche des Lebens selbst als ordnender,
gliedernder Bhythmus auf; nicht ein Wandel eines vorhandenen Bhythmus, sondern
Wandlung des Antirhythmischen ins Rhythmische, der Rhythmus iiberhaupt wird zum
Schicksal. Dieses Schicksal strebt, die Entwicklung auf alien Gebieten zu bestimmen.
417
t
Ein krasser Fall von Berufsverletzung
Dies ist unsere Lage. Wenn Fritz Hoffmann (1931, H. 5/6 und H. 12) nach der
Beziehung der Musik zu den .,wirren Bindungen" des Alltagsmenschen, nach der an-
zuerkennenden Art der Enthebung fragt, go wiirde ich antworten, dafi der heutige un-
gestaltete All tag als arhythmisch, ja antirhythmisch in der lebensrhythmischen Musik
des Alltagsmenschen weder erscheint noch erscheinen soil. Denn, dafi man etwa, um
das nachstliegende Beispiel zu bringen, den rhythmischen Ablauf der in einem Maschinen-
saal erzeugten Gerausche in die Musik aufnehmen kann, konnte nur den Umstand
larvieren, dafi die Arbeitsvorgange, die jenen Ablauf hervorbringen, antirhythmische
Vorgange sind, und wiirde den um des echten Lebensgehalts willen notwendigen Protest
gegen die Mechanisierung schwachen. Die Stoppuhr konnte hochst rhythmisch ticken,
sie hilft aufjeden Fall den antirhythmischen Tagesablauf des Arbeiters sichern. „Empfindungs-
verwirrung auflosen" kann daher nur heifien : den Konflikt zwischen tradierter Gewissens-
bindung und vitaler Proteststimmung zugunsten dieser entscheiden, kann nur heifien :
Sicherheit eines neuen Gewissens schaffen. 1st Musik ohne Rhythmus wesensunmoglich,
so ist sie heute selbst Protest — wo sie volkslaufig ist. Am Punkt des geringsten Wider-
standes, in der Musik, tritt unser Schicksal zuerst in yoller Klarheit in die Erscheinung;
und wenn wir vorerst auch nur wiinschen, dafi er audi den Alltag ergreife, so bleibt
der Rhythmus dennoch unser Schicksal, an dessen Nichterfullung wir zugrunde gehen
wiirden.
Musikleben
WaS gilt eine MusikkHtik? Eberhard Preuliner
In weiten Kreisen der Musikerschaft ist die Ansicht vertreten, die Kritik sei nur
das wert, was sie gut und lobend sei; aufier dieser gem gesehenen Eignung fur Werbungs-
zweclce wird der Kritik meist kaum ein besonderer Eigenwert zuerkannt. Wenn man
sich fragt, wie kommt es, dafi eine Leistung, die doch immerliin einen ziemlich
komplizierten Denkakt voraussetzt, eine solche Geringschatzung erfahrt, so mufi die Ant-
wort zu einem Teil leider lauten: weil man begriindeten Anlafi hat, dem Urteil des
Kritikers mit ausgesprochenem Mifitrauen zubegegnen. Die Falle subjektiver Schwankungen,
sowohlim Urteil selbst wie in der Disposition zu urteilen, sind verstandlich; irren ist mensch-
lich, auch beim Kritiker. Selbst die Grenze des Phantasievermogens eines Kritikers, be-
sonders dem wirklich Neuen gegenuber, ist man gewohnt, als gegeben hinzunehmen.
Aber unverstandlich und beschamend (fur den ganzen Stand) bleiben die Falle, wo der
Kritiker wider besseres Wissen und grob fahrlassig urteilt, so dafi er statt der Wahr-
heit Unwahres berichtet. Wie jeder besonders krasse Fall falscher Berichterstattung, so
verdient der folgende offentlich angeprangert zu werden :
Walter Gieseking setzte, um gegen die Tantiemegebxihren zu protestieren,
vom Programm seines letzten Berliner Klavierabends Debussy und Ravel ab und spielte
statt dessen Chopin. Der Fall wurde der Tantiemefrage wegen am folgenden Tage iiber-
418
Systematischer Spielplanaufbau
all in der Presse diskutiert; man war sich uneinig iiber die Berechtigung der Giesekingschen
Mafinahme. Aber alle waren sich dariiber einig, dafi Gieseking statt Debussy und Ravel
Chopin gespielt hatte. Nur HerrPaul Zschorlich schrieb in der Deutschen Zeitung
vom 8. November 1932 folgende Kritik:
„Debusay und Ravel, in dessen schwieriger ,,Ondine" er wieder einmal seine ganze
technische Meisterschaft zeigen konnte, sind bei ihm bis ins letzte Sechzehntel aus-
gehorcht. In ihrer Ausdeutung iibertrifft er sogar die franzosischen Pianisten. Wenigstens
lernte ich noch keinen kennen, der ihn auf diesem Sondergebiet an Klangsinn und Elastizitat
des Spiels erreichte."
Gibt es eine Entschuldigung fur diesen unerhorten Fall der Verletzung oberster Berufs-
pflichten? Es gibt keine. Denn entweder hat Herr Zschorlich das Konzert gehort und
Chopin fur Ravel oder Debussy gehalten. Das ware das Verhalten eines unfahigen
Kritikers. Oder Herr Zschorlich schreibt iiber etwas, als ob er es gehort hatte. Das
ware das Verhalten eines pflichtvergessenen, ja unfair en Kritikers. So also sieht dieser
„Kritiker" aus, der unlangst in hochtonenden, von angeblichem Ethos und Deutschturh
geschwollenen Worten die — Entlassung so ziemlich aller Musiker von Rang von Klemperer,
Kleiber bis Hindemith verlangte. Vermutlich mochte Herr Zschorlich nicht mehr so oft
in Verlegenheit kommen, nicht gespielte Sechzehntel „aushorchen" zu miissen; deshalb
dezimiert er lieber (auf dem Papier) das Berliner Musikleben. Das Ganze soil sich wohl
Organisationskritik, gar noch in dem hohen Sinne Kretzschmars, nennen? Nun, wir wissen,
dafi nur derjenige, der Berufstreue im kleinen ausubt, Anspruch darauf hat, im grofien
ernsthaft gehort zu werden.
Musik und Oper in Magdeburg L . e. Reindi
Kennzeichnend fiir das Magdeburger Musikleben ist es, dafi in ihm die Oper niit
ihrer grundsatzlich sachlichen und modern orientierten Leitung (Generalmusikdirektor
Walter Beck) die dominierende Stellung hat. Die Oper kann sich stiitzen auf das im
ganzen ausgezeichnet disziplinierte Stadtische Orchester, das nur an einzelnen Pulten
noch einer gewissen Erneuerung bediirfte. Sie ist im Rahmen des Stadtischen Theater-
betriebes so subventioniert, dafi sie immer noch gute und bei einigem Entdeckergliick
oft hervorragende Gesangskrafte einsetzen kann. Vom beweglichen, auf schnellen
Wechsel der Auffuhrungen eingestellten Repertoirebetrieb fruherer Jahre ist man mehr
und mehr iibergegangen zu einem Spielplan, der nach Moglichkeit nur aus sorgfaltig
einstudierten und iiberwachten, von der Verschlampung eben jenes Repertoirebetriebes
gereinigten Auffuhrungen sich zusammensetzen soil. Das hat gegeniiber dem Nachteil
der geringeren Beweglichkeit den unschatzbaren Vorzug, dafi der Vertrauenskredit nicht
geschwacht und verbraucht wird, dafi aufierdem die einzelne Auffuhrung ganz anders
ausgewertet werden kann und dafi der aus der Subventionierung sich ergebenden
selbstverstandlichen sozialen Verpflichtung zur Erfassung moglichst weiter Publikums-
kreise ganz anders Rechnung getragen werden kann. (In der Tat konnen die Stadtischen
Biihnen bei gesenkten Preisen in diesem Jahre auf hohere Monatseinnahmen verweisen
419
„KuB der Fee" - getanzt
als noch im Vorjahr in den gleichen Monaten.) Die entschiedenste und vollkdmmenste
Leistung bei dieser erneuernden Arbeit wurde erreicht mit einer szenisch und musika- 1
lisch ausgewogenen, spannungsreichen, sauberen und in der Gesamtwirkung grofiartigen
Einstudierung von Verdi9 „Othello" (Regie Wolf Volker, der von Essen kam : niusikalische
Leitung: Walter Beck; Biihnenbild: Ernst RuferJ mit Carl Hartmann von der Berliner
Stadtischen Oper als „Othello"; Hartmann ist fur die ganze Spielzeit als Gast an der
Magdeburger Oper tatig.
Die Oper hat ausgezeichnete Regisseure, die vom Werk aus aufbauen, von der
Musik ausgehen und doch zur hochsten dramatischen Wirkung vorstofien : neben Wolf
Volker der Intendant Helmuth Gotze, der mit einer sehr prazisen Inszenierung von
„Hoffmanns Erzahlungen 1 ' sich als Opernregisseur einfiihrte und der wahrscheinlich auch i
Alban Bergs „Wozzeck" und Janaceks „Memoiren aus einem Totenhaus" iibernehmen
wird. Von den angekiindigten modernen Werken wird ubrigens zunachst Pfitzners
„Palestrina" herauskommen. Selbstverstandlich, dafi alle diese Werke von Walter Beck
dirigiert werden, der hier in Magdeburg die Mission eines Vorkampfers fiir die mo-
derne Musik erfiillt hat und der nun nach der Stagnation der letzten Spielzeiten in <
dieser seiner Mission wieder neuen Auftrieb zu erhalten scheint.
Unter seiner Leitung erfolgte soeben auch die szenische Urauffuhrung von
Strawinskys letzter Ballettpantomime „Der Kufi der Fee", die bisher nur konzert-
mafiig bekannt wurde. Mit dieser Komposition setzt Strawinsky konsequent den Weg
zur klassizistischen Klarheit und Absolutheit des musikalischen Kunstwerks fort. Das
vollig vergeistigte Klangbild, dessen melodische Substanz „inspir£ par la muse de
Tschaikowsky" ist, wird getragen durch eine aufs aufierste verfeinerte, nicht mehr
elementare, sondern gleichsam entmaterialisierte Rhythmik. Die Komposition der vier
Satze ist in sich vollkommen geschlossen, wunderbar durchsichtig ist das Orchester ge-
halten, in dem die beweglichen, der hochsten Klangenergie fahigen Holzblaserstimmen
vorherrschen. Die Handlung der Pantomime entspricht in ihrer einfach strengen Linien-
fiihrung der geistigen Haltung der Musik. Sie symbolisiert das Leben des Kiinstler-
menschen, seine Loslosung durch den Geist (Kufi der Fee) von der unbewuGten Natur
und seine Entfuhrung aus dem warmen Kreis des Lebens zu hoherer Berufung in das
Reich des reinen Geistes. Die szenische Verwirklichung dieser Idee, deren Voraussetzung
intensivste Zusammenarbeit zwischen musikalischer und szenisch-choreographischer Leitung
ist, gelang bei der Magdeburger Urauffuhrung in idealer Weise. Walter Beck brachte
die Klangschonheit, Durchsichtigkeit und Klarheit der Musik, ihre spharenhafte Ver-
geistigung ebenso wie ihre rhythmische Kraft zu zwingender Wirkung. Alice Zickler,
die Ballettmeisterin, setzte die rhythmischen Impulse in konzentrierte Bewegungsfolgen
um und schuf starke und iiberzeugende kontrapunktische Wirkungen. Die Magdeburger
Opernleitung hat mit dieser Urauffuhrung, deren Erfolg klar, grofi und unbestritten war,
der modernen Musik wieder eine wenn nicht entscheidende, so doch sehr wichtige
Position im Opernbetrieb der Gegenwart erobert.
Der Strawinsky-Urauffiihrung ging die Mozart-Tanzsuite „Les petits riens" voran.
Den Abend fiillte Mascagnis „Cavalleria rusticana", die unter Walter Beck und Wolf
Volker musikalisch und szenisch so grundsatzlich neu einstudiert war, dafi man gegen-
uber friiheren Auffiihrungen des Werkes fiiglich fast von einer neuen Oper sprechen konnte.
420
Magdeburger Chorpflege
Das Konzertleben der Stadt, das von den erfolgreichen Sinfoniekonzerten des
Stadtischen Orchesters die wichtigsten Anregungen erhalt, gibt in seiner bunten Zu-
sammensetzung aus Kirchenkonzerten, Orgelabenden, Chorkonzerten, Kammermusik- und
Solistenabenden das erfreuliche Bild eines durchaus musikfreundlichen Gemeinschaftslebens.
Magdeburg hat ausgezeichnete Chore: den Reblingschen und Domchor unter Bern hard
Henking, der sehr ruhrig ist; den Magdeburger Madrigalchor unter dem modern
denkenden Martin Jansen, den Lehrergesangverein und einige gute, auch fiir
grofiere Aufgaben sich einsetzende Mannerchore. Diese Chore,, die wichtigste Erziehungs-
arbeit an Laien leisten, bringen viel Bewegung in den Konzertbetrieb und in ihren
Programmen kann man einen erfreulichen Zug zur Zeitverbundenheit feststellen. Grofie
Sinfoniekonzerte, die der Kaufmannische Verein (in anfeuernder Konkurrenz mit dem
Stadtischen Orchester) in der Stadthalle mit Gastdirigenten und Gastorchestern veran-
staltet (zuletzt mit Fritz Busch und den Dresdner Philharmonikern, Adolf und Hermann
Busch als Solisten) sind die gesellschaftlichen Ereignisse der Konzertwinter. Dafi ihre
Zahl gegeniiber besseren Zeiten zuriickgegangen ist, versteht sich von selbst. Nur in
ganz geringen Dosen — Fritz Busch fuhrte Adolf Buschs neues Werk „Capriccio" auf —
findet moderne Musik Aufnahme in die klassischen Programme dieser Konzerte, deren
Eroberungs-Radius noch kaum iiber Richard StrauG hinausreicht. Wer Strawinsky, Hinde-
mith, Janacek, ja selbst Reger horen will, mufi zu den Konzerten Walter Becks mit dem
Stadtischen Orchester gehen.
Melosberichte
Orff-Arbeits- Die Musikabteilung des
qemeinschaft Zentralinstituts fiir Er-
■ D^_fi„ ziehuns und Unterricfit
in Berlin . - p . , .
net eine Arbeitsgemein-
schaft „Primitive Musikerziehung und In-
strumentalpflege" unter Leitung von Carl
Orff zusammen. Die Teilnehmer waren
Musiklehrer an Volksschulen, hoheren Schu-
len und Privatmusiklehrer.
Es lag in der Darstellungsgabe Orffs
begriindet, dafi er seine Gedanken und
Erfahrungen nicht systematisch entwickelte,
sondern dafi seine Methode und das Stoff-
gebiet nur allmahlich im Verlauf der
Sitzungen durch einen bestandig lebhaften
Gedankenaustausch mit den Teilnehmern
immer ldarer hervortrat. Er began n mit
Dii'igierubungen, die er mit den Kindern
zuerst vornimmt. Auf diese Dirigier-
iibungen kommt Orff stets ungezwungen
aus dem Spiel heraus, in gleicher Weise
ergeben sich die verschiedensten rhyth-
mischen Ablaufsformen des Dirigierens, die
als Spielbewegungen immer neu lebendig
sind und deshalb nie zum selbstverstand-
lichen mechaniscben Leerlauf werden. Eben-
falls aus dem Spiel heraus wird Stampfen,
Klatschen und Klopfen zur Verdeutlichung
rhythmischer Bewegungen eingeflochten.
Bei den Dirigieriibungen beginnen die
Kinder von ganz allein mitzusummen, es
ergeben sich frei schopferisch die ersten
Melodiebildungen.
Von den Dirigieriibungen ausgehend,
zeigte nun Orff, wie er primitive Instru-
mente in die Unterrichtsstunde einfiigt.
Rasseln, Klappern usw. werden im Unter-
richtsraum verstreut und von den Kindern —
wieder im Spiel — mitbenutzt. Die Kinder
werden zur Herstellung eigener Instrumente
angeregt, sie schnitzen sich Xylophonstabe
und bauen sich Trommeln. Etwas anders
geht Orff bei Erwachsenen vor, wo die
Anspriiche gesteigert und erhoht werden
konnen. Orffs Assistent, Hans Bergese, fuhrte
uns auf einer chinesischen Fafitrommel die
421
■'■■■■■■'■."■ j|
Orff: elementare Musikubung _
ver9chiedenen Schlagmoglichkeiten vor und
spielte einige Stiicke aus dem Schulwerk
(im Verlag Schott erschienen). 0rfF8 In-
strumente und Spielstucke aus dem Schul-
werk dienen — das wurde immer wieder
betont — nur als Anregung zur eigenen
Improvisation. Die Stimmung des Xylo-
phons will dem Kind das Spiel der
ihm eingefleischten Kinderlieder von vorn-
herein unmoglich machen, es wird zur
Improvisation aus dem Rhythmischen
heraus gezwungen. Beim Spiel der Trom-
mel wurde uns audi klar, dafi diese Musik-
erziehung in ihrer ganz starken Beziehung
zur modernen Musik unmittelbar in diese
einfiihrt. Erinnerungen an rhythmische
Bildungen bei Strawinsky (besonders „Ge-
schichte vom Soldaten") drangen sich un-
willkurlich auf.
Zwei Abende waren der Frage der
Melodiebildung gewidmet. In der absteigen-
den kleinen Terz sieht Orff die primitivste
Form melodischen Geschehens. An sie
reihen sich Nebennoten an ; unbewufit ent-
steht die Pentatonik. Unendlich mannigfach
sind die Improvisationsformen, die sich
ausfiihren lassen. Tiefe Stimmen halten
Quinten aus, und im leisen Hinschwingen
des Quinlenklangs beginnt eine Stimme zu
improvisieren, sie schwebt frei liber den
Tonen, aber nie wurde sie den penta-
tonischen Bezirk, die primitive Urform,
verlassen. Die primitiven Formen des
Musizierens kommen ganz aus dem Unbe-
wufiten des Menschen heraus.
Ihren besonderen Reiz erhielt die Ar-
beitsgemeinschaft durch die Diskussionen
mit den anwesenden Musikpadagogen aus
Berliner Schulen. Erfahrungen wurden
gegenseitig ausgetauscht, Anregungen ge-
geben und aufgenornmen.
Zum Schlufi wurde auf das jjrimitive
Orcliester eingegangen. Es setzt sich haupt-
sachlich aus den drei Gruppen zusammen :
Rasseln und Schlagstabe, Handtrommeln
und Pauken und als melodiefiihrende Instru-
mente Glockenspiel, Xylophon undBlockflote,
Primitive Instrumente wurden mitgebracht,
und die Teilnehmer vereinigten sich zum
Orchester, urn selbst unter Orffs Leitung
aus dem Schulwerk zu spielen. Dadurch
wurden wir selbst mit dem Instrumentarium,
422
der Spielweise und der Wirkungsweise der
Musik vertraut. Wir erkannten die Schwierig-
keit, die Erziehungsmoglichkeit und die bis
zum letzten steigernde Aktivierungskraft
dieses Musizierens. Karl Worrier
Heger und Als erste diesjahrige Opern-
Hindemith premiere gab es Robert
in Wie»n Hegers vor einigen Monaten
in Miinchen uraufgefiihrten
„Bettler Namenlos" . Der Komponist, der in ,
Wien als erster Kapellmeister an der
Staatsoper wirkt, ist als sein eigener Text-
dichter bemuht, das uralte Opernsujet von
der Heimkehr des Odysseus durch strenge
Anonymitat aller handelnden Personen auf
den fur alle Zeiten giiltigen, rein mensch-
lichen Gehalt der Fabel zu reduzieren.
Dieses Ziel wurde nur durch weitgehenden
Verzicht auf die Fafilichkeit der Biihnen-
vorgange erreicht. Hegers Musik halt" im
einzelnen durchweg ein hochst anstandiges
Niveau, ohne aber bis zu den letzten
Quellen melodischer Inspiration vorzu-
dringen. Im Gesamtaufbau lassen sich mehr-
fache Stilbriiche nachweisen : das Werk be-
ginnt als reines „Musikdrama", nimmt im
Mittelakt einen Anlauf zur „Grofien Oper",
um endlich mit Ballett und Hymnus ganz
im Konventionellen zu schliefien.
Die durch den Ernst und die Gediegen-
heit ihrer Gestaltung hochzuwertende Oper
Hegers fand in der von Clemens Kraufi
geleiteten vorziiglichen Auffiihrung eine
sehr freundliche Aufnahme.
Im Konzertsaal gab es in den letzten
Wochen eine in Wien noch nicht dagewesene
„Hindemith-Hausse" : Scherchen brachte die
„Bostoner-Symphonie", Clemens Kraufi das
„Philharmonische Konzert", Gottfried Kasso-
witz den Sketch „Hin und Zuriick". Ferner
horten wir das „Lehrstuck" und Teile aus
dem „Ploner Musiktag". Wir hoffen, dafi
nach dieser Flut von Auffiihrungen der
neueren Werke Wien sich endlich auch
auf Hindemiths friihere Produktion besinnen
wird, da deren Kenntnis die unumgang-
liche Voraussetzung fiir die richtige Beur-
teilung seines gegenwartigen Schaffens bildet.
Auch das alle Stileigentiimlichkeiten Hinde-
miths in vollendeter Weise umfassende
„Die goldenen Schuhe" in Mannheim
Oratorium „Das Unaufhorliche" sollte uns
nicht langer vorenthalten werden.
Von weiteren interessanten Konzert-
ereigaissen erwahnen wir noch die sturmisch
umjubelte Wiener Erstauffiihrung der
„Heiligen Elisabeth" von Joseph Haas und
eine mit hinreifiendem Schwung und im-
ponierender Geschlossenheit durchgefiihrte
Wiedergabe von Mahlers problematischster
Symphonie (Nr. 5) im Arbeitersymphonie-
konzert unter Leitung von Anton Webern.
Willi Reich
Nun auch Das Mannheimer Na-
Tschaikowsky- tionaltheater, an dem
Renaissance? in de " .j etz <, en J? 1 "" 6 ?
entscheidende Uraur-
fiihrungen neuer Opern stattgefunden haben,
ging diesmal in die Vergangenheit zuriick.
Nicht aus Feigheit, sondern einfach, weil
es keine neue Oper gibt. Und weil die
Musik dieser neuen alten Oper so bestechend
war, dafi sich ihre Auffiihrung zu lohnen
schien. Es handelt sich um die Tscliaikowsky-
Oper „Die goldenen Schuhe", bisher in
Deutschland nur in einer unmoglich en Uber-
setzung bekannt und darum nicht aufge-
fiihrt. Heinrich Burkard, der Donau-
eschingener Burkard, hat diesem Ubel mit
einer neuen, sehr gegliickten Ubersetzung
abgeholfen. Sie ist gutes Deutsch und sie
•ist musikalisch, dem Tonfall der Musik aufs
engste angepafit.
Diese Musik hat ihre in die Augen
fallendenVorziige. Sieistungemeinmelodisch,
aber auch rhythmisch interessant und iiber-
dies noch nicht wie beim spateren Tschai-
kowsky „westlich" angekrankelt, sondern
ursprunglich, „russisch". Sie erinnert an
Volksmelodien, sie ist packend ohn e reifierisch
zu sein.
Dem Buch liegt Gogols Erzahlung „Die
Nacht vor Weihnachten" zugrunde, ein
„Bauhnacht"-Motiv, spezifisch katholisch ge-
farbt, mit einem prickelnden Nebeneinander
von Gott und Teufel, Hexe und Madonna.
Es ist ein guter Opernstoff, das lafit sich
denken, wenn Weihnachten in der Nahe
ist, wenn ein Dorf im Schnee versinkt,
wenn der Zarenhof aufmarschiert und
wenn alles — die Menschen, die Teufel,
die Natur singt. Ein gutes Opernbuch,
weniger durch eine fortreifiende Dramatik
als durch die Buntheit des Geschehens und
der Schauplatze. So ergeben sich viele ein-
zelne Musiknummern, die in einem ariosen
Bezitativ miteinander verbunden sind. Und
es triumphiert die menschliche Stimme.
Die Mannheimer Oper hatte dafur die
lyrische Koloratursangerin Elice Elliard, die
wir im nachsten Spieljahr an die Dresdener
Biihne verlieren werden, den edlen Tenor
Heinrich Kuppingers, den artistisch ge-
wandten Sydney de Fries (als Teufel), die
musikalische Nora Landericli (Hexe) und
den grotesken Fritz Bartling einzusetzen,
aufierdem aber die lebendige, spriihende
Begie des Intendanten Herbert Maisch, die
subtile und feurige musikalische Gestaltung
Rosenstocks, die schonen Bilder Lofflers, und
so wurde es ein grofier Erfolg, der sich
sicher auswirken wird. Karl Laux
Neue Musik In Heidelberg gelangten
im Sudwesien durch den ausgezeich-
neten Organisten Karl
hinder (aus der Schule Straubes) mehrere
modern e Orgelwerke zur Ur- und Erst-
auffiihrung. Diese Arbeiten von Kurt
Rasch, Karl Kappesser, Arnim Pickerott,
Lawrence Feininger, Hanns Schindler und
Paul Coenen zeigen eine jungste Gene-
ration bemuht um einen Orgelstil, dessen
Kennzeichen die Verbindung von konzer-
tantem Element mit dem Charakter der
Gebrauchsmusik ist; iibrigens ein Beweis
dafur, wie nahe wir auch hierin wieder
der Situation der Orgel im barocken Zeit-
alter geriickt sind. Unter den genannten
Kompositionen fiel besonders die Urauf-
fiihrung einer Sonate op. 2 von Paul
Coenen (Berlin, Jahrgang 1908) auf. Die
Fuge dieses Werkes in ihrer Linearitat von
geradezu kammermusikalischer Fliissigkeit
iiberzeugt durch ihre frische Vitalitat.
H H
Von Hugo Herrmann, der sich in Wies-
baden besonderer Aufmerksamkeit erfreut,
kam im zweiter* Zykluskonzert der Kur-
verwaltung eine „Konzertmusik fiir Streich-
orchester, Trompete, Klavier und drei
423
■ » ' - •wmmn"W*' .«->l| i |^JH»»
**m*mm*m*mm. : pupfuaip.
Melosnotizen
Pauken" zur Urauffiihrung. Das Werk war
urspriinglich fur ein modernes Musikfest
im vergangenen Friihjahr geplant, mufite
aber damals zuriickgestellt werden. Herr-
mann kommt diesmal dem Publikum durch
eine einfachere klangliche Struktur ent-
gcgen: er macht den vielbegangenen Urn-
weg iiber die alte Musik und schreibt
„Sonata, Praambel, Fuga, Aria und Giga",
aber er vermeidet den „alten Styl". Die
produktive Eigenart Herrmanns, seinKlang-
sinn und seine tanzrhythmische Begabung,
kommen in den beiden letzten Satzen
am tiberzeugendsten zur Geltung. Carl
Schurichts Interpretation gab dem Ganzen
fine Ausgeglichenheit, die dem Autor viel-
leicht zu konziliant erscheinen mufite, die
aber seinen unbestrittenen Erfolg garan-
tierte. Den ungewOhnlich gesetzten Kla-
vierpart betreute Hans Gdbtl. W. St.
Notizen
Opor und Konzert
„Der Konig von Yvetot", komische Oper von
Jaquet Ibtrt, wurde von den Stadtischen Theatern
Dilsseldorf zur deutschen Urauffiihrung erworben. '
Karl Friderich, neuverpflichteter 1. Kapellmeister
des Coburger Landestheaters, bringt ira Dezember die
„Adler von Aquileja" und „Die Raben von San Marco"
von G. Francesco Malipiero zur Urauffiihrung. Zu-
samraen mit den beiden genannten Einaktern wird
als drittes Werk von Malipiero „Der falsche Harlekin"
aufgefuhrt (Sammeltitel : „Mysterium Venedigs").
Ende Januar kommt das neue Stuck von Georg
Kaiser und Kurt Weill an einer Reihe von Biihnen
zur gleichzeitigen Urauffiihrung.
Paul Hindemitlu Oratorium „Das Unaufhorliclie"
gelangte am 15. Dezember in Bottrop unter Musik-
direktor Paul Bekker zur Auffiihrung.
Der Sudwestdeutsche Rundfunk in Frankfurt a. M.
wird ein Violinkonzert von Paul Kadosa mit Adolf
Rebner als Solist unter Leitung von Hans Rosbaud
demnachst zur Urauffiihrung bringen. Fur Februar ist
eine Auffiihrung des Klavierkonzerts von Nik. Lopat-
nikoff vorgesehen.
In Wien fand die Erstauffiihrung des Oratoriums
„Die heilige Elisabeth" von Jos. Haas durch die
Gesellschaft der Musikfreunde unter Mitwirkung des
Wiener Mannergesangvereins und mit Robert Heger
als Dirigenten und Ria Ginster als Solistin eine so
begeisterte Aufnahme, dafi eine Wiederholung in
Aussicht genommen werden mufite.
Die „Chorvoreinigung Miinster", bisher mit der
Westdeutschen Erstauffiihrung von Haas „Die heilige
Elisabeth" und mit der h-moll-Messe von J. S. Bach
chorisch bedeutsam hervorgetreten, wird unter Leitung
des stadtischen Musikdirektors Jochum am 13. Januar
1933 „Konig David" von Honegger und Anfang
April die „Matthaus-Passion" auffuhren.
Das von Joseph Haas soeben vollendeteWeihnachts-
iederspiel „Christnacht" fur gemischten Chor und
424
kleines Orchester hat bereits iiber 100 Annahmen zur
Auffiihrung in kleinen und grofien Stadten gefunden.
Am 23. Dezember wird der Siidfunk aus Mannheim
das Werk zur Sendung bringen. Ausfuhrende sind :
der Mannheimer Kammerchor, das Philharmonische
Orchester und Solisten des Nationaltheaters Mannheim.
Lendvais „Psalm der Befreiung" ist nach der Ur-
auffiihrung auf dem Frankfurter Sangerfest nunmehr
in Leipzig vom Lehrer-Gesangverein unter Prof.
Giinther Ramin und in Magdeburg unter Helmut
Reinisch zur Auffiihrung gekbmmen.
Eine Auffiihrung von Hermann Reutters Kantate
„Der gliickliclie Bauer" in Dresden unter Paul Ann
fand derartigen Beifall. dafi sie sofort wiederholt
werden mufite.
Eine neue Kantate von Walter Rein „Wem soil
die Macht auf Erden sein" fur Baritonsolo, Kinder-
und Mannerchor und Orchester gelangt am 1. Weih-
nachtsfeiertag in Kassel zur Urauffiihrung.
Wladimir Vogels ,,Ritmica Ostinata" fand bei ihrer
Urauffiihrung in den Philharmonischen Konzerten des
Deutschen Theaters in Prag unter Georg Szell einen
spontanen Erfolg und wurde fur weitere Auffiihrungen
in Konigsberg, Krefeld, Frankfurt a. M. und Wien
angenommen.
Im Rahmen des zweiten Konzerts des West-
deutschen Kammerchors Hagen kamen zwei Konzert-
etiiden von Artur Laugs durch den Komponisten zur
erfolgreichen Urauffiihrung.
Grete Tramer hat als erste Pianistin den Neo-
Bechstein-Flugel in einem offentlichen Konzert mit
alten und neuen Werken der Klavierliteratur gespielt.
Der Philharmonische Chor in Berlin feierte in
diesen Tagen sein 50jahriges Bestehen durch eine
grofiartig schlichte Auffiihrung der h-moll-Messe von
Bach. Von Siegfried Ochs als Liebhabervereinigung
gegriindet, entwickelte sich der Chor zu seiner
heutigen hervorragenden Bedeutung. Die Leitung hat
jetzt Otto Klemperer.
i
TW"
Melosnotizen
Im Verlag von B. Schott's Sonne erscheinen
Herbert Trantows „Vier Madrigale fur fiinfstimmigen
a cappella-Chor nach Texten von Friedrich Holderlin.
Die in der „Interessengemeinscliaft DeutscJier Kom-
ponistenverbande" zusammengeschlossenen deutschen
Komponisten („GenosBenschaft Deutscher Tonsetzer"
und „Bund Deutsdier Komponisten") haben zum
neuen Urheberrechtsgesetz eine Resolution gefafit, in
der sie u. a. beantragt :
1. den Ausbau der Vorschriften tiber die berech-
tigten personlichen Interessen der Urheber am
Werk (Vorrang der personlichen Interessen vor
den Werknutzungsrechten, Schutz des Werkes
gegen Entstellung audi nach Beendigung der
Schutzfrist usw.),
2. Einfiihrung der 50jahrigen Schutzfrist,
3. Ausreichenden und eindeutigen Schutz der
Melodie,
4. Beibehaltung der im Entwurf vorgesehenen
Rechte an der Wiedergabe jeder Art mecha-
nischer Musik unter Fortlassung der im Ent-
wurf vorgeschlagenen geaetzlichen- oder Zwangs-
lizenz,
5. EinschrSnkung der freien Werknutzungsrechte.
,;Kulturbolsdiewismus" steht zur Zeit hodi im Kurs.
Harmlose Geister beschworen ihn bei den lacherlichsten
Gelegenheiten wie aus folgendem Bericht der
„Deutsdien Ricliard Wagner-Gesellschaft" hervorgeht:
„Der kiirzlich in Berlin uraufgefiihrte Gitta Alpar-
Film „Die oder keine" bringt u. a. eine Gaukler-Szene
am Hofe eines exotischen Staates. Feuerfresser und
Schwertschlucker zeigen hierbei ihre Kiinste. Zur
musikalischen Untermalung ertont, als der eine Gaukler
Flammen speit, das Feuerzauber-Motiv aus derWalkiire,
und wahrend das Schwert im Rachen eines anderen
Jahrmarktsluinstlers verschwindet, intoniert das Or-
chester Wagners Schwertmotiv. An einer anderen
Stelle des Films wird ein von Gitta Alpar gesungenes
Zitat aus dem Matrosenchor des Fliegenden Hollanders
mit einem langweiligen Sdilager kontrapunktiert.
Gegen diese mafi- und grenzenlose Wagnerverhoh-
nung erheben wir scharfsten Widerspruch, damit end-
lich einmal audi hier dem Kulturbolschewismus, der
keinen Funken Achtung vor den geistig-seelischen
Werten und Giitern des deutschen Volkes besitzt,
ein „bis hierher und nicht weiter" entgegengesetit
werde".
Ausland
D&nemark
Die Kleine Theatersuite von Ernst Toch und die
Passacaglia von Anton Webern gelangten im Kopen-
hagenar Rundfunk unter Leitung von Fritz Mahler
zur Erstauffiihrung.
FrankreicJi
Paul Hindemiths „Lehrstudc" wird zur Zeit ins
Franzosische ubersetzt. - Die Geigerin Hortense de
Sampigny wird Hindemiths Violonkonzert demnachst
in Paris zur Erstauffiihrung bringen.
Der neue Leiter der staatlich subventionierten
Pariser Komischen Oper, P.-B. Gheusi, plant „Ariadne
auf Naxos" von Bichard Straufi als letzte Saison-
novitfit herauszubringen. — „Die agyptisdie Helena"
gelangte unter Leitung des Komponisten im Theatre
Municipal in Straflburg als Gastspiel mit dem En-
semble des Karlsruher Landestheaters erstmalig zur
Auffiihrung.
Auf Einladung des Conte de Noailles gelangten
Kurt Weills „Mahagonny" in der einaktigen Baden-
Badener Fassung und die Schuloper „Der Jasager"
in Paris zweimal zur Auffiihrung. Der ,.Jasager" wurde
von Berliner Schtilern unter Leitung von H. Martens
aufgefiihrt. „Mahagonny" dirigierte M. de Abravanel,
Begie hat Dr. Curjel.
Holland:
Die Kgl. Vlam. Oper in Antwerpen hat Paul
Hindemiths Oper „Das Nuscli-Nuschi" angenommen
und wird sie im Marz nachsten Jahres in vlamischer
Sprache zur Erstauffiihrung bringen.
Der Holl&ndisclie Vereinfur neue Musik veranstaltet
in diesem Winter wieder eine Reihe von Kammer-
musik- und Kammerorchesterabenden. Das Quartett
fiir Geige, Klarinette, Tenprsaxophon und Klavier
von Anton Webern wird am 16. Januar in Amsterdam
uraufgefuhrt.
Otto Glastra van Loon, bereitet mit dem
Rotterdamer ,,Toonkunstkoor", wovon er audi
Direktor ist, die Hollandische Erstauffiihrung von
Hindemiths „Das Unaufhorliche" vor.
Das NiederlandUche Kammerorcliester unter Leitung
von Otto Glastra van Loon, veranstaltete vorigen
Winter sechs Abonnementskonzerte im Haag, die
ausabonniert waren. Er hat u. a. Symphonie II von
Milhaud, „Die Chinesische Flote" von Toch, Concer-
tino von Janacek, Volkstanze von Bartok, Spielmusik
von Hindemith, „Frauentanz" von Kurt Weill, „Kleines
Konzert" von Carl Orff, Cellokonzert von Hindemith,
Rhapsodie von Bliss, ,, Psyche" von de Falla, Konzert
fiir Streichorchester von Fitelberg, „Kleines Vorspiel' -
von Rathaus, ,,Fiinf Studce" von Todi, in ver-
schiedenen hollandischen Stadten zur „Erstauffiihrung"
gebracht. In dieser Saison wird das Orchester im
Haag, Amsterdam, Rotterdam, Haarlem, Leiden,
Schiedam, Hilversum, Arnhem, Hengelo, Delft, Amers-
foort, Apeldoorn konzertieren mit Werken von Hinde-
mith (Junge Magd, Bratschenkonzert, Frau Musica),
Mjaskowsky, Fitelberg, Krenek (Die Nachtigall),
Milhaud (Concerto pour alto), Graener (Cellokonzert),
Bloch, Givotoff.
425
■ ■u- ' >* r Jty ti "«»W ' ,
Melosnotizen
Schweiz :
Paul Hindemiths Oratorium „DaS Unaufhorliclie",
das bei dem diesjShrigen Musikfeet in Zurich bereits
zur Auffuhrung gelangte, konnte infolge des grofien
Erfolges in den Konzerten der Tonhalle-Gesellschaft-
Ziirich noch zweimal wiederholt werden; Dirigent
war wiederum Volkmar Andreae.
An der Ziiricher Oper wurde Richard Straufi'
„Frau ohne Scliatten" zum ersten Male in der Schweiz
aufgefiihrt. Die erste Wiederholung wurde von Strauss
selbst dirigiert.
Der Sangerverein Harmonie in Zurich (Leitung
H. Lavater) brachte Conrad Becks „Lyrisclie Kantate"
zur schweizerischen Erstauffuhrung.
In einem Kammermusikkonzert des Winterthurer
Musikkollegiums kam das neueste Werk von HeinricJi
Kaminski, eine Musik fur zwei Violinen und Cembalo
zur Urauffiihrung.
Zu der Notiz im Oktober-Heft iiber daa „Sing-
treffen fiir Neue Musik" in Bern ist noch nachzutragen,
dafi dort auch die „Spielmusik fiir Streicher" von
Erich Katz zur Auffiihrung gelangte.
Tscheclwslowakei :
Am 10. Marz erfolgt am Deutschen Landestheater
in Prag die Urauffuhrung der neuen Oper von Hans
Krasa „Verlobung im Traum".
Im November kam am Nationaltheater in Brilnn
die neue Oper von Jaromir Weinberger „Die Leute
von Poker Flat" zur Urauffuhrung.
Ungarn :
Das dreisatzige Konzert fiir Salonorchester von
Alexander Jemnitz gelangt im diesjahrigen Konzert-
zyklus des Philharmonischen Orchesters in Budapest
zur ungarische.n Erstauffiihrung.
SCHRIFTLEITUNG: PROF. DR. HANS MERSMANN
All© Sendungen fiir die Schnftleitung u.BeBprechungastucke nach Berlin-Char1ottenburg2, Berliner Strafie 46 (Fernruf Fraunhofer 1371) erbeten ,
Die Schriftleitung btttet vor Zuaendung von Manuakripten um Anfrage: mit Riickporto. AUe Rechte fiir afimtliclie Beitrage vorbehalten,
Verantwortlich fiir den Teil „Muaikleben" : Dr. HEINRICH STROBEL, BERLIN ; fur den Verlag : Dr. JOHANNES PETSCHULL, MAINZ /
Verlag: MELOSVERLAG MAINZ, Weihergarten 5 ; Fernaprecher: 41441 Telegramme: MELOSVERLAG; Postecheck nur Berlin 19425 •
Auslieferung in Leipzig: Karlatrafie 10
Die Zeitschrift erscheint am 15. jeden Monata. — Zu beziehen durch alle Buch- und Muaikalienhandlungen oder direkt tooi Verlag,
Dai Einzelheft kostetl.25Mk., dasAbonnement jahrl.10. -Mk., halbj.5.50Mk, viertelj. 3. - Mk. (zuziigl. 15Pf. Porto p.H., AuBland 20 Pf. p. H.J
Anzeigenpreiae: >/i Seite 100.- Mk. ■/« Seite 60.- Mk. >/ 4 Seite 35.— Mk. Bei Wiederholungen Rabatte. Auftrfige an den Verlag.
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Rhythmik / Gymnastik / Geh8rbildung /
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wachsene / Grofeer moderner Unteriditssaal
Diesem Heft liegen bei :
jDer Weihergar-
ten*, Verlagsblatt des
Hauses B. S ch o 1 1 ' s
S 6 h n e , Mainz (II. Jahr-
gang Nr. 12) ;
ein Prospekt des Ver-
lages B. Schorl's Sohne
iiber Paul Hindemiths
Spiel fur Kinder „W i r
bauen eine Stadt".
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des Melosverlages.
426
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Bd.-Nr. Sympnomsche Dichtungen Mk.
478 Aus Italien, op. 16 5.—
441 Macbelh, op. 23 3.50
444 Z rathustra, op. 30 3.50
445 Don Quixote, op. 35 3.50
498 EiiHeldenleben.op 40 (R.Specht — Vw.) 5 —
Dasselbe auf B iittmpapier gedruckt in
Liebhaber-Handband
(Ganzleder mit echten Bunden) . . . 25. —
51 -) Symphonia domestica, op. 53
<R. SpecM — Vw.) 6.—
499 Eine Alpensinfonie, op. 64
(R. SpeaM — Vw.) 6.-
Dasselbe auf Biiltenpapier gedruckt in
Liebhaber-Handband
(Ganzleder mit echten Bunden) . . .25 —
Wieder auf genoinmen •■
440 Don Juan. Tondichtg. (n. N.v.Lenau), op. 20 3.50
442 Tod und Verklarung. Tondichtung, op. 24 3.50
443 Till Eulenspiegels lustijre Streiulie.
Nach alter Schelmenweise in Rondeau-
form, op. 28 . 3.50
848 Orchester-Suite aus .Burger als Edel-
mann", op. 60 4. —
849 Tanzsnite aus Klavierstticken von
Fr CouperCn zusammengestellt . . . 4. —
292 Qnartett fur Pianoforte, Violine, Viola und
Violoncello, C moll, op. 13 2. —
Verzeichnisse
Thematische Verzeichnisse, enthaltend die Anfangs-Themen samt-
licker Werke der Sammlune; Mk. — .50
Nach Komponisten und Nummem geordnete sowie syBtematiscbe
Verzeichnisse als auch das Verzeichnis ,, Eulenburgs Kleine
Partitur-Ausgabe und Musikplatten" sind in alien Musikulien-
handlungen uncntgelllich zu haben.
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u. Orgel mit 2 Trompeten, 2 Posaunen u. Pauken ad lib.
Franzosischer Text v. Rene Morax, deutsch v. H. Weber
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TeDenm fiir 2stimmigen gemischten Chor mit Trompete,
Posaune, Pauken und Orgel, op. 33 Neu I
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Der gliickliche Bauer. Kantate nach Liedern von
Matthias Claudius fiir 1- und 2stimmigen gemischten
oder Mannerchor und Instrumente, op. 44 Neu I
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Die Hochzeit fLes noces). Russische Tanzszenen fiir Soli
und Chor mit Begleiiung von 4 Klavieren und Schlag-
zeug; autorisierte deutsche Nachdichlung v. Ernst Schoen
BRUNO STURMER
Der Zngdes Todes „Ueber die HeideimMorgengrauen".
(W.Seidel) fiir gemischten Chor und Schlagzeug, op. 7
Frauendior :
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Lyrische Kantate fiir Soli, Frauenchor und kleines
Orchester nach Texten von R. M. Rilke
Mannerchor :
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Die Dorfmusik. Ein heiterer Chor mit Kammerorchester
oder a cappella. (in Vorbereitung) Neu !
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Turmerlied (lntrada) nach Worten des Tiirmers aus
Goethes „Fausf fiir Mannerchor u. Blaser (3Trompeten
und 3 Posaunen.
WILHELM RETTICH
Der Sohafer „Es war ein fauler Schafer" fGoefhe) fiir
3stimmigen Mannerchor und Englisch-Horn (oder
KJarinette), op. 28 Neu !
BRUNO STURMER
Hnsikanteuleben. Suite nach Texten von Eichendorff
fiir Mannerchor mit Begleitung von zwei Geigen,
Klarinette, Fagott, Horn, Trompele u. Schlagzeug, op. 69
1. Wanderlied (Praludium) / 2. Tusch (Courante) /
3. Vor der Stadt (Jiarabande) / 4. Der Hochzeitssanger
(Rondeau) Neu/
Vom Tode. Ein Zyklus fiir Mannerchor mit 4 Hornern,
Streichquartett, Klavier oder a cappella, op. 1
Der Fei nd „Einen kenne ich" (C. Brenlano) /Der
Tod „Ach, es ist so dunkel" (M. Claudius) / Grab-
schrift „Erde gleifit auf Erdrn" (Th. Fontane) / Chor
derToten „WirTotensind grofiere Heere" (C.F.Meyer)
Drei Lieder von Eiciiendorf fiir Mannerchor und
2 Horner, op. 62
Der traurige Ja'ger ,,Zur ew'gen Rub sie sangen" /
Kurze Fahrt „Posthorn wie so keck und frohiich" /
Abschied „Abendlich schon rau^cht der Wald"
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stehenden Raumes zusammengestellt. Der
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(Fortsetzung aus dem August-September-tteft)
Use Kaminski: E. Moritz
Max Kaplick : Graener; Kowalski: Pierrot Lunaire
Trunk; H Windt
Jeanne Koetsier: Krenek: Keisebuch
Eva Kotsoher-Welti : Schoeck
Lotte Kreisler : Haas
Else Kubie : Mittler; Respighi; Toch
Margret Langen: Haas; Stephan
Annamarie Lenzberg: Windsperger
Felix Loeffel : Schoeck; Elegie op. 36 (m. Kammerorch.)
Paul Lohmann: MatUesen; Rentier; Russische Lieder,
op. 21
Valentin Ludwig: Windsperger
Helene Maas-Pesch: Hindemith: Marienleben
Lotte Hader-Woklgemutli : Lendvai
Mart Martin: Debussy; M. de Falla; P. Graener:
Galgenlieder; Louis Gruenbeig: Negro spirituals;
Hindemith: aus op. 18 und Marienleben; Jarnach;
Kaminski: Geistliche Lieder; Erich Katz: Tage-
lieder mit Viol, allein; Krenek; Milhaud: Catalogue
de fleurs; Schbnberg: aus op. 6 und Georgelieder;
Schreker; Stephan; Strawinsky ; J. Weismann
Grete Herrem-Nikisoh : Hindemith
Amalie Merz-Tunner : Fortner: Fragment Maria;
Toch: Die chinesische Flote
Marianne Mislapp-Kapper: Hindemith; de Falla;
Pisk; Prokofleff
Lula My sz-Gmeiner : Bernh. Blau; Schbnberg
Mia Neusitzer-Thoennissen : Haas: Christuslieder,
Lieder der Sehnsucht, Gesange an Gott, Unterwegs
Margarete Olden: H. Reutter: Russische Lieder;
P. Hindemith ; E. Krenek.
Clans Panzera: Milhaud: Hebraische Volkslieder
Anny Quistorp: Haas: Lieder des Gliicks, Tag und
Nacht; Hindemith: Die Serenaden; H. K. Schmid:
Klang urn Klang; Stephan; Toch: Die chinesische
Flote
Marc Raphael: de Falla; Roger Quitter; Respighi
Marianne Rau-Hoglauer: Rud. Fetsch; Kallenberg ;
Pisk: Hymnus an die Liebe; Schbnberg: Herz-
gewachse
A. Reiter: Honegger: Konig David; Kodaly: Psalmus
Hungaricus: Krenek: Reisebuch
Carmen Renter: Roger Quitter
Margarete Richter: Haas
Hermann Schey: Stephan
Maria Schlelch-Banr : Jiillig: Gesange mit Streich-
quartett
Claire Schliepe-Winzler: Grelchaniioff ; Knab;
Pfitzner; Schbnberg (Hangende GSrten; Soli aus
dem fis moll-Streichquartett) ; Schreker; Rudi Stephan
Vftchdruclc our mit beionderer Erltubnii.
Rnth Sohbbel: Grosz: op. 10; Haas: op. 54
Maria Schultz-Birch : E. Erdmann; Schbnberg;
Hans Gebhardl; Jarnach; H. Tiessen; Toch;
Wunsch
Elisabeth Schumann: Krenek: Reisebuch
Ida Schiirmann-Hercliet: W. Bbhme: Der Heiland
(Sopranpartie); Haas; Knab; Messner
Mimi Seiler: Walter Lang; Albert Roussel
Lucy Siegrist: Krenek: O Lacrymosa
Hans Sievrert: Hindemith: Marienleben; Schoeck
Thea Silten: Schbnberg: Gurre-Lieder
Magda Spiegel: Grelchaninoff
Julia-Lotte Stern: Haas: Christus-Lieder ; Hinde-
mith: Marienleben
Julie de Stuers : Poulenc; Ravel
Beatrice Sntter-Kottlar : Rudi Stephan
Rnth Symanczik-Hagen: Fedtke: 3 ernste Gesange;
Kammerkantate; Kaminski: Wessobrunner Gebet
Marg. Teschenmacher: Toch: Die chinesische Flote
Inga Torshoff : Fortner : Marianische Antiphonen (Alt)
Theodora Versteegh: Kodaly
Bertlie de Vigier: Jessinghaus: Marienlieder (mit
Chor u. Kammerorchester); Honegger : Konig David
(Solo)
Rose Walter: Fortner: Fragment Maria; Kammer-
kantate; Haas: Tag und Nacht; Hindemith: Die
Serenaden; Honegger : Konig David; Kaminski:
Magnificat; Milhaud: Catalogue de Fleurs; Schbn-
berg: Solo im Streichquartett op. 10; Strawinsky :
Chant du Pecheur, Air du rossignol, 3 japanische
Lieder, Pastorale; Toch; J. Weismann: Der gelbe
Vogel; Windsperger: Lieder mit Klavier, „Fremder
Sang"
Reinhold von Warlich: Haas; Jarnach: op IS
irma Weile-Barkany: Hindemith: Marienleben;
Kodaly; Jarnach: Lieder op. IS; Pizzetli; Stepan;
Tiessen
Rnuolf Watzke: Moussorgsky : Lieder und TSnze des
Todes
Hilde Wesselmann: Grelchaninoff
Clara Wirz-Hess: Fortner: Fragment Maria
Edith Wolf: Szymanowski: Kinderlieder
Colette Wyss: t hausson; Debussy: La demoiselle elue;
L'enfant prodigue; Duparc; de Falla; Faure";
Hindemith; Honegger: Le roi David; Kaminski:
Magnificat; Maurice; Ravel; Respighi; Schoeck;
Strawinsky
Elisabeth Zulauf: Hindemith : Marienleben ; Respighi •■
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Dieses zum erst en Male veroffenllichte Klavierkonzerl, welches aufgrund seines geistigen Ge-
haltes und seiner nieisterlichen Gestallung lange Zeit fiir ein Werk Joh. Seb. Bachs geliallen
wurde. stammt aus der Feder seines genidlen dltesten Sohnes Triedemann Es ist in gleicher Weise
hervorragend geeignet fiir den Konzertvortrag wie fiir Unterriclvtszwecke, insonderlieit fiir Priifungs-
abende in Konseruatorien. Die Begleitung isl sowohl von einem Streichorchester (Original) wie von
einem zweiten Klavier ausfiihrbar.
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Die vier ,Jtlailander Quartette" sind Jugendwerke Mozarts, aber vollgiiltige Zengnisse seines Genies
und haben auSerdem den Vorteil, leichler zu sein als die bekdm,ten Quartette. Ihre Entdeckung
durch Heinrich Wollheim ist einem besonderen Gliicksfall zu cerdanken.
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Herausgegeben von/Yexnr/cft Wollheim; Kadenzen u.Aussctzung der bezifferten Basse von Wolfgang Jacob!
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Bei der Veroffentlichung dieser drei kleinen Klaviet konzerte handelt es sichum den Erstdruck
von Arbeiten des jungen Atozart, die zu den liebenwiij digsten Schbpfungen der Rokokozeit ge-
horen und eine hervorragende Bereicherung der Konzertliteratur darstellen. Aber auch fiir den
UnterricM hegt ihre groSe Verwendungsmoglichkeit auf der Hand und zwar sowohl in chorischer
wie in kammermusikalischer Beselzung (zwei Violinen, Violoncello und Klavier).
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>Es sucht das Lamm« (Verlaim-Rilke) / Psalm 46 »Gott ist unsre Zuversicht und Starke*
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„Und blinken die Fenster noch winterblind''
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„Vom Himmel die Heiligen steigen"
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„Rinder, wir
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Lieder fiir eine Singstimme und Klavier
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chor mit oder ohne Klavierbegleitung
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Worte von Hugo Basch. Titelblatt
und Vignetten von Lotte Handl.
In halt: Spatz und Katz — Aff* und
Negerbub — Papagei aus Uruguay
— Zwei Frosche — Sonderbare
Tiere — Schlaflied fiir Bonzo
Klavierausgabe RM. 2. — Singstimme je 25 Pfg.
Ganz einfache Liedchen, aber von bestrickendem Reiz!
Fiir die Mutter wie fiir die Kinder, fur die Schule wie
fiir den Konzertsaal. Seit langem sind keine derart ent-
ziickenden Liedchen erschienen.
„Diese Lieder sind endlich einmal wirklich fiir
Kinder geschrieben und diesen sowohl musikalisch, als
auch textlich verstSndlich. Wenn sich eine Gelegenheit
ergibt, werde ich aus voller Uberzeugung fiir die Lieder
dieses hochbegabten Musikers eintreten".
Prof. Erich Metier, Wien, Staatsoper
Die neuerliche Durchsicht hat mir wiederum ge-
zeigt, dafi die Lieder sehr sanglich sind und bei den
klemen Sangern und ihren HOrern die Wirkung nicht
verfehlen weiden. Ich habe im Sinne, die Lieder bei
der nachsten Gelegenheit mit meinem Kinderchor zur
Auffiihrung zu bringen. Hud. Schoch, Zurich
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loner Musiktag
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Diese Stucke wurden fiir ein kleines Musikfest geschrieben das im Friihjahr 1932 in der
Staatlichen Bildungsanstalt zu Pion stattfand Dem Zweck entsprechend die musikliebende
Jugend zu belehren und zu unterhalten,habe ich midi bemuht, eine Musik zu sdireiben,
die dem Spieler nnd Horer dieser Kreise in jeder Beziehung zusrangfich ist . . .
Man sollte nidit den falsdien Ehrgeiz haben, um jeden Preis den ganzen „Ploner Musiktag"
aufzufuhren ,• es ist vieimehr wfinsdienswert, die Stiicfee den Umstanden und
den Moglidtkeiten entsprediend auszuwahlen und einzuriditen. P. H.
Gliederung:
A. Morgenmusik
fiir Blechblaser (Tuba ad libitum)
Partitur Ed. Schott Nr. 1622 M. 1.50
hierzu Stimmen (4) . . . . je M. — .45
B. Tafelmusik
fiir Flote, Trompete oder Klarinette, Streicher
(hoch, mittel, tief)
1. Marsch, 2. Intermezzo, 3. Trio fiir Streich-
instrumente, 4. Walzer
Partitur (1—4) Ed. Schott Nr. 1623 M. 3.—
hierzu Stimmen (5) . . . . je M. — .75
C. Kantate: Mahnung an die Jugend
sich der Musik zu befleifligen
nach Worlen des Martin Agricola fiir Jugendchor,
Solo, Sprecher (Mrlodram), Streichorschester,
Blaser und Schlagzeug ad lib.
Partitur Ed. Schott Nr. 1624 M. 4.50
Chorstimme M. — .40
Solostimme und Sprecher je M. 1.20
3 Orchesterstimmen (hoch, mittel, tief)
je M. 1.20
D. Abendkonzert
Nr. 1 Rinleitungsstiicfc fiir Orchester
fiir hohe, mittlere, tiefe Stimmen
Partitur Ed. Schott Nr. 1691 M. 2.50
hierzu jede Stimme M. — .75
Nr. 2 Flotensolo mit Streichern
Partitur Ed. Schott Nr. 1692 M. 1.50
hierzu jede Stimme (Solo-Flote, 3 Streicher)
M. —.45
Nr. 3 Zwei Duette fiir Violine u. Klarinette <B>
Partitur Ed. Schott Nr. 1693 M. 1.50
Nr. 4
Nr. 5
Variationen fiir Klarinette <B> nnd
Streidier
Partitur Ed. Schott Nr. 1694 M. 1.50
hierzu jede Stimme (Solo-Klarinette,
3 Streicher) M. —.45
Trio fiir Blockfloten (einzeln od. chorisch
besetzt)
Partitur Ed. Schott Nr. 1695 M. 2.—
hierzu jede Stimme . . . . je M, — .75
Nr. 6 Quodlibet fiir Orchester
fiir hohe, mittlere, tiefe Stimmen
Partitur Ed. Schott Nr. 1696 M.
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All. Dafi der feinsinnjge Musiker Werner Wehrli auch eine humoriatische Ader
hat, iat bekannt, sie lebt aich in diesen Klavieratiicken und Versen in reizender
WeiBe aua. Nebenbei macht er auch hier gute Muaik, er gibt/recht interessante
Niiaae zum Knacken und sorgt, dafi man beim Bemiihen, das Richtigc zu finden,
auch etwas lernt. Phantasiebelebte Zeichnungen dea Kunstmalers Alb. J. Welti
tragen daa ihrige dazu bei. So ist anzunehmen, dafi dieae originelle Cabe den Weg
auf manchen Weihnaclitatisch finden wird. K.H.David i. Schweiz. Muaikzeitung.
Der alte Musikhumor treibt noch immer Bluten. Ein Ratselbuch von Werner Wehrli
legt davon vergniigliches Zeugnia ab. Grofien und Kleinen wird es manche Slunde
frohmutiger Unterhaltung und in unbeschwerlicher Weise auch vielaeitige musika-
liache Anregung geben. Wer mochte sich nicht ana Klavier setzen, urn all die ver-
Iorenen Vorzeichen und die vertauschten Schliissel zusammenzusuchen und aua-
zuwechseln, hier eine Begleitung zurechtzurucken, dort ein durcheinandergeschutteltea
Stiicklein zu einem wohlbekannteu Lied zu ordnen oder in einer „Valse de Chopin"
den „guten Kameraden" zu entdecken und was der unterhaltaamen Dinge mehr
sind. Und neben den Ratseln wartet Wehrli mit lustigen Kompositionen auf: da
gibta Landler, die vorwarta und riickwarta tonzen, die im Kanon gehen. im Spiegel-
bild zu lesen sind und noch andere vertrackte Dinge mit sich geachehen laaaen.
Schwierigev wirds. wenn es gilt, angedeutete Kanons selber zu Ende zu fiihren, —
da heifita auch fur den Lehrer, der im Untcrricht freudig zu dieaem Ratselbuch
greifen wird, wachsam sein I Ein paar frohliche Quodlibeta und ein muaikalisches
Zuaammenaetzapiel — wie aclion Haydn und Mozart aie launig erfunden — werden
ebenao zum Nachsinnen wie zum eignen Probeln ermunlern. Wehrlia mit lustigen
Federzeichnungen geschmiicktes „Ratselbuch ( < ist ein redites Geschenkwerklein und
ein Freudenquell fur jeden musikalisdien Menscfien. Dr. W. Schuh.
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